„Mir wurde zwar erzählt, dass es ziehen könnte und ein wenig weh tut, aber unter keinen Umständen so. Ich musste mehrere Stunden in der Praxis bleiben. Ich habe eine Art Panikattacke bekommen und musste mich zum Schluss sogar übergeben.“ Das schrieb mir eine Leserin auf die Frage: „Welche Erfahrungen hast du beim Einsetzen einer Spirale gemacht?“
Wie ihr geht es anscheinend vielen Frauen. Wenn man auf Tiktok oder Instagram nach Erfahrungsberichten von Frauen sucht, findet man unzählige Videos, in denen Frauen dokumentieren, wie groß die Schmerzen beim Einsetzen einer Spirale waren. Ich verzichte absichtlich auf einen Link, weil es mir nicht darum geht, Angst zu schüren. Die Social-Media-Berichte zeigen aber allen Frauen, die ebenfalls Schmerzen beim Einsetzen einer Spirale erleben, dass sie nicht die Einzigen sind.
Dass dieser Eingriff ziemlich schmerzhaft sein kann, bestätigt meine Umfrage unter Krautreporter-Leserinnen. Von den mehr als 200 Frauen, die sich daran beteiligten, gab fast die Hälfte an, dass die Schmerzen größer waren, als sie erwartet hatten. Manchmal überstiegen sie auch alles, was sie bis dahin erlebt hatten. „Ich hatte zuvor noch nie eine solche Schmerzerfahrung“, sagt zum Beispiel Hannah.
Wichtig ist aber: Nicht allen Frauen aus meiner Umfrage erging es so. Einige Frauen berichteten, dass sie weniger Schmerzen hatten als erwartet und jede fünfte Antwort fällt in die Kategorie: Der Schmerz war ungefähr so groß wie gedacht.
Die Menge an Videos in den sozialen Netzwerken und das Umfrageergebnis machten mich aber neugierig. Sind die starken Schmerzen beim Einsetzen unter Umständen doch eines dieser Internetphänome? Fühlten sich vielleicht einfach nur mehr Frauen mit schlechten Erfahrungen dazu motiviert, bei der KR-Umfrage mitzumachen? Schließlich sind unsere Umfragen nicht repräsentativ.
Ich wollte wissen, was dahintersteckt. Wie stark ist der Schmerz wirklich? Bei meiner Recherche bin ich auf Studien gestoßen, die zeigen: Starke Schmerzen beim Einsetzen von Spiralen sind tatsächlich nicht selten. Außerdem bestätigte sich mein Verdacht, dass der Schock über den unerwarteten Schmerz, den viele Frauen erleben, kein Zufall ist. Mangelnde Aufklärung in Frauenarztpraxen ist keine Ausnahme. Frauen, die sich selbst über Verhütungsmethoden und mögliche Nebenwirkungen informieren wollen, haben mit einigen Hürden zu kämpfen. Und dass die Schmerzen beim Einsetzen der Spirale ignoriert werden, reiht sich ein in eine lange und ernüchternde Geschichte des Frauenschmerzes. Deshalb geht es in diesem Text auch darum, welche Patientinnenrechte hier verletzt werden.
Warum jetzt mehr über Schmerzen mit der Spirale berichtet wird
Auf der Seite Familienplanung.de (ein Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA,) wird als meistgeklickter Artikel die Informationsseite zur Kupferspirale angezeigt. Das ist nur eins von vielen Indizien dafür, dass die Pille nicht mehr die Nummer eins der Verhütungsmittel ist. Eine Befragung der BZgA aus dem Herbst 2023 stellte fest, dass die Pille vom Kondom überholt wurde – zum ersten Mal in der Geschichte der Statistik, die es seit 2007 gibt. Außerdem sind Hormon- und Kupferspiralen im Aufwind.
14 Prozent der Befragten zwischen 18 und 49 Jahren verhüten inzwischen mit dem Intrauterinsystem, wie es in der medizinischen Fachsprache heißt. Darunter auch immer mehr Jüngere. 18 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nutzen Spiralen, 2011 waren es in dieser Altersgruppe nur drei Prozent.
Die steigenden Zahlen haben auch damit zu tun, dass sich die medizinischen Empfehlungen geändert haben. Bis vor einigen Jahren hieß es, für Frauen, die noch keine Kinder geboren haben, sei die Spirale zu riskant. Doch inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es dafür keine ausreichenden Belege gibt. Untersuchungen zeigen, dass es bei circa einem Prozent der Frauen, die Spiralen nutzen, zu Komplikationen kommt. Etwa eine Durchlöcherung der Gebärmutterwand (Risiko äußerst gering: 0,01 bis 0,1 Prozent Wahrscheinlichkeit) oder eine Entzündung im Beckenraum. Die Komplikationen sind unabhängig davon, wie alt die Frauen sind und wie viele Geburten sie hatten. Wenn jedoch immer mehr Frauen mit Spiralen verhüten, steigt die absolute Zahl solcher Komplikationen allein aus statistischen Gründen an. Und damit zwangsläufig auch die Zahl der Berichte über Schmerzen beim Einsetzen der Spirale.
Dabei spielt das Alter der Frauen durchaus eine Rolle. Denn die überholte Empfehlung, dass Spiralen nur was für Frauen mit Kindern seien, hat auch den Hintergrund, dass das Einlegen für Frauen ohne Geburtserfahrung tendenziell schwieriger ist. Das hat mit der Beschaffenheit des Zervixkanals (Muttermund) zu tun. Ein durch eine Geburt gedehnter Zervixkanal ist für einen Fremdkörper, wie die Spirale einer ist, tendenziell einfacher zu überwinden. Das Risiko für starke Schmerzen ist dann im Durchschnitt geringer, aber nicht Null.
Das Einlegen ist bei jungen Frauen in der Regel leichter und weniger schmerzhaft während der Periode. Denn zu dieser Zeit ist das Gewebe des Zervixkanals weicher. Das berücksichtigen auch viele Frauenärzt:innen, sagen die Teilnehmerinnen der KR-Umfrage, und setzen die Spirale während der Periode ein.
Wie stark ist der Schmerz wirklich?
In einer Studie mit 109 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren ohne Geburtserfahrung gaben drei Viertel der Teilnehmerinnen an, dass sie mit der Prozedur des Einlegens zufrieden gewesen waren. Gleichzeitig sagten aber 78 Prozent der Teilnehmerinnen, dass sie mittlere bis starke Schmerzen dabei hatten.
Eine andere Studie mit 200 Frauen ergab, dass Frauen, die schon Kinder geboren hatten, die Schmerzen beim Einlegen der Spirale mit fünf auf einer Skala bis zehn bewerteten, während Frauen, die nicht geboren hatten, dem Schmerz durchschnittlich eine sieben gaben.
Und in einer dritten Studie mit 200 Frauen, von denen die meisten zum Untersuchungszeitpunkt Kinder geboren hatten, beurteilten die Frauen ihren Schmerz im Durchschnitt mit 65 auf einer Skala bis 100. Fragte man allerdings die Ärzt:innen nach ihrer Einschätzung, wie stark die Schmerzen der Frauen gewesen seien, schätzten sie die Schmerzstärke auf lediglich 35. Bemerkenswert.
Bei der Aufklärung über die Spirale kommt es immer wieder zu Problemen. So kam als Nebenbefund bei einem Vergleich von Kupfer- und Hormonspiralen heraus, dass Frauenärzt:innen oft nur über eine der beiden Spiralen beraten wollen und die Hormonspirale bevorzugen. Das hört sich nicht nach einer neutralen Verhütungsberatung an.
In meiner Umfrage berichteten die Mehrzahl der Frauen, dass sie mit der Aufklärung in der Frauenarztpraxis im Hinblick auf die zu erwartenden Schmerzen unzufrieden waren. Alle Frauen aus meiner Umfrage, die angaben, keine oder wenig Probleme mit dem Schmerz gehabt zu haben, waren darauf gefasst, dass es weh tun könnte. Viele, die von den Schmerzen überrascht waren, berichteten dagegen, dass sie mit der Aufklärung in der Arztpraxis nicht zufrieden gewesen waren.
In meiner Umfrage berichteten allerdings auch einige Frauen davon, dass ihnen die Schmerzen abgesprochen wurden, selbst wenn sie objektiv nachvollziehbar waren, zum Beispiel weil zum Einsetzen der Spirale eine Hakenzange benutzt worden war. Dazu kommt: Vielen Frauen wurde keine Schmerzmittel angeboten und nicht allen wurde dazu geraten, vor dem Einsetzen der Spirale ein Schmerzmittel einzunehmen. Nur einige wenige Frauen berichteten, dass sie über die Möglichkeit einer Lokalanästhesie informiert wurden. Wie kann das sein?
Frauen, die Schmerzen haben, wird nicht geglaubt
Ein Blick in die Geschichte der Medizin zeigt, dass es ein Problem mit dem Schmerz von Frauen gibt. Die Kulturhistorikerin Elinor Cleghorn beschreibt in ihrem Buch „Die kranke Frau“, wie sehr die medizinische Wissenschaft von männlich geprägten Mythen und sexistischen Einstellungen beeinflusst war und ist. Das Ergebnis: Die Gesundheit von Frauen leidet, weil ihnen nicht geglaubt wird. Ihre Schmerzen wurden ihnen von jeher abgesprochen. Dafür wurde sogar eigens eine neurotische Störung erfunden: die Hysterie. Und ernsthafte Erkrankungen wurden mit einem Phänomen erklärt, das es gar nicht gibt, nämlich einer wandernden Gebärmutter. Frauen erlebten und erleben, dass ihnen Schmerzlinderung vorenthalten wird und wenn sie Schmerzen haben, zum Beispiel unter der Geburt, sollten und sollen sie ihre Schmerzen nicht so laut herausschreien. Dazu kommt: Die Forschung an „Frauenthemen“ hinkt bis heute hinterher und deshalb gefährdet medizinischer Irrtum immer noch die Gesundheit von Frauen stärker als die von Männern.
Wer heute als Patientin in einer Arztpraxis den Eindruck hat, dass ihre Schmerzen nicht der Rede wert sind, reiht sich also in eine sehr lange Reihe von Frauen ein. Deshalb stehen die Berichte über Schmerzen (und andere Probleme) mit der Spirale in einem größeren Zusammenhang. Sie scheinen nur ein weiteres Beispiel in der schmerzhaften Geschichte der Frauengesundheit zu sein. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Schmerzbekämpfung ist bei diesem Eingriff tatsächlich nicht so leicht.
Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 kommt zu dem Schluss, dass sich die Schmerzen beim Einsetzen der Spirale für kinderlose Frauen nicht so zuverlässig senken lassen, wie man es sich wünschen würde. Dafür untersuchten die Forscher:innen mehrere schmerzlindernde Verfahren: den Wirkstoff Lidocain, schmerzsenkende und entzündungshemmende Mittel, wie zum Beispiel Ibuprofen, und das Mittel Misoprostol, das unter anderem auch zum Weichmachen des Zervixgewebes unter der Geburt eingesetzt wird. Das Ergebnis dieser Untersuchung: Keines dieser Mittel sorgte statistisch gesehen für weniger Schmerzen beim Einsetzen einer Spirale.
Eigentlich sollte bei Frauen, die noch keine Kinder geboren haben, vor dem Einsetzen geprüft werden, ob die Festigkeit des Zervixkanals Schmerzen erwarten lässt, zum Beispiel per Ultraschall. Falls der Zervixkanal zum Einlegen der Spirale gedehnt werden muss, „ist eine Lokalanästhesie im Bereich der Zervix möglich.“ So steht es in einer medizinischen Leitlinie zu nicht-hormonellen Verhütungsmethoden. Die Leitlinie empfiehlt darüber hinaus, dass Ärzt:innen Schmerzmittel, wie zum Beispiel Naproxen oder Tramadol und schmerzlinderndes Gel in einer höheren Dosis einsetzen können. Und falls es beim ersten Versuch wegen zu starker Schmerzen mit dem Einlegen nicht klappt, kann auch ein Schmerzmittel in der Vagina injiziert werden.
Doch für Frauenarztpraxen ist eine lokale Betäubung unter Umständen nicht so leicht zu organisieren. Da es auch zu allergischen Schocks und anderen Komplikationen kommen kann, führen nicht alle Praxen solche Anästhesien selbst durch. Das kann eine Erklärung dafür sein, dass einigen Frauen keine Anästhesie angeboten wird. Außerdem ist es für Ärzt:innen oft nicht leicht zu entscheiden, ob und welche Schmerzlinderungsmaßnahmen sie einsetzen sollten. Denn zum einen unterscheidet sich das Schmerzempfinden der Frauen und zum anderen gibt es widersprüchliche Erkenntnisse dazu, wie wirksam das am Ende sein wird. Sie müssen sich deshalb stark auf ihre Erfahrungen verlassen.
Das Problem ist, unvorbereitet zu sein
Das Ergebnis der oben genannten Studie, wonach 75 Prozent der Frauen zufrieden mit dem Einsetzen der Spirale waren, obwohl gleichzeitig 78 Prozent Schmerzen dabei hatten, wirft die Frage auf, wovon es überhaupt abhängt, wie zufrieden die Patientinnen mit der Prozedur sind.
Ein wesentlicher Faktor scheint dabei die Aufklärung zu sein. Oder anders ausgedrückt: Wenn Frauen damit rechnen, dass das Einsetzen schmerzhaft sein kann, wenn sie wissen, wie sie die Schmerzen lindern können und wenn sie selbstbestimmt entscheiden können, ob sie unter diesen Umständen eine Spirale eingesetzt bekommen wollen, dann scheint das positive Auswirkungen auf ihr Schmerzempfinden zu haben. Auch die Leitlinie stellt fest, dass sich Frauen eher dann mehrmals für eine Spirale entscheiden, wenn ihnen Schmerzmittel angeboten wurden.
Die Erfahrungsberichte zeigen aber: Leider muss man davon ausgehen, dass Frauen nicht in jeder Arztpraxis ordentlich aufgeklärt werden. Hierbei spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht nur das historische Herunterspielen von weiblichen Schmerzen. Auch Stress, Zeitmangel, Wissensdefizite und organisatorische Schwierigkeiten können zusammengenommen die Qualität der Aufklärung beeinflussen. Umso wichtiger wäre es, dass Frauen andere Quellen haben, die sie auf mögliche Schmerzen vorbereiten. Für viele Frauen in meiner Umfrage waren das auch ihre Freundinnen, die von Erfahrungen mit dem Einsetzen der Spirale berichten konnten.
Aber auch das kann ein Problem sein. So erzählt zum Beispiel eine Teilnehmerin meiner Umfrage, die anonym bleiben möchte: „Vor Ort war das Einlegen dann wider Erwarten ziemlich schmerzhaft. Ich hatte aufgrund der positiven Erfahrung meiner Freundin nicht damit gerechnet.“ Wenn Frauen bei ihrer Entscheidung auf Freundinnen angewiesen sind, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass es an verlässlichen Informationsangeboten fehlt – ganz generell zum Thema Verhütung, aber insbesondere in Bezug auf die zu erwartenden Schmerzen beim Einsetzen der Spirale.
Die Autor:innen des schon erwähnten Berichts, der Hormon- und Kupferspiralen vergleicht, fordern, dass sich Frauen über Nutzen und Risiken aller Verhütungsmethoden umfassend, inhaltlich richtig und allgemeinverständlich informieren können müssen. Doch Expert:innen stellen nach wie vor fest, dass es solche Angebote in Deutschland nicht gibt. So ist die schon erwähnte Seite Familienplanung.de zwar schon hilfreich, aber sie entspricht noch nicht allen Kriterien, die man an gute Gesundheitsinformationen anlegt.
Alle Frauen sollten wissen, dass diese Situation gegen geltendes Recht verstößt. Denn laut Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 haben alle Patient:innen ein Recht darauf, so aufgeklärt zu werden, dass sie eine informierte Gesundheitsentscheidung treffen können. Kostenlos zugängliche Informationen für alle sind wichtig. Besonders, wenn Frauen nicht davon ausgehen können, dass Frauenärzt:innen ihnen bei einer informierten Entscheidung zuverlässig helfen können.
Falls du gerade vor einer Verhütungsentscheidung stehst, sind das keine guten Nachrichten. Es bleibt dir nur, dich so gut wie möglich vorher zu informieren, damit du deiner Ärztin oder deinem Arzt gezielte Fragen stellen kannst. Alternativ kannst du nach dem Gespräch in der Arztpraxis auf Bedenkzeit bestehen, dich anschließend weiter informieren und einen zweiten Termin ausmachen, in dem du deine Fragen stellen kannst. Das empfinden Ärzt:innen oft selbst auch als Erleichterung.
In der modernen Medizin sehen sich Ärzt:innen eher als Partner:innen denn als Heiler:innen. Aber damit das partnerschaftliche Verhältnis überhaupt funktionieren kann, müssen auf der anderen Seite Patient:innen dazu in die Lage versetzt werden, Verantwortung für ihre Entscheidungen mit zu übernehmen. Wie gut die Voraussetzungen dafür sind, zeigt meine Recherche: Fast alle Informationen, die ich gefunden habe, waren englischsprachig.
Herzlichen Dank an alle, die mich durch das Ausfüllen der Umfrage bei dieser Recherche unterstützt haben. Danke für das Vertrauen! Und Danke für die Erkenntnis, dass sich diesmal das Stimmungsbild ziemlich gut mit den Ergebnissen aus der Forschung deckte.
Redaktion: Bent Freiwald, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sippos; Audioversion: Iris Hochberger