Ich liebe meinen Job nicht immer. Zum Beispiel sitze ich selbst nach fast zwanzig Jahren als Journalistin noch immer wieder ratlos vor meinem Computer, wenn eine Deadline ansteht und habe keine Ahnung, wie ich einen Text am besten schreiben soll. Zuletzt ging es mir so bei diesem Artikel. Mit meinem Kollegen Bent, der mich mitten im Schreiben anrief, konnte ich mich minutenlang nur knurrend und winselnd verständigen.
Aber neulich habe ich meinen Job wirklich geliebt. Und zwar, als ich eure Mails gelesen habe. Ich hatte Leser:innen, die ihre Arbeit richtig gerne machen, gebeten, mir zu schreiben, warum das so ist. Ich will mich wirklich nicht einschleimen, es stimmt einfach: Die Antworten, die kamen, waren so unterhaltsam, tiefgründig und interessant, dass ich extrem gute Laune bekam.
Ich habe euch für diesen Newsletter einige Ausschnitte ausgewählt. Es war wirklich schwer. Und leider kann ich auch nicht allen antworten. Denn obwohl ein Leser namens Christof das befürchtet hat, verschicke ich keine automatisierten Antworten. Wenn ich eine Frage stelle, hört ihr von mir entweder persönlich, oder gar nicht (weil ich es nicht schaffe).
Bevor ich zu euren Antworten komme, vorab noch eine andere Sache: In dem Artikel von Mariya, „Hört auf zu arbeiten!“, den viele von euch gelesen haben, war eine Umfrage eingebettet. Darin habe ich eine andere Frage gestellt: „Warum stehst du morgens auf und gehst zur Arbeit?“ Die Ergebnisse werte ich noch aus. Ich werde berichten.
Jetzt aber zu euren Antworten!
Fangen wir mit Lina an. Sie ist 24 Jahre alt und anders als viele in ihrem Alter hat sie Freude an ihrem Beruf. Dabei ist sie Pflegekraft. Ich betone das, weil ich bei diesem Beruf zur Zeit immer an den Pflegenotstand und moralische Verletzungen denke. Auch Lina schreibt, dass es große Probleme im Gesundheitswesen gibt und sich politisch dringend etwas ändern muss. Dennoch:
„Die Arbeit als Pflegefachfrau ist unglaublich vielfältig, tatkräftig, echt, tiefgründig und lebensnah. Im Alter, in Krankheit und im Leid wird nichts beschönigt oder versteckt (…) Es macht mir Freude, Menschen zu begleiten und zu unterstützen. Ich schenke gern Mut und Freude, indem ich mich Menschen zuwende und zuhöre, denen es nicht gut geht oder die einsam sind. Für mich sind meine Tätigkeiten in meinem Beruf sinnvoll. Und Sinn motiviert.“
Und noch eine Stimme aus der Generation Z: Mai ist 22 und arbeitet als UX/UI Designerin für ein Software-Startup. Sie schreibt:
„Wenn ich arbeite, verfliegt die Zeit schnell. Das Designen lag mir schon immer gut und ist daher eine Leidenschaft, der ich durch den Job nachgehen kann. Es ist eine der wenigen Tätigkeiten, die ich gerne bis 4 Uhr nachts bewusst und nicht bewusst mache :D Durch den Job fühle ich mich nützlich in der Welt.“
„Nicht zu arbeiten, kann unglücklicher machen, als zu arbeiten“
Jutta hat ihr Alter nicht angegeben, aber hat schon einige Berufserfahrung. Sie erzählt eine interessante Anekdote darüber, wie es ist, gar nicht mehr arbeiten zu müssen:
„Auf einer Reise habe ich ein Paar kennengelernt, das durch eine Erbschaft so reich ist, dass es nicht mehr arbeiten muss. Jedes Jahr in ihrem Leben ist folgendermaßen aufgebaut: Herbst in der Villa in Südafrika, Weihnachten zu Hause bzw. Skifahren in der Schweiz, Februar/März wieder in Südafrika und der Sommer in Deutschland. Der Sinn des Lebens besteht darin, Golf zu spielen. Es waren ausgesprochen nette Menschen und ich neide ihnen dieses Leben absolut nicht. Ich muss sogar sagen, mir hat das fast leid getan. Ich fand das so sinnlos, ein sinnentleertes Leben.
Ich kann mir vorstellen, dass man dabei fast depressiv werden kann. Denn es gibt keinen Menschen, der gut findet, dass man da ist oder dankbar ist für das, was man tut. Ja, vielleicht ist das eine weitere Motivation, die wichtig ist für Glück bei der Arbeit: die Rückmeldung dankbarer Menschen. Nicht zu arbeiten, kann unglücklicher machen, als zu arbeiten. Das sieht man auch immer wieder an der psychischen Belastung, der arbeitlose Menschen ausgesetzt sind. Das Gefühl, für nichts gebraucht zu werden, ist sehr traurig.“
Drei Antworten bis hierhin, in allen kam ziemlich prominent vor, dass anderen zu nützen, Arbeit schön macht. Interessant.
Andreas ist 54 Jahre alt und hat mit 17 eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht, weil ihm seine Eltern den Traumberuf Koch ausgeredet haben. Als Banker war er erfolgreich, aber unglücklich. Nebenberuflich war er immer als Masseur und Fußpfleger tätig, aber das reichte nicht zum Leben. Vor vier Jahren kündigte sein Arbeitgeber ihm unerwartet – und Andreas traute sich etwas Mutiges: Aus seiner Nebentätigkeit machte er seinen Hauptberuf. Heute ist er glücklich und arbeitet jeden Tag gerne. Er sagt:
„Mein Tipp für alle, die mit ihrer Arbeit hadern: Es geht in der Regel nicht um das Einkommen. Es geht um viel mehr drum herum. Wenn sich dieses Drumherum nicht ändern lässt, der Job nicht ein Feuer in einem entfacht, dann muss der Zustand ganz schnell verändert werden. In jedem steckt etwas, für das man brennt. Dies gilt es zu entdecken und mit Kreativität zum Neben- oder Hauptberuf zu entwickeln. Es geht – ich bin davon überzeugt.“
Arbeit kann auch erholsam sein
Christiane-Beatrix ist 71 und arbeitet als spezialisierte Anwältin im Homeoffice. Nebenbei hat sie vor ein paar Jahren noch eine Band gegründet, in der sie singt. Beides macht sie mit Freude. Sie schreibt:
„Ich kann es auch verstehen, dass manche Leute berufsmüde sind und nach dem Eintritt in die Rente einfach nur Ruhe haben wollen. Aber ich rate jedem/jeder, die die Möglichkeiten haben, auch als älterer Mensch noch weiter beruflich tätig zu sein, vor allem wenn der Beruf Freude gemacht hat, und sich nach weiteren, gegebenenfalls ganz neuen Lebensperspektiven umzusehen.“
Tina ist 52 und Lehrerin – auch ein Beruf, dessen Belastungen im Moment viel diskutiert werden. Tina aber schreibt:
„Die tägliche Interaktion mit Heranwachsenden ist immer etwas Besonderes, mal lustig, mal traurig, mal inspirierend, mal zum Kopfschütteln, aber nie langweilig. (…) Es gibt natürlich auch jede Menge Dinge, die Ärger und Frustration verursachen, aber das ist für mich kein Grund, meinen Beruf in Frage zu stellen oder über vorzeitigen Renteneinstieg nachzudenken. Überhaupt ist die Rente für mich noch gar nicht vorstellbar, mir würde einfach alles fehlen an der Schule.“
Johannes ist 32 und Vater zweier Kinder, die sechs und drei Jahre alt sind. Seine Partnerin ist schwer depressiv. „Ich habe das Gefühl, fast permanent zu arbeiten“, schreibt er. Sein 32-Stunden-Job als Programmierer bei einem Ökostromanbieter ist für ihn eine Entlastung. Denn:
„Absurderweise ist die Lohnarbeit so etwas wie die Ablenkung und Pause von der ganzen anderen Arbeit, die ich zu tun habe, wenn ich mich um den Rest meiner Familie und den Haushalt kümmere. Daher gehe ich aktuell tatsächlich gern zur Lohnarbeit.“
Zum Schluss hat Sara, 33, noch eine ziemlich rebellische Idee. 2014 hatte sie einen Autounfall mit Schädel-Hirn-Trauma, diversen Knochenbrüchen und zehntägigem Koma. Nur zwei Monate nach dem Unfall schrieb ihr ehemaliger Chef auf Facebook, wann sie denn gedenke, wieder arbeiten zu gehen oder ob sie „jetzt einen auf Hartzer“ machen wolle. „Ja, unser Arbeitswille wird zerdrückt, bevor er richtig keimen kann“, meint Sara.
Sie fragt:
„Was würde geschehen, wenn alle, die nicht arbeiten können oder wollen, sich zeitgleich arbeitslos melden würden?“
Realistisch ist es kaum, das schreibt Sara auch, weil Familien versorgt und Kredite abbezahlt werden müssen. Aber als Gedankenspiel gefällt es mir sehr. Manchmal muss man erst radikal denken und kommt dann auf Ideen, die umsetzbar sind.
Redaktion: Thembi Wolf, Schlussredaktion: Susan Mücke & Lisa McMinn, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger