In diesem Teil der Genussreihe gibt es ein kleines Büffet. Normalerweise mag ich keine Büffets, weil sie mich in Panik versetzen. Habe ich alles probiert, was ich wollte? Nehme ich nicht viel zu viel? Kann man das alles so durcheinander essen? Büffets sind einerseits belastend. Andererseits sind sie gut, wenn man nicht so genau weiß, was die Gäste mögen. Und das machen wir heute. Es gibt sieben verschiedene kleine Gerichte. Und wenn ihr wollt, verratet ihr eurem Gastgeber hinterher, was besonders gut war. Und dann gibt es vielleicht nächstes Mal ein ganzes Menü zu diesem Thema. Guten Appetit!
1. Du salzt zu wenig. Und zu spät
Ohne Salz geht gar nichts. Salz ist nicht nur das Salz in der Suppe, Salz ist die Suppe. Ein guter Tipp der Köchin und Autorin Samin Nosrat ist: Salze ein Gericht nicht erst am Ende, wenn das Salz keine Zeit mehr hat, seine Wirkung zu entfalten, sondern salze während jedes Schritts der Zubereitung. Salze sogar schon vor der Zubereitung. Fleisch zum Beispiel wird direkt nach dem Kauf gesalzen, weil es das Fleisch saftiger hält, und dann in den Kühlschrank gegeben. Erst frühestens eine Stunde später wird es gebraten (der NDR erklärt es hier im Detail). Ins Nudelwasser kommt viel mehr Salz, als du denkst, weil die Nudeln nur ein paar Minuten im Kontakt mit dem Wasser sind. Bei Eintöpfen oder Braten braucht man weniger Salz, weil diese Produkte dem Salz viel länger ausgesetzt sind. Wenn du irgendeine Nudelsauce machst, salze immerzu ein bisschen während des Köchelns, nicht erst am Ende. Ausnahme: große Salzflocken, die man wegen des Crunchs am Schluss auf die Speise gibt (bei Cookies zum Beispiel oder dem Haferbrei-Rezept aus Teil 1 der Serie). Mehr Salz gibt es in Nosrats Netflix-Serie „Salz, Fett, Säure, Hitze“ (oder ihrem Buch, auf dem die Serie basiert).
2. Alles, was du über Marshmallows weißt, ist falsch
Als ich einmal in einem amerikanischen Supermarkt einen Erkältungstee mit dem schönen Namen „Throat Coat“ (übersetzt etwa: Halsmantel) gekauft habe, war ich relativ verdattert, als sich unter den all natural Zutaten die Marshmallow-Pflanze fand. Was hat denn der Schaumzuckerfluff, der hierzulande auch unter „Mäusespeck“ firmiert, im Tee verloren? Als guter Europäer war ich sowas von bereit, die Amerikaner für ihren ungesunden und natürlich völlig kulturlosen Essensquatsch zu verspotten (Venti Frappuccino Macchiato mit Karamellsirup! Toffee-Muffins mit Bacon! Waffeln mit Fried Chicken! High Fructose Corn Syrup!).
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Marshmallows im Tee? Wir sind alle verloren! Tatsächlich ist alles daran Unsinn. Wir sind gar nicht verloren. Und Marshmallow heißt auf Deutsch schlicht Sumpfmalve oder Echter Eibisch. Es ist tatsächlich eine Pflanze. Ihre Wurzel enthält Polymere, die viel Wasser aufnehmen können und dabei ein Gel produzieren. Diese Eigenschaft macht man sich bei der traditionellen Herstellung von Marshmallows zunutze, indem Extrakte aus der Wurzel mit Eischnee und Zucker zu einer schaumigen Masse verquirlt werden. Kurz gesagt: Die Sumpfmalve macht den Fluff! Und als ob das nicht schon verstörend genug wäre, kommt diese Süßspeise nicht aus Amerika, sondern aus dem Land am anderen Ende der kulinarischen Vorurteilsachse, Frankreich. Sollen die unzivilisierten Amis doch ihren Zuckerschaum am Lagerfeuer verkokeln, als Pâte de Guimauve klingt der Eibischteig gleich wie eine Delikatesse. Und im Erkältungstee landete die Wurzel, weil ihre hustenreizlindernde Wirkung seit Jahrtausenden überliefert ist. In Hustensaft findet man sie auch in Deutschland.
3. Der Trick mit der Textur funktioniert
Der FAZ-Gastrojournalist Jürgen Dollase teilt mit uns eine einfache, aber effektive Technik aus der Spitzenküche: das gleiche Produkt in verschiedenen Texturen. Ein Beispiel: Wenn du Bratkartoffeln machst, nimm ein paar besonders stark gebratene Exemplare beiseite und püriere sie in einer Küchenmaschine, zusammen mit ein bisschen Sahne, Salz und Pfeffer. Zack, hast du ein Sößchen, das du über die Kartoffeln sprenkeln kannst. Schlagartig ist das Gericht ein bisschen interessanter. So ähnlich kann man auch mit Gemüsegurken verfahren. Wenn man zum Beispiel einen Salat macht, nimmt man ein paar Gurkenstücke, püriert sie (keine Sahne nötig) und hat dann eine Basis für ein Dressing. Die Idee ist immer die gleiche: die gleiche Zutat, aber anders zubereitet, im selben Gericht. Das sorgt für Abwechslung (und spannendere Optik). Hier findest du ein einfaches Rezept von Dollase, in dem diese Technik zum Einsatz kommt. Ich habe es ausprobiert, es ist super (aber die Kartoffeln brauchen deutlich länger, als Dollase schreibt, also Obacht).
4. In welchem Käse Asche ist (und warum)
Aus der Milch entlegener Höfe in der Region Franche-Comté machten französische Milchbauern ursprünglich den Rohmilchkäse Morbier. Bei kleinen Kuhherden reichte die Milch des morgendlichen Melkgangs nicht für ein ganzes Käserad aus, also mussten die Milchbauern auf die Abendmilch warten. Um in der Zwischenzeit die Verkeimung der Rohmilch zu vermeiden, wurde die Morgenmilch mit Pflanzenasche bedeckt. So entstand in dem fertigen Käse der charakteristische Aschestreifen in der Mitte. Heute wird Morbier industriell hergestellt, die Asche wäre nicht mehr nötig, aber die Traditionen sind stark und das Marketing auch. Denn ohne dieses Erkennungszeichen hätten Leute wie ich ja gar nichts zu erzählen und deshalb ist immer noch Asche im Morbier. (Auf den Geschmack hat sie übrigens keinen Einfluss. Der Morbier schmeckt aber so gut, dass man ihn Aliens zum Probieren geben würde, wenn sie vorbeikämen und wissen wollten, was Käse ist.)
5. Woran du im Ausland deutsche Restaurantbesucher erkennst
Tischsitten, ein belastendes Thema. Die einen wollen bloß nichts falsch machen, die anderen wollen sich bloß nichts vorschreiben lassen. Hier meine unmaßgebliche Meinung: Tischsitten sind eine Sprache. Sie sind sehr praktisch, sehr unsinnig, die Fortschreibung einer Tradition und Distinktionsgegenstand, sie sind robust und im Wandel, alles zugleich. Gabel links, Messer rechts, Getränke immer von rechts anreichen, Kartoffeln nicht mit dem Messer schneiden, die Hände immer auf dem Tisch, sich als Gastgeber:in erst setzen, wenn die Gäste sitzen, „Guten Appetit“ nicht bei Geschäftsessen sagen und so weiter. Wer sich daran hält, weist sich als jemand aus, der die Regeln kennt. Aber natürlich nur gegenüber denen, die die Regeln auch kennen. Wie beim Oxfordkomma oder dem Unterschied zwischen anscheinend und scheinbar.
Wer die Sprache beherrscht, erntet den Respekt derer, die sie auch beherrschen. Den anderen ist es egal, weil sie weder Regel noch Verstoß kennen. Tischsitten sind Kulturprodukte, deshalb ist es (mit Ausnahmen) auch so müßig, über ihre Sinnhaftigkeit zu diskutieren. Wie sinnvoll ist es, dass der Bär Bär heißt und die Schlange Schlange. Es hätte ja auch genau umgekehrt sein können. Sinnvoll hingegen ist es, sich darauf zu einigen, was mit „Bär“ und „Schlange“ gemeint ist. Inwiefern es also sinnvoll ist, sich auf die gleichen Tischsitten zu einigen, wäre der eigentlich spannende Gegenstand der Diskussion. Heute jedoch nicht.
Heute soll es nur kurz um die „Bröckchen-Flöckchen-Regel“ gehen, an deren Nichteinhaltung man deutsche Restaurantbesucher im Ausland erkennt. Die Regel besagt, dass man Brotscheiben aus dem Brotkorb nicht am Stück wie ein Butterbrot beschmiert und dann davon abbeißt. Vielmehr soll man ein Bröckchen abbrechen, mit einem Flöckchen Butter beschmieren und dann auf diese Weise nur kleine Mengen des Brotes essen (man ist ja normalerweise nicht wegen des Brots im Lokal). Der „Arbeitskreis Umgangsformen International“ schreibt, dass man im Ausland Deutsche im Restaurant daran erkenne, dass sie sich am Tisch ein Butterbrot schmieren und davon abbeißen. Natürlich wird dich niemand darauf hinweisen, wenn du diesen Fauxpas begehst, denn auch das gehört zu den Benimmregeln: Fremde korrigieren dich nicht. Sie nehmen einfach still zur Kenntnis, dass du die Regel nicht kennst. Aber nur, wenn sie sie selbst auch kennen.
6. Was Leibniz-Butterkekse und Chipsletten gemeinsam haben
Millennials ist durch ihre späte Geburt ein Schicksalsschlag erspart geblieben: Sie kennen Bahlsen („Leibniz Butterkeks“, „Azora“, „Ohne Gleichen“) und Lorenz Snack-World („Chipsletten“, „Nic-Nacs“, „Saltletts“) nur als zwei separate Unternehmen. Dabei ist das erst seit gut zwanzig Jahren so. Die längste Zeit kamen diese Backwaren von einer Firma, von einer Familie gar, Bahlsen nämlich. Erst 1999 kam es zum großen Snack-Schisma: Die beiden Brüder Werner Michael und Lorenz verkrachten sich und teilten das Imperium entlang der Geschmackswahrnehmung auf: Werner Michael übernahm süß, Lorenz salzig. Und während beide Geschäftsbereiche zum Zeitpunkt der Trennung noch gleich groß waren, ist der Erfolg der beiden Unternehmen sehr unterschiedlich. Während es bei Lorenz passabel läuft, macht Bahlsen vor allem durch Tochter Verena auf sich aufmerksam, die die Rolle des Unternehmens in der Nazizeit publikumswirksam zu verharmlosen suchte. Tatsächlich aber haben beide Unternehmen die gleichen Probleme, wie die Wirtschaftswoche schreibt: die stetig wachsende Marktmacht der Einzelhändler und ein geändertes Konsumverhalten. Beide gurken so vor sich hin. Unter normalen Bedingungen würden solche Unternehmen zumindest über eine Fusion reden, um Kosten zu sparen und bessere Konditionen aushandeln zu können. Aber die beiden Familienteile reden nicht nur nicht darüber, sondern gar nicht miteinander. Top Unternehmensführung, gerne wieder!
7. Wie du mit deinem Handy und etwas Statistik gute Lokale findest
Die Beantwortung der Frage, in welches Restaurant es sich zu gehen lohnt, ist eine gigantische Branche für sich. Guide Michelin, Foodblogger, Gastrokritiker, sie alle wollen nicht nur, dass du in die besten Lokale gehst, sie wollen vor allem einen Reinfall verhindern. Es ist unmöglich, allgemeingültige, faire und praktikable Faustregeln für das Erkennen guter Lokale aufzuschreiben. Aber man kann sich an die Empfehlungen bisheriger Besucher:innen halten – wenn man weiß, wie. Hier ein überraschend gut funktionierender Tipp:
- Besorge dir die Apps TripAdvisor und Yelp.
- Wenn du in einer Gegend mit wenigen Restaurants bist (zum Beispiel in einer Kleinstadt), halte dich an die Lokale mit mindestens 4,5 von 5 Punkten bzw. Sternen.
- Wenn du in einer Großstadt mit sehr vielen Restaurants bist, kannst du die Toleranzschwelle auf mindestens 4,0 Punkte absenken und wirst immernoch zufrieden sein. Der Grund liegt darin, dass an Orten wie Berlin und Paris mehr Zugereiste die Restaurants bewerten als in Kleinstädten und Dörfern. Diese Gäste haben also schon mehr und mehr Verschiedenes gegessen und daher einen besseren Vergleich. Das zieht einerseits den Bewertungsschnitt nach unten, weil diese Leute nicht mehr so leicht zu befriedigen sind. Es sorgt aber zugleich dafür, dass die wenigen Lokale, die eine Bewertung von 4,5 oder mehr erhalten, wirklich bemerkenswert sind.
- Meide generell alle Restaurants, die weniger als 4,0 Punkte/Sterne erhalten haben. Wenn es da, wo du bist, keine gibt, packe das nächste Mal ein Sandwich und eine Flasche Wein mit Schraubverschluss ein, damit wirst du sicherlich mehr Spaß haben (und weniger ausgeben).
Bonustipp: Wenn du von jemandem, den du nicht gut kennst, eine dringende Empfehlung für ein Restaurant bekommst, frage die Person nach ein paar Lokalen, die sie schlecht findet. Falls sie dir keine nennen kann, ist die Empfehlung vermutlich nicht viel wert, denn du bist an einen Allesmöger geraten. Diese Menschen essen einfach gerne und zwar alles. Weshalb sie zwar nicht als Empfehlungsquelle taugen, aber dennoch glücklich sind.
Das Rezept
Im heutigen Rezept kommt eine gleichzeitig banale und sehr ungewöhnliche Zutat zum Einsatz, nämlich die Luxusversion von Semmelbröseln. (Semmelbrösel sind nicht dasselbe wie Paniermehl. Letzteres ist im Vergleich zu Ersterem einfach Sägemehl.) Panko sind japanische oder koreanische Semmelbrösel, die man im Supermarkt in der Asia-Abteilung bekommt. Pankobrösel sind verhältnismäßig groß und sehr leicht. Alternativ kannst du auch hart gewordenes Weißbrot zu Krümeln reiben. Aber wenn du einmal mit dem fluffigen Panko zu tun hattest, gibt es keinen Weg zurück.
Mit dem Panko toppen wir einen Salat, der so gut schmeckt, dass er für sich stehen kann. Er gibt eine super Vorspeise ab, aber das letzte Mal, als ich ihn gemacht habe, hat er dem Hauptgang die Show gestohlen, also Vorsicht. Dieses Rezept basiert auf einem Gericht aus dem Restaurant „Remi“ auf der Berliner Torstraße, ist jedoch ein bisschen vereinfacht. Es gibt Salat mit Feta, Feigen, Kürbiskernöl und Panko.
Du brauchst als Vorspeise für 2 Personen: 150 Gramm Feta, 200 Gramm Rispentomaten (oder Kirschtomaten), 2 Feigen, 2 Esslöffel Kürbiskernöl, 1 Teelöffel Olivenöl, 1 Esslöffel Weißweinessig, 1 Teelöffel Honig, 10 Basilikumblätter, 1 Esslöffel Panko, Salz, Pfeffer.
- Bereite das Panko vor: Erwärme das Olivenöl in einer Pfanne auf etwas mehr als mittlerer Hitze. Wenn das Öl heiß ist, nach 5 Minuten etwa (es wirkt dann flüssiger), gib das Panko mit etwas Salz und Pfeffer in die Pfanne und brate es unter mehrfachem Wenden, bis es goldbraun ist. Lege das gebratene Panko dann auf Küchenpapier ab, das das überschüssige Fett aufnimmt. (Diesen Schritt kannst du schon ein paar Stunden vor dem Servieren erledigen.)
- Bereite das Dressing vor: Gib das Kürbiskernöl, Weißweinessig, Honig und etwas Salz und Pfeffer zusammen und verrühre die Mischung.
- Wasche die Tomaten und die Feigen. Trockne und viertele sie. Schneide den Feta in Würfel mit 0,5 Zentimeter Kantenlänge. Rolle je 5 Basilikumblätter zusammen und schneide die Rolle in Streifen von etwa 2 Millimeter Breite. Durch das Rollen erhältst du konsistentere Streifen.
- Vermische das Dressing in einer großen Schüssel mit den Tomaten und den Feigen. Verteile die Mischung auf die Salatschüsselchen. Gib erst dann den Feta dazu, ohne ihn zu stark zu behandeln, er krümelt sonst den restlichen Salat voll, und das sieht nicht so gut aus. Pfeffere das Ergebnis.
- Gib zum Schluss Panko und Basilikum über den Salat.
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Till Rimmele, Audioversion: Christian Melchert