Illustration: Menschen verschiedener Hautfarbe sind abstrakt dargestellt. Sie tragen medizinische Masken.

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Rassismus und Identität

So leiden Betroffene unter Rassismus im Gesundheitssystem

Egal ob bei der Vergabe von Medikamenten oder bei der Beratung: Rassismus im Gesundheitssystem ist demütigend und schmerzhaft. Das habe ich selbst erlebt.

Profilbild von Raweel Nasir
Freie Autorin

Es ist ein warmer Julitag, als mich meine Mutter am Nachmittag anruft und mir von einer Tante erzählt, die wir vor ein paar Jahren besucht hatten. Sie wohnte mit ihren fünf Kindern und ihrem Ehemann in Bayern. Fünf Kinder fordern einen schon sehr, aber sie meisterte ihren Alltag und schaffte es, dabei fit und gesund zu wirken. Ich hatte nur positive Erinnerungen an sie und daher rufe ich enthusiastisch: „JA!“ ins Handy, als meine Mutter fragt, ob ich mich noch an sie erinnern könne. Ich dachte, sie würde mir jetzt erzählen, dass meine Tante einen Besuch plant. Stattdessen überbringt meine Mutter eine ganz andere Nachricht. Die liebe Tante ist verstorben. Ziemlich plötzlich sogar. Grund dafür war ein nicht rechtzeitig erkannter Krebs.

Einige Monate darauf spreche ich erneut mit meiner Mutter. Wieder eine Todesbotschaft, dieses Mal geht es um eine langjährige Freundin meiner Mutter. Ich kenne sie, seit ich klein bin. Wieder ein unerkannter Krebs. Diese Frau hatte zuvor zwei junge Söhne verloren, ebenfalls an Krebs.

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Ich fange an, darüber nachzudenken, was diese beiden Frauen gemeinsam haben. Beide konnten nicht perfekt Deutsch sprechen, trugen einen Hijab. Hat man sie womöglich deswegen medizinisch schlechter behandelt? Wären sie noch am Leben, wenn sie sich besser mit ihren Ärzt:innen hätten verständigen können?

Der Gedanke ist leider nicht abwegig. Wir Betroffenen erleben Rassismus im Bildungssystem, wenn weiße Kinder häufiger bessere Noten und eine Gymnasialempfehlung bekommen. Auf dem Wohnungsmarkt, wenn Menschen, die Müller mit Nachnamen heißen, eher eine Wohnung bekommen als Menschen, die Gültekin als Nachnamen haben. Am Arbeitsplatz, wenn ausgerechnet wir in Diversity-Gremien sitzen sollen. In Interaktionen mit der Polizei. Warum sollte es im Gesundheitssystem anders sein?

Als Person, die selbst von Rassismus betroffen ist und sich schon lange damit befasst, sind diese Gedanken keine Überraschung, aber sie sind ein Schock. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir wirklich und unmittelbar bewusst, dass Rassismus im Gesundheitssystem im wahrsten Sinne lebensgefährlich sein kann.

Ich muss an meine Mutter denken, die ebenfalls einen Hijab trägt und mit Akzent Deutsch spricht. Ich bekomme Angst, wenn ich überlege, welche Erfahrungen sie als Patientin macht oder gemacht hat. Muss sie länger als andere im Wartezimmer warten? Nimmt das medizinische Personal ihre Beschwerden ernst? Erhält sie die richtige Behandlung?

Rassismus gibt es auch mit einem Lächeln im Gesicht

Normalerweise erlebe ich es als ermächtigend, Rassismus erkennen und benennen zu können. Weil ich die systematische Unterdrückung sehen, verstehen und beschreiben kann. Dieses ermächtigende Gefühl habe ich dieses Mal nicht. Im Gegenteil.

Krank zu sein ist schlimm, aber schlecht behandelt zu werden, wenn man krank ist, ist noch schlimmer. Und was, wenn man schlecht behandelt wird, weil man nicht weiß ist? Steckt dahinter mehr als nur einige wenige Einzelschicksale? Gar ein System?

Ich rufe Cihan Sinanoğlu vom Deutschen Institut für Integrations- und Migrationsforschung an. Das Institut hat sich zwei Jahre lang im Rahmen des nationalen Rassismus Monitors dem Thema Rassismus im Gesundheitssystem gewidmet „Unsere Studie zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Rassismus und dem subjektiven Gesundheitsempfinden gibt. Je mehr Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen man macht, desto schlechter schätzt man seine eigene Gesundheit ein und desto schlimmer werden Angststörungen und Depressionsstörungen.“

Ich erzähle ihm von meiner Tante und der Freundin meiner Mutter und frage ihn nach seiner Einschätzung. Sinanoğlu bestätigt, dass meine Sorgen nicht aus der Luft gegriffen sind: „Wir haben festgestellt, dass rassistisch markierte Menschen den Arztbesuch vermeiden oder verzögern aus Angst vor Diskriminierung. Dies ist besonders besorgniserregend, da in akuten Gesundheitsfällen jede Sekunde entscheidend sein kann. Wenn Menschen ihre ärztlichen Behandlungen verzögern oder nicht wahrnehmen, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben.“

Ich erinnere mich an meinen Krankenhausaufenthalt vor fast drei Jahren. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und spreche akzentfrei Deutsch. Fast jede Person, die in der Klink gearbeitet hat, nahm sich jedoch das Recht heraus, mich erstmal ausgiebig zu befragen, woher ich käme. Manchmal gefolgt von: „Ach echt, das hätte ich ja gar nicht gedacht.“ Eine Pflegerin fragte sogar: „Ach echt, da wo Sie herkommen, sind die Menschen auch so dunkel?“ All das, während meine weiße Zimmermitbewohnerin, die aus exakt dem gleichen Grund wie ich im Krankenhaus war, schon längst untersucht und entsprechend behandelt wurde. Ich hingegen musste erst mal ein Verhör zu meiner Herkunft über mich ergehen lassen.

Anschließend blieb keine Zeit mehr für eine ordentliche Kontrolle meiner OP-Wunde und für meine Fragen schon gar nicht. Ein paar Tage später wurde meine Mitbewohnerin entlassen, während ich weit davon entfernt war. Ich begann mich zu fragen, ob ich die richtige Behandlung bekam. Mein Verband wurde nicht gewechselt und fing an zu riechen. Als ich darauf aufmerksam machte, sagten mir die Pfleger:innen, der schlechte Geruch käme nicht vom Verband, sondern von mir. Ich hätte zwei Tage lang nicht geduscht. Ich wurde wütend. Dass bei nicht-weißen Menschen vermutet wird, sie seien schmutzig oder dreckig, kannte ich schon. Ich verlangte sofort, einen Arzt zu sprechen. Der Arzt, der ebenfalls nicht-weiß war, stellte fest, dass in der Tat die Wunde roch. Auch er ärgerte sich darüber, dass diese nicht richtig behandelt wurde. Das hätte auch ganz anders ausgehen können, meinte er. Mir kamen vor Wut die Tränen. Wie kann so etwas in unserem Gesundheitssystem passieren?

Weißt du, was Zahnseide ist?

Ich versuche, Studien zum Thema Rassismus im Gesundheitssystem zu finden und werde enttäuscht. Medienberichte gibt es einige, aber kaum Studien in Bezug auf das deutsche Gesundheitsystem. „Die wissenschaftliche Datenlage zu Rassismus in Deutschland ist im Allgemeinen und auch für das Gesundheitswesen bisher lückenhaft“, schreibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf einer Seite, die eine der wenigen Erhebungen zu diesem Thema vorstellt: Ein Bericht des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa), der im November 2023 erschienen ist.

In einer Umfrage in der KR-Community berichteten mir 41 Teilnehmende von konkreten Situationen, in denen sie Rassismus bei Ärzt:innen und Pflegekräften erlebt haben. Viele berichteten, dass sie selbst oder ihre Angehörigen im Wartezimmer oft als letzte aufgerufen und teilweise falsch behandelt wurden. KR-Leserin Meral berichtet in der Umfrage von einem Vorfall als Jugendliche bei einer allgemeinen Zahnkontrolle. Die Zahnärztin fragte sie herablassend, ob sie wisse, was Zahnseide sei. Ihr Vater, der anwesend war, fragte empört, was das für eine seltsame Frage sei. Es entwickelte sich eine Diskussion. Schließlich wurden Meral und ihr Vater der Praxis verwiesen.

Als Meral zu einem Zahnarzt mit migrantischem Hintergrund wechselte, stellte sich heraus, dass die vorherige Praxis ihre Zähne nicht richtig abgedichtet hatte. Sie musste ein Jahr lang Schmerzmittel nehmen, da sie beim Trinken und teilweise auch beim Essen starke Schmerzen hatte.

Rassismus im Gesundheitswesen ist nicht immer tödlich, kann aber dennoch die Lebensqualität eines Menschen erheblich beeinträchtigen.

„Als ich mich beim Empfang in einer Praxis meldete und dann in einen offenen Wartebereich setzte, hörte ich, wie sich die MFA mit ihren Kolleginnen laut über meinen ausländischen Namen lustig machte“, schreibt KR-Leserin Sophia.

Sie ist nicht die einzige, die wegen ihres Namens diskriminiert wurde. „Ich habe einen sehr deutschen Namen: Friederike. Weil meine Mutter aus Vietnam stammt, sehe ich sehr asiatisch aus. Die Sprechstundenhilfe sah mich an und sagte: ‚Nein, das können Sie nicht sein.‘ Ich widersprach: ‚Doch, ich bin Friederike‘, die Sprechstundenhilfe stotterte, dass sie sich im Geburtsdatum geirrt haben müsse.“

Witze über den eigenen Namen und diesbezügliche Missverständnisse (wenn wir einmal von der bestmöglichen Variante ausgehen) klingen vielleicht nach einem eher trivialen Problem. Das ist es aber nicht.

Auch Psychotherapeut:innen diskriminieren

„Menschen mit einem nicht-deutsch klingenden Namen erleben bei der Terminvergabe Diskriminierung. Sie haben laut unserer Untersuchungen eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, eine Antwort auf ihre Anfrage zu bekommen. Besonders alarmierend ist, dass diese Diskriminierung auch von Psychotherapeut:innen ausgeht, was zu einer doppelten Marginalisierung führt: Die Betroffenen leiden bereits unter rassistischen Bedingungen und haben dann auch noch erschwerten Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe“, so Cihan Sinanoğlu.

KR-Leserin Melaesk, die an meiner Umfrage teilgenommen hat, ist selbst Ärztin. Im letzten Jahr ihrer Ausbildung war sie in der Notaufnahme eingeteilt. „Ein schwarzer Patient wartete bereits längere Zeit auf den Arzt und wollte ein Glas Wasser, das bekam er aber nicht – als Strafe, damit er lernt, dass man in Deutschland nichts umsonst bekommt, so der diensthabende Arzt“, erzählt sie.

Auf die Frage „Mit welchem Gefühl nimmst du medizinische Hilfe in Anspruch?“ gaben die meisten Teilnehmenden meiner Umfrage an, dass der Medizinsektor bei ihnen Unsicherheit, Sorge und Skepsis auslöst. Einige suchen nur Ärzt:innen auf, die ihnen zuvor von vertrauenswürdigen Personen empfohlen wurden.

Es ist also verständlich, dass BIPoC aus Angst vor Diskriminierung oder schlechter Behandlung seltener zum Arzt gehen und dementsprechend häufiger falsch oder gar nicht diagnostiziert werden.

Keine Schmerzmittel nach der Operation

Über Freunde lerne ich Lisa S. kennen. Sie heißt in Wirklichkeit anders, möchte aber hier lieber anonym bleiben, weil sie Angst hat, von ihrem alten Arbeitgeber verklagt zu werden. Lisa arbeitete nach ihrem Medizinstudium zwei Jahre als Ärztin in einer Klinik in Westdeutschland. „Einmal habe ich erlebt, dass ein Schwarzer Patient ein Schädel-Hirn-Trauma hatte“, erzählt sie mir. „Wenn jemand eine solche Verletzung hat, ist es wichtig zu beobachten, wie die Bewusstseinslage der Person ist. Ab einem bestimmten Punkt war der Patient nicht mehr ansprechbar. Wir fuhren ihn also zum Röntgen. Es war eine sehr ernstzunehmende Situation. Als ich das Bett, des Mannes zurück auf die Station geschoben habe, witzelte ein Pfleger: ‚Der ist ja jetzt noch dunkler geworden, oder‘?“

S. hat die Klinik unter anderem deshalb verlassen, weil sie den alltäglichen Rassismus nicht mehr ausgehalten habe, wie sie sagt. „Mir sind verschiedene Formen von Diskriminierung begegnet. Zum Beispiel wurden Aufklärungsgespräche vor einer Anästhesie nur auf Deutsch geführt. Es hat auch niemand dran gedacht, eine:n Übersetzer:in zu organisieren. Teilweise wussten Patient:innen nicht, welche Therapien sie bekommen und wie die Abläufe sind“, erzählt sie.

Wenn Patient:innen dann nicht dem Rat der Ärzt:innen folgten, sei das als „Incompliance“ bewertet worden. „So nennt man es im medizinischen Bereichen, wenn Menschen zwar aufgeklärt werden, aber die Anweisungen nicht befolgen. Das Ganze sehe ich als ein autoritäres Verhältnis. Die Schuld wird den Patient:innen zugeschrieben“, sagt Lisa S.

Mich erschüttert besonders der Fall eines Geflüchteten, von dem sie erzählt:

„Er kam als Notfall in die Klink. In einer Sammelunterkunft hatte er mehrere Messerstiche erlitten. Wie in diesem Krankenhaus üblich wurde er ohne vorherige Übersetzung operiert und kam anschließend auf die Intensivstation. Er erhielt keine Schmerzmittel, da man annahm, er würde die Schmerzen vortäuschen. Angesichts seiner Verletzungen und der Operation war es aber völlig unmöglich, dass er keine Schmerzen hatte. Besuch durfte er ebenfalls nicht empfangen, da die Kripo noch ermittelte. Dies ergab zwar Sinn, isolierte ihn jedoch zusätzlich. Alle seine Angehörigen standen unter Verdacht, auch wenn sie gar nicht in der Unterkunft mit ihm gewohnt haben. Er war völlig ohne soziale Unterstützung.“

All das wirkte sich auf seine Psyche und seinen Heilungsprozess aus, erzählt mir Lisa S. „Während seines Klinikaufenthalts begann der Mann, sich die Haare auszureißen. Das Klinikpersonal tat dies abermals als Aufmerksamkeitsgeheische ab. Ohne jede therapeutische Begleitung wurde er dann entlassen.“

In meinem Kopf gehe ich eine Liste meiner nicht-weißen Verwandten und Bekannten, die teilweise in Lagern gewohnt haben oder wohnen. Was dieser Mann durchmachte, könnte ihnen passieren. Ich bin entsetzt – und gleichzeitig sehr wütend.

Alles, was von der Norm abweicht, wird weniger beachtet

Wenn Ärzt:innen nicht-weiße Patient:innen nicht ernst zu nehmen müssen meinen, haben sie dafür sogar einen Namen: FMF, das steht für das familiäre Mittelmeerfieber. „Das ist eigentlich eine tatsächliche Erkrankung, wird aber unter medizinischen Personal als Codewort verwendet, wenn sie über ein:e Patient:in mit wahrgenommener Überempfindlichkeit sprechen“, erzählt mir Milad F. Auch er erscheint hier nur mit Vornamen, weil er seine berufliche Zukunft nicht gefährden möchte. F. arbeitet als Assistenzarzt in einer deutschen Großstadt und hat einen iranischen Hintergrund: „Mich hat schockiert, dass ich immer wieder höre, dass Menschen aus bestimmten Regionen anscheinend einfach etwas empfindlicher sind. Damit meinen sie immer nicht-weiße Menschen.“

Morbus Mediterraneus, Morbus Bosporus oder Mamma Mia Syndrom: Alles Begriffe, die beschreiben, dass nicht-weiße Menschen sich zu sehr anstellen. „Wir haben festgestellt, dass es implizite Vorurteile im medizinischen Diskurs gibt“, sagt Cihan Sinanoğlu. „Dies führt dazu, dass die Symptome der Patient:innen oft nicht ernst genommen und notwendige Behandlungen, wie Schmerzmedikationen oder PDA bei Geburten, nicht verabreicht werden. Empirische Daten zeigen, dass zwischen 30 und 40 Prozent der rassistisch markierten Frauen angeben, dass ihre Schmerzen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Ähnliche Phänomene wurden übrigens auch bei weißen Frauen beobachtet, was auf eine männliche Norm hinweist, die alles, was davon abweicht, weniger beachtet.“

Natürlich gibt es auch medizinisches Personal, dass von Rassismus betroffen ist. Sebastian Franke von der Ärztekammer Hamburg, die eine Anlaufstelle gegen Diskriminierung betreibt, bestätigt mir das. Patient:innen äußerten laut Franke immer mal wieder Sätze wie „von einem Araber möchte ich nicht behandelt werden, sondern von einem deutschen Arzt’“.

Auch Milad F. berichtet von alltäglichem Rassismus in seinem Beruf: „Mir sind viele Ärzte mit Migrationshintergrund begegnet, aber keiner von ihnen als Ausbilder oder Vorgesetzter.“

Rassismus schadet auch der Demokratie

Ich wollte diesen Text schon sehr lange schreiben. Aber gerade weil, weil das Thema mich so gepackt hat, musste ich Pausen einlegen. Zu stark waren die Emotionen, die in mir hochkochten.

Nach allem, was ich in meiner Recherche erfahren habe, frage ich mich: Wie können von Rassismus betroffene Menschen sich überhaupt in Deutschland bewegen, ohne Angst vor ständiger Diskriminierung zu haben? Gerade in der aktuellen politischen Lage bin ich wirklich besorgt über unsere Zivilgesellschaft und Demokratie. Oft wird über die Protestwähler:innen der AfD gesprochen, aber wer spricht über die gekränkten und gedemütigten BIPoC in Deutschland?

„Das Vertrauen rassistisch markierter Personen in deutsche Institutionen ist überraschend hoch, höher als im Durchschnitt der Gesellschaft. Dieses Vertrauen sinkt jedoch bei gemachten Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen, was langfristig negative Auswirkungen auf die Demokratie und die Legitimität der Institutionen haben könnte“, erklärt mir Sinanoğlu.

Interessant an meiner eigenen Rassismus-Erfahrung im Krankenhaus ist, dass das Personal in keiner Weise unfreundlich war. Ganz im Gegenteil, alle waren extrem nett und zuvorkommend. Auch wenn sie rassistische Bemerkungen machten, geschah dies nie in einem bösen oder verachtenden Ton. Sie haben es alle gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Es ist sehr wichtig, das zu unterscheiden. Rassismus, wie jede andere Art von Unterdrückung, entspricht nicht einem „bösen“ Teil unseres Gehirns und muss auch nicht gezielt als Angriff gegen eine Person gemeint sein. Nicht-ernst-nehmen oder Infantilisierung von BIPoC sind ebenfalls rassistische Mechanismen. Menschen, die von Rassismus betroffen sind, wird abgesprochen, dass sie selbst in der Lage sind, zu wissen, was ihr Körper braucht und wie ihr Schmerzempfinden ist. Damit werden sie auf eine fatale Weise verunsichert. So kommt es, dass diese Menschen sich teilweise wirklich nicht mehr auf ihre eigene Wahrnehmung verlassen. Und das bereitet den Nährboden für noch mehr rassistischen Erfahrungen.


Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Astrid Probst, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

So leiden Betroffene unter Rassismus im Gesundheitssystem

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