Eine Frau betrachtet sich im Spiegel, während sie ihre Brust abtastet.

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Psyche und Gesundheit

Was du gegen deine Angst vor Brustkrebs tun kannst

Es gibt ein Früherkennungsprogramm, aber viele fragen sich, wie viel es bringt. Wie entscheidest du, ob du teilnimmst?

Profilbild von Silke Jäger
Reporterin für Kopf und Körper

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Dieser Satz bleibt hängen.

Sobald eine Frau 50 Jahre alt wird, bekommt sie alle zwei Jahre das Angebot, ihre Brust röntgen zu lassen, um Auffälligkeiten im Brustgewebe möglichst früh zu erkennen. Die Krankenkassen bezahlen diese Untersuchungen. Das hört sich sehr sinnvoll an. Trotzdem zögern viele Frauen, an diesem Screening-Programm teilzunehmen.

So wie Krautreporter-Leserin Steffi. Sie schreibt: „Wenn 1.000 Frauen 25 Jahre an diesem Programm teilnehmen, werden meines Wissens vier bis sechs Frauen vor einer Brustkrebserkrankung bewahrt. Gleichzeitig erkranken aber auch Frauen durch die Strahlenbelastung der Mammografie an Brustkrebs.“

Steffis Zahlen sind fast exakt, tatsächlich wird durch das Screening bei zwei bis sechs Frauen ein Tod durch Brustkrebs verhindert. Sie fragt sich außerdem, ob es nicht besser wäre, alle Frauen schon früh in ihrem Leben konsequent in der Selbstuntersuchung ihrer Brust zu schulen. Und vermutet, dass dies vielleicht sogar im Interesse der Krankenkassen sein könnte, wenn sich dadurch unterm Strich Kosten für die Kassen vermeiden ließen.

Wie häufig ist Brustkrebs genau?

Es stimmt: Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Aber wie häufig er genau ist, hängt vor allem vom Alter ab.

Eine Tabelle zur Häufigkeit von Brustkrebs abhängig vom Alter von Frauen

Insgesamt sterben etwa 35 von 1.000 Frauen an Brustkrebs. Quelle: www.gesundheitsinformation.de

Obwohl so gut wie alle Frauen bestimmte Risikofaktoren für Brustkrebs haben, hat nicht jede Frau dasselbe Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Neben dem Alter spielen vor allem Gene und Hormone eine entscheidende Rolle. Wenn eine nahe Verwandte, zum Beispiel deine Schwester oder deine Mutter, an Brustkrebs erkrankt ist, verdoppelt sich das eigene Risiko. Erkrankt hingegen eine entfernte Verwandte, beispielsweise deine Tante väterlicherseits, beeinflusst das das eigene Erkrankungsrisiko kaum.

Ob jemand Krebs bekommen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Trotzdem haben die meisten Frauen Angst vor Brustkrebs. Viele gehen davon aus, dass sie so gut wie sicher Brustkrebs bekommen werden – auch, weil manchmal Awareness-Kampagnen mit der Angst vor der Krankheit arbeiten. Zum Beispiel, weil sie für die Untersuchung werben, indem sie Frauen zeigen, die gerade eine Chemotherapie machen. Aber statistisch gesehen bekommt in Deutschland eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens die Diagnose Brustkrebs. Nicht acht von acht.

Eine Tabelle zu Risikofaktoren für Brustkrebs und der Anzahl der Erkrankungen

Über das gesamte Leben betrachtet, bekommen heute etwa 130 von 1.000 Frauen Brustkrebs. Quelle: www.gesundheitsinformation.de

Die Annahme, der eigene Lebensstil oder die psychische Verfassung könnten Brustkrebs verursachen, gelten heute als überholt, denn wissenschaftliche Belege für diese Theorien fehlen. Mit einer Ausnahme: Frauen, die viel Alkohol trinken (also mehr als die empfohlene Menge von zwölf Gramm pro Tag, das entspricht einem kleinen Glas Wein), bekommen nachgewiesenermaßen häufiger Brustkrebs. Trotzdem gilt: Niemand ist schuld an einer Krebserkrankung und der eigene Lebensstil spielt eine eher untergeordnete Rolle.

Eine Krebsdiagnose kann das Leben aber für immer verändern und im schlimmsten Fall vorzeitig beenden, das stimmt. Viele Frauen gehen mit diesem Gedanken im Hinterkopf zur Mammografie. Oder haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie sich dagegen entscheiden. Vielleicht sogar Schuldgefühle.

Doch sollte Angst vor Krebs wirklich das ausschlaggebende Argument für die Entscheidung sein, am Mammografie-Screening teilzunehmen? Und sollte andererseits die Angst vor der Strahlenbelastung das entscheidende Argument sein, nicht hinzugehen?

Mammografie ist unbeliebt

Mammografie ist eine Untersuchung, zu der wahrscheinlich niemand gerne geht. Dabei werden die Brüste von zwei Platten sehr flach gedrückt. Das ist auf jeden Fall unangenehm, oft auch schmerzhaft. Die ganze Prozedur empfinden manche auch als erniedrigend, weil man mit nacktem Oberkörper in einer sehr unnatürlichen Haltung ausharren muss, bis eine kalte Maschine Röntgenstrahlen durch die Brüste geschickt hat. Fehlt noch dazu ein warmes Wort der medizinisch-technischen Assistentin, die die Maschine bedient, will man am liebsten nur noch weglaufen.

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Kein Wunder, dass viele eine Mammografie lieber vermeiden würden. Sie fragen sich, so wie Steffi, was diese Untersuchung bringt und welchen Schaden sie möglicherweise anrichtet.

Diese Fragen sind aber nicht nur ein Ausdruck von Unbehagen oder Angst. Antworten darauf zu bekommen, ist das gute Recht jeder Frau. Denn ohne solche Infos lassen sich die Vor- und Nachteile der Untersuchung nicht abwägen.

Zur Abwägung gehört dann auch die Frage: Ist die Selbstuntersuchung eine Alternative und welche Vor- und Nachteile hat sie vielleicht? Und: Was passiert, wenn ich nichts tue?

Versuchen wir mal, die passenden Antworten zu finden.

Was bringt die Mammografie?

Nach deinem 50. Geburtstag bekommst du irgendwann einen Brief von den Organisatoren des Mammografie-Programms, in dem dir ein Termin im nächstgelegenen Mammografie-Zentrum mitgeteilt wird. Diesem Brief liegt auch ein Flyer bei, der die Vor- und Nachteile der Untersuchung erklärt. Diese Infos fassen relevante Studienergebnisse zusammen. Demnach bekommen statistisch gesehen von 1.000 Frauen, die während einer Woche am Programm teilnehmen, 30 einen auffälligen Befund. Bei anschließenden Untersuchungen bestätigt sich dann bei sechs dieser 30 Frauen die Diagnose Brustkrebs.

Fünf dieser sechs Frauen haben einen Tumor, der sich ohne Behandlung weiter im Körper ausbreiten würde, bei einer der sechs findet man Krebszellen in den Milchgängen. Diese Milchgang-Tumore können auch harmlos verlaufen, doch weil sich das schlecht vorhersehen lässt, werden auch diese Tumore in der Regel behandelt.

Statistisch gesehen sterben von 10.000 Frauen, die zehn Jahre lang am Mammografie-Screening teilnehmen, circa acht Frauen weniger an Brustkrebs, die zwischen 50 und 59 Jahre alt sind und 21 Frauen weniger, die zwischen 60 und 69 Jahre alt sind, als ohne Screening. Insgesamt werden zwei bis sechs Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt, wenn 10.000 Frauen 20 Jahre lang regelmäßig zur Mammaografie gehen: Statt 19 Frauen sterben in diesem Zeitraum 13 bis 17.

Eine Grafik darüber, was passiert, wenn 1.000 Frauen am Mammografie-Programm teilnehmen. 2 bis 6 Frauen können dann vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden.

2 bis 6 Frauen können vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden, wenn 1.000 Frauen sich untersuchen lassen. Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss

Bei den Zahlenangaben ist wichtig zu wissen: Sie sind keine exakten Werte, sondern ergeben sich aus verschiedenen Studien und einer Spanne von Werten. Die Zahlen sind der Mittelwert aus den Studien und dienen vor allem zur Orientierung, helfen dir also beim Einschätzen der Vorteile, die das Screening für dich haben könnte.

Wie hoch ist das Risiko, das von Mammografie ausgeht?

Steffi sorgt sich über die Strahlenbelastung bei der Mammografie. Aber hier kann man Entwarnung geben. Die Strahlendosis kann durch das Flachdrücken des Gewebes gering gehalten werden. Die Organisatoren sagen zum Risiko: Statistisch gesehen könnte über einen Zeitraum von 20 Jahren unter 10.000 Frauen ab 50 Jahren bei höchstens einer das Mammografie-Screening zur Entwicklung von Brustkrebs beitragen.

Der wichtigste Nachteil des Früherkennungsprogramms liegt woanders: Mammografie kann zu falschen Diagnosen führen und dadurch zu unnötigen Behandlungen. Für die betroffenen Frauen kann das sehr belastend sein – sowohl die Angst, die nach einem auffälligen Befund entsteht, als auch unnötige Operationen oder Bestrahlungen. Diese sogenannten Überdiagnosen sind nicht selten: 24 von 30 auffälligen Befunden unter 1.000 Frauen stellen sich hinterher nicht als Brustkrebs heraus.

Ein anderer Nachteil kann sein, dass sich Frauen zu sehr auf die Mammografie-Befunde verlassen und nicht daran denken, dass auch Tumore übersehen werden können oder sie manchmal zwischen zwei Untersuchungsterminen heranwachsen. Zwei von 1.000 Frauen, die am Programm teilnehmen, erkranken zwischen zwei Untersuchungsterminen.

Sind Selbstuntersuchungen eine Alternative?

Fachleute empfehlen, sich zusätzlich zum Mammografie-Screening selbst zu untersuchen. Es ist aber keine gute Idee, ausschließlich auf Selbstuntersuchungen zu setzen, denn ihr Nutzen wird oft überschätzt. Es gibt nämlich keine Belege dafür, dass Selbstuntersuchungen die Sterblichkeit durch Brustkrebs senken können.

Wenn Menschen an Brustkrebs denken, denken sie meistens an Knoten in der Brust und gehen davon aus, dass man diese Knoten durch Abtasten der Brust finden kann. Doch oft sind die Knoten, die man so findet, bereits in einem fortgeschrittenen Stadium und dadurch nicht so leicht behandelbar wie Tumore, die bei einer Mammografie auffallen. Lediglich Tumore, die direkt unter der Haut liegen, können durch Abtasten früh genug entdeckt werden.

Sich einmal im Monat selbst zu untersuchen ist aber trotzdem sinnvoll, weil du dadurch deine Brüste besser kennenlernst und ein Gefühl dafür entwickelst, wie sie sich normalerweise anfühlen. So ist es leichter, Veränderungen wahrzunehmen. Am häufigsten sind Knoten im oberen äußeren Viertel der Brust.

Wenn du noch nicht in den Wechseljahren bist, ist ein guter Zeitpunkt dafür etwa eine Woche nach deiner Blutung. Wenn du die Pille nimmst, untersuchst du dich am besten, wenn du eine neue Packung beginnst. Nach den Wechseljahren ist es ratsam, sich einen festen Tag im Monat auszusuchen, um besser vergleichen zu können.

Was sind die Symptome von Brustkrebs?

Krebs kann sich nicht nur durch einen Knoten in der Brust äußern. Hautveränderungen, wie zum Beispiel Schuppungen, Nässen oder Wölbungen nach innen, Orangenhaut oder Entzündungen können ebenfalls auf Brustkrebs hinweisen. Außerdem Verformungen der Brust, Ausfluss aus den Brustwarzen oder vergrößerte Lymphknoten. Schmerzen sind eher selten.

Die Kampagne „Know your Lemons“ erklärt die verschiedenen Symptome mit Zitronen.

https://youtu.be/NKhIvufyji0?feature=shared

Pro oder contra Mammografie?

Wie sinnvoll das Brustkrebs-Screeningprogramm ist, wird übrigens jedes Jahr unabhängig überprüft. Das dafür zuständige Gremium, der Gemeinsame Bundesausschuss, beurteilt anhand der Teilnehmerzahlen und der Entdeckungsraten, ob das Programm geändert werden muss. Die Krankenkassen sitzen in diesem Gremium, bekommen also fortlaufend Daten dazu.

Ob du am Mammografie-Programm teilnimmst, entscheidest du selbst. Ob für dich eher die Vor- oder die Nachteile überwiegen, kannst nur du beurteilen. Ich persönlich finde, man sollte diese Entscheidung möglichst nicht allein aus Angst treffen, sondern überlegen, wie wahrscheinlich es wohl sein könnte, dass man selbst von der Untersuchung profitiert. Das eigene Krebsrisiko einzuschätzen, ist allerdings schwierig. Dieser interaktive Kalkulator des National Cancer Instituts der USA (auf Englisch) kann dich dabei unterstützen.


Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

Was du gegen deine Angst vor Brustkrebs tun kannst

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