Inke Hummel ist Pädagogin, Kinderbuchautorin und Erziehungsberaterin; sie möchte Erwachsene darin unterstützen, gelassener mit ihren Kindern zu leben. Ich weiß, wie wichtig dieses Thema vielen von euch ist: Einer meiner meistgelesenen Texte auf Krautreporter ist dieses Interview: Was, wenn vieles falsch wäre, was wir über Kindererziehung wissen? Deswegen stelle ich euch Inke mit Hilfe von fünf Fragen vor. Ich glaube, dass ihre Perspektive für viele von euch interessant und wertvoll sein könnte.
Frage 1: Warum stehst du morgens auf und gehst zur Arbeit?
Weil es eine Herzensangelegenheit für mich ist, dass es Kindern gut geht. Ich bin jemand, der für Kinder kämpft und ihren Blick einnimmt. Kinder haben keine Lobby, wahrscheinlich weil sie keine potenziellen Wähler sind. Es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, darauf zu achten, was sie individuell benötigen.
Ich habe das Gefühl, die Politik vergisst Kinder oft, nicht nur während Corona. Wenn etwas sich nicht sofort auswirkt, ist es für Politikerinnen und Politiker oft unattraktiv und wird nicht umgesetzt. Viele Ansätze zur Begleitung der Jungen und Mädchen im Kindergarten und in der Schule lassen sich finanziell nur schwer beziffern, sind aber extrem wichtig. Betreibt man etwa im jungen Alter schon Prophylaxe hinsichtlich Bindungssicherheit, mag das erstmal keine sofort sichtbaren Auswirkungen haben. Der Ansatz ist aber, dass, sagen wir mit Mitte 20, dann vielleicht weniger junge Menschen mit psychischen oder anderen Problemen zu kämpfen haben. Für solche Dinge setze ich mich ein.
Frage 2: Was regt dich auf?
Im Grunde regen mich eingeschränkte Blicke durch irgendeine Form von Extremismus auf, ganz egal in welchem Feld. Es kann sich dabei um rechtsextreme Thesen handeln oder schlicht um Eltern, die in irgendeiner Form extrem sind, nur ihre eigene Sichtweise haben und sich nicht auf ein Miteinander einlassen.
Mir wird das zum Beispiel bei Trennungskindern und ihren Geschichten deutlich. Es gibt sowohl Mütter als auch Väter, die mit ihren jeweiligen Expartnern krasse Geschichten erlebt haben. Daraus wird schnell eine Verallgemeinerung: Alle Mütter sind so, alle Väter sind so. Dieses Extrem ist natürlich falsch. Egal was vorher passiert ist, sollten die Eltern immer versuchen, sachlich miteinander zu kommunizieren. Sie müssen sich verbinden, damit es ihren Kindern gut geht.
Frage 3: Ohne welche drei Dinge kannst du nicht leben?
Erstens: Spotify. Musik ist sehr wichtig für mich. Sie löst bei mir Gefühle in jede Richtung aus und weckt Erinnerungen an Momente, in denen bestimmte Songs liefen. Ich bin kein Mensch, der zum Beispiel viel Lyrik liest. Ich ziehe aber sehr viel aus Songtexten. Ich streame Musik mittlerweile zwar eher, aber sogar mein altes CD-Regal steht noch in meiner Wohnung. Manchmal hole ich CDs raus, blättere durch die Booklets und lese mir die Lyrics durch.
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Auch auf mein Smartphone kann ich nicht verzichten: Ich nutze es sowohl für meinen Job als auch privat. Meine Freundinnen und Freunde wohnen weit verteilt, mit meinem Smartphone kann ich unkompliziert Kontakt zu ihnen halten. Neulich sagte ein Freund, ich sei eine “intensive Freundin”. Das freut mich, denn ich pflege gerne Freundschaften und betrachte Freunde und Freundinnen als Wahlverwandtschaft. Auch mit meinen drei Teenie-Kindern bin ich über mein Handy und Whatsapp verbunden.
Eine dritte Sache, ohne die ich nicht leben kann, sind Papier und Stift. Ich habe einen Papierkalender und schreibe weiterhin handschriftliche Briefe. Schreiben ist wie Atmen für mich. Meine Bücher und Artikel verfasse ich zwar am Rechner. Ich muss aber regelmäßig weg vom BIldschirm, um meine Linie beim Schreiben wiederzufinden. Auf Papier kann ich meine Gedanken am besten sortieren.
Frage 4: Was bedeutet für dich ein gutes Leben?
Ich bin dankbar für die Privilegien, die ich habe. Für mich bedeutet ein gutes Leben, viele Möglichkeiten zu haben. Tun und lassen zu können, was ich selbst möchte. Sei es ein bestimmtes Projekt im Job oder der Ort, an dem ich leben will. Gesellschaftlich ist das ein schwieriges Thema, weil die Startbedingungen ins Leben so ungleich sind. Manche haben es leichter, für andere ist es schwerer, sich frei entfalten zu können.
Meine familiäre Herkunft ist nicht super. Auch ich musste mich freischwimmen, um mehr Chancen zu haben. Daran habe ich persönlich viel Anteil und bin auch stolz darauf. Mittlerweile habe ich viele Privilegien und ein gutes Leben. Ich würde allen Menschen wünschen, dass sie diesen Punkt für sich persönlich erreichen können.
Frage 5: Wenn du eine Sache in deiner Heimatstadt sofort ändern könntest, was wäre das?
Ich wohne seit 30 Jahren in Bonn. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn die Leute hier aufhören würden, sich – überspitzt gesagt – für 17 zu fällende Bäume einzusetzen, die einer Fahrradstraße im Weg stehen. In den Wäldern um die Stadt werden jeden Tag 300 Bäume für die Holzwirtschaft gefällt, aber in der Stadt sind eine Handvoll Bäume, die für eine Fahrradstraße weichen müssten, auf einmal ein Problem.
Bei diesem Thema muss ich oft an das Buch “Autokorrektur” von Katja Diehl denken. Sie schreibt in ihrem Buch ein Plädoyer für eine klimagerechte Verkehrswende. Ich finde, wenn wir fahrradfreundlichere Städte schaffen wollen, dürfen wir unsere Motivation nicht für unsinnige Grabenkämpfe verschwenden. Wenn für eine Fahrradstraße ein Baum gefällt werden muss, ist das so. Der Mehrwert im Vergleich zum Autoverkehr ist trotzdem immens. Viele Aktivisten und Aktivistinnen müssten mehr in großen Zusammenhängen denken statt sich immer wieder in kleinen Themen zu verlieren. Das gilt für Bonn, aber nicht nur für meine Stadt.
Redaktion: Maximilian Senff; Schlussredaktion: Esther Göbel; Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert