Licht fällt auf das Gesicht eines grauhaarigen Mannes. Seine Augen sind geschlossen.

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Psyche und Gesundheit

Vergessliche Eltern: Ist das jetzt schon Demenz?

Das musst du über Alzheimer und Demenz wissen.

Profilbild von Silke Jäger
Reporterin für Kopf und Körper

Menschen, die ihren Namen vergessen haben, ihre eigenen Kinder nicht mehr erkennen oder herumirren – wer an pflegebedürftige Menschen denkt, hat meistens eine bestimmte Krankheit vor Augen: Alzheimer-Demenz. Kaum eine andere Krankheit wird so sehr mit dem Alter verknüpft wie diese. Und kaum eine andere Krankheit macht Menschen so viel Angst.

Ich vermute, viele Ängste haben auch damit zu tun, dass die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag kaum demente Menschen trifft.

Deswegen möchte ich in diesem Text über Demenz aufklären. Wissen kann helfen, Ängste abzubauen. Ich beschreibe, welche Demenzarten es gibt, wie ein Therapieerfolg aussieht und wie du die Behandlung als Angehörige:r am besten unterstützen kannst.

👉 Das müssen Angehörige verstehen
👉 Was ist eigentlich eine Demenz?
👉 Zwei wichtige Formen von Demenz
👉 Woher kommt Alzheimer?
👉 Was ist typisch für Alzheimer?
👉 Wie wird eine Demenz festgestellt?
👉 Welche Behandlungen für Demenz gibt es?

Ich beginne mit dem Wichtigsten:

Das müssen Angehörige verstehen

Freunde und Familie sind unverzichtbar; sie sind Teil des Behandlungsteams – gemeinsam mit dem von Demenz betroffenen Menschen.

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Das lässt sich am Beispiel Kaffeekochen erklären. Diese Aufgabe erfordert eine Menge Fähigkeiten: Man muss wissen, wie die Kaffeemaschine funktioniert, wo der Anschalter ist, wie man ihn betätigt und wann. Man muss wissen, wo der Kaffee eingefüllt wird und wo das Wasser und dass man beides braucht. Man muss wissen, wie das Wasser zur Kaffeemaschine transportiert wird und wie viele Löffel Kaffee in den Filter gehören. Apropos Filter: Wie legt man den ein?

Kaffeekochen ist eine komplexe Sache. Angehörige müssen lernen, das anzuerkennen. Es ist nicht gut für Demenzpatient:innen, wenn sie bei solchen Aufgaben das Gefühl bekommen, alles falsch zu machen. Vielleicht fällt es ja lediglich schwer, die richtige Reihenfolge einzuhalten oder sich zu merken, in welchem Schrank der Kaffee steht. Menschen mit Demenz brauchen gezielte Unterstützung an den Punkten, an denen sie selbst nicht weiterkommen. Was Demenzkranke selbst noch hinbekommen, sollten sie so oft wie möglich auch selbst tun. Dieses sinnhafte und sinnvolle Tun hilft, die vorhandenen Fähigkeiten zu erhalten.

Für Angehörige ist das eine schwere Aufgabe. Denn was in einem Moment klappt, funktioniert vielleicht schon einige Minuten später nicht mehr, aber am nächsten Tag wieder. Du musst aufmerksam, geduldig, verständnisvoll sein und deine eigenen Gefühle respektieren, wenn du Demenzpatient:innen gut unterstützen willst.

Aber: Es ist unmöglich, sich 24 Stunden, sieben Tage in der Woche perfekt auf die Welt des Demenzerkrankten einzustellen. Niemand sollte das von sich verlangen. Niemand sollte es von dir verlangen.

Deshalb ist vielleicht die wichtigste Aufgabe für dich: Wenn jemand aus deiner Familie dement wird, nicht nur viel Mitgefühl mit dem betroffenen Menschen zu haben, sondern auch mit dir selbst.

Denn die Fähigkeit, die Demenzpatient:innen nicht verlieren (oder erst sehr spät), ist, sich auf der Gefühlsebene mitzuteilen. Sie spüren oft sehr gut, welche Stimmung in der Luft liegt und reagieren mit eigenen Gefühlen, werden vielleicht ängstlich, wenn du wütend bist, auch wenn du deine Wut nicht herauslässt. Auf der Gefühlsebene sind sie sehr empfänglich – vielleicht sogar empfänglicher, als du erwartest.

Was ist eigentlich eine Demenz?

Viele Menschen benutzen das Wort Alzheimer als Synonym für Demenz. Die Alzheimer-Demenz ist zwar die häufigste Form, aber es gibt noch andere wichtige Demenz-Formen. Bevor wir tiefer in die Unterschiede einsteigen: Was haben sie gemeinsam?

Die wichtigste Gemeinsamkeit ist: Sie sind nicht heilbar.

Man kann den fortschreitenden Verlust von kognitiven Fähigkeiten zwar etwas verzögern, aber irgendwann kann jemand mit Demenz seinen Alltag nicht mehr alleine bewältigen. Denn die wichtigste Ursache einer Demenzerkrankung lässt sich nach heutigem Wissensstand nicht umkehren: der fortschreitende Abbau von Gehirnzellen und die Schädigung des umliegenden Hirngewebes.

Der Begriff Demenz steht dabei nicht für eine starr definierte Krankheit, sondern beschreibt ein bestimmtes Muster an Symptomen. Welche Symptome das sind, hängt von der Ursache ab und davon, welche Gehirnregionen betroffen sind. Demenzen sind mehr als Gedächtnisstörungen. Demenz ist also nicht gleichzusetzen mit Vergesslichkeit.

Menschen mit Demenz fällt es oft schwer:

  • sich neue Dinge einzuprägen
  • sich auf eine Sache zu konzentrieren
  • sich sprachlich auszudrücken
  • andere zu verstehen
  • Situationen zu überblicken
  • Zusammenhänge zu erkennen
  • Handlungen zu planen und zu organisieren
  • Gegenstände richtig zu benutzen und
  • sich zeitlich und örtlich zu orientieren

Meistens verändern sich die Betroffenen aber auch in ihrer Persönlichkeit. Vielleicht werden sie ungewohnt ängstlich, impulsiv oder sogar aggressiv. Vielleicht ziehen sie sich extrem zurück, obwohl sie immer gern mit Menschen zusammen waren und haben an nichts mehr Freude. Vielleicht werden sie extrem unruhig, laufen ständig in der Wohnung auf und ab und finden keinen Schlaf.

Wenn sich Betroffene verändern, haben Angehörige oft das Gefühl, ihren geliebten Menschen bereits zu verlieren, obwohl er noch anwesend ist. Vor allem die Persönlichkeitsveränderungen werden von vielen als sehr belastend empfunden.

Eine Demenz dauert laut einer Studie aus Schweden im Schnitt circa sechs Jahre bei Männern und siebeneinhalb Jahre bei Frauen, wenn sie zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 65 und 75 Jahre alt waren. Sind sie älter, verringert sich die Dauer der Krankheit auf circa drei Jahre im Durchschnitt. Die Durchschnittswerte können helfen abzuschätzen, wie lange die Pflegebedürftigkeit möglicherweise anhält. Allerdings verlaufen Demenzerkrankungen sehr individuell.

Zwei wichtige Formen von Demenz

Symptome und Ursache der verschiedenen Demenzformen sind unterschiedlich. Demenzen lassen sich grob in zwei Gruppen aufteilen: primäre und sekundäre Demenzen.

Quelle: Stiftung Gesundheitswissen

Die häufigste Demenz ist die Alzheimer-Demenz, die zweithäufigste die vaskuläre Demenz. Etwa 15 Prozent der vaskulären Demenzen gehören zur Gruppe der primären Demenzen. Vaskulär bedeutet: Die Ursache dafür liegt in der Durchblutung des Gehirns, zum Beispiel nach Schlaganfällen. Es kommen auch Mischformen vor.

Die Symptome ähneln sich, aber bei einer vaskulären Demenz bessern sich manchmal auch einzelne Symptome, wenn es eine geeignete Unterstützung im Alltag und eine zielgerichtete Behandlung gibt. Bei einer Alzheimer-Demenz ist eine zeitweise Verbesserung der Symptome seltener; hier sind die Kurzzeitlücken etwas ganz Charakteristisches. Um zu beurteilen, ob sich eine Demenz verbessert, benötigt man spezielle Testverfahren.

Symptome können sich kurzfristig verändern, zum Beispiel durch Schlaf, Wasserhaushalt, Stimmung oder Ernährung. Deswegen lässt sich im Alltag meist nur schwer erkennen, ob sich die Symptome an sich verschlechtern oder ob der Betroffene einfach einen schlechten Tag hat. Oft schwankt der Zustand bei Demenzkranken stark und kann sich innerhalb weniger Minuten ändern. Häufig kommen auch lichte Momente vor, in denen sich Betroffene plötzlich wieder orientieren können, beispielsweise auf einmal wissen, wie ihr Gegenüber heißt, nur um es kurze Zeit später wieder vergessen zu haben.

Woher kommt Alzheimer?

Die Alzheimer-Demenz wurde 1906 zum ersten Mal von dem Psychiater Alois Alzheimer beschrieben. Die wichtigsten Kennzeichen dieser Demenzform sind Veränderungen in den Nervenzellen, die dazu führen, dass die Reizübertragung zwischen den Gehirnzellen gestört wird. Außerdem lagern sich spezielle Proteine im Gehirngewebe ab und bilden sogenannte Plaques.

Wieso sich das Gehirn in dieser Weise verändert, ist noch nicht gut verstanden. Man vermutet, dass eine Art Kettenreaktion dazu führt, dass sich die gehirnschädigenden Prozesse immer weiter verstärken. Entzündungen, Störungen im Gehirn- und Zuckerstoffwechsel und fehlerhafte gefaltete Proteinmoleküle spielen dabei vermutlich eine entscheidende Rolle.

Was ist typisch für Alzheimer?

Die Alzheimer-Demenz wird in drei Stadien eingeteilt: leichtgradig, mittelschwer und fortgeschritten.

Bereits bevor es zu ersten Symptomen kommt, bauen die Nervenzellen ab. Oft kann man diesen Abbau an leichten Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten bemerken. Zum Beispiel kann es schwerer werden, sich in einer fremden Umgebung zu orientieren, vielleicht verläuft man sich plötzlich am Urlaubsort. Man hat festgestellt, dass etwa die Hälfte der Menschen über 65 Jahren, die solche leichten kognitiven Beeinträchtigungen haben, innerhalb von fünf Jahren eine Demenz entwickeln.

Wichtig: Es gibt Definitionen dafür, was leichte kognitive Beeinträchtigungen in diesem Zusammenhang sind. Die Handreichung dazu heißt MCI, Mild Cognitive Impairment. Ab und zu vergesslich zu sein, ist damit nicht gemeint. Es gibt dafür standardisierte Tests.

Die Hilfsbedürftigkeit beginnt meist im mittelschweren Stadium, weil Aufgaben des täglichen Lebens schwerfallen: Einkaufen, Essen machen, Haushaltsgeräte bedienen, sich in der Wohnung orientieren oder den Körper pflegen.

Das Langzeitgedächtnis leidet in diesem Stadium oft: Wen habe ich geheiratet? Welchen Beruf hatte ich? Wie heißen meine Kinder? Wie alt bin ich? Dabei geht die Wahrnehmung der eigenen Krankheit verloren. Manche Menschen wollen dann mit ihren verstorbenen Eltern telefonieren, ins Büro gehen oder nach Hause fahren, obwohl sie dort bereits sind. Sie fühlen sich in ihrer eigenen Wohnung fremd, weil sie sich kaum noch orientieren können. Manchmal entstehen auch Wahnvorstellungen, die den ganzen Alltag bestimmen: Ich wurde bestohlen! Oder: Ihr wollt mich einsperren!

Im fortgeschrittenen Stadium gehen oft Sprache und die Kontrolle über Blase und Darm verloren. Viele Betroffene werden nun bettlägerig und sind anfällig für Infektionen. Sie leiden unter Lähmungen oder Krampfanfällen. Häufig sterben Alzheimer-Patient:innen an Entzündungen der Lunge oder der Harnwege.

Wie wird eine Demenz festgestellt?

Die Diagnose besteht aus drei Schritten. Zuerst muss man das Symptommuster erkennen. Dazu befragt der Hausarzt oder die Fachärztin (Neurologin oder Psychiaterin) die Patient:innen und deren Angehörige nach den Beschwerden im Alltag und setzt verschiedene Tests ein.

Relativ bekannt ist der Uhrentest. Dabei sollen die Patient:innen eine Uhr zeichnen. Menschen mit Demenz fällt es schwer, diese Aufgabe zu verstehen, die Ausführung zu planen, sich an das Aussehen einer Uhr zu erinnern und sie entsprechend zu zeichnen. Die Fähigkeit, komplexe Muster zu erkennen und wiederzugeben, ist oft schon in einem frühen Stadium der Demenz gestört.

Im zweiten Diagnoseschritt geht es darum, die Ursache der Demenz festzustellen. Daraus leitet sich die Demenzform ab. Dazu können die Ärzt:innen unter anderem MRTs durchführen oder das Nervenwasser im Labor untersuchen, zusätzlich setzen sie spezielle Tests ein, die die Diagnose erhärten.

In 80 Prozent der Fälle kann so relativ sicher die Diagnose gestellt werden. Absolute Gewissheit bringt jedoch lediglich die Gehirnautopsie nach dem Tod. Leider gibt es derzeit auch noch keinen zuverlässigen Labortest, mit dem sich die Krankheit eindeutig nachweisen ließe.

Im dritten Schritt schauen sich die Ärzt:innen an, was die Betroffenen noch können und welche individuellen Probleme sie haben. Daraus entwickeln sie einen Behandlungsplan.

Welche Behandlungen für Demenz gibt es?

Eine Demenz verschlechtert sich im Laufe der Erkrankung immer weiter. Ein Therapieerfolg besteht deswegen darin, bestehende Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten.

Es gibt zwar noch kein Medikament, das eine Demenz heilen könnte, aber Medikamente spielen in der Behandlung trotzdem eine wichtige Rolle: Sie sollen die geistigen Fähigkeiten stabilisieren und so dazu beitragen, dass Symptome gelindert werden und das Alltagsleben leichter gelingt.

Eine wichtige Arzneimittelklasse sind sogenannte Cholinesterase-Hemmer. Sie sollen den Abbau eines wichtigen Botenstoffs im Gehirn aufhalten: Acetylcholin. Dieser Botenstoff fehlt bei Demenzerkrankungen. Man schätzt, dass diese Medikamente eine Verschlechterung um circa ein Jahr hinauszögern können.

Daneben verschreiben Ärzt:innen Medikamente, die psychische und verhaltensbezogene Symptome lindern sollen. Denn diese stellen für die Pflege von Demenzpatient:innen häufig ein großes Problem dar. Unruhe, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit können das Zusammenleben stark belasten. Welche Medikamente infrage kommen, entscheiden Betroffene, Angehörige und Ärzt:innen gemeinsam.

Wichtig ist aber auch, dass Menschen mit Demenz im Alltag so unterstützt werden, dass sie möglichst viele Alltagstätigkeiten selbstständig bewältigen können. Nichtmedikamentöse Therapien stellen dieses Ziel in den Mittelpunkt. Die Spezialist:innen dafür sind Ergotherapeut:innen in Zusammenarbeit mit Pflegefachpersonen und den pflegenden Angehörigen. Physiotherapie kann zusätzlich sinnvoll sein, wenn Bewegungsstörungen dafür verantwortlich sind, dass jemand im Alltag nicht mehr zurechtkommt. Es geht bei der Behandlung darum, den Menschen nichts abzunehmen, was sie noch selbst tun können – selbst dann, wenn die Aufgabe nicht so bewältigt werden kann, wie man es sich wünscht.


Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Susan Mücke; Bildredaktion: Philipp Sippos; Audioversion: Iris Hochberger

Vergessliche Eltern: Ist das jetzt schon Demenz?

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