Wenn ich all die famosen Gerichte auf Instagram sehe, in hochglänzenden Kochbüchern oder Fernsehproduktionen wie „Chef’s Table“, kommt mir oft der Gedanke: Oh, das will ich essen! Seltener denke ich: Oh, das will ich kochen! Zu viel Arbeit, die Hälfte der Zutaten fehlt. Aber selbst wenn ich sie da hätte: Wer weiß, ob diese komplizierten Rezepte überhaupt gelingen? Dann schaue ich in meinen Kühlschrank, gehe mit Hunger im Magen die Konserven durch, die ich noch da habe, und denke: Oh ja, da könnte man ja eigentlich was draus machen!
Genau darum soll es in der neuen Folge meiner Kolumne gehen. Du hast keine Lust oder Zeit einzukaufen? Und willst die Lieferando-Fahrer:innen nicht durch die Stadt jagen? Gut, dann schauen wir doch mal, was du noch zuhause in deinem Schrank hast – und was du damit kochen kannst.
Hier sind zehn Rezepte mit Zutaten, die du wahrscheinlich da hast (und wenn nicht: Die meisten von ihnen sind sehr lange haltbar, setze sie doch einfach für deinen nächsten Einkauf auf die Liste). Alle Mengenangaben sind übrigens für eine Person berechnet (es sei denn, es steht etwas anderes dabei) und lassen sich problemlos verdoppeln.
1. Ich habe noch ein Ei
Du machst Rührei, aber richtig. Schmilz einen Esslöffel Butter in der Mikrowelle und vermische sie mit einem oder zwei Eiern in einer Schüssel oder einer Tasse. Gib etwas Salz und Pfeffer aus der Mühle zu der Mischung hinzu. Wenn du Tabasco hast, füge einen Spritzer hinzu (es schmeckt aber auch ohne). Erhitze eine Pfanne (ohne Fett!) auf die höchstmögliche Temperatur. Teste mit einem Wassertropfen, ob die Pfanne maximal heiß ist. Das Wasser muss sofort komplett verpuffen. Wenn das der Fall ist, kippst du die leere Pfanne um 30 Grad an, gießt eine kleine Menge der Ei-Butter-Mischung an den höchstmöglichen Punkt der Pfanne und lässt das noch flüssige Ei-Gemisch herunterlaufen. Es wird sofort fest.
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Schabe die dünne Schicht, ohne zu warten, mit einem Pfannenwender an den tiefsten Punkt der Pfanne. Es bildet sich eine gefaltete Struktur. Wiederhole den Vorgang und zwar so lange, bis die gesamte Ei-Butter-Mischung einmal über den heißen Pfannenboden gelaufen ist.
All dies muss sehr schnell gehen, weil das Rührei sonst trocken wird. Hebe es auf den Teller, sobald es fertig ist. Warte nicht, bis es trocken und traurig wird. Wenn du alles richtig gemacht hast, ist das Ergebnis glänzend, feucht und saftig. Da sehr wenig Ei auf sehr viel sehr heiße Oberfläche trifft, musst du dir auch keine Sorgen machen wegen Salmonellen und dergleichen. Dieses Rührei ist safe.
2. Ich habe noch Mehl und Zucker
Du machst Pannukakku oder Dutch Baby, einen luftigen, spektakulären Backofen-Pfannkuchen. Es ist unklar, ob es in Finnland, den Niederlanden oder ganz woanders war, als erstmals zwei Eier und je eine Tasse Mehl und Milch mit etwas Muskatnuss vorsichtig zu Teig verrührt (ein paar Klümpchen sind egal), zu geschmolzener Butter in die Pfanne gegeben und dann in den vorgeheizten Backofen (15 bis 18 Minuten bei 230 Grad) gestellt wurden. Es ist aber auch egal, wichtig ist das Ergebnis: Aus dem Backofen kommt ein – ganz ähnlich dem schon vorgestellten Yorkshire Pudding – dramatisch aufgehender (und dann wieder in sich zusammenfallender) Pfannkuchen, den du mit Früchten, Marmelade und Puderzucker essen kannst (und immer wieder essen werden willst). Obacht: Deine Pfanne muss einen hitzebeständigen Griff haben. Gußeiserne Pfannen sind für solche Zwecke perfekt. (Dieses Rezept ist ausreichend für zwei Personen.)
3. Ich habe noch altes Weißbrot und zwei Eier
Du machst Arme Ritter oder French Toast. Dazu lässt du einen Esslöffel Butter in einer Pfanne auf niedriger Hitze sehr langsam schmelzen. Währenddessen verquirlst du ein Ei, ein weiteres Eigelb, 230 Milliliter Vollmilch, Vanille (wenn du hast) und eine Prise Salz, bis die Mischung schaumig ist. Dann nimmst du dein Brot, schneidest es in dicke Scheiben (drei bis fünf Zentimeter). Wenn die Butter geschmolzen ist, drehe die Hitze fast ganz auf und höre dir die Butter in der Pfanne an – wenn sie Geräusche macht, tunkst du das Brot ein paar Sekunden pro Seite in deine Ei-Milch-Mischung (das Brot tränken, aber nicht einweichen!) und gibst die abgetropften Scheiben in die heiße Pfanne. Etwas Zimt (wenn vorhanden) und Zucker auf jede Scheibe zum Verfeinern, dann pro Seite zwei Minuten anbraten oder auf einer Seite bis diese goldbraun ist.
Beim Wenden noch etwas Butter in die Pfanne geben und wieder die Oberseite mit Zimt (wenn vorhanden) und Zucker bestreuen. Um herauszufinden, ob die French Toasts fertig sind, drücke sie in der Mitte etwas ein – die Delle sollte langsam von selbst verschwinden. Wenn sie bleibt, ist der Toast noch nicht durch. French Toasts kann man gut mit Ahornsirup oder Beeren essen (wenn einem rechtzeitig einfällt, dass man noch eine Tüte TK-Blaubeeren im Tiefkühlfach hat).
4. Ich habe noch Nudeln und Parmesan
Du machst Nudeln mit brauner Butter. Für eine Portion kochst du 120 Gramm Nudeln (20 Milliliter Nudelwasser zurückhalten). Parallel zwei Esslöffel Butter bei niedriger bis mittlerer Temperatur in einer Pfanne zerlassen, bis sie gerade braun wird, dann sofort von der Herdplatte nehmen. Die Butter muss aber braun werden, weil nur dann ihre Eiweißbestandteile geröstet sind, die dem Gericht den gewünschten nussigen Geschmack geben. Dann die Nudeln etwas abgetropft in die Pfanne geben, 60 Gramm geriebenen Parmesan unterheben, vorsichtig Nudelwasser dazu, bis die Nudeln glänzen, aber nicht wässrig sind. Pfeffern, fertig.
5. Ich habe noch Nudeln und Knoblauch
Du machst Pasta aglio e olio, also mit Knoblauch und Öl. 120 Gramm Nudeln, idealerweise Spaghetti oder Spagghettini, in gut gesalzenem Wasser kochen, bis sie eine Minute vor al dente sind. Sie dürfen nicht fertiggekocht werden. Halte eine Tasse Nudelwasser vor dem Abgießen zurück. Schneide eine Knoblauchzehe in dünne Scheiben. Gib sie zusammen mit 75 Milliliter Olivenöl in eine Pfanne (wenn du Chiliflocken hast, gib einen viertel Teelöffel dazu). Schalte erst dann die Kochstelle ein, auf etwas mehr als mittlere Hitze. So wird verhindert, dass der Knoblauch zu schnell schwarz wird. Zwei Minuten nachdem das Öl heiß ist, sollte der Knoblauch etwa durchsichtig sein. Nimm dann die Pfanne von der Kochstelle.
Gib die abgegossenen Nudeln mit einem Viertel (!) des zurückgehaltenen Nudelwassers zu dem Öl in die Pfanne. Stelle die Pfanne wieder auf die Kochstelle, auf der fast höchsten Stufe. Koche die Nudeln in der Pfanne zu Ende, vermutlich musst du nach einer Weile ein weiteres Viertel des zurückgehaltenen Wassers dazugeben. Probiere jede Minute, ob die Nudeln durch sind. Idealerweise sind die Nudeln dann durch, wenn das Wasser komplett verdunstet ist. Mit etwas Salz, Pfeffer und Parmesan (wenn vorrätig) bekommst du so ein super Essen bei einer sehr übersichtlichen Zutatenliste.
6. Ich habe noch Dosenthunfisch und Senf
Du machst Thunfischrillettes mit Senf. Rillettes sind ein Brotaufstrich aus gehacktem und konserviertem Fleisch (und ziemlich viel eigenem Fett), der meist aus Schweine- oder Entenfleisch gemacht wird. Diese Variante hier basiert auf einem Rezept des französischen Kochs Eric Ripert. Du stellst eine Mischung her aus dem Inhalt einer abgetropften Dose Thunfisch im eigenen Saft, nicht in Öl (aber im Notfall egal), ein Teelöffel klein gehackter Zwiebeln (rot, wenn möglich, im Notfall egal), ein Teelöffel Senf (Dijon, wenn möglich, im Notfall nicht so ganz egal), ein bis zwei Esslöffel Olivenöl und etwas Salz und Pfeffer. Optional: Wenn du noch Kapern findest, wirf ein paar rein. Ist Knoblauch im Haus, hacke eine halbe Zehe klein und rein damit.
Etwas kleingehackte glatte Petersilie wäre auch nett, aber wenn du schon sonst nichts mehr im Haus hast, dann vermutlich auch keine glatte Petersilie. Nicht schlimm. Die Mischung streichst du auf irgendein Brot, es funktioniert mit fast allen Sorten, die nicht zu süß sind. Cracker gehen auch als Unterlage oder Maiswaffeln, falls du eine kalorienärmere Variante suchst.
7. Ich habe noch Haferflocken
Du machst Hafercrunch. Dieses Rezept habe ich von einem lieben Menschen in Wien, der es mir einmal live durchs Telefon diktiert hat. Das Rezept ist so haarsträubend einfach, dass man sich ärgert, es nicht schon hundertmal gemacht zu haben. Du erhitzt ein bis zwei Esslöffel Butter in einer Pfanne auf fast höchster Temperatur. Wenn die Butter geschmolzen ist, gibst du Haferflocken in die Pfanne, so dass der Boden bedeckt ist, aber nicht mehr als das. Die Flocken saugen sich sofort mit der Butter voll, das ist okay. Nach einer halben Minute gibst du etwa einen Teelöffel Zucker (braunen, wenn du hast) dazu, halbwegs fair verteilt über die Haferflocken.
Jetzt kommt ein bisschen Chaostheorie ins Spiel: Mit einem Pfannenwender schiebst du Zucker und Haferflocken durch die Pfanne, damit sie nicht festkleben. Nach einer Weile bilden sich unförmige feste, knusprige Stücke, weil der Zucker karamellisiert ist und die Flocken zusammenklebt. Wenn das nicht passiert, füge einen weiteren Teelöffel (braunen) Zucker hinzu. Das alles muss passieren, bevor die Flocken verbrennen. Nach spätestens zwei Versuchen hat man es aber raus.
Den fertigen Crunch abkühlen lassen und dann einfach wie Kekse essen oder in ein Joghurt geben, zusammen mit Ahornsirup oder Honig. Es ist ein großer Spaß und man will sofort noch eine Pfanne davon machen.
8. Ich habe noch Kichererbsen im Glas
Okay, das ist kein vollständiges Gericht, du musst es also entweder selbst ergänzen oder es als Snack betrachten. Du machst gebratene Kichererbsen, wie der Essenskolumnist Mark Bittman sie in der New York Times beschreibt (es ist sehr einfach). Kichererbsen sehr gut abtrocknen. Dann erhitzt du drei Esslöffel Olivenöl in einer Pfanne bei hoher Temperatur. Wenn das Öl heiß ist, so viele Kichererbsen in die Pfanne geben, bis sie den Boden bedecken, aber nicht mehr als das. Salzen, pfeffern, die Temperatur auf niedrig bis mittel stellen und dann eine Viertelstunde bis zwanzig Minuten braten, dabei ab und zu an der Pfanne rütteln. Fertig. Das Ergebnis ist knusprig und sehr befriedigend und man kann es fast beliebig mit gedünstetem Gemüse (oder sogar Bratwurst!) kombinieren.
9. Ich habe noch Kräuter
Okay, ich gebe zu, das passiert vielleicht nicht so oft wie bei den oben genannten Zutaten (es sei denn, du hast einen Kräutergarten auf dem Balkon). Aber ich nehme jeden noch so fadenscheinigen Anlass, das Marcella Hazan-Rezept für Pasta mit vier Kräutern weiterzuerzählen. Dieses Rezept macht Gebrauch von einer der vielen unfassbaren Techniken Hazans und es funktioniert auch mit drei oder zwei verschiedenen Kräutern. In ihrem Rezept für Pasta mit vier Kräutern werden – während die Nudeln kochen – Rosmarin, Minze, glatte Petersilie und Salbei kleingehackt und zusammen mit einer Handvoll halbierter Strauchtomaten oder einer kleingeschnittenen, abgetropften Dosentomate in eine Schüssel gegeben. Kurz bevor die Nudeln fertig sind, erhitzt man ein paar Löffel Olivenöl in der Pfanne, bis es zu rauchen beginnt (sic!). Dann wird das rauchende Öl über die Kräuter und die Tomaten gekippt.
Im Bruchteil einer Sekunde explodieren die Aromen und bevor man Non c’è male sagen kann, verschwindet die halbe Wohnung in einer Rosmarinwolke, die so betörend ist, dass man sich fragt, warum man nicht jeden Tag ein kleines Kräuterbeet in die Luft sprengt.
Achso, vor lauter Euphorie fast vergessen: die Nudeln! Die musst du noch kurz unterheben und etwas Parmesan drüberhobeln – fertig. Wir lernen daraus (wieder einmal): Fett setzt Aromen frei. Und in diesem Fall braucht man nicht mal viel davon, es muss nur wahnsinnig heiß sein.
10. Ich habe noch Kakaopulver oder Nutella (und eine Mikrowelle)
Du machst ein Tassentörtchen. Ein Lava-Cake wird es nicht, aber mehr als essbar ist das Törtchen: ein Teelöffel (zum Beispiel in der Mikrowelle) geschmolzene Butter oder ein Teelöffel Pflanzenöl, ein Ei, drei Teelöffel Zucker und drei Teelöffel Kakaopulver in einer Tasse verrühren. Optional Schokoraspel drauf. Kein Mehl, kein Backpulver. Die Tasse 60 bis 90 Sekunden bei 750 Watt in die Mikrowelle. Wenn vorhanden, Puderzucker und weitere Schokoraspel drüber, fertig und gut.
Nachtrag 17. März: Ich habe ausprobiert, ob Hazans Kräuterpasta auch mit Dosentomaten funktioniert und ja, sogar sehr gut! Das Rezept habe ich entsprechend ergänzt. Außerdem habe ich die Notwendigkeit der Küchenmaschine gestrichen.
Redaktion: Esther Göbel; Schlussredaktion: Susan Mücke; Bildredaktion: Till Rimmele, Audioversion: Christian Melchert