Als Mitglied hast du Zugriff auf diesen Artikel.
Ein Krautreporter-Mitglied schenkt dir diesen Artikel.
ist Krautreporter-Mitglied und schenkt dir diesen Artikel.
Gemeint ist der zentrale Aspekt von Pflege, von dem du schon mal gehört haben solltest. Quasi deine Antwort auf alles, sobald deine Eltern Hilfe brauchen: der Pflegegrad!
Darum gehts in Kürze:
- Der Pflegegrad definiert, wie stark die Selbstständigkeit einer pflegebedürftigen Person eingeschränkt ist.
- Du kannst den Pflegegrad nicht rückwirkend beantragen. Du musst dich also schnell darum kümmern!
Kürzlich habe ich die Krautreporter-Community gefragt, welche Information am wertvollsten war, als die Eltern pflegebedürftig wurden. 130 Menschen haben geantwortet. Hier findest du den Text dazu: Das musst du wissen, wenn deine Eltern jetzt Pflege brauchen.
Je höher der Pflegegrad, desto mehr Geld bekommst du
Der Pflegegrad einer pflegebedürftigen Person ist der wichtigste Baustein, wenn es um die finanzielle und organisatorische Unterstützung für Pflegebedürftige geht. Er ist nur eine kleine Zahl zwischen 1 und 5, aber er definiert den „Grad der Pflegebedürftigkeit“, also wie stark die Selbstständigkeit einer Person beeinträchtigt ist.
Insgesamt gibt es fünf verschiedene Pflegegrade, von „geringe“ bis „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung“. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Sachleistungen oder Pflegegeld bewilligt die Pflegekasse. (Früher gab es nur drei sogenannte Pflegestufen. Das wurde 2017 geändert, um auch kognitive Einschränkungen wie Demenzerkrankungen zu berücksichtigen.)
Die Einteilung misst sich jetzt an sechs Faktoren, zum Beispiel, wie mobil eine Person ohne Hilfe ist, wie gut die Selbstversorgung mit Essen, Trinken und Körperpflege funktioniert oder wie es um die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten einer Person steht. Aber auch: Zeigt jemand ein ängstliches oder aggressives Verhalten? Geht eine Person noch eigenen Interessen nach und pflegt Kontakte? Kann jemand selbstständig Tabletten nehmen, Blutdruck messen, Treppen steigen? Die Liste ist lang und die Richtlinien dafür noch viel länger.
Wie der Pflegegrad festgestellt wird: Der Medizinische Dienst besucht die pflegebedürftige Person zu Hause – im Auftrag der Krankenkassen (bei Privatversicherten übernimmt das die Medicproof GmbH). Dabei kommt ein Gutachter oder eine Gutachterin und schaut sich in der Wohnung oder dem Haus um, spricht mit der Person, liest Krankenhausberichte, beobachtet die Person beim Verrichten alltäglicher Dinge und stellt viele Fragen.
Pro-Tipp aus unserer Community: Hier sollte auf jeden Fall jemand aus der Familie oder ein Betreuer bzw. eine Betreuerin zur Unterstützung vor Ort dabei sein. Denn Menschen, die Hilfe brauchen, untertreiben oft, wenn es um ihre Hilfebedürftigkeit geht oder übertreiben damit, was sie noch alles alleine erledigen können. Das ist ja vielleicht auch eine beschämende Situation: Da kommt plötzlich ein Fremder und schaut dir dabei zu, wie du aus dem Bett aufstehst oder deine Tabletten nimmst. Und verteilt dann Punkte!
Der Gutachter oder die Gutachterin vergibt und gewichtet Punkte, um die Selbstständigkeit zu beurteilen. Je mehr Punkte jemand erhält, desto höher der Pflegegrad.
Beim Beantragen gilt vor allem: schnell sein
Als Pflegebedürftiger oder Angehöriger musst du einen „Pflege-Antrag“ bei der Krankenkasse stellen, um überhaupt eingeteilt zu werden. Das geht einigermaßen formlos per Post, telefonisch oder online bei der Krankenversicherung. Im Anschluss musst du ein längeres Formular ausfüllen, das den Antrag konkretisiert: Benötigst du Sachleistungen oder geht es um Pflegegeld? Wer führt die Pflege durch, wie kommt die Pflegebedürftigkeit zustande? Die Krankenversicherung hat dann 25 Werktage Zeit, den Antrag zu bearbeiten. Das klingt vielleicht erst mal wenig, sind aber fast eineinhalb Monate, die du im Zweifel ohne finanzielle oder andere Unterstützung überbrücken musst. Für Einzelfälle, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, gibt es auch die Möglichkeit, Eilanträge zu stellen, dann verkürzt sich die Bearbeitungszeit auf fünf Tage.
Wichtig ist in jedem Fall: Du solltest den Antrag so früh wie möglich stellen, weil sich alle Leistungen darauf beziehen! Rückwirkende Anträge gibt es nicht. Leistungen kannst du frühestens ab dem Monat beziehen, in dem der Antrag das erste Mal gestellt wurde. Also, schnell sein!
Auch wichtig: Ein bewilligter Pflegegrad gilt nicht für immer! Es gibt Wiederholungsbegutachtungen, um festzustellen, ob sich die Pflegesituation verbessert oder verschlechtert hat. Die Pflegekasse kann Leistungen im Zweifel auch wieder streichen.
Ich kann mich an den Besuch des Medizinischen Dienstes bei meiner kranken Mutter nicht mehr erinnern. Damals kümmerte sich auch mein Bruder um das Organisatorische vor Ort, weil ich zum Teil noch in Hamburg lebte. Was ich aber noch weiß: Alle fragen immer nach dem Pflegegrad, die Krankenkasse, die Ärzte, Versicherungen oder auch das Pflegeheim. Ständig mussten wir Formulare ausfüllen, zentimeterdicke Stapel. Es gibt zig Anträge und Begutachtungen. Das ist für eine Einzelperson ohne Unterstützung kaum zu leisten.
Schon der kleine Pflegegrad kann eine große Hilfe sein
Vielleicht hast du ja das Gefühl, deine Eltern könnten hier und da jetzt schon Hilfe brauchen. Das können schon kleinere Dinge sein, wie ein Hausnotruf (also ein Armband mit einem Notrufknopf, womit man immer Hilfe rufen kann, zum Beispiel nach einem Sturz) oder eine Haushaltshilfe, die einmal in der Woche beim Putzen oder Einkaufen hilft. Für den Notruf zahlt die Pflegekasse bei Pflegegrad 1 schon 25 Euro im Monat. Es gibt aber auch einen Entlastungsbetrag von 125 Euro monatlich, den du zum Beispiel für eine Haushaltshilfe nutzen kannst. Du kannst auch später noch einen Folgeantrag stellen, um einen höheren Pflegegrad zu erreichen.
Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, welcher Pflegegrad zutreffen könnte, gibt es im Internet verschiedene „Pflegegradrechner“. Am Ende ist aber nur ausschlaggebend, was der Medizinische Dienst vor Ort für einen Eindruck bekommt. Gut zu wissen: Man kann Einspruch einlegen!
Redaktion: Rico Grimm, Bildredaktion: Philipp Sipos