Neun Fragen und Antworten zum Thema Milch
Sinn und Konsum

Neun Fragen und Antworten zum Thema Milch

Entweder magst du Milch oder nicht. Vielleicht verträgst du sie nicht. Hier sind Fakten, damit du beim Thema Milch sachkundig mitreden kannst.

Profilbild von Vera Fröhlich
Managing Editor

1. Für mich ist die entscheidende Frage: Ist Kuhmilch für Menschen eigentlich gesund?

Milch enthält hochwertiges Eiweiß, liefert uns viel Calcium für gesunde Knochen und gleich einen ganzen Vitamincocktail (A, D, E, K, B1, B2, B12) plus Folsäure, schwärmt das Bundesernährungsministerium. Die Milchgegner kritisieren, die Studien mit diesen positiven Ergebnissen seien ganz oder teilweise von der Milchbranche bezahlt worden. In Wirklichkeit könne Milch die Eisenaufnahme hemmen, mache fett und sei verantwortlich für die zunehmende Rate an Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Nicht vergessen werden darf außerdem, dass ein Großteil der Menschen Milchzucker überhaupt nicht verträgt.

Laktose-Intoleranz in der aktuellen Bevölkerung

Laktose-Intoleranz in der aktuellen Bevölkerung Bild: www.nahrungsmittel-intoleranz.com

Fazit: Ob Milch wirklich so gesund ist, wie uns die Werbung glauben macht, darüber sind Experten durchaus geteilter Meinung.

2. Gibt es in Deutschland überhaupt noch viele Milchbauern, wie viel Kühe halten die im Schnitt und wie viel Milch gibt so eine Kuh?

Achtung, jetzt kommen eine Menge Zahlen: Derzeit gibt es in Deutschland rund 73.300 Milchkuhhalter. Im Jahr 2000 waren es noch fast doppelt so viele. Insgesamt gibt es 4,3 Millionen Milchkühe in Deutschland. Alle Rinder zusammengezählt (also auch die Fleischrinder), ergeben 12,6 Millionen Tiere.

Ein Kalb säuft etwa acht Liter Milch am Tag. Eine Hochleistungskuh gibt bis zu 50 Liter am Tag. Bei einer durchschnittlichen Kuh sind es 20 Liter täglich oder 7.400 Liter im Jahr.

Alle Milchkühe zusammen produzieren rund 28 Millionen Tonnen Milch im Jahr. Unter den 28 Mitgliedsstaaten der EU ist Deutschland mit einem Produktionsanteil von etwas über 20 Prozent der größte Milcherzeuger. Und noch eine letzte Zahl: Jeder Bundesbürger konsumiert pro Jahr im Schnitt etwa 66 Liter als Milch, Quark, Joghurt, Käse etc.

Fazit: Es gibt in Deutschland viel mehr Kühe, als die meisten annehmen.

3. Viel zu viele Zahlen! Ich weiß noch nicht einmal, wie die Milch eigentlich in die Tüte kommt und warum ich neuerdings ESL-Milch kaufen soll.

Da rate ich zur „Sendung mit der Maus“ (deren Zuschauer übrigens im Durchschnitt fast 40 Jahre alt sind):

https://www.youtube.com/watch?v=93fB63Da7vc

Hier zusätzlich zum Video eine Einkaufshilfe mit den wichtigsten Begriffen:

Vollmilch hat 3,5 Prozent Fett, fettarme Milch 1,5 bis 1,8 Prozent und entrahmte Milch höchstens 0,5 Prozent. Rohmilch gibt es entweder direkt beim Bauern – er muss darauf hinweisen: „Vor Gebrauch abkochen“ – oder als Vorzugsmilch im Supermarkt. Beim Homogenisieren werden die Fettkügelchen in der Milch zerkleinert.

Frischmilch wird nach dem klassischen Pasteur-Verfahren auf mindestens 72 bis 75 Grad Celsius für 15 bis 30 Sekunden erhitzt. Gekühlt und ungeöffnet ist sie bis zu zehn Tagen haltbar. ESL-Milch hat nichts mit Eseln zu tun. ESL steht für Extended Shelf Live: Länger haltbare Milch. Sie wird entweder vor dem Pasteurisieren zusätzlich mikrofiltriert oder für zwei Sekunden auf bis zu 127 Grad Celsius erhitzt. Sie ist rund drei Wochen haltbar. Und dann gibt es noch die H-Milch, die mit dem Kochgeschmack. Sie wird kurz auf 135 bis 150 Grad Celsius erhitzt und hält sich ungeöffnet mehrere Monate.

Fazit: Milch wird erhitzt, um sie haltbar zu machen: Milchsäurebakterien, Hefen und krankheitserregende Bakterien wie Salmonellen werden abgetötet.

4. Jetzt weiß ich, was im Regal steht. Das Angebot ist reichlich, die Preise sind meist niedrig. Was ist dann bitte die „Milchkrise“, von der regelmäßig die Rede ist?

Die Milchkrise trifft nicht den Verbraucher. Aber die Bauern klagen, sie bekämen für ihre Milch so wenig Geld, dass es nicht einmal für das Futter für die Kühe reicht. Laut Milchviehhalter-Verband brauchen die Landwirte mindestens 40 Cent pro Liter, um vernünftig wirtschaften zu können. In Krisenzeiten bekommen sie nicht einmal die Hälfte. Dafür melken sie sieben Tage in der Woche, zweimal am Tag. Sie füttern und misten die Tiere, viele bringen sie auf die Weide und holen sie wieder, sie versorgen die Milch und reinigen die Melkanlagen.

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Wer ist an der Milchkrise schuld? Da gehen die Ansichten auseinander. Die Bauern selbst trügen die Verantwortung für die Milchschwemme, schreibt Nikolaus Piper in der SZ: „Als die EU 2015 die bürokratischen Milchquoten abschaffte, schätzten die Bauern und ihre Verbände die Folgen völlig falsch ein. Sie träumten von neuen Absatzmärkten innerhalb und außerhalb der EU, in Russland und in China.“ Doch ihre Hoffnungen wurden enttäuscht.

https://www.facebook.com/taz.kommune/photos/a.207013419357734.51100.171844246207985/1093566517369082/?type=3&theater

Fazit: Seit die Milchquote als Mengenbeschränkung weggefallen ist, ist einfach zu viel Milch auf dem Markt.

5. Und warum heißt es, der Handel und die Molkereien setzten die Milchbauern unter Druck?

Der Handel profitiert vom Überangebot und kann den Molkereien die Konditionen diktieren. Oder positiv ausgedrückt: Der Einzelhandel gibt die niedrigen Preise an die Verbraucher weiter. Im Lebensmittelmarkt haben bekannterweise die vier Großen das Sagen: Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl) und Aldi. Den Bauern können vor allen die vier Großmolkereien die Preise vorgeben: DMK Deutsches Milchkontor, Müller, Arla Foods und Friesland Campina.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) weist darauf hin, dass lediglich 37 Prozent der in Deutschland produzierten Milch in den Lebensmitteleinzelhandel fließen. Fast die Hälfte (49 Prozent) geht in den Export, der Rest wird weiterverarbeitet. Schuld an den Problemen der Bauern seien „vielmehr Überkapazitäten durch staatliche Überförderung und einbrechende Märkte wie China“.

Selbst für den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sind die Preissenkungen des Handels nicht Ursache, sondern Symptom einer Milchkrise. Die Molkereien hätten bei Preisverhandlungen eine bessere Position, würde es auf dem Markt weniger Milch geben.

6. Aber was kann ich denn als Verbraucher tun?

Zum Beispiel Biomilch kaufen. Für die wird mehr bezahlt: vom Konsumenten, vom Handel, von den Molkereien. Den konventionellen Betrieben hilft das allerdings wenig.

In Deutschland werden jährlich etwa 700 Millionen Kilogramm Biomilch erzeugt. Damit hat der Bioanteil an der gesamten Milchanlieferung lediglich einen Anteil von etwa 2,2 Prozent.

Für tiergerechte Haltung sind die Verbraucher bereit, mehr zu zahlen. Zum Beispiel dafür, dass die Kühe auf die Weide dürfen („Weidemilch“) oder artgerecht mit Heu und Grünfutter, aber nicht mit vergorenen Futtermitteln wie Silage gefüttert werden („Heumilch“). Noch besser wäre ein einheitliches staatliches Tierwohllabel auf der Verpackung, doch das gibt es noch nicht. Dafür eine verwirrende Vielfalt an Kennzeichnungen wie Bio-Siegel, Neuland, Tierschutzbund („Für mehr Tierschutz“) und Vier Pfoten („Tierschutz kontrolliert“) beziehungsweise auf den Webseiten von demeter, Naturland und Bioland.

Fazit: Der Verbraucher kann Milch aus artgerechter Haltung kaufen, muss dafür aber mehr zahlen.

7. Noch immer gibt es auch in Deutschland Milchkühe, die ihr Leben lang an einem Platz angebunden sind. Wie steht es sonst so mit dem Tierschutz bei Kühen?

Der Verbraucher stellt sich gerne vor, dass die Kuh auf der Alm grast und dort auch gemolken wird:

Aus der Allgäu Comic Reihe

Aus der Allgäu Comic Reihe Comic: Flickr/Crash Vorich/(CC BY 2.0)

Die Realität sind anders aus: Von den rund 4,3 Millionen Milchkühen in Deutschland leben fast drei Viertel in Laufstallhaltung – sie können also einigermaßen frei im Stall herumlaufen. Doch häufig werden Kühe in engen Ställen gehalten, die im gesamten Laufbereich Spaltenböden haben – sie bestehen abwechselnd aus Balken als Auftrittsfläche für die Tiere und schmalen Spalten, durch die Kot und Harn in Auffangbecken fallen. Die Liegebereiche oder Liegeboxen haben oft Bodenbelägen aus Gummi, Stroh oder Sägespäne als Einstreu gibt es nicht. Immerhin noch 27 Prozent aller Milchkühe sind im Stall auf einem Platz mit einem Bügel oder einer Kette fixiert und können sich nicht frei bewegen.

Was gibt es sonst noch für Missstände in der Milchviehhaltung? Eine kleine Auswahl: Der sinkende Milchpreis bringt einige Bauern auf die Idee, Harnstoff zu verfüttern oder Bullenkälber von Milchrassen zu vernachlässigen, weil sie schlecht Fleisch ansetzen und keine ordentlichen Schlachtpreise erzielen.

Fazit: Viele Milchkühe werden auf Kosten ihrer Gesundheit auf Hochleistung getrimmt und nicht artgerecht gehalten.

8. Gibt es denn keine alternative Haltungsformen – was ist mit Ammenkuhhaltung und Mutterkuhhaltung?

Ammenkuhhaltung gab es eine Zeit lang bei Fleischrindern, inzwischen ist sie beinahe bedeutungslos. Das Prinzip war, dass eine Kuh gleich zwei bis vier Kälber mit Milch versorgt. Doch das klingt einfacher als es ist: Der Bauer muss die Kuh erst dazu bringen, dass sie fremde Kälber an sich saugen lässt. Schwierig ist es auch, die zusätzlichen Kälber genau zum richtigen Zeitpunkt zuzukaufen.

Bei der Mutterkuhhaltung lässt man das Kalb nach der Geburt bei der Kuh. Ist gut für das Kalb, aber schlecht für den Landwirt. Er muss zum Melken das Kalb abtrennen oder kann von dieser Kuh überhaupt keine Milch verkaufen. Mutterkuhhaltung gibt es oft bei Fleischrindern.

Trinkendes Kalb.

Trinkendes Kalb. Foto: Flickr/ Mark Michaelis/(CC BY 2.0)

Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb zu Welt bringen. In der konventionellen Milchkuhhaltung sieht der Ablauf dann meist so aus: Das Kalb wird nach der Geburt der Kuh weggenommen, in eine Kälberbox oder einen Kälberstall gesperrt und erhält zwei Tage lang Biestmilch (Kolostrum). Diese Milch gibt die Kuh unmittelbar nach der Geburt. Biestmilch enthält einen sehr hohen Anteil an Nähr- und Wirkstoffen wie Vitamine und Antikörper, die für das neugeborene Kalb äußerst wichtig sind.

Danach bekommt es ungefähr bis zur zehnten Woche Milchaustauscher: Mit Wasser wird ein Pulver angerührt, das Magermilchpulver, Molkepulver oder pflanzliches Protein als Eiweißquelle enthält. Hinzu kommen Rohfett, Rohfaser, die Aminosäure Lysin, Rohasche, Calcium, Phosphor, Magnesium, Natrium – fertig ist der Milchaustauscher. Der Cocktail ist billiger als Vollmilch und im landwirtschaftlichen Betrieb einfacher zu handhaben – er wird zum Beispiel nicht so schnell sauer wie Rohmilch.

Fazit: Wer Idylle im Kuhstall sucht, muss lange suchen.

9. Im Laden werden die Verbraucher mit Begriffen wie Weidemilch oder Heumilch geködert – hat die Fütterung überhaupt einen Einfluss auf die Inhaltsstoffe der Milch?

Greenpeace hat im Frühjahr 2006 eine Studie an der Universität Kassel finanziell unterstützt, die erstmals der Frage nachging, wie hoch der Anteil an gesundheitlich bedeutsamen Fettsäuren in Milchprodukten ist. Dabei zeigte sich, dass je nachdem, wie und wo Kuhmilch produziert wurde, der Gehalt an gesundheitlich wertvollen Fettsäuren erheblich schwankt. Grundsätzlich ist der Gehalt an wertvollen Fettsäuren dort am höchsten, wo die Kühe einen hohen Anteil an Grünfutter erhalten sowie niedrige Kraftfuttermengen und geringe Anteile Maissilage. Ökologisch erzeugte Milch wies höhere Omega-3-Gehalte als Milch aus konventioneller Erzeugung.

*Fazit: Wer Tiere artgerecht füttert, bekommt auch eine bessere Milch. Das sollte den Verbrauchern doch Geld wert sein, oder?


Aufmacherbild: Ein Papierboot aus Preisknüllern beim Discounter schwimmt in Milch; Idee und Foto: Sibylle Jazra für Krautreporter.