Ich bin Reinigungskraft an einem kleinen deutschen Flughafen. Mein Team und ich machen alles sauber, die Büros, Terminals, Zoll, die Feuerwachen – und die Flugzeuge von innen.
Ein Flugzeug zu reinigen ist wie ein Büro putzen. Es gibt drei Reinigungsstufen: Bei der Transitreinigung sammeln wir den Müll im Flugzeug ein, legen die Gurte für die Passagiere ordentlich hin, putzen die Toiletten und schaffen den Müll aus der Küche raus. Das machen wir zu dritt. Wenn wir zu viert sind, ist das für uns schon fast ein Luxus. Die Arbeit muss schnell gehen, bei einem großen Airbus haben wir dafür maximal 20 Minuten Zeit. Das ist manchmal nicht zu schaffen. Wenn es länger dauert, müssen die Passagiere leider warten. Sie stehen dann praktisch schon vor der Tür. Bei der zweiten Reinigung nachts, den Night Spots, haben wir etwas mehr Zeit, etwa eine Stunde. Dann wischen wir die Klapptische und die Wände ab, ziehen Kaugummi vom Boden. Maximal einmal im Jahr gibt es pro Flieger ein Deep Cleaning, dabei bauen wir auch die Sitze aus und schrubben sie von unten.
Bei der Reinigung der Flugzeuge finden wir alles Mögliche. Die Passagiere lassen wirklich immer etwas zurück: Handys und Kopfhörer, Laptops und Reisepässe, Taschen, Schnuller und Babysöckchen. In den Gepäckfächern vergisst fast nie jemand etwas. Die Sachen stecken grundsätzlich in den Sitztaschen vor den Plätzen und sind eigentlich nicht zu übersehen. Oft liegen auch Laptops auf den Sitzen.
Einmal habe ich 12.000 Euro gefunden
Alles, was wir finden, geben wir bei Operations ab, das ist die Abteilung, die den Flughafenbetrieb koordiniert und überwacht. Das Ungewöhnlichste, das ich je gefunden habe, war ein Portemonnaie mit 12.000 Euro drin. Bei so etwas gilt das Vier-Augen-Prinzip: Wir holen eine Kollegin oder einen Kollegen als Zeug:in dazu, zu unserer eigenen Sicherheit. Wenn etwas fehlt, verdächtigt man immer zuerst die Reinigung.
Normalerweise arbeiten wir nach einem Raster, sechs Tage putzen und dann drei Tage frei. Aber gerade habe ich wieder acht Tage durchgearbeitet, weil wir nicht genug Leute sind. Früher waren wir 43 im Team – nach Corona waren es nur noch 14.
Was ich an der Arbeit im Flughafen liebe, ist der Zusammenhalt. Wir sind wirklich ein Team, nicht nur die Reinigungskräfte, sondern auch der Zoll und die Bundespolizei. Wir haben unheimlich viel Spaß miteinander. Wenn ich zum Beispiel für die Reinigung beim Zoll hereinkomme und der Drogenhund sitzt da, frage ich als erstes: „Ist der im Dienst, oder hat er Pause?” Wenn der Hund Pause hat, schmeiße ich meinen Krempel in die Ecke und spiele erstmal mit ihm.
Es ist befriedigend, vermüllte Flugzeuge zu reinigen
Ich hatte auch noch nie einen so coolen Chef wie meinen jetzigen. Er kümmert sich um uns und wir um ihn. Das habe ich während der Pandemie besonders stark gemerkt. Ich bin alleinerziehend mit zwei Mädels, die waren damals noch Teenager. Plötzlich gab es keine Arbeit mehr, als der Flughafen wegen Corona zugemacht hat. Ich bin zu meinem Chef gegangen und habe ihm gesagt, dass ich nicht weiß, was ich machen soll, weil ich nicht zum Arbeitsamt gehen will. Da hat er mir einen Job bei seinem Neffen besorgt, Rossmann-Filialen reinigen. Mit einem Firmenwagen bin ich von einem Laden zum nächsten gefahren. Ich weiß noch immer auswendig, welche Waren bei Rossmann in welchem Regal stehen.
Aber die Arbeit am Flughafen ist mir viel lieber. Es ist befriedigend, die Flugzeuge zu reinigen. Besonders schön finde ich es, wenn man einen Flieger hat wie den aus Pristina, der sieht nach der Ankunft immer grottig aus, total vermüllt. Wenn wir da durch sind, ist er wieder schick.
Ich habe auch einiges gelernt in diesem Beruf, das ich vorher nicht wusste. Zum Beispiel, welcher Boden welches Reinigungsmittel braucht. Zu Hause reicht ja Meister Proper, aber am Flughafen müssen wir uns genauer damit beschäftigen, man kann nicht einfach alles mit Neutralreiniger abwaschen und darf auch nicht mit einem Chlorreiniger über einen Vinylboden gehen.
„Der Panda kann sprechen!“
Es gibt auch Putzmaschinen. Die großen werden normalerweise von den Männern bedient, wie die Saugwischmaschine. Vor Corona war ich die erste Frau am Flughafen, die Maschinenfahrerin war. Aber diese Arbeit fängt immer um 17 Uhr an und man weiß nicht, wann man fertig wird. Weil das in die Nachtschicht geht und die erst aufhört, wenn der letzte Flieger gelandet ist. Wenn der Verspätung hat, kann die Schicht schon mal bis fünf Uhr morgens dauern. Ich habe meine Kinder in der Zeit kaum noch gesehen, wollte nur noch schlafen, wenn ich zuhause war. Hinzu kam, dass ich eine Zeit lang viel zu viel gearbeitet habe. In einem Monat waren es von 31 Tagen 30 Tage je zwölf Stunden lang. Zu dem Zeitpunkt war meine jüngere Tochter elf, die große sechzehn. Ich habe das nur geschafft, weil ich ein super Netzwerk habe. Meine Freundin wohnt direkt über mir und auch sonst war immer jemand da, wenn ich Hilfe gebraucht habe. Ohne dieses Netz hätte ich es nicht machen können. Eine Kollegin hatte sich den Arm gebrochen, eine andere war krank, eine weitere in der Türkei. Also bin ich eingesprungen. Ich bin so ein Typ, wenn man mich braucht, dann bin ich da.
Eine Freundin von mir arbeitet bei Penny. Als ich in dieser Zeit einmal zum Einkaufen kam, starrte sie mich an und rief: „Oh Gott, der Panda kann sprechen!“, weil ich so schlimme Augenringe hatte. Als mein Chef mitbekommen hat, wie viel ich gearbeitet habe, hat er sehr mit mir geschimpft. Eigentlich darf man maximal zehn Tage am Stück arbeiten.
Ja, manchmal ist die Arbeit auch frustrierend. Momentan arbeite ich viel an den Gates, da merke ich es besonders. Man ist gerade fertig, dann strömt ein neuer Schub Passagiere rein und nach einer halben Stunde kann ich wieder mit dem Putzen anfangen.
Ich bekomme den Tariflohn von 13 Euro pro Stunde, in Festanstellung. Theoretisch arbeite ich 130 Stunden im Monat, das ist eine 75-Prozent-Stelle. Im Sommer komme ich aber locker auf 200, weil es dann mehr Flugverkehr gibt, auch nachts. Der Bruttolohn ist deshalb immer unterschiedlich. Wenn ich nur die Grundstunden arbeite und keine Sonntage komme ich auf 1.700 bis 1.800 Euro im Monat, im Sommer sind es eher zwischen 2.200 und 2.400 Euro. Im Gegensatz zu den großen Flughäfen gibt es bei uns kein Nachtflugverbot, von 23 Uhr bis fünf Uhr morgens steppt an unserem Flughafen der Bär. Ich habe auch Nachtschichten. Dann fange ich um 22 Uhr an und arbeite, bis ich mit dem letzten Flieger fertig bin. Das kann auch bis sechs Uhr morgens dauern.
Wenn ich den siebten Flieger gesaugt habe, denke ich manchmal, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Alles tut weh. Wir arbeiten ja sehr viel gebückt, zum Beispiel wenn wir die Gurte auf die Sitze legen. Besonders schwierig wird es, wenn die Passagiere dir auch noch in die Quere kommen. Wenn ich etwa die Toiletten im Terminal reinige, stelle ich meinen Putzwagen so vor die Tür, dass man merkt, es soll jetzt keiner hereinkommen. Manche Leute schieben den aber einfach zur Seite, rufen: „Ich muss nur ganz schnell!“ Es gibt dann aber immer noch 15 andere Passagiere, die auch ganz schnell aufs Klo wollen. Wir haben sechs Toilettenanlagen, da ist es doch kein Problem, fünf Meter weiterzugehen? „Herr, lass Hirn regnen!“, sage ich mir.
„Oh Gott, Sie sprechen deutsch!“
Viele der Passagiere am Flughafen haben gute Laune. Die meisten behandeln die Putzkräfte freundlich und unterhalten sich auch normal mit uns. Sie bedanken sich, wenn ich die Toiletten geputzt habe. Es gibt aber auch welche, da denke ich mir: „Du hast nicht nur deinen Koffer, sondern auch dein Gehirn abgegeben.“ Letztens zum Beispiel ist mir Folgendes passiert: Ich schiebe gerade meinen Wagen durchs Gate. Da begegnet mir eine Dame, bei der sehe ich gleich, die ist was Besseres. Dafür hat man irgendwann ein Auge bei dieser Arbeit. Man merkt es am ganzen Auftreten, an den Kleidern, Schuhen, Handtaschen, die sie haben und daran, wie sie sich bewegen. Wir sind kein großer Flughafen hier, wenn hier eine Dame im Kostüm auftaucht, fällt das schon auf. Sie kommt also auf mich zu und ruft: „Hallo, hallo, Pipi!“ Ich antworte: „Wenn Sie die Toilette suchen, da müssen Sie einmal dort links um die Ecke.“ Sie starrt mich an und sagt verblüfft: „Oh Gott, Sie sprechen deutsch!“ Vielleicht 15 von 100 Passagieren sind so. Die meisten sind aber in Ordnung.
Vor ein paar Jahren wurde über unsere Gewerkschaft gestreikt, unser Reinigungsteam hat mitgemacht, 24 Stunden lang. Da haben am Flughafen auch die letzten gemerkt, was passiert, wenn wir nicht arbeiten. Meine Tochter kam während des Streiks einmal vorbei, ich saß gerade beim Essen, das die Gewerkschaft ausgegeben hatte. Ich fragte sie, wie die Toiletten aussehen. „Das willst du nicht wissen, Mama“, sagte sie.
Leider hat der Streik uns nichts genutzt, wir haben trotzdem kein Weihnachtsgeld bekommen.
Wir alle, die da sind, wir sind der Flughafen
Ich wollte nicht immer Reinigungskraft werden. Ich bin durch meinen Ex-Mann in den Beruf gerutscht. Er war ein bisschen komisch, mochte es nicht, dass ich als Verkäuferin gearbeitet habe. Mir hat es unheimlich viel Spaß gemacht, ich mochte den Kundenkontakt. Das ging für meinen Ex-Mann aber nicht, er wurde eifersüchtig. Beim Putzen war ich allein, damit kam er besser klar.
Jetzt macht mir meine Arbeit so viel Spaß, dass ich sie auch machen würde, wenn ich finanziell ausgesorgt hätte. Das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können. Aber am Flughafen bist du nicht mehr nur du allein. Wir alle, die da sind, wir sind der Flughafen. Wir halten zusammen, wir wollen, dass der Betrieb gut läuft. Letzten Monat zum Beispiel gab es viele Streiks an Flughäfen in Deutschland, die ganzen Ausweichflieger kamen zu uns. Auf einmal mussten wir doppelt und dreifach so viele Passagiere abfertigen. Es hat funktioniert, weil wir alle zusammengehalten haben. Hinterher waren wir alle fix und fertig, aber es war ein tolles Gefühl, am Ende der Schicht rauszugehen und zu wissen, was wir zusammen geschafft haben.
Schade ist nur: Jede Abteilung hat vom Flughafenchef eine Prämie bekommen. Wir nicht. Wir sind halt „nur“ die Reinigungskräfte. In solchen Momenten merke ich das schon. Wir haben uns daran gewöhnt. Aber mein Chef, also unser Objektleiter der Reinigung, der hat uns Kuchen mitgebracht.
Ich liebe meinen Job, aber manchmal überlege ich mir schon, etwas anderes zu machen, weil die Arbeit ziemlich auf den Rücken geht und auf die Schultern. Im Januar war ich krankgeschrieben. Der Orthopäde meinte, ich hätte meinen Arm bei der Arbeit überbelastet, „Frozen Shoulder“ heißt das. Er meint, das müsse operiert werden. Ich versuche aber, das so lange wie möglich hinauszuzögern. Bei uns im Team lästern wir schon immer, wenn wir unsere Rente so spät kriegen und noch bis 70 arbeiten müssen, können sie uns mit dem Behindertentransporter zum Putzen in die Flugzeuge karren.
Redaktion: Esther Göbel, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Iris Hochberger