Es ist ein Tag Ende November 2019. Auf dem Schwarzen Meer, vor der rumänischen Küste, sind 14.600 Schafe auf einem sinkenden Schiff gefangen. Schon kurz hinter dem Hafen ist die „Queen Hind“ gekentert. Sie sollte die Tiere von Rumänien nach Saudi-Arabien bringen. Helfer:innen ziehen ein paar Schafe aus dem Wasser, sie durchsuchen das Schiff und finden unter Haufen von durchweichten Schafskörpern lebende Tiere. Nach fünf Tagen geben sie die Suche auf. 254 Schafe haben sie gerettet, mehr als 14.000 haben nicht überlebt.
Ende März diesen Jahres steckt der Frachter „Ever Given“ sechs Tage lang im Suezkanal fest und blockiert die Durchfahrt. Hunderte Schiffe stauen sich – einige von ihnen transportieren lebende Tiere. „130.000 Schafe sollen im Suezkanal feststecken“, schreibt der Spiegel.
Vor einem Jahr veröffentlichte der englische Guardian schockierende Zahlen: Im Jahr 2017 wurden 1,9 Milliarden lebende Hühner, Schweine, Schafe, Ziegen und Rinder transportiert, 2007 waren es nur eine Milliarde. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Export lebender Tiere also fast verdoppelt. Ein Teil des Anstiegs lässt sich dadurch erklären, dass die Fleischproduktion insgesamt zugenommen hat, allerdings im gleichen Zeitraum nur um etwa ein Viertel.
Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Und was machen lebende Tiere überhaupt auf dem Meer und in LKWs? Die Antwort hat wie so oft mit Geld zu tun und sagt viel über unser Wirtschaftssystem aus.
Wochenlang auf dem Schiff und am Ziel geht’s zum Schlachthof
Sowohl die ertrunkenen als auch die Suez-Schafe kamen aus Rumänien und waren auf dem Weg in den Nahen Osten. Rumänien gehört zu den größten Exporteuren von lebenden Schafen in der EU. Gleichzeitig importiert das Land Fleisch. Denn es gibt nicht genug Kapazitäten, um Tiere vor Ort zu schlachten – und diese aufzubauen, ist teuer. Rumänien bekommt zwar Subventionen von der EU, doch sie dienen eher dazu, die Produktion aufzubauen, als neue Schlachthöfe zu bauen.
Länder des Nahen Ostens auf der anderen Seite haben nicht genug Wasser, um die Tiere aufzuziehen. Durch die Klimakrise ist die Region trocken geworden, gleichzeitig essen die Menschen mehr Fleisch.
Laut einem Bericht der EU-Kommission (PDF des Berichts) sind die Schiffe, die Tiere transportieren, oft in schlechtem Zustand. Manche bekommen eine Erlaubnis von den nationalen Behörden, obwohl sie nicht den EU-Tierrechtsstandards entsprechen. Auch die Häfen sind schlecht ausgerüstet. Wenn die Tiere in LKWs dort ankommen, ist oft nicht genug Platz, um sie auszuladen. Dann müssen sie in den LKWs warten, auch im Sommer, wenn es darin viel zu heiß ist.