1. Warum sollte mich das interessieren?
Man könnte meinen, die Fleisch-Frage sei ein Luxusproblem, um das wir uns kümmern sollten, wenn dringendere Fragen in der Welt geklärt sind. Das ist verständlich. Nur geht die Vorstellung an der Realität vorbei. Denn das System, das unsere Schinken und Steaks produziert, ist so zerstörerisch, dass diese Frage eine noch größere berührt: unser eigenes Überleben. Klingt dramatisch? Stimmt. Aber das ist nicht übertrieben. Klimawandel, Umweltschäden und multiresistente Keime sind Dinge, die uns sehr persönlich betreffen. Wenn wir über Fleischkonsum sprechen, geht es also nicht einfach um die Frage, ob es nett ist, Tiere zu essen oder nicht. Es geht um uns.
Genau diese Tatsache geht aber oft verloren. Denn die Debatte darüber, wie unser Fleisch produziert wird und was das für Folgen hat, wird oft sehr emotional und unsachlich geführt. Da wird mit halbgaren Fakten um sich geworfen, die der Härte des Problems nicht angemessen sind. Wahlweise heißt es, alle Fleischproduzenten seien Tierquäler und Rinder würden das Klima zerstören, oder Vegetarier und Veganer seien weltfremde Idealisten. Umso wichtiger ist es, Erdung in dieses Gespräch zu bringen und sich anzusehen, welche Kritikpunkte stimmen. Ich habe dafür die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt. Das ist keine erschöpfende Liste. Aber sie umreißt die zentralen Punkte
2. Ist Fleisch wirklich so schlecht für das Klima?
Eine Kuh ist kein Auto. Das müsste eigentlich allen klar sein. Ist es aber offenbar nicht, wenn man eine der wichtigsten jüngsten Studien zu Fleischkonsum und Klimawandel ansieht.
„Livestocks Long Shadow“ (dt. „Der lange Schatten der Viehzucht“) heißt die Studie der Welternährungsorganisation (FAO) aus dem Jahr 2006, die bis heute immer wieder zitiert wird. Darin steht eine Zahl: 18 Prozent.
So hoch ist laut FAO der Anteil der Treibhausgase, die aus der Viehzucht stammen. Das würde bedeuten, dass die Produktion unserer Würste, Steaks und Schnitzel mehr zum Klimawandel beiträgt als alle Autos, Flugzeuge, Schiffe und Lastwagen der Welt. Die Botschaft, die bei den Menschen ankam, war: Rinder, Schweine und Hühner sind schlimmer als Autos.
Das Problem: In diesem Vergleich steckt ein dicker Fehler. Denn die FAO-Analysten verwendeten eine andere Methode, um die Klimaauswirkungen von Nutztieren zu untersuchen, als für den Transportsektor. Henning Steinfeld, der Hauptautor der Studie, hat sich mittlerweile korrigiert.
Der Vergleich klappt nur, wenn man die direkten Emissionen misst. Vereinfacht gesagt: Man vergleicht die Emissionen von Autos, Lastwagen, Flugzeugen und Schiffen (vor allem Abgase) mit den Ausscheidungen von Tieren (Verdauung und Düngung erzeugen Methan und Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas). Dann sehen die Zahlen anders aus: 14 Prozent für den Verkehr und 5 Prozent für die Tierhaltung.
Bevor du dich jetzt aber beruhigt deinem Steak zuwendest, muss ich dir leider sagen, dass diese niedrigere Zahl nur dann interessant ist, wenn man Rinder, Schweine und Hühner unbedingt mit Autos vergleichen will. Hört man damit auf, kommen wieder die indirekten Emissionen ins Spiel, und das ist ein ganzer Batzen: Was ist mit dem Futter, das die Tiere fressen? Oder mit dem Dünger für die Sojabohnen? Was mit den Emissionen der Lastwagen, die Rinder und Schweine durch die Gegend fahren? Welchen CO2-Abdruck hinterlässt die Verpackung und Kühlung im Supermarkt? Die Liste könnte noch lange weitergehen und es ist unmöglich, alle Faktoren genau nachzumessen. Eins ist aber klar: Die Viehhaltung ist sehr klimaschädlich. In einer neueren Bewertung (von 2013) schätzt die FAO, dass Viehhaltung mit allen direkten und indirekten Emissionen 14,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen durch menschliche Aktivitäten ausmacht. Und betrifft übrigens nicht nur Fleisch, sondern auch andere Tierprodukte wie Milch und Eier.
3. Ist Tierhaltung in Deutschland eine Sauerei?
Fast 771 Millionen Tiere wurden laut Statistischem Bundesamt 2018 in Deutschland geschlachtet. Würde man sie aneinanderreihen, würde diese Tierschlange viermal bis zum Mond reichen.
Okay, diesen Vergleich habe ich mir ausgedacht. Aber 771 Millionen Tiere: Eigentlich müsste man ein solches Bild dafür finden. Denn wer kann sich diese Zahl vorstellen?
Immerhin gibt es in Deutschland keine Massentierhaltung.
Das hat zumindest Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes, vor ein paar Jahrengesagt. Leider ist nicht überliefert, welches Wort er besser finden würde. Wie soll man es nennen, wenn mehr als 76 Prozent der Masthühner in Deutschland in Beständen von mehr als 50.000 Tieren gehalten werden? Riesige Hühner-WGs?
50.000 Hühner klingt noch gemütlich im Vergleich zu einem Betrieb im Dorf Bassin bei Grimmen, der laut des Fleischatlas der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung fast eine Million Hähnchen mästet. Jede:r Einwohner:in Kölns könnte sich ein eigenes Hähnchen aus Bassin bei Grimmen holen. In der Rindermastanlage im vorpommerschen Ferdinandshof stehen laut Fleischatlas 18.000 Tiere, in der Schweinemast- und Sauenanlage in Losten (Nordwestmecklenburg) 34.400.
Das sind extreme Beispiele. Aber sie bilden einen Trend ab. Zwar gehen die Zahlen der Rinder- und Schweinebestände laut Statistischem Bundesamt in den letzten Jahren leicht zurück. Aber der Strukturwandel in der Landwirtschaft führt seit Jahren dazu, dass es immer weniger tierhaltende Betriebe gibt – und dafür immer größere. Ein Beispiel: 2010 wurden rund 33 Prozent aller Milchkühe bzw. 61 Prozent aller Zuchtsauen in Beständen von 200 Tieren und mehr gehalten. 2016 waren es rund 49 Prozent bzw. 75 Prozent. (Quelle: BMEL)
745 Millionen geschlachtete Tiere: Jeder, der sich diese Zahl vergegenwärtigt, versteht, dass diese Massen nicht auf romantischen Höfen aufwachsen können, wo sie am Ende eines erfüllten Lebens langsam zu Tode gestreichelt werden. Auch wenn der Markenname auf der Packung Idylle vermitteln möchte (bestes Beispiel: die Aldi-Marke „Wiesenhof“). Das geht nur mit der gefürchteten Massentierhaltung.
Es gibt einen Grund dafür, warum der Präsident des Bauernverbandes dieses Wort nicht mag: Es ist ein Reizwort für die Verbraucher. Es erinnert an die furchtbaren Bilder, die Tierrechtsorganisationen zeigen und an Verhältnisse, von denen wir wieder und wieder in den Nachrichten lesen: Verstümmelte Schweine, die sich auf engstem Raum drängen, Hühner, die mit Antibiotika gefüttert werden, Rinder in Ställen ohne frische Luft und Sonnenlicht.
Tatsache ist, dass es furchtbare Missstände in der Tierhaltung in Deutschland gibt. In welchem Ausmaß ist unklar, weil es viel zu wenige und seltene Kontrollen gibt. Der Strafrechtler Jens Bülte sagt in diesem ohnehin lesenswerten Interview:
„Im Jahr 2017 waren nach Auskunft der Bundesregierung 562.864 Betriebe in Deutschland tierschutzrechtlich kontrollpflichtig, es gab aber bloß 29.854 Kontrollen, weil auch die Veterinärämter völlig überlastet sind. Die Kontrolldichte lag also bei gut 5 Prozent, in manchen Bundesländern noch darunter. In Bayern kommt im Schnitt nur alle 48 Jahre ein Kontrolleur vorbei.“
Tierschutz ist seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Aber das Tierschutzgesetz macht dafür ziemlich vage Vorgaben. Letztlich legt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit Verordnungen fest, wie es dieses Gesetz umsetzen will. In der Realität bedeutet das ziemlich niedrige Mindeststandards. Im Detail ist das wahnsinnig komplex, aber nehmen wir zum Beispiel diesen Satz aus dem Tierschutzgesetz:
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Und so legt die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für die Praxis fest, wie viel Platz Tiere bei konventioneller Haltung mindestens bekommen müssen:
- ein 110 Kilo schweres Mastschwein: 0,75 Quadratmeter
- etwa 20 Masthühner: 1 Quadratmeter
- ein 220 Kilo schweres Kalb: 1,8 Quadratmeter
Wenn man Hunde dauerhaft auf so engem Raum zusammenstopfen würde, würden die Deutschen dagegen auf die Straßen gehen. Aber obwohl das Tierschutzgesetz für sogenannte Nutztiere genauso gilt wie für Haustiere, leben sie in der Realität in einer Zweiklassengesellschaft.
Nun hat es Folgen, wenn viele Tiere sich auf engem Raum drängen:
Sie sind gestresst, weil sie ihr natürliches Sozialverhalten nicht ausleben können.
Krankheiten in Massenställen breiten sich leichter aus. Die Tiere sind außerdem anfälliger, weil sie möglichst schnell wachsen sollen. Dafür lässt man zum Beispiel in Putenställen das Licht ununterbrochen brennen, züchtet Rassen, die mehr Fleisch ansetzen und gibt ihnen Futter, das sie schneller Gewicht zulegen lässt. Außerdem verletzen sich die Tiere gegenseitig. Jedes fünfte Schwein in Deutschland verendet laut Tierschutzbund in der Haltung oder muss notgetötet werden. 13 Millionen Schweine werden damit jährlich für die Mülltonne geschlachtet – sie sind zu krank, um gegessen zu werden. 300.000 dieser sogenannten Falltiere leiden vor ihrem Tod erhebliche Schmerzen.
Mehr Medikamente – Nutztiere in Deutschland bekommen viel mehr Antibiotika als Menschen. Das ist gefährlich, weil so resistente Keime entstehen können, die wir zusammen mit Schnitzeln und Steaks kaufen. Fasst man das rohe Fleisch an, verteilt man die Keime danach überall. Aber auch Vegetarier sind betroffen, weil die Keime sich auch über Gülle verbreiten (mit der Landwirte Äcker düngen).
Aber: Die Größe eines Betriebs allein gibt keinen klaren Hinweis darauf, wie gut oder wie schlecht es den Tieren geht. In einem gut geführten Großbetrieb können die Tiere gesünder und zufriedener sein als in einem schlecht geführten kleinen Hof. Gerade im Süden Deutschlands etwa setzen viele kleinere Landwirte noch auf die umstrittene Anbindehaltung, bei der Rinder teils das ganze Jahr an einer Stelle angebunden sind.
Verbraucher können das aus der Supermarktmarktperspektive nicht durchschauen. Weil aber Studie um Studie zeigt, dass sie Tierwohl wichtig finden – auch wenn die meisten keine Lust haben, deutlich mehr Geld dafür zu bezahlen – gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Tierwohl-Labels, die Klarheit schaffen sollen. Im Moment stiften sie wohl vor allem Verwirrung. 2020 soll ein dreistufiges staatliches Tierwohl-Label kommen, mit steigenden Anforderungen für unter anderem Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere im Stall und Bedingungen bei Transport und Schlachtung.
Beim Norddeutschen Rundfunk findest du in der Zwischenzeit einen Überblick dazu, was hinter den jetzt schon vorhandenen größten Labels steckt.
4. Bio-Fleisch – sicher teurer, aber auch sicher besser?
Machen wir es kurz: Bio-Tieren geht es in der Haltung generell etwas besser als ihren Kollegen. Zumindest müssen ihre Halter:innen strengere Kriterien erfüllen als konventionelle Tierwirt:innen. Die Tiere bekommen also beispielsweise mehr Platz, weniger Medikamente, anderes Futter. Aber bio ist nicht gleich bio. Die Kriterien für das Biosiegel der EU etwa sind viel weniger anspruchsvoll als die der Bioverbände Bioland oder Demeter. Einen kurzen Überblick findest du hier
Übrigens: Auch in der Bio-Landwirtschaft gibt es Massentierhaltung. Laut Recherchen der Verbraucherorganisation Foodwatch von 2015 lebt über die Hälfte aller Öko-Legehennen in Deutschland einem Betrieb mit 10.000 bis 30.000, jede vierte sogar in einem mit 30.000 bis 50.000 Hennen.
Und spätestens bei der Schlachtung hört die Sonderbehandlung für Bio-Tiere sowieso auf, wie ich in diesem Artikel beschrieben habe. Sie landen in den gleichen Schlachthöfen wie ihre konventionell aufgezogenen Kollegen. Wenn man an Tierwohl Interesse hat, ist ein Biosiegel also nicht unbedingt das wichtigste Kriterium. Am allerbesten besucht man einen Hof und schaut sich selbst an, wie die Tiere gehalten werden.
Immerhin belastet biologische Landwirtschaft die Umwelt weniger – oder? Hier liegt ein entscheidender Punkt. Denn fast alle Umweltargumente, die Veganer gegen Tierprodukte anführen, gelten für Lebensmittel aus einer konventionellen industrialisierten Tierhaltung. Diese ist nicht nur klimaschädlich, wie ich bereits erwähnt habe. Sie geht auch mit einer langen Liste an weiteren Umweltschäden einher. Sie verbraucht enorm viel Wasser, lässt Böden versauern, verschmutzt Gewässer mit Nitrat, Pestiziden, Hormonen und Medikamenten. Laut FAO gehen 80 Prozent der weltweiten Agrarfläche für die Tierhaltung drauf.
Das müsste nicht so sein. Grasende Tiere wie Kühe und Schafe können in nachhaltiger Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Wenn sie Gras fressen dürfen, statt Getreide und Soja, sind sie keine Nahrungskonkurrenten zu Menschen. Das ist auch gesünder für die Tiere, sie werden seltener krank und brauchen weniger Medikamente. Ihre Ausscheidungen können, wenn Landwirte sie in Maßen ausbringen, die Böden düngen, statt sie zu vergiften. Schweinen wiederum durfte man früher Lebensmittelabfälle füttern, was ziemlich sinnvoll ist – laut EU-Verordnung aber seit 2006 nicht mehr erlaubt.
Ein ziemlich treffendes Argument, das auch viele KR-Leser in meiner Umfrage für diesen Artikel genannt haben, lautet, dass Fleischkonsum an sich also kein Problem für die Umwelt ist. Es kommt auf die Quellen an. Das Nackensteak für 1,99 Euro vom Discounter wirft einen ganz anderen Umweltschatten als das gleiche Stück Fleisch von einem Hof mit regenerativer Landwirtschaft. Natürlich lassen sich damit keine billigen Massen produzieren. Und dieses Fleisch ist deutlich teurer. Es ist das Sonntagsbratenargument: Fleisch als Luxus, nicht als Alltag.
Aber: Selbst die am nachhaltigsten produzierten Fleisch- und Milchprodukte haben eine weitaus schlechtere Umweltbilanz als pflanzliche Lebensmittel. Das ist das Ergebnis einer großangelegte Studie, die 2018 im Wissenschaftsmagazin Science erschienen ist.
5. Vegetarier:in werden – eine Pseudo-Lösung?
Vielleicht denkst du an diesem Punkt, dass Fleischverzicht die einzig mögliche Schlussfolgerung ist. Vielleicht denkst du sogar darüber nach, auf alle tierischen Produkte zu verzichten und Veganer:in zu werden. Dann hast du Glück, das ist heute wohl einfacher denn je. Es ist noch gar nicht lange her, da waren die einzigen vegetarischen Optionen in deutschen Restaurants Salat und Beilagen. Von veganem Essen ganz zu schweigen. Das gibt es heute auch noch (vor allem in Gegenden, wo ein Cappuccino Kaffee mit Sahne ist), aber fleischloses Essen boomt. Mittlerweile gibt es bei McDonalds einen veganen Burger, bei Ikea fleischlose Köttbullar und bei Aldi Bio-Tofu. Nicht nur der Vegetarier wegen, von denen es laut des Forschungsinstituts Allensbach 2019 6,1 Millionen gibt, das sind 400.000 mehr als noch 2017. Sondern vor allem der Menschen wegen, die öfter mal auf Fleisch verzichten – die sogenannten Flexitarier. Sie tun es aus gesundheitlichen Gründen, weil sie die Umwelt und Tiere schützen wollen.
Manche feiern es, dass angesichts dieses Trends alteingessene Wursthersteller wie die Rügenwalder Müller heute Veggie-Schinken produzieren und der größte deutsche Geflügelzüchter- und verarbeiter PHW fleischlose Burger verkauft. Schaut man genauer hin, fällt auf, wie verdreht diese Entwicklung ist.
Das System, das unsere Nahrungsmittel produziert, behandelt die darin wichtigen Tiere wie Gegenstände („Nutztiere“ ist ein sprechender Begriff). Es lässt zu, dass sie in manchen Betrieben unter Qualen leben und sterben, und es verursacht massive Umweltschäden. Immer mehr Verbraucher wollen das nicht mehr unterstützen und wenden sich von tierischen Lebensmitteln ab. Das aber führt bisher nicht dazu, dass das System besser wird – stattdessen bieten diejenigen, die an dem schlechten System verdienen, einfach neue Produkte für Kunden mit schlechtem Gewissen an. Gleichzeitig verkauft EU-weit kein Land so viel Fleisch und Tiere ins Ausland wie Deutschland, mittlerweile sind 17 Prozent unseres Fleisches für den Export gedacht.
Mit anderen Worten: Die Fleischhersteller kratzt die sinkende Nachfrage nach Fleisch bisher ziemlich wenig. Sie ändern einfach ihre Strategien.
Was nicht heißt, dass persönlicher Fleischverzicht sinnlos wäre. Aber er ist nicht so effektiv, wie es oft dargestellt wird (auch von Krautreporter: Eigentlich müssten wir alle Veganer werden, um die Erde zu retten) Und auch kein Rezept, das sich der ganzen Welt verordnen lässt: Laut FAO ist eine Milliarde armer Menschen in Südasien und Subsahara-Afrika zum Überleben auf Viehhaltung angewiesen. Diesen Menschen von Konzernen industriell produzierte Burger aus Erbsenprotein zu verordnen, wäre aus jeder möglichen Perspektive unsinnig.
Die allgemeine ethische Frage, ob es in Ordnung ist, Tiere zu töten und zu essen, bleibt von diesen Fragen natürlich unberührt. Das ist eine persönliche Entscheidung, die mit Systemfragen wenig zu tun hat.
6. Ist Fleisch ungesund?
Ganz ehrlich: Genau so gut könnte man fragen, was Fische im Marianengraben denken. Na schön, ich übertreibe ein wenig. Aber die Ernährungswissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten zu dieser Frage so viele widersprüchliche Antworten geliefert, dass eindeutige Aussagen unmöglich sind.
Zuletzt hat ein internationales Forscherteam aus Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftlern bestehende Studien neu ausgewertet. Sie wollten wissen, ob Fleischkonsum Krankheiten begünstigt. Das Ergebnis war extrem vage: „Vielleicht lässt sich das Risiko reduzieren – vielleicht aber auch nicht“, so der Hauptautor der Studie, Epidemiologie-Professor Bradley Johnston. Erwachsene Menschen sollten rotes und verarbeitetes Fleisch (das bisher mit Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wurden) also einfach weiteressen, wie bisher.
Dafür haben die Wissenschaftler sehr viel Kritik geerntet: Denn zum einen hat Johnston frühere Verbindungen zur Fleisch– und Lebensmittelindustrie nicht offen gelegt. Der Form halber musste er das nicht, da er für die Fleischstudie nur potenzielle Konflikte aus seiner Arbeit in den drei vorhergehenden Jahren angeben musste. Zudem hatte Johnston 2016 bereits eine ähnliche Studie zu den Gesundheitsgefahren von Zucker geleitet, die vom International Life Sciences Institute bezahlt wurde. Dieses wird unter anderem von Coca-Cola und Pepsi geleitet. Auch hier war das Ergebnis, dass es nicht genug Beweise für die Schädlichkeit von Zucker gibt, um Ernährungsempfehlungen abgeben zu können. Johnstons Glaubwürdigkeit als Wissenschaftler wird deswegen manchmal angezweifelt.
Was aber nichts daran ändert, dass wir tatsächlich nicht wissen, ob und wie sehr Fleisch schadet. Es gibt einfach noch nicht genug solide Forschung.
Was aber sicher ist: Kein Mensch muss Fleisch essen, um gesund zu bleiben. In einer vegetarischen Ernährung stecken alle Nährstoffe, die wir brauchen. Fleischesser wiederum sind nicht automatisch top mit Nährstoffen versorgt: Bei allen Ernährungsweisen kommt es auf Ausgewogenenheit hat. Die ist auch bei veganer Ernährung machbar: Bei der Verbraucherzentrale gibt es Tipps.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Susan Mücke; Fotoredaktion: Verena Meyer.