Eine schlafende Katze

Kate Stone Matheson/Unsplash

Sinn und Konsum

Interview: Können Tiere wirklich träumen?

Wer mit ihnen zusammenlebt oder schon einmal auf Instagram Tiervideos gesehen hat, wird sofort sagen: Ja, natürlich können sie das! Aber: Dürfen wir sie dann halten? Oder essen?

Profilbild von Theresa Bäuerlein
Reporterin für Sinn und Konsum

Katzen bewegen schlummernd ihre Pfoten, Hunde bellen leise im Schlaf, und wovon träumt eigentlich diese Ratte?

https://www.youtube.com/watch?v=2tVv3FiIezM

Für Wissenschaftler:innen ist die Antwort auf diese Fragen nicht so einfach. Mehr als ein Jahrhundert lang haben Forschende, die Schlaf bei Tieren untersucht haben, das Thema Träume gemieden. Unterschätzen sie deshalb das Innenleben von Tieren – womöglich systematisch? Der Philosoph David Peña-Guzmán vermutet es. Für sein Buch „When Animals Dream“ hat er wissenschaftliche Veröffentlichungen über den Schlaf von Tieren durchforstet. Und ist zu zwei wichtigen Schlüssen gekommen: Erstens, es gibt starke Hinweise darauf, dass viele Tierarten tatsächlich träumen. Sie könnten also ein viel komplexeres Bewusstsein haben, als wir ihnen zugestehen. Zweitens: Denkt man das zu Ende, müssten wir eigentlich unseren kompletten Umgang mit ihnen infrage stellen. Peña-Guzmán und ich trafen uns zu einem Gespräch über Zoom.


Bei der Recherche für Ihr Buch haben Sie Tausende von Veröffentlichungen über den Schlaf verschiedener Tierarten gesichtet. Aber in keiner einzigen Veröffentlichung aus dem 20. Jahrhundert kam das Wort „Traum“ oder „träumen“ vor.

Ja, bis in die 2010er Jahre gab es keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema Träumen bei anderen Spezies als dem Menschen befasst haben.

Andererseits ist das Internet voll von Videos wie diesem, in dem ein Hund im Schlaf mit den Beinen strampelt, aufwacht, aufspringt und gegen eine Wand rennt. Jeder Nicht-Wissenschaftler, der sich das Video ansieht, würde sagen, dass der Hund natürlich geträumt hat! Warum ist es für Wissenschaftler:innen so schwierig, dem zuzustimmen?

https://www.youtube.com/watch?v=Wol_1OHV-n0

Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Der erste hat mit wissenschaftlichen Standards zu tun und mit Vorstellungen davon, was als wissenschaftliche Genauigkeit gilt. Diese Herangehensweise funktioniert sehr gut für Objekte, die beobachtbar sind und eine materielle Realität haben, aber sie eignen sich weniger gut, wenn wir innere, geistige Zustände von Lebewesen betrachten. Wir verfügen noch nicht über die richtigen Methoden und Werkzeuge, um uns dem Geist auf die gleiche Weise zu nähern wie dem Körper und der äußeren Welt.

Wir können also sehen, dass der Hund im Schlaf mit den Beinen strampelt, aber wir wissen nicht, ob er tatsächlich einen Traum erlebt, in dem er zum Beispiel eine Katze auf einen Baum jagt. Niemand weiß wirklich, was im Inneren eines Tieres vor sich geht.

Das ist richtig. Und weil viele Wissenschaftler:innen Tiere tendenziell als geistig flache Lebewesen betrachten, sträuben sie sich gegen die Vorstellung, dass diese träumen könnten. Selbst wenn sie akzeptieren, dass Tiere ein eigenes Bewusstsein haben, nehmen sie typischerweise an, dass dieses Bewusstsein sehr strukturiert oder nicht stark ausgeprägt ist.

Es wäre viel einfacher, das zu beurteilen, wenn der Hund uns sagen könnte, ob er träumt – und wovon.

Leider kann uns kein Tier mithilfe menschlicher Worte sagen, was in seinem Kopf vor sich geht. Ich glaube aber, dass die Kommunikation zwischen Menschen und anderen Tieren weit über unsere Sprache hinausgeht. In der Natur gibt es viel Kommunikation mit Zeichen, Gesten, Verhalten, Emotionen. All das kann uns vielleicht einen Einblick in die Träume von Tieren geben.

In Ihrem Buch erwähnen Sie ein prominentes Beispiel: Heidi, den Oktopus. Es gibt ein Video, das im Jahr 2019 viral ging. Es zeigt, wie Heidi sich im Schlaf bewegt, zuckt und ihre Farbe ändert. Der Erzähler, ein Krakenforscher, erklärt, dass die wechselnde Farbe von Heidis Haut darauf hinweisen könnte, was in ihrem Kopf passiert, während sie schläft. Er vermutet, dass sie davon träumt, eine Krabbe zu fangen und zu fressen.

https://youtu.be/0vKCLJZbytU

Ich mag dieses Beispiel so gerne, dass ich Heidi in meinem Buch einen sehr wichtigen Platz gebe, ihr Bild ist auf dem Cover. Damit wollte ich auch ein Zeichen setzen. Kraken sind evolutionär gesehen sehr weit von uns entfernt. Wir denken oft in einer Hierarchie der Arten: Mit dem Menschen an der Spitze, dann kommen die Primaten, dann die anderen Säugetiere, dann der Rest. Ich wollte zeigen, dass es bereits in der sehr weit von uns entfernten Welt der Kopffüßer Hinweise auf Träume gibt. Man kann sie sogar sehen. Eines der faszinierenden Dinge an Tintenfischen ist, dass sie ihre Haut Pigmentzellen enthält, mit denen sie ihre Farbe und ihr Muster ändern können. Ihre Haut wie ist ein Bildschirm, auf dem sie ihre Träume übertragen –  zumindest bis zu einem gewissen Grad.

Viele Forscher:innen kritisieren den Hype um das Heidi-Video, weil wir nicht sicher sein können, dass der Oktopus tatsächlich träumt. Gibt es tatsächlich wissenschaftliche Beweise dafür, dass Tiere träumen?

Ja, und ich fasse diese Beweise in drei Kategorien zusammen, damit es übersichtlicher ist. Erstens können wir uns ansehen, welche Gehirnaktivitäten Tiere im Schlaf haben. Normalerweise gibt es einen klaren Unterschied zwischen der neuronalen Aktivität im Schlaf oder im Wachzustand eines Tieres. Aber in der Mitte des Schlafzyklus, während des REM-Schlafs, ändert sich das. Hier zeigt das Gehirn auf einmal andere Muster – als wäre das Tier wach.

Wir wissen, dass es bei Menschen einen Zusammenhang zwischen REM-Schlaf und Träumen gibt. Wie ist es bei Tieren?

Es gibt dazu gute Forschung an Zebrafinken. Wenn Zebrafinken ihren Gesang üben, wird eine ganz bestimmte neuronale Signatur in ihrem Gehirn aktiviert. Diese neuronale Signatur besagt: „Ich singe jetzt”. Das Tolle ist, dass bei schlafenden Finken manchmal exakt die gleichen Teile ihres Gehirns in genau der gleichen Reihenfolge aufleuchten. Das schlafende Zebrafinken-Gehirn sagt uns also: „Ich singe jetzt gerade”. Darüber hinaus werden die Körper der Finken auf eine sehr bezeichnende Weise aktiviert. Ihre Kehlen bewegen sich, ihre Stimmbänder auch. Für mich deutet das darauf hin, dass diese Tiere während des Schlafs wirklich erleben, dass sie singen. Und das ist es, was wir einen Traum nennen. Ein Traum ist eine Erfahrung, die im Schlaf erzeugt wird und die eine Beziehung zur Wachwelt des Tieres hat.

Die Autor:innen in der Zebrafinken-Studie zogen jedoch nicht diesen Schluss. Sie meinten, dass die Vögel genauso wenig vom Singen träumen wie mein Computer davon träumt, dass er ein Programm ausführt. Das neuronale Muster des Gesangs wäre wie ein Programm, das die Gehirne der Vögel im Schlaf ausführen.

Um das klarzustellen: Während des Schlafs findet wirklich eine Menge unbewusster Informationsverarbeitung statt. Viele Forschungsarbeiten über Kreativität und Lernen haben sich mit diesem Thema befasst. Wenn Sie zum Beispiel für eine Prüfung lernen, ist es besser, sich um zehn Uhr abends dranzumachen, als am Morgen. Denn wenn man nachts lernt, setzt sich anschließend im Schlaf unbewusst viel von diesem Wissen im Gehirn ab. Das Problem ist ein anderes: Wenn Forschende Tierschlaf beobachten, gehen sie tendenziell davon aus, dass alles, was in den Köpfen schlafender Tiere passiert, unbewusst sein muss. Denn wenn man diese ganzen Prozesse einfach als unbewusst einstuft, muss man sich nicht mit der Frage nach dem tierischen Bewusstsein auseinandersetzen – was ein heikles Thema ist. Man kann dann Tiere auch weitgehend als computerähnlich definieren, als Roboter, die nur Informationen verarbeiten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Ein Porträt von David Peña-Guzmán, der vor einer Wand mit einem blau-weißen Muster steht.

David Peña-Guzmán ist Wissenschaftsphilosoph und Dozent an der San Francisco State University, USA. Seine Schwerpunkte sind Tierstudien, Bewusstseinstheorien, Wissenschaftsgeschichte und -philosophie sowie zeitgenössische europäische Philosophie. Sein Buch „When Animals Dream: The Hidden World of Animal Consciousness“ ist 2022 im Verlag Princeton University Press erschienen. Foto: Tatyana Ekmekjian

Die Frage ist also, wie man die Daten interpretiert. Wenn wir davon ausgehen, dass Tiere kein Bewusstsein oder keine höheren kognitiven Fähigkeiten haben, interpretieren wir all unsere Beobachtungen entsprechend.

Es gibt dazu eine interessante Faustregel in den Naturwissenschaften, namens „Morgans Kanon“. Sie besagt, dass Forscher:innen Verhaltensweisen bei Tieren immer so einfach wie möglich erklären sollten. Sie sollen bei Tieren also niemals höhere kognitive oder psychische Fähigkeiten vermuten, wenn auch einfachere Interpretationen möglich wären, zum Beispiel instinkthaftes Verhalten oder körperliche Prozesse.

Das klingt sinnvoll. Es ist wichtig, keine menschlichen Eigenschaften auf Tiere zu übertragen.

Ja, wir sollten andere Tiere auf keinen Fall so behandeln, als wären sie Mini-Versionen von uns Menschen. An sich ist Morgans Kanon auch nicht unbedingt problematisch. Aber eine solche Regel hat zur Folge, dass selbst einfachste kognitive Erklärungen bei Tieren vermieden werden, zum Beispiel ein Satz wie: „Der Hund lief auf den Baum, weil er die Katze jagen wollte.“ Schon die Annahme, dass der Hund eine bestimmte Absicht hatte, wäre zu psychologisch. Sie wäre ein Verstoß gegen Morgans Kanon.

Das Problem dabei ist, dass man wirklich jedes Verhalten nur mit physiologischen und anatomischen Prinzipien beschreiben könnte, auch das menschliche. Sie und ich unterhalten uns zum Beispiel gerade. Ich könnte nun einfach sagen, dass wir zwei menschliche Wesen sind, die vor einem Computer sitzen, den Mund bewegen und Töne von sich geben. Das ist richtig, das tun wir auch. Aber diese Beschreibung hilft uns nicht dabei, den Inhalt und den Sinn eines Gesprächs zu verstehen.

Kommen wir zurück zu den Beweisen. Was haben Sie noch herausgefunden?

Eines der faszinierenden Forschungsprojekte, die ich betrachtet habe, stammt von der Primatologin Kimberly Mukobi. Das gehört zur zweiten Kategorie von Beweisen. Hier schauen wir nicht die Gehirne von Tieren im Schlaf an, sondern ihr Verhalten. In den 1990er Jahren widmete Mukobi sich der Erforschung des Schlafs bei Schimpansen. Hierfür führte sie ein Experiment an der Universität von Washington durch, bei dem sie eine Anzahl von Kameras in den Schlafräumen einer Gruppe von Schimpansen installierte. Diese Schimpansen hatten zuvor die amerikanische Zeichensprache erlernt.

Was Mukobi dabei bemerkte, war äußerst aufschlussreich: Viele Schimpansen führten während der REM-Phase ihres Schlafes Gesten aus. Besonders bemerkenswert war, dass eine Schimpansin namens Washoe eine Geste für „Kaffee“ machte. Als ich das las, wurde ich stutzig. Schimpansen trinken normalerweise keinen Kaffee.

Aber dieser hier schon.

Das kam mir merkwürdig vor, also entschied ich mich, Kimberly Mukobi direkt zu kontaktieren Dabei erfuhr ich, dass die Schimpansen in diesem Forschungszentrum an der Universität von Washington tatsächlich mit Kaffee in Kontakt gekommen waren. Sie hatten beobachtet, wie Menschen Kaffee tranken, und gelegentlich baten sie darum und bekamen Kaffee – wenn auch nur in begrenzten Mengen und nicht besonders heiß serviert.

Ist es dann nicht normal, dass ein Schimpanse auch davon träumt?

Finden Sie? Unter Traumforscher:innen gibt es eine ständige Debatte darüber, welche Inhalte es überhaupt in unsere Träume schaffen. Viele Traumtheorien gehen davon aus, dass unsere Träume einen evolutionären Nutzen haben. Das bedeutet, dass wir uns in Träumen mit Szenarien auseinandersetzen, die für unser Überleben wichtig sind. Unsere Vorfahren träumten zum Beispiel, dass sie von einem Tiger verfolgt wurden oder einen Hirsch erlegten. In unseren Träumen üben wir demnach Handlungen, wir perfektionieren sie im Schlaf. Und können sie dann im Wachzustand umsetzen.

Praktisch.

Es gibt aber auch andere Theorien, die besagen, dass wir im Traum Erfahrungen aus unserem täglichen Leben verarbeiten. Das ist sehr aufschlussreich in Bezug auf die träumenden Schimpansen. Diese Tiere träumten nicht nur von Szenarien, die für sie evolutionär bedeutsam waren. Kaffee etwa hat keinen Platz in der Schimpansenevolution. Washoe hatte Kaffee gerade erst kennengelernt. Was darauf hindeutet, dass die Schimpansin tatsächlich persönliche Erfahrungen in ihren Träumen verarbeitet hat.

Das ist auf jeden Fall eine viel niedlichere Geschichte als die Forschung über Katzen, über die Sie auch in Ihrem Buch sprechen.

Damit wären wir bei der dritten Kategorie von Beweisen, die ich gefunden habe. Die Katzengeschichte stammt aus neuroanatomischen Forschungen der 1960er Jahre. Nach allen heutigen ethischen Maßstäben der Tierforschung waren sie leider extrem invasiv und unethisch. Aber die Ergebnisse sind sehr aufschlussreich. Dahinter steckt ein französischer Neurowissenschaftler namens Michel Jouvet.

Jouvet wollte herausfinden, warum wir, wenn wir träumen, unsere Träume nicht physisch ausleben. Normalerweise stehen wir während unserer Träume nicht auf, laufen herum oder sprechen. Wir verharren starr in der Horizontalen. Das wird Atonie genannt. Jouvet fragte sich also: „Was würde passieren, wenn ich den Teil des Gehirns entferne, der den Körper in der Atonie hält?“ Er schnappte sich ein paar Katzen und entfernte einen Teil ihres Hirnstamms. Und wirklich: Auf einmal blieben die Katzen im Schlaf nicht mehr liegen, sondern lebten ihre Träume körperlich aus. Man kann einige Originalaufnahmen auf Youtube finden:

https://www.youtube.com/watch?v=Js50Orx94iM

Wenn Tiere tatsächlich träumen, könnte ihr Bewusstsein viel komplexer sein, als wir es ihnen bisher zutrauen.

Es gibt verschiedene philosophische Vorstellungen von Bewusstsein. Ich persönlich lehne eine bestimmte Denkweise über das Bewusstsein ab, die in der Psychologie und der Kognitionswissenschaft und auch sonst recht weit verbreitet ist. Wenn wir über Bewusstsein nachdenken, stellen wir uns oft vor, dass jemand Gedanken denkt und zwar sehr fortgeschrittene Gedanken. Wir denken an jemanden, der ein mathematisches Problem löst oder jemanden, der philosophiert. Ein gutes Beispiel dafür, wie viele von uns sich Bewusstsein vorstellen, ist Rodins „Der Denker“, die Statue eines Mannes, der sich grübelnd ans Kinn fasst. Wir neigen dazu, uns Bewusstsein als rationales Denken vorzustellen.

Ein Foto einer Statue, die einen Mann zeigt, der das Kinn in die Hand stützt und zu Boden schaut.

Die Plastik „Der Denker“ (französisch Le Penseur) hat der Bildhauer Auguste Rodin zwischen 1880 und 1882 geschaffen. Quelle: Wikipedia

Und das ist falsch?

Das ist definitiv eine Form, die das Bewusstsein annehmen kann. Aber für mich ist es nicht seine grundlegendste Form. Und es ist nicht die Form des Bewusstseins, die uns helfen kann, andere Arten zu verstehen. Wir Menschen sind sehr eitel in Bezug auf die Rolle, die Vernunft in unserem Leben spielt.

Wir glauben, dass sie uns über andere Tiere erhebt.

Für mich ist eine Form des Bewusstseins interessant, die unterhalb der Ebene der Vernunft, der Sprache und der Konzepte stattfindet. In der Philosophie nennt man dies „phänomenales Bewusstsein“. Rationalität spielt hier keine Rolle. Es geht nur um die Tatsache, dass wir eine Außenwelt wahrnehmen. Es geht um Gefühle, Emotionen oder Empfindungen, die uns eine Art von Bewusstsein geben – nicht nur der Welt gegenüber, sondern auch gegenüber uns selbst. Ich glaube, dass dieses Bewusstsein sehr wichtig ist, nicht nur für uns selbst, sondern weil wir es mit Tieren teilen.

Glauben Sie, dass Tiere auch ein Selbst haben?

Ich denke schon. „Selbst“ kann aber eine Menge bedeuten. Die Art von Selbst, die ich meine, ist eine subjektive Erfahrung, verbunden mit dem Bewusstsein, das ich beschrieben habe. Es gibt für das Tier also ein subjektives Zentrum der Erfahrung, einen Blickwinkel, aus dem es die Welt erlebt.

Was aber nicht heißt, dass Tiere über ihr eigenes Selbst nachdenken. Dass der Fisch in den Spiegel schaut und sagt: Ja, das bin ich.

Einige Tiere haben diese Art von Bewusstsein. Aber es ist nicht Teil der grundlegenden Definition von Bewusstsein, die meiner Meinung nach für das gesamte Tierreich gilt.

Sie kommen in ihrem Buch zu dem Schluss, dass Träume ein Beleg für dieses Bewusstsein sind und dass wir Konsequenzen daraus ziehen und Tiere besser behandeln müssen. Das ist keine Kleinigkeit, denn der Mensch hat sich schon immer als etwas Höheres als andere Tiere gesehen. Damit begründen wir, dass wir Tiere in Käfigen halten, sie essen oder auch nur an der Leine spazieren führen.

Jeder von uns weiß, dass ich andere Menschen nicht so behandeln kann, als wären sie nur Werkzeuge zu meinem Nutzen. Die Ethik lehrt mich, dass meinem Handeln Grenzen gesetzt sind, die durch die Natur anderer Individuen bestimmt werden. Im Falle der Menschen erkennen die meisten von uns diese Grenzen an. Natürlich gibt es auch eine problematische Geschichte von Rassismus und Patriarchat, die eine konsequente Anwendung ethischer Grundsätze innerhalb unserer Spezies verhindert hat. Aber ich denke, heutzutage akzeptieren die meisten, dass andere Menschen ein Recht auf moralische Rücksichtnahme haben.

Mehr zum Thema

Nun stellt sich die Frage, ob Tiere dies auch wert sind. Mit anderen Worten: Lösen Tiere denselben moralischen Alarm aus, der uns sagt, dass wir eine bestimmte Grenze in Bezug auf ein anderes Lebewesen nicht überschreiten dürfen? Hier muss die Ethik einen Weg finden, um zu erklären, warum manche Tiere ein Recht auf diese Art von Rücksicht haben und für welche Tiere das gilt. Denn sobald man diese Tür öffnet, wird es immer Kontroversen darüber geben, wo man die Grenze zieht. Wenn man Tiere einschließt, schließt man dann auch Pflanzen ein? Wenn man Pflanzen einbezieht, schließt man dann auch Stühle und Tische ein? Ab einem gewissen Punkt ergibt das keinen Sinn mehr. Ich glaube nicht, dass Tische und Stühle, Bücher und Mikrofone ein Recht auf moralische Rücksicht haben.

Warum nicht?

Weil ich glaube, dass sie nicht die richtige Art von Bewusstsein haben, das phänomenale Bewusstsein, über das ich eben gesprochen haben. Diese Objekte haben überhaupt kein Bewusstsein. Aber Tiere haben es, und dieses Bewusstsein macht sie des moralischen Respekts würdig. Und ich ziehe eine Verbindung zwischen dieser Art von Bewusstsein, die sehr grundlegend ist, und dem Träumen. Denn Tiere, die träumen, haben notwendigerweise diese Art von Bewusstsein. Sie könnten sonst nicht träumen.

Welche praktischen und persönlichen Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Wenn wir akzeptieren, dass Tiere einen moralischen Status haben, dann muss man sich vor allem zwei grundlegende Fragen stellen: Erstens: Haben Tiere ein Recht auf Leben? Und zweitens: Haben sie auch ein Recht auf körperliche Freiheit? Das sind die beiden grundlegendsten Rechte, die man einem fühlenden Wesen zugestehen kann: das Recht, am Leben zu sein, nicht ermordet zu werden, und das Recht, ohne Zwang zu leben. Diese beiden Rechte hätten, wenn sie Tieren zugestanden werden würden, erschütternde soziale Folgen.

Welche?

Zunächst einmal würde es bedeuten, dass man keine Tiere zum Verzehr oder für die Forschung töten darf. Aber es würde auch bedeuten, dass man Tiere nicht in Gefangenschaft halten kann, weil Tiere ein Grundrecht auf Freiheit hätten. Natürlich könnte dies in der Praxis kompliziert werden, nicht zuletzt, wenn man an Tiere denkt, die sich in der Evolution gemeinsam mit dem Menschen entwickelt haben, wie etwa Hunde.

Was bedeutet Freiheit in diesem Zusammenhang? Könnte ich in einer Stadtwohnung noch eine Katze halten? Wenn ich sie aus dem Haus ließe, wäre sie wahrscheinlich bald tot.

Es wird einige sehr schwierige Fälle geben, die wir klären müssen. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir endlich anfangen, diese Diskussion zu führen.


Redaktion: Bent Freiwald, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger

Können Tiere wirklich träumen?

0:00 0:00

Einfach unterwegs hören mit der KR-Audio-App