Weihnachten gilt als Fest der Liebe und Besinnlichkeit – aber sind wir mal ehrlich: Vor allem ist Weihnachten ein Fest des Konsums. 507 Euro pro Kopf wollen die Deutschen in diesem Jahr durchschnittlich für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Das große Schenken hat seinen Preis aber nicht nur auf dem Konto: An den Feiertagen fallen bis zu 30 Prozent mehr Müll an als an anderen Tagen, zum Beispiel durch Geschenkpapier und Verpackungsmüll.
Und dann ist da ja noch der ganze Stress rund ums Schenken: Denn alles rechtzeitig zu besorgen, bedeutet ganz schön viel Orga. Entweder du begibst dich in überfüllte Innenstädte, die zur Vorweihnachtszeit ein lebhaftes Abbild von Dantes neun Höllenzirkeln sind oder du schlägst dich stundenlang durch das unendliche Angebot des Internets. Und was sollst du eigentlich schenken?
Wie können wir also nachhaltiger schenken und das möglichst entspannt? Das habe ich die KR-Community und eine Konsumforscherin gefragt.
Warum schenken wir?
Geschenke gibt es in allen Kulturen schon seit Ewigkeiten. Sie sind Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen und zeigen Respekt und Zuneigung. Wenn wir schenken, zeigen wir der anderen Person damit, dass wir an sie denken. Im ersten Moment geben wir Geld ohne Gegenleistung aus – doch wenn wir das Geschenk überreichen, werden wir belohnt: „Psychologisch bekommt man das gute Gefühl zurück, jemand anderem eine Freude gemacht und etwas Gutes getan zu haben. Und das natürlich umso mehr, je mehr sich die andere Person dann tatsächlich auch freut“, erklärt die Sozialpsychologin und Konsumforscherin Janina Steinmetz. Mit dem richtigen Geschenk kann man also sich und die andere Person glücklich machen. So lässt sich die Beziehung stärken.
Das in die Tat umzusetzen, ist natürlich bei Menschen schwierig, denen man eigentlich nichts schenken würde, sich dazu aber verpflichtet fühlt. Denn wenn in einer Beziehung die Schenkerei erst einmal angefangen hat, ist es schwer, damit aufzuhören.
Schenkst du deinem Großonkel, den du gar nicht wirklich kennst, auf einmal nichts mehr, ist es unangenehm, wenn er dir wie jedes Jahr abgestandene Marzipankartoffeln überreicht. Wir wollen, dass Beziehungen fair sind: Wenn ich dir etwas gebe, dann gibst du mir was zurück, denn sonst stehen wir in der Schuld des anderen.
Nachhaltig zu schenken, fängt auf der Gefühlsebene an. Denn wenn sich die beschenkte Person gar nicht freut, freust du dich auch nicht und niemand hat etwas davon. Die Energie, die du für das Geschenk aufgebracht hast, verpufft.
Gemeinsame Erfahrungen sind der beste soziale Kitt
„Die Konsumforschung zeigt, dass Menschen glücklicher werden, wenn sie Erfahrungen konsumieren statt Materielles“, erklärt Janina Steinmetz. Du könntest also zum Beispiel einen gemeinsamen Restaurantbesuch, Urlaub, Töpferkurs, Konzert oder Museumsbesuch verschenken. Der Vorteil von gemeinsamen Erfahrungen: Sie schaffen zwischenmenschliche Verbindungen. Selbst wenn ihr das gemeinsam besuchte Theaterstück schrecklich findet, habt ihr danach dennoch etwas, über das ihr sprechen und lachen könnt. „Man schafft gemeinsame Identität mit der oder dem Beschenkten. Das ist eigentlich viel nachhaltiger für die zwischenmenschliche Verbindung, als einfach ein Buch zu schenken, und das wars.“
Und wenn das geschenkte Erlebnis nicht gerade gemeinsames Brandroden oder eine Kreuzfahrt ist, sind verschenkte Erfahrungen auch noch besser für die Umwelt als materielle Güter. Wer noch eine Karte dazu schreiben möchte, kann als nachhaltige Alternative selber Karten aus Papier- und Pappresten basteln.
Schenke, was dir gefällt
Wenn du doch lieber etwas Materielles schenken möchtest, solltest du Dinge verschenken, von denen du auch selbst überzeugt bist. Oft zerbrechen wir uns den Kopf darüber, was die andere Person noch nicht hat und was ihr gefallen könnte. „Aber eigentlich sagt die Forschung, dass es oft ein schöneres Geschenk ist, wenn man einfach sagt: Das ist mein Lieblingsbuch oder das ist mein Lieblingswein oder das ist meine Lieblingsschokolade – und ich habe gedacht, die will ich dich auch entdecken lassen”, erklärt Janina Steinmetz.
Du gibst damit ein kleines Stück von dir selbst preis und machst ein viel persönlicheres Geschenk. Die beschenkte Person wird an dich denken, wenn sie das Geschenk ausprobiert: Selbstverständlich solltest du trotzdem darauf achten, dass du die Interessen des/der Beschenkten nicht komplett missachtest; dein Lieblingsbuch mag ein Krimi sein, wenn deine beste Freundin aber Krimis hasst, ist das auch nicht nachhaltig.
Deswegen ist klar: Die eigenen Lieblingsdinge zu verschenken, geht natürlich nicht immer. In diesem Fall lautet ein Tipp zur Nachhaltigkeit: Schenke Dinge, die auch wirklich genutzt und gemocht werden. Das ist leichter gesagt als getan. Ich habe mir deshalb eine Geschenke-Liste in meiner Notizapp angelegt. Darin sammele ich das ganze Jahr Geschenkideen für Familie und Freunde. Wenn diese also mal erwähnen, dass ihnen die Enten-Weinflaschenhalterung gefällt, an der wir gerade vorbeigelaufen sind, oder ich etwas sehe, bei dem ich mir sicher bin, dass es Person X gefallen würde, schreibe ich es mir sofort auf. Steht dann ein Geburtstag oder Weihnachten vor der Tür, habe ich oft schon eine Idee für ein Geschenk.
Am nachhaltigsten sind Sachen, die schon produziert wurden. KR-Leserin Charlotte berichtete in meiner Umfrage: „Ich kaufe Gegenstände größtenteils Second Hand, auch Geschenke.” Statt also alles neu zu kaufen, lohnt sich ein Blick auf Kleinanzeigen und Vinted. Oder du schaust mal im nächsten Second-Hand-Kaufhaus vorbei. Für gebrauchte Bücher kann ich außerdem medimops empfehlen.
Verbrauchsgegenstände sind besser als ihr Ruf
Wer Erwachsene beschenken möchte, steht oft vor dem Problem, dass diese gefühlt schon alles haben oder sich alles kaufen könnten, was sie haben wollen. Janina Steinmetz und viele aus der KR-Community empfehlen daher, Lebensmittel oder andere Verbrauchsgegenstände zu schenken. Ein Stück schöne Seife, eine Flasche Wein, Honig von lokalen Erzeuger:innen, fair gehandelte Schokolade oder selbstgebackene Plätzchen lassen sich gut in den Alltag integrieren und stellen der beschenkten Person nicht die Wohnung voll. Und wenn sie die Geschenke dann genießt, wird wieder die Verbindung zu dir als schenkender Person hergestellt.
In eine ähnliche Kerbe schlagen Spendengeschenke. Du könntest also im Namen des/der Beschenkten an eine gemeinnützige Organisation spenden. Hier solltest du aber vorsichtig sein, denn das könnte unter Umständen als bevormundend wahrgenommen werden. Janina Steinmetz rät, sich abzusprechen. Das Ergebnis: „Man hat zusammen jemand anderem geholfen, durch die Spende ein kleines gemeinsames Projekt geschaffen und außerdem Fragen beantwortet wie: Was sind unsere Werte? Was ist uns wichtig? Wohin wollen wir gemeinsam investieren?”
Nachhaltig verpacken leicht gemacht
Für den meisten Müll an Weihnachten sind neben deinem rassistischen Onkel wohl Geschenkverpackungen verantwortlich. Berge von mit Tesafilm verklebten Geschenkpapier, die Folie vom Präsentkorb und ein Stapel Geschenkboxen sind nicht besonders nachhaltig. KR-Leser André hat dafür eine Lösung: „Wir benutzen seit Jahren wiederverwendbare Tücher zum Verpacken der Geschenke.” Stoffbeutel funktionieren genauso gut. Entweder du nimmst sie nach dem Verschenken wieder zurück oder du beginnst mit deinen Freund:innen und Familie einen Kreislauf.
Wer nicht auf klassisches Geschenkpapier verzichten möchte, kann einfach altes wiederverwenden. So wie KR-Leserin Sabine: „Ich habe schon seit über 15 Jahren zwei Kisten, die ich immer wieder mit den zusammengefalteten Geschenkpapieren und Bändern der Geschenke fülle, die ich so bekomme.” Am besten verzichtet man auf Tesafilm und benutzt stattdessen Bänder, so wird das Papier nicht beschädigt. Alternativ kannst du auch Zeitungspapier benutzen, viele meiner Freund:innen machen das: Ich finde, ein in altes Zeit-Feuilleton-Papier vergepacktes Buch sieht mindestens genauso schön aus wie ein in klassisches Geschenkpapier eingepacktes – und der Spaß beim Auspacken ist auch der gleiche.
KR-Mitglied Wolf hat noch eine weitere Idee: „Die Mehrzahl unserer Geschenke stelle ich selbst her; das meiste wird in umgewidmete Schraubverschlussgläser verpackt, nur selten wird extra ein Glas gekauft (aber i.d.R. wiederverwertet).” Vor allem für fleißige Plätzchenbäcker:innen ist das gut geeignet: Du sparst dir nicht nur Papier- oder Plastiktüten, deine Plätzchen nehmen in einem Glas auch noch weniger Schaden.
Und so vermeidest du Stress
Für viele Menschen bedeuten Weihnachtsgeschenke vor allem Stress. Wie können wir also entspannter schenken? Am nachhaltigsten für Umwelt und eigenes Stresslevel wäre es natürlich, sich gar nichts zu schenken. Viele KR-Leser:innen berichteten in meiner Umfrage, dass sie sich innerhalb der Familie nichts mehr schenken und stattdessen einfach einen schönen Abend zusammen verbringen. Das können viele (vor allem mit Kindern) nicht umsetzen und wollen es vielleicht auch gar nicht – schenken und beschenkt werden macht vielen Menschen einfach auch Spaß.
Eine Zwischenlösung ist das gute alte Wichteln. Jede:r zieht eine Person, die es zu beschenken gilt: „Am Ende erhält damit jeder ein Geschenk und muss sich auch nur um eins kümmern. Das hat den Vorteil, dass man weniger Stress bei der Geschenkesuche hat, sich besser auf ein Geschenk und dessen Sinnhaftigkeit konzentrieren kann und dafür auch etwas mehr Geld in die Hand nimmt, damit es etwas ordentliches (heißt qualititiv hochwertigeres) ist”, erzählt KR-Leser Sören, der mit der Familie seiner Frau schon lange wichtelt. Wer nicht wichteln möchte, kann sich hier trotzdem etwas abschauen: Lieber sollte man weniger schenken, aber dafür dann Sachen, die auch wirklich halten und benutzt werden.
Sozialpsychologin Janina Steinmetz hat noch einen grundsätzlichen Tipp: „Ich glaube, man muss sich ein bisschen von dem Druck freimachen, auf den Überraschungsmoment der Übergabe zu setzen und zu denken, ich muss jetzt was ganz Originelles, Überraschendes produzieren, was noch keiner vorher geschenkt hat. Man sollte sich einfach überlegen: Womit wäre man langfristig glücklicher? Was würde man tatsächlich benutzen?”
Oft konzentrierten sich Schenkende so sehr auf den Überraschungsmoment, dass sie dabei aus den Augen verlören, was die beschenkte Person eigentlich brauchen könnte. Es sei auch in Ordnung, Sachen mehrfach zu verschenken. Wenn du also deinen Lieblingswein verschenken möchtest, kannst du ihn auch mehreren Personen schenken. Das wird dich und die Beschenkten glücklicher machen, als irgendein besonders originelles Geschenk, dass dann nie benutzt wird.
Vielen Dank an die KR-Leser:innen Charlotte, André, Sabine, Wolf, Sören und alle anderen, die an meiner Umfrage teilgenommen haben!
Redaktion: Esther Göbel, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Iris Hochberger