In Marokko ist ein Teil der Sahara eine Steinwüste, grauschwarz wie das Innere eines Ofens, in dem man eine Ladung Toasts verkohlt hat. Und so heiß ist es dort auch ungefähr, wenn man im August durchreist. Vor fast 20 Jahren war ich zu dieser Zeit dort. Ich hatte keine Ahnung, dass ich in dieser Wüste eine der nützlichsten Lektionen meines Lebens lernen würde. Nämlich darüber, wie man Hitze erträgt, ohne durchzudrehen.
Ich gebe damit gerne vor Freund:innen und Familie an, die aus heißen Ländern kommen und mit Klimaanlagen in der Schule und Ventilatoren am Bett aufgewachsen sind. Sie japsen bei Temperaturen über 30 Grad und stellen politische Forderungen nach staatlich subventionierten Kälteanlagen. Das ist der Moment, in dem ich ein selbstzufriedenes Lächeln aufsetze und meine Geschichte erzähle. Sie ist kurz und sie geht so:
Wenn das Thermometer 60 Grad zeigt
Früher habe ich Hitze gehasst. Im Sommer hockte ich grimmig im Schatten und wartete auf den Winter. Aber Reisen liebte ich und viele interessante Länder sind nun mal ziemlich heiß. So kam es, dass ich eines Tages in einem Geländewagen saß, der durch jenen Teil der Sahara fuhr. Draußen waren es 43 Grad. Das Auto glühte. Innen tropfte unser Schweiß nicht, er strömte. Mein T-Shirt fühle sich an wie ein Lappen, mit dem jemand eine Sauna geputzt hatte. Jede Faser an und in mir hasste diesen Zustand.
Das Auto hatte eine Anzeige für die Temperatur im Innenraum, der ich regelmäßig verzweifelte Blicke zuwarf. Ich glaube, es war Mittag, als sie 60 Grad zeigte. Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen und schaute noch einmal hin. Es waren immer noch 60 Grad. Vielleicht hatte die Technik kapituliert. In jedem Fall ist in diesem Moment etwas in mir kaputtgegangen. Ich kann es nicht erklären – wahrscheinlich ist es einfach geschmolzen.
Es war der Widerstand gegen die Hitze. Ich begriff, dass es keinen Sinn hatte, sich zu wehren. Sie war stärker. Ich konnte mich noch so zornig verkrampfen, der Wüste, der Sonne war es egal. In diesem Moment ergab ich mich. Und verfiel in der Schweißpfütze auf meinem Sitz in eine merkwürdige Ruhe, die blieb.
Regenschirme in der Sonne: Gute Idee
Seit diesem Tag komme ich mit Hitze besser klar. Schwitzen stört mich kaum noch (es sei denn, ich klebe an einem U-Bahn-Sitz fest). Das heißt nicht, dass ich in diesen Tagen nicht das Ende des heißen Wetters herbeisehne. Während ich das hier schreibe, stecken meine Füße in einem Eimer kalten Wassers, der unter meinem Schreibtisch steht. Ich halte mich an andere Dinge, die ich in heißen Ländern gelernt habe, zum Beispiel: Heißer Tee kühlt tatsächlich besser als kaltes Wasser (weil man mehr schwitzt und das den Körper abkühlt). Nackte Haut heizt sich in der Sonne stärker auf, deshalb lieber lange, luftige Hemden und Hosen tragen. Und wer in der Sonne einen Regenschirm aufspannt, ist schlau (denn der gibt Schatten).
Ich behaupte auch nicht, dass Hitze ungefährlich wird, wenn man sich nur innerlich locker macht. Im Gegenteil – sie kann bei entsprechender Luftfeuchtigkeit schon ab 32 Grad tödlich sein, wie mein Kollege Rico Grimm hier erklärt (überhaupt: Wenn du alles Wichtige darüber wissen willst, wie Hitze Deutschland verändern wird, empfehle ich dir seinen Zusammenhang).
Aber in den Momenten, in denen Hitze nicht gefährlich ist, sondern nur nervt, hilft mir meine Einsicht damals aus der Wüste: Widerstand ist zwecklos. Also kann ich mich genauso gut entspannen.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Tarek Barkouni, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert