Collage: Eine Waage, im Hintergrund fasst ein Mensch sich an den Bauch.

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Psyche und Gesundheit

Nehmen manche Menschen leichter ab als andere?

Vier Faktoren, die neben Ernährung und Bewegung dein Gewicht beeinflussen.

Profilbild von Silke Jäger
Reporterin für Kopf und Körper

KR-Leserin Jo hat mir eine schwierige Frage gestellt: „Ich möchte wissen, welche Möglichkeiten es aus wissenschaftlicher Sicht zum Abnehmen gibt, wenn man sich bereits ausgewogen ernährt und regelmäßig Sport macht.“ Puh! Die Frage hat es in sich, weil unzählige Faktoren das individuelle Gewicht beeinflussen.

Jo hat mir erzählt, dass in ihrer Familie die Körperumfänge variieren: von leichtem Übergewicht bis zu leichtem Untergewicht ist alles dabei. Jo ernährt sich überwiegend pflanzlich und betreibt Freizeitsport. Sie selbst ist leicht übergewichtig und wundert sich, dass sie mit ihrem gesunden Lebensstil kein Gewicht verliert. Sie fragt sich, ob sich das ändern könnte, wenn sie mehr Sport machen würde. Spoiler: Wahrscheinlich nicht. In meinem Text Warum wir Übergewicht nicht einfach wegtrainieren können, erkläre ich, welche Rolle Sport beim Abnehmen spielt – und welche beim Halten des Gewichts.

Ich habe neben Ernährung und Bewegung noch weitere Faktoren gefunden, die das Gewicht beeinflussen können und zu denen es schon einige Forschung gibt:

  1. Frühkindliche und epigenetische Prägung (was das ist, erkläre ich gleich)
  2. Schlaf und Biorhythmus
  3. Hormone und Stoffwechsel
  4. Nahrungsmittel und Mikrobiom

Diese vier Aspekte lassen sich nicht immer klar voneinander trennen. Sie stehen miteinander in Wechselwirkung. Das zeigt, wie komplex Abnehmen ist und wieso es unterschiedlich gut klappt. (Und warum einfach gestrickte Diäten oft gar nicht funktionieren.) Was wir essen, hängt stärker mit biochemischen Prozessen zusammen als wir oft ahnen – und wie unser Körper Nahrung verarbeitet, hat viel mit Erfahrungen zu tun, die unsere Vorfahren machten.

Mehr als Gene: Was unsere Vorfahren essen, prägt uns mit

Unser Leben beginnt bereits, bevor wir auf die Welt kommen. Unterernährung in der Schwangerschaft etwa kann für das Kind dazu führen, dass es ein Leben lang ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. Überernährung in dieser Lebensphase macht Diabetes Typ 2 und Übergewicht für den Nachwuchs wahrscheinlicher. Aber auch, wie der Vater sich lange vor der Schwangerschaft ernährte, scheint sich auszuwirken. Und sogar die Ernährung der Großeltern. Wie ist das möglich?

Was in den ersten Lebensmonaten passiert, nennt sich frühkindliche Prägung. Der Körper des Kindes stellt in dieser Zeit die Weichen für die kommenden Jahre und nutzt dafür die Informationen, die er von seiner Mutter und deren Umgebung bekommt: Was sie isst, wie gut sie schläft, wie viel Stress sie hat – all das beeinflusst, wie sich ein Kind entwickelt. Das Kind wird biochemisch auf seine zukünftige Lebenswelt programmiert. Das ist ziemlich sinnvoll und hilft Menschen, sich an unterschiedliche Umgebungen möglichst gut anzupassen.

Zu diesen biochemischen Prozessen tragen aber auch die Informationen bei, die genetisch weitergegeben werden. Und hier kommen die Väter und andere Vorfahren ins Spiel. Sie bestimmen über die einzigartige genetische Ausstattung eines Menschen mit. Zu dieser Ausstattung zählen nicht nur die Gene selbst, sondern auch eine Art Gebrauchsanweisung dafür, wie sie abgelesen werden sollen: epigenetisch wirksame Anhängsel an Erbgutmoleküle. Wie genau Epigenetik zum Körpergewicht beiträgt, ist noch unklar. Dass es eine Rolle spielt, ist hingegen in Tierversuchen belegt. Die Kinder von Ratten, die gemästet wurden, neigten selbst zu Übergewicht, selbst dann, wenn sie von normalgewichtigen Leihmutter-Ratten ausgetragen wurden und normales Futter bekamen. Forscher:innen gehen davon aus, dass sich das Übergewicht der Eltern epigenetisch über die Keimzellen an die Kinder vererbte.

Bisher können über 1.000 Stellen im Erbgut mit Übergewicht in Zusammenhang gebracht werden. Aber nur in wenigen Fällen sorgen allein die Gene für Übergewicht.

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Unsere Vorfahren bestimmen auch durch ihre Ernährungsentscheidungen mit, wie wahrscheinlich es ist, dass wir Übergewicht entwickeln. Diese Entscheidungen werden epigenetisch vererbt, meist von einer Generation zur nächsten, manchmal auch über mehrere Generationen hinweg.

Das heißt wie wir uns heute ernähren, wird auch die Gesundheit unserer zukünftigen Kinder und Enkel beeinflussen. Die gute Nachricht ist: Dieser Einfluss ist nicht in Stein gemeißelt. Der Körper kann sich ein Leben lang an Umweltbedingungen anpassen, biochemische Prozesse sind flexibel. So hatten die Enkel der überfütterten Ratten Normalgewicht, wenn sich ihre Eltern normal ernährten.

Schlafmangel kann dick machen

Jeder Mensch hat eine innere Uhr. Sie bestimmt den Chronotyp und legt fest, wann es gut für uns ist zu schlafen, zu essen, zu arbeiten und so weiter. Dieser Rhythmus wird gerne zwei Tieren zugeordnet: Eule und Lerche. Die einen sind gerne noch spät am Tag aktiv, die anderen Frühaufsteher. Doch so eindeutig lassen sich die Chronotypen nicht definieren. Es ist oft gar nicht so leicht, den eigenen Chronotypen herauszufinden, zumal er sich auch ändern kann. Außerdem gibt es viele Mischformen.

Wer zu wenig oder zur falschen Zeit schläft, nimmt erwiesenermaßen mehr Kalorien zu sich als ausgeschlafene Menschen. Schlafmangel erhöht auch das Risiko für Diabetes Typ 2. Dahinter steht ein Mechanismus, bei dem die Fettzellen so wie die eines stark übergewichtigen Menschen mit einem zu Diabetes neigenden Stoffwechsel reagieren: Sie lagern bei Schlafmangel neues Fett ein und wachsen. Dagegen beginnen die Muskelzellen, sich abzubauen. Sie wollen so dem Körper mehr Energie zur Verfügung stellen (Quelle).

Schon eine schlechte Nacht kann diesen Mechanismus in Gang setzen. Die Kombination aus Fettaufbau und Muskelschwund führt bei länger anhaltendem Schlafmangel zu sichtbaren Veränderungen. Wer abnehmen will, sollte also unbedingt versuchen, mehr zu schlafen – und zur richtigen Zeit, also sich dabei nach seiner inneren Uhr richten. Sich hinzulegen, wenn man müde ist, ist also eine gute Idee. Nur, das müssen die Lebensbedingungen auch zulassen. Wer im Schichtwechsel arbeitet, hat kaum Spielräume und dadurch sowieso schon ein erhöhtes Risiko für Übergewicht (Quelle).

Was und wann wir essen, beeinflusst den Stoffwechsel

Die innere Uhr beeinflusst auch die Ausschüttung und Wirkung von Hormonen. Wann die Zellen zum Beispiel empfindlich auf das Hormon Insulin reagieren und wie stark, hängt unter anderem vom Chronotypen ab. Nach dem Essen schüttet die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin aus, damit das Hormon den im Blut gelösten Zucker aus kohlenhydrathaltiger Nahrung in die Zelle transportieren kann. Es ist aber auch am Fett- und Eiweißstoffwechsel beteiligt.

Insulin kann die innere Uhr der Fettzellen verstellen. Jede Mahlzeit nimmt so Einfluss auf die innere Uhr der Zellen (Quelle). Normalerweise stimmt ihr Takt mit dem der zentralen inneren Uhr überein. Wenn du zur falschen Zeit isst, also zum Beispiel dann, wenn der Körper schon auf Schlaf eingestellt ist, laufen die zelluläre und zentrale Uhr nicht mehr synchron und der Zucker- und der Fettstoffwechsel können durcheinandergeraten. Forscher:innen vermuten, dass dadurch das Risiko für Übergewicht steigt (Quelle).

Besonders Menschen, die gerne spät aktiv sind, scheinen anfälliger für Übergewicht zu sein. Sie nehmen den größten Teil der Kalorien abends zu sich. Spät am Tag zu essen, ist mit ungünstigen Stoffwechseleffekten und einem höheren Körpergewicht assoziiert. Außerdem haben diese Menschen oft mehr Stress als andere, da sie entgegen ihrem eigenen Biorhythmus leben. Arbeit und Schule fangen für sie zu früh an, und sie schlafen dadurch häufig zu wenig. Deshalb fällt es ihnen oft schwerer abzunehmen.

Übrigens: Für die Theorie, dass es gute und schlechte Nahrungsverwerter gibt, existieren bisher keine Beweise. Die Ernährung und das Mikrobiom haben mehr Einfluss als die Gene (Quelle) darauf, warum verschiedene Menschen ein und dieselbe Nahrung unterschiedlich verwerten (Quelle).

Ein vielfältiges Mikrobiom schützt vor Übergewicht

Man schätzt, dass unser Körper mit etwa 30 Billionen Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen zusammenlebt. Diese Kleinstlebewesen helfen dem Körper unter anderem bei der Verdauung bestimmter Stoffe, die er ohne deren Hilfe nicht verwerten kann. Darunter sind auch wichtige Vitamine und Mineralstoffe.

Wie vielfältig dieses Mikrobiom zusammengesetzt ist, bestimmt darüber, wie einfach oder schwer es dem Körper fällt, bestimmte Nährstoffe zu nutzen. Auch andere biochemische Prozesse hängen mit der Vielfalt dieses Ökosystems zusammen. Es befindet sich überall da, wo der Körper mit seiner Umwelt in Kontakt tritt: auf der Haut, in den Schleimhäuten der Atemwege und Geschlechtsorgane sowie im Verdauungstrakt.

Genauso wie die Artenvielfalt in der Umwelt abnimmt, leidet auch die Artenvielfalt unseres Mikrobioms unter der sich rasant verändernden Umwelt. Forscher:innen schätzen, dass wir schon einige gute Freunde verloren haben. So nennen sie Mikroorganismen, die sie immer seltener im Mikrobiom finden und von denen man weiß, dass sie unserer Gesundheit nutzen.

Die Artenvielfalt des Mikrobioms profitiert von frischen, naturbelassenen, ballaststoffreichen und fermentierten Nahrungsmitteln – am besten regional angebauten. Einseitige und hoch verarbeitete Nahrungsmittel sind hingegen eher ein Stressfaktor für das Mikrobiom. Der Mikrobiomforscher Tim Spector empfiehlt, 30 verschiedene Pflanzen im Laufe einer Woche zu essen und darauf zu achten, dass das Essen auf deinem Teller möglichst bunt aussieht.

Übrigens: Zucker schädigt eine bestimmte Art von Darmbakterien, die auch eine Rolle im Immunsystem spielen (Quelle). Sie fördern die Bildung von Immunzellen, die wiederum die Entstehung von Fettzellen hemmen. Zucker macht also offenbar nicht nur wegen der Kalorien dick.

Wie abnehmen, wenn es sich schwer anfühlt?

Abnehmen kann noch wegen anderer Faktoren schwer sein. Auch Alter, Geschlecht, Krankheiten und Medikamente können eine Rolle spielen.

Expert:innen empfehlen, die Ernährung langfristig umzustellen und Bewegungsrituale zu etablieren. Es ist wichtiger, sich regelmäßig zu bewegen, als auf Höchstleistungen zu setzen, um Gewicht zu halten – was nach der Abnehmphase besonders wichtig ist. Alles, was leicht geht und Spaß macht, lässt sich länger durchhalten. Eine besondere Ernährungsform muss man nicht zwingend einhalten, aber mediterrane Ernährung scheint insgesamt viele Gesundheitsvorteile zu haben. Neben Ernährung und Bewegung sind wohl Schlaf und das Essen gemäß des eigenen Biorhythmus entscheidend. Die Veränderungen langsam anzugehen, erhöht die Chance, dass man dauerhaft Gewicht verliert.


Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

Nehmen manche Menschen leichter ab als andere?

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