„Ich habe mich im Kern meines Menschseins getroffen und verletzt gefühlt“

© Frank Joung

Sinn und Konsum

„Ich habe mich im Kern meines Menschseins getroffen und verletzt gefühlt“

ShaNon Bobinger ist in Uganda geboren. Ihre Familie flieht vor dem Bürgerkrieg im benachbarten Ruanda nach Deutschland. Hier wächst ShaNon bei einer Adoptivfamilie in einem bayerischen Dorf auf. Im Halbe-Katoffl-Podcast erzählt sie, wie es ist, nirgends dazuzugehören – und trotzdem ein Gefühl von Heimat zu finden.

Profilbild von Halbe-Katoffl-Podcast von Frank Joung

ShaNon ist vier Jahre alt, als sie mit ihrer Tante von Uganda nach Deutschland fliegt. Ihre Mutter lebt schon in Nordrhein-Westfalen, ihren Vater hat sie eigentlich nie kennengelernt. An Uganda hat sie noch viele Erinnerungen – an das Haus der Familie, die Katze und an die Ausschreitungen angesichts des drohenden Bürgerkriegs im Nachbarland Ruanda.

Als ShaNon acht ist, ändert sich ihre Welt nochmals drastisch. Sie sagt dazu nur kurz: „Es gab familiäre und bürokratische Herausforderungen.“ Ein deutsches Paar adoptiert sie. ShaNon zieht von Nordrhein-Westfalen nach Bayern, wo sie bei den Bobingers lebt – in Bobingen. Den familiären Wechsel empfindet sie als guten Schritt.

„Es war von jetzt auf gleich ein völlig anderes Leben. Mein Mechanismus war immer, mich so schnell wie möglich in mein neues Umfeld einzufinden, mich anzupassen und reinzumorphen.“

Heute ist ShaNon Bobinger 32 Jahre alt und arbeitet als Moderatorin, Coach, Referentin in Rassismus-Workshops. Sie liebt die Vielfalt. Das zeigt schon ihre Frisuren – Zöpfe (drei Stränge), Twists (zwei Stränge), Bandana (Kopftuch) oder Undercut (superkurze Seiten). Ihr Vater ist Ugander, die Mutter stammt aus Ruanda, sie selbst hat einen deutschen Pass und ist bei einer Adoptivfamilie in Bayern aufgewachsen. Von sich selbst sagt sie: „Ich lerne, meine innere Pluralität zu akzeptieren und zu feiern.“

An negative Erfahrungen als einziges schwarzes Kind in einem dörflichen, weißen Umfeld erinnert sie sich kaum. Erst im Nachhinein würde sie so manche Situation anders bewerten oder als schwierig einordnen. „Ich hatte damals kein Bewusstsein für Hautfarben.“

Trotz der Angepasstheit wird ShaNon bewusst, dass sie definitiv anders ist als die meisten ihrer Mitschüler und Freunde. Was genau das ist, kann sie zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen, nur so viel: „Ich habe schon immer mein Ding gemacht.“ Dazu gehört auch, einen speziellen Freundes- und Bekanntenkreis zu haben oder sich auf eine gewisse Art zu kleiden oder zu frisieren. Das ist bis heute so.

„Ich hatte schon lange unterschiedliche Herzen in mir pochen. Es gab ein Phase, in der mich das genervt hat und ich mir gewünscht hätte, dass ich mehr so eine einzige Sache wäre – aber das bin ich nicht. Jetzt lerne ich, meine innere Pluralität zu akzeptieren und zu feiern.“

Nachdem sie die zehnte Klasse abgeschlossen hat, macht ShaNon ein „Work & Travel“-Aufenthalt in Australien. Sie kümmert sich um die drei Kinder einer britischen Familie in Sydney. Nach weiteren Stationen – wieder Nordrhein-Westfalen, London – kommt sie nach Berlin und macht eine schlechte Erfahrung: Ein betrunkener Mann in der Bahn beschimpft sie rassistisch, mit dem N-Wort – eine Situation, die sie so noch nicht erlebt hatte.

„Ich habe mich im Kern meines Menschseins getroffen gefühlt. Das ist ein Schmerz, den man mit nichts vergleichen kann.“

Sie fängt an, sich mehr und mehr Fragen zu stellen. Wer bin ich? Was bin ich? Wo ist meine Heimat? Nicht immer gibt es eine eindeutige Antwort. Seit fünf Jahren lebt ShaNon jetzt in Berlin, wo sie sich zu Hause fühlt: „Hier ist meine Homebase. Wenn Deutschland, dann Berlin.“ Sie sagt aber auch: „Ich habe meine Basis in mir.“

Zu Besuch in Afrika – als Fremde

Ihr Geburtsland Uganda hat sie vor einigen Jahren bereist. Auch das Herkunftsland ihrer Mutter, Ruanda, hat sie schon besucht. Die Reisen hat sie als bereichernd, aber auch als herausfordernd empfunden. Nicht immer wurde sie mit offenen Armen empfangen.

„Mir wurde auch hier stark kommuniziert, dass ich nicht dazugehöre. Ich habe mich selten unafrikanischer gefühlt als auf afrikanischem Boden. Das war seltsam.“

Nochmal zurück zu ihrem Job: Auch hier zeigt ShaNon gerne ihre Vielseitigkeit: Sie ist Moderatorin, systemischer Business- und Lifecoach, Referentin für antirassistische Sensibilisierungsworkshops, und sie möchte sich als Speakerin einen Namen machen. „Empowerment für Menschen mit Rassismuserfahrung“ – das ist ihr wichtig.

„Ich möchte mich in meiner Arbeit auf Menschen mit interkulturellem Vorder- und Hintergrund konzentrieren, weil wir ganz andere Herausforderungen haben in unserer Wegfindung, die oft nicht mitgedacht werden.“


Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.

Aufmacherfoto Frank Joung.

„Ich habe mich im Kern meines Menschseins getroffen und verletzt gefühlt“

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