Ohne Blut würde es nicht gehen, das wurde Patrick Brown nach einer Weile klar. Das machte die Sache ziemlich schwierig – unmöglich, hätten viele gesagt. Der 60 Jahre alte drahtige Stanford-Professor aber ließ sich nicht davon abhalten. Er gründete ein Unternehmen und nannte es frech Impossible Foods. Sein Ziel: Aus Pflanzen einen Burger herstellen, der schmeckt, als wäre er wirklich aus Tier gemacht. Und wenn er dafür Blut brauchte, dann mussten eben Pflanzen bluten lernen.
Impossiblefoods.com
Das ist etwa vier Jahre her. Und Impossible Foods auf dem besten Weg, verdammt erfolgreich zu werden. Die Mitarbeiter haben es tatsächlich geschafft, einen blutähnlichen Saft herzustellen, der dafür sorgt, dass ein damit geimpfter Pflanzen-Burger plötzlich nach echtem Fleisch schmeckt. Vor kurzem gingen die Meldungen durch die englischsprachigen Medien, dass Google dem Unternehmen ein Kaufangebot in Höhe von 300 Millionen Dollar gemacht habe. „Google will, dass die Welt fleischfrei wird“, schrieb eine Zeitung aufgeregt. Das Unternehmen aber habe abgelehnt – zu wenig Geld, heißt es. Vertreter von Impossible Foods wollten die Gerüchte mir gegenüber nicht kommentieren. Aber es ist gut möglich, dass sie stimmen.
Denn Fleischersatz ist, so viel ist jetzt wirklich klar, kein vorübergehender Trend für Yoga-Hipster in Großstädten. „It’s a thing“, würde man in Amerika sagen. Ein großes, vielleicht das nächste große Ding in der Entwicklung unserer Ernährungsweise. Start-ups, die Fleischalternativen entwickeln, ziehen zurzeit die ganz großen Investoren an. Microsoft-Mitgründer Bill Gates finanziert mit, der Hongkonger Milliardär Li Ka-shing und eine Reihe von Risikokapitalfirmen. Damit sind Veggie-Schnitzel raus aus der Gutmenschen-Ecke. Ihre Nachfolger sind potenzielle Topseller. Und das heißt, sie könnten die Welt erobern.
In Deutschland wollen die größten Fleischhersteller an die Ersatz-Wurst
In Deutschland sind sie schon auf dem besten Weg. Was man zweifelsfrei daran erkennen kann, dass der größte deutsche Fleischproduzent Tönnies laut Branchenblatt Fleischwirtschaft noch in diesem Jahr eigene vegetarische Schnitzel entwickeln will. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle hat schon letztes Jahr vegetarische Frikadellen und Mortadella in die Läden gebracht und dann 2015 Schnitzel hinterhergeschoben.
Man habe das beobachtet, sagte mir André Vielstädte von Tönnies, und gesehen, dass sich die Fleischimitate extrem gut verkauften. Bei Tönnies sei man im Moment in Sachen Veggie-Fleisch „noch in der Findungsphase“. Wie genau der Fleischriese in den Trend einsteigen wird, ist also noch unklar. Aber wenn Tönnies das macht, ist es eindeutig, dass die Fleischbranche ernsthaft umdenkt. Sie muss es auch, denn der Fleischabsatz in Deutschland sinkt.
Anders als bei Wurst, wachse der Markt für Fleischersatzprodukte seit Jahren, heißt es bei Rügenwalder. „Momentan machen die fleischlosen Produkte bereits 20 Prozent des Umsatzes der Rügenwalder Mühle aus, Tendenz stark steigend. Das Unternehmen rechnet damit, dass die Veggie-Produkte im Herbst bei einem Umsatzanteil von 30 Prozent liegen. Das war ursprünglich bis Ende 2016 vorgesehen“, sagt Godo Röben, Marketing- und Entwicklungschef bei Rügenwalder.
Die Käufer fleischfreier Würste sind nicht unbedingt nur Vegetarier, obwohl deren Menge stetig wächst – laut Vegetarierbund (VEBU) ernährt sich mittlerweile fast ein Zehntel der Deutschen fleischlos. Einer Forsa-Umfrage zufolge gibt es aber noch viel mehr „Flexitarier“, Menschen also, die bewusst mehrmals die Woche auf Fleisch verzichten.
Dass jetzt ausgerechnet die großen Fleischhersteller in den Fleischersatzbereich hineingrätschen, ist also ironisch, aber folgerichtig. Und es wird dafür sorgen, dass Ersatzfleisch überall gegessen werden wird. Laut Vegetarierbund, dessen Unterstützer-Label auf die fleischfreien Rügenwalder-Produkte gedruckt wird, werden allein diese langfristig in rund 23.500 Märkten in Deutschland erhältlich sein. „Zum Vergleich: 2012 gab es in Deutschland knapp 500 Bio-Supermärkte und insgesamt knapp 2.400 Naturkostfachgeschäfte, in denen ein solches Angebot zu finden war“, schreibt der VEBU in seiner Begründung dafür, warum er eine Wurstfirma unterstützt.
Blut aus Pflanzen
Bei Impossible Foods in Redwood City, Kalifornien, arbeiten mittlerweile 50 Wissenschaftler, Köche, Ingenieure und Bauern. Sie sind ihrem Ziel schon sehr nahe gekommen: Aus fünf verschiedenen Pflanzenarten, darunter Spinat, stellen sie Materialien her, die Fett, Bindegewebe und Muskeln von Tieren gleichen. Und natürlich Blut. Dafür extrahieren sie aus Pflanzen eine Variante der Stoffgruppe der Häme. Bei Tieren ist Häm b ein Teil des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Es kommt aber als Leghämoglobin auch in Hülsenfrüchten vor. Es sorgt dafür, dass Blut rot ist und Fleisch nach Fleisch schmeckt. Und zwar umso mehr, je roter das Fleisch ist – deshalb schmeckt Rind „fleischiger“ als Huhn.
Impossible Foods macht jetzt ein Burger Patty, das, wenn man es roh von einem Teller nimmt, eine täuschend echte rote Spur hinterlässt. Der Saft schmeckt metallisch, der Burger an sich „sieht aus wie Fleisch, blutet wie Fleisch und brutzelt auf dem Grill wie Fleisch“, wie eine erstaunte Reporterin des Wall Street Journals kommentierte, die den Burger exklusiv als Erste probieren durfte. Obwohl das Resultat noch eher an Truthahn erinnere und nicht an ordentliches Rindfleisch, stelle sich beim Reinbeißen das „unmissverständlich, schwer definierbare“ Gefühl im Gehirn ein, dass man etwas im Mund habe, „das vorher rumgelaufen ist“.
Ein großer Unterschied zu den ersten Burger-Versuchen, die nach den Worten des Gründers wie „ranzige Polenta“ geschmeckt haben sollen. Aber noch hat die Firma nicht das selbstgesetzte Ziel erreicht, ein Produkt zu kreieren, das auch Fleischliebhaber freiwillig essen würden. Und zwar nicht, weil sie eine vegetarische Alternative suchen, sondern weil sie „den köstlichsten Burger im bestmöglichen Preis-Leistungsverhältnis“ wollen, wie Geschäftsführer Lance Ignon sagt. Denn das Pflanzenhack soll letztlich billiger sein als das tierische Äquivalent.
In den USA soll der „Impossible Burger“ nächstes Jahr schon auf den Markt kommen. Und dann so schnell wie möglich auch in anderen Ländern verkauft werden, sagt Ignon. Auch in Europa, natürlich.
https://www.youtube.com/watch?v=3LdbpqLkH6k
Brown, dessen wissenschaftlichen Hintergrund die Biochemie ist, hat sich schon wieder größere Ziele gesetzt. Man könne nicht nur Dinge produzieren, die wie Kuh schmeckten, sondern sogar besser, sagte er dem Wall Street Journal. Mit der Zuversicht eines echten Silicon-Valley-Bürgers erklärte er: „Wir können alles machen.“