Seit zehn Jahren arbeite ich in Teilzeit, seit der Geburt meiner Tochter. Es ist die klassische Situation: Die Mutter macht nach der Elternpause mehr Care-Arbeit als der Vater und steckt dafür im Job zurück. Ich arbeite im öffentlichen Dienst und habe eine 50-Prozent-Stelle. Zumindest ist das auf dem Papier so. De facto arbeite ich viel mehr. Ich stecke in der Teilzeitfalle.
Man wird nicht nur in die Teilzeitfalle gedrängt – man stellt sie sich auch selbst. Ich kann nur über meine Erfahrung und über das sprechen, was ich bei meinen Kolleg:innen beobachte. Aber ich glaube, es ist ein Problem, dass viele Frauen sich Wertschätzung darüber holen, dass sie neben der Care-Arbeit auch im Job noch ganz viel schaffen und leisten.
Für die Leistung als Mutter kriegst du kaum Anerkennung
Im Büro werden wir dann dafür gefeiert, was wir als Teilzeitmuttis alles wegreißen, kriegen Sprüche wie: „Du bist unser bestes Pferd im Stall.“ Ich frage mich manchmal, warum ich das brauche, was ich damit kompensiere.
Zu Hause mache ich den Haushalt und fahre meine Tochter durch die Gegend, damit habe ich eigentlich gut zu tun. Aber was du als Mutter alles leistest, gilt als normal. Es gibt die Vorstellung, dass es ganz natürlich für eine Mutter ist, für ihr Kind sorgen zu wollen. Dafür kriegst du kaum Anerkennung. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umschaue, finde ich es krass, dass wir da als Gesellschaft noch nicht weiter gekommen sind. Wenn Kinder im Freundeskreis krank sind, ist klar, dass die Teilzeitkraft zuhause bleibt. Das Kind braucht die Mutter!
Es stimmt ja auch, zumindest, wenn die Kinder klein sind. Dann schleift sich die Aufgabenverteilung aber dauerhaft so ein. Man denkt gar nicht mehr darüber nach. Im Job ist es normal, dass du nachverhandelst, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern. Ich kenne aber kaum eine Familie, die neu verhandelt, wenn die Rahmenbedingungen der Familie sich ändern, die Kinder zum Beispiel größer werden.
Mein Mann sollte mein Partner sein, nicht mein Helfer
Ich arbeite im öffentlichen Dienst, bin auf Probe verbeamtet. Ich kümmere mich um juristische Themen, berate Führungskräfte und mache Trainings- und Sensibilisierungsmaßnahmen. Teilzeit bedeutet in meinem Fall: Es ist immer mehr Arbeit da, als ich in der Zeit, die mir bezahlt wird, schaffen kann. In dem Moment, in dem dir nicht egal ist, welche Qualität du ablieferst und ob deine Arbeit zeitgerecht fertig wird, bist du in der Falle. Du machst Überstunden, um deinen eigenen Ansprüchen an deine Arbeit gerecht zu werden. Mich hat das schon einmal an den Rand meiner Kräfte getrieben – und darüber hinaus.
Während Corona habe ich mich mit der Teilzeitfalle total in die Ecke manövriert. Mein Mann war in seinem Job sehr eingespannt, ich habe ganz normal von zuhause aus weitergearbeitet und hatte nebenbei noch ein Kind, das mit Homeschooling zu betreuen war. Irgendwann ging es mir gesundheitlich und psychisch gar nicht mehr gut. Ich hätte mich krankschreiben lassen müssen. Stattdessen habe ich meine Arbeitszeit reduziert, bin von 20 Stunden die Woche auf 15 heruntergegangen. Dann auf zehn. Das war ein großer Fehler. Ich habe mich richtig verbrannt, weil ich innerhalb der kürzeren Arbeitszeit immer noch versucht habe, etwas mit Anspruch zu schaffen. Ich habe dann eine echte Depression gekriegt. Nicht nur der Arbeit wegen, sondern auch wegen zwei Jahren Corona mit Homeschooling plus der Care-Arbeit. Und dann kam auch noch der Krieg in der Ukraine.
Ich habe das alles psychologisch nicht mehr gepackt. Es hat aber lange gedauert, bis ich es mir auch eingestehen konnte. Ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt, weil ich dachte, andere kriegen es ja auch hin. Mein Mann hat mich zum Glück darin unterstützt, auf die Bremse zu treten. So sollte es ja auch sein. Ich mag es gar nicht, wenn es heißt: „Der Vati hilft ganz viel zu Hause.“ Das ist mein Partner, nicht mein Helfer.
Die restliche Kraft, die ich noch hatte, brauchte ich, um einen Therapieplatz zu finden. Es gab ja keine. Also habe ich mich bei mehreren Psychologen durch deren Restplätze gehangelt, bin immer drangekommen, wenn irgendein Patient einen Termin hat ausfallen lassen.
Heute gehts mir wieder richtig gut, dank der Therapie.
Die Vier-Tage-Woche sehe ich sehr kritisch
Das Problem mit der Teilzeitfalle verschärft sich, wenn du Vorgesetzte hast, die dir immer wieder Arbeit auf den Tisch legen, bei der klar ist, dass sie mehr Zeit kostet, als du hast. Es gibt kaum Arbeitgeber:innen, die es nicht gut finden, wenn ihre Teilzeitkräfte die Extrameile gehen und Überstunden machen. Zumal diese meist nicht ausgezahlt werden, sondern als Ausgleich Freizeit gewährt wird. Wenn Arbeitgeber:innen die Überstunden bezahlen müssten, wäre die Mehrarbeit, die wir Teilzeitkräfte leisten, ein ganz anderes Thema. Da bin ich mir sicher. So aber ist die Bezahlung in Freizeit wie eine Absprache unter der Hand zwischen Arbeitnehmenden und Vorgesetzten.
Das ist bei einer Vollzeitkraft anders. Von der wird nicht erwartet, dass sie so viele Überstunden schafft. Natürlich kommt es auch auf die Branche an. Ich habe lange in der Wirtschaft gearbeitet, da kannst du immer unendlich lang am Schreibtisch sitzen. Im öffentlichen Dienst ist das besser. Trotzdem wird bei Kolleg:innen, die in Vollzeit arbeiten, grundsätzlich davon ausgegangen, dass sie ausgelastet sind. Zu denen geht meine Chefin nicht und fragt nach Überstunden. Dadurch haben diese Kolleg:innen auch einen angenehmeren Alltag. Die trinken auch mal Kaffee, machen eine Frühstückspause, schnacken im Türrahmen. Ich bin froh, wenn ich eine Mittagspause mache und habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich rechts und links ein bisschen mit den Kolleg:innen rede.
Deswegen stehe ich auch der Debatte um die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sehr kritisch gegenüber. Viele, die sich darauf freuen, bedenken nicht, dass die Arbeitgeber dann erwarten werden, dass du in der kürzeren Zeit auch effektiver arbeitest, zum Beispiel mit weniger Pausen.
Ich habe schon oft darüber nachgedacht, meine Arbeitszeit zu erhöhen. Vielleicht hätte ich dann auch mal Zeit für eine halbe Stunde Pause zwischendurch. Was mich davon abhält: Wenn ich auf eine 70-Prozent-Stelle hochgehen würde, würde ich de facto 80 Prozent arbeiten. Ich weiß, dass ich da auf mich aufpassen muss.
Das Stigma um psychische Probleme in der Arbeitswelt kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Sie betreffen ja seltenst jene, die man als „Low Performer“ bezeichnet – auch wenn ich diesen Begriff nicht leiden kann, weil er abwertend ist. Sondern sie treffen oft gerade jene Leute, die ordentlich was wegschaffen. Ich finde es sehr traurig, wenn psychisch erkrankte Menschen schnell abgestempelt werden, wenn sie einmal ausgefallen sind.
Kippt sie uns wieder weg?
Ich habe lernen müssen zu sagen, dass mir eine Aufgabe zu viel ist, dass ich etwas abgeben möchte. Dabei merke ich aber auch, wie unruhig es meine Kolleg:innen macht, wenn ich meine Zeitpläne so erstelle, wie es für meine Stelle eigentlich angemessen wäre. Da hängt gleich die Frage in der Luft, kippt sie uns wieder weg? Das ist nicht böse gemeint, aber die Leute können ganz schlecht damit umgehen, wenn man einmal ausgefallen ist.
Dabei gibt es eigentlich heute viel mehr Verständnis für mentale Probleme als früher. Vor fünfzehn Jahren habe ich im Bankenbereich gearbeitet, da hat noch keiner verstanden, dass mentale Gesundheit und Wohlbefinden wichtig für das Arbeitsergebnis sind. Dennoch beobachte ich, dass es auch heute oft erst zum Knall kommen muss, bevor die Überlastung von Kolleg:innen gesehen wird. Wo wird es schon lobend erwähnt, wenn ein:e Kolleg:in rechtzeitig auf die Bremse getreten ist, also vor dem Burnout? Stattdessen heißt es immer hinterher: „Warum hat sie nicht rechtzeitig Bescheid gesagt?“
Anderen kann ich nur raten, so schnell wie möglich gegenzusteuern, wenn sie merken, dass es bei der Arbeit für sie zu viel wird. Es ist ganz schlecht, wenn man immer auf den nächsten Urlaub hinarbeitet. Und wenn man merkt, dass man total erschöpft ist, ist es wichtig, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen, wie viel Eigenanteil man an diesem Unwohlsein hat. Man ist deshalb nicht schuld daran. Aber diese Auseinandersetzung hilft gegen das Gefühl der Hilflosigkeit. Man arbeitet ja nicht im Steinbruch, wird gepeitscht und versklavt.
Ich wünsche anderen Teilzeitmüttern das Selbstbewusstsein, um bei der Arbeit darauf hinweisen, wenn sie zu viele Überstunden machen. Wenn man ein gutes Verhältnis zu seiner Führungskraft hat, sollte man das ausnutzen und das Problem offen thematisieren – in dem Rahmen, in dem es möglich ist. Es gibt sicher Arbeitgeber, bei denen du total verloren hast, wenn du so etwas ansprichst. Aber vielleicht ist auch mehr Verständnis dafür da, als man denkt.
Frauen in Teilzeit sind sehr wertvoll für Arbeitgeber:innen
In Deutschland gibt es ja einen Fachkräftemangel und alle reden darüber, dass es schwer ist, Nachwuchs zu rekrutieren. Berufsanfänger:innen lassen sich nicht mehr damit locken, dass du ihnen einen Obstkorb und Wasser hinstellst. Gleichzeitig wird der Pool der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, stiefmütterlich behandelt. Dabei sind gerade sie sehr wertvoll für Arbeitgeberinnen. Sie haben Berufserfahrung, sind oft extrem gut organisiert und kennen die Unternehmen, in denen sie tätig sind. Ich glaube, wie Unternehmen Bestandskräfte wie diese Frauen halten können, wird noch ein Riesenthema werden.
Redaktion: Esther Göbel, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger