Eine Therapeutin macht sich Notizen während die Patientin auf dem Sofa liegt.

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Psyche und Gesundheit

Es gibt genug Psychotherapieplätze – warum ist es so schwer, einen zu finden?

Wer einen Therapieplatz sucht, muss schon mal 70 Praxen anrufen und monatelang warten. Das könnten die Krankenkassen ändern. Nur: Sie leugnen den Bedarf.

Profilbild von von Bent Freiwald und Martin Gommel

Zahnschmerzen. Stechende, bohrende, schlaffressende Zahnschmerzen. Du rufst einen Zahnarzt an, berichtest ihm von deinem Leid und der sagt: „Tut mir leid, aber ich habe wirklich keine freien Termine. Versuchen Sie es mal bei anderen Kolleg:innen. Wenn Sie so 50 bis 60 Praxen anrufen, ist bestimmt jemand dabei, der Sie behandeln kann.“

Das ist absurd und kommt in Deutschland so niemals vor. Wer krank ist, dem wird recht schnell geholfen. Zumindest, wenn es um Zahnschmerzen geht oder eine Lungenentzündung. Wer aber ein seelisches Leiden hat, eine depressive Phase oder eine Essstörung, und eine Psychotherapie machen möchte, dem kann genau das passieren. Ein Anruf nach dem nächsten, eine Absage nach der nächsten.

KR-Mitglied Sebastian ist Autist und hat im April 2020 angefangen, einen Therapieplatz zu suchen. Die Standardantwort von Therapeut:innen: „Melden Sie sich in ein paar Monaten noch einmal.“ Nach sechs Wochen hatte er einen Termin für ein erstes Gespräch, der Therapeut schickte ihn aber wieder weg, da er für Sebastian nicht die passenden Therapieverfahren anbieten konnte. Sebastian sagt: „Dann ging die Suche wieder von vorne los und – um ehrlich zu sein – hatte ich irgendwann einfach nicht mehr die Energie, um damit weiterzumachen.“

KR-Mitglied Thanh war selbst vor einigen Jahren schon mal in Therapie, um die Fluchterfahrungen ihrer vietnamesischen Eltern zu verarbeiten. Im vergangenen Jahr suchte sie erneut einen Platz: „Nach dem 20. Telefonat (bei dem man die Probleme möglichst knapp und dramatisch auf den Anrufbeantworter spricht) habe ich die Suche dann komplett abgebrochen.“

5,3 Millionen Deutsche leiden an einer Depression, 12 Millionen an einer Angststörung, 1,6 Millionen gelten als alkoholabhängig. Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung berichtet, dass ihre Mitglieder im Januar 2021 40 Prozent mehr Anfragen erhalten haben als im Januar 2020. Das kommt jetzt noch dazu: Corona.

Warum ist es in Deutschland so schwierig, einen Therapieplatz zu bekommen? Warum sind monatelange Wartezeiten die Regel und nicht die Ausnahme? Die Antworten hängen zusammen mit dem wohl mächtigsten gesundheitspolitischen Gremium Deutschlands (von dem du wahrscheinlich noch nie gehört hast), einer 20 Jahre alten Berechnung und einem Streit zwischen Psychotherapeut:innen und Krankenkassen.

Der Bedarf ist hoch – und nimmt weiter zu

Fast jede:r dritte Erwachsene zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland leidet innerhalb eines Jahres an einer oder mehreren psychischen Störungen. Zu diesem Ergebnis kam die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland. Das wären, Stand heute, über 17 Millionen Menschen. Am häufigsten sind Angststörungen, Depression und Alkohol- oder Medikamentensucht. In Deutschland sind psychische Erkrankungen der zweithäufigste Grund, warum Menschen nicht zur Arbeit gehen.

Das heißt aber nicht, dass wir auch 17 Millionen Therapieplätze brauchen. Die Liste der psychischen Störungen ist lang, nicht jede von ihnen erfordert eine Therapie. Manche Menschen wollen gar keine ambulante Psychotherapie machen, manchen helfen Medikamente weiter, zum Beispiel Antidepressiva, andere gehen in eine Klinik oder sind vernetzt in einer sozialen Einrichtung und manche Erkrankungen gehen auch schlichtweg vorüber.

Immer mehr Menschen suchen sich Hilfe bei Psychotherapeut:innen. 2017 schon erhielten Psychotherapeut:innen etwa drei Anfragen pro Monat mehr als 2011.

Werden die Menschen in Deutschland also psychisch immer kränker? Sabine Maur ist die Landesvorsitzende der Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Sie sagt: „Die Leute sind nicht kränker geworden, die Stigmatisierung ist weniger geworden. Die Menschen trauen sich eher, über psychische Probleme zu reden und die Störungen werden besser als das erkannt, was sie sind. Das sind positive Effekte. Hat aber auch dazu geführt, dass wir heute mehr Anfragen haben.“

Der häufigste Weg zur Therapie führt über ein sogenanntes Erstgespräch, also ein erstes Treffen mit der Therapeutin, das in ihrer psychologischen Sprechstunde stattfindet. Dort wird geklärt: Worum geht es und braucht der Patient eine Therapie? Durch die vielen Anfragen kommt es während Corona zu langen Wartezeiten auf ein solches Gespräch:

Grafik zu den Wartezeiten auf ein Erstgespräch: Die Hälfte der anfragenden Patient:innen wartet länger als einen Monat auf ein Erstgespräch. Nur 3,4 Prozent bekommen einen Termin innerhalb von einer Woche.

Wer endlich einen Termin für ein Erstgespräch bekommt, hat damit aber nicht automatisch einen Therapieplatz. Psychotherapeut:innen müssen diese Sprechstunde mittlerweile anbieten, unabhängig davon, ob sie die Patient:innen danach auch weiter behandeln können. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz waren vor Corona und sind auch heute noch deutlich länger als die auf ein Erstgespräch:

Grafik zu den Wartezeiten auf einen Therapieplatz: Nur jede:r zehnte Patient:in erhält innerhalb eines Monats einen Therapieplatz. Nur 1,6 Prozent innerhalb einer Woche. 40 Prozent warten länger als sechs Monate.

Wenn Patient:innen monatelang warten müssen, kann sich ihr Zustand drastisch verschlechtern. Sabine Maur sagt: „Viele geben die Hoffnung irgendwann auf. Die sagen: Mir geht es eh so schlecht, ich ruf doch jetzt nicht nochmal bei zehn Praxen an. Dass sich das Leiden in Luft auflöst, wenn man lange wartet, ist in der Regel nicht der Fall.“

Warum also müssen Menschen, denen es offensichtlich schlecht geht, so lange warten, bis sie Hilfe bekommen?

Der erste Teil der Antwort hat nichts mit Politik oder dem Gesundheitssystem zu tun. Sondern mit unserer Vorliebe für schiefe Vergleiche.

Denn das Zahnarztbeispiel vom Anfang des Textes war nicht ganz glücklich gewählt. Entschuldigung.

Es hat eine Schwachstelle: Zahnärzt:innen können pro Tag Dutzende Patient:innen sehen, wenn es sein muss. Wer gute Zähne hat, kommt alle sechs Monate zur Kontrolle und nimmt im Terminkalender sonst nicht viel Platz ein. Wenn eine neue Patientin anruft, kann die Zahnärztin ihn also auch mal spontan und schnell zwischen andere Termine schieben.

Das ist bei Psychotherapeut:innen anders: Eine einzelne Sitzung darf laut Gesetz nicht kürzer sein als 50 Minuten. Psychotherapie kennt keine kurzen Termine. Mehr als acht Patient:innen kann eine Therapeutin pro Tag deshalb gar nicht sehen. Und wer eine Therapie anfängt, bleibt mindestens für zwölf Sitzungen, manchmal auch jahrelang. Im Terminkalender gibt es nur selten mal eine Lücke. Dass es bei Psychotherapeut:innen längere Wartezeiten gibt als bei Zahnärzt:innen, liegt also in der Natur der Behandlung.

Und trotzdem: Monate zu warten, ist in vielen Fällen unzumutbar. Wenn kaum eine Praxis mehr freie Plätze hat – gibt es dann nicht eindeutig zu wenig Psychotherapeut:innen? Die Antwort: Nein, es gibt genug.

Eigentlich.

Das ist das wohl mächtigste gesundheitspolitische Gremium Deutschlands

Wer Hilfe braucht und gesetzlich versichert ist, kann sich nicht irgendeinen Psychotherapeuten suchen, sondern nur solche, die über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnen dürfen. Das dürfen nur Therapeut:innen, die einen sogenannten Kassensitz haben. Einen solchen Kassensitz haben auch Zahnärzt:innen und Hausärzt:innen. Gut für uns: Psychotherapeut:innen mit Kassensitz bekommen ihr Geld von den Krankenkassen. Wir müssen sie in Deutschland nicht selbst bezahlen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern.

Wie viele Psychotherapeut:innen mit Kassensitz es in den verschiedenen Regionen Deutschlands geben soll, entscheidet das wohl mächtigste gesundheitspolitische Gremium Deutschlands: der Gemeinsame Bundesausschuss, kurz G-BA. Laut Gesetz haben gesetzlich Versicherte in Deutschland einen „Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung“ – der G-BA bestimmt, was das konkret bedeutet. Zum Beispiel: Wie weit darf der nächste Zahnarzt maximal entfernt sein? Welches Medikament müssen die Krankenkassen bezahlen? Oder eben: Wie viele Psychotherapeut:innen sollte es geben, damit die gesetzlich Versicherten in Deutschland auch behandelt werden können?

Wie viele Hausärzt:innen, Orthopäd:innen oder Psychotherapeut:innen sich genau niederlassen dürfen, entscheidet dieses Gremium natürlich nicht aus dem Bauch heraus, dafür gibt es die sogenannte Bedarfsplanung.

Und ja, die ist genauso kompliziert, wie sie klingt.

Die Bedarfsplanung orientiert sich nicht am Bedarf

Die Geschichte der Bedarfsplanung bei Psychotherapeut:innen beginnt im Jahr 1999, also vor mehr als 20 Jahren, zu einer Zeit, in der eine gewisse Angela Merkel noch Generalsekretärin der CDU war. Die Kassenärztliche Vereinigung analysierte damals, wie viele Psychotherapeut:innen es in Deutschlands Regionen gibt und legte fest: Das ist von nun an der Bedarf, mehr sollen es nicht werden! Ob die Anzahl an Therapeut:innen den damals herrschenden Andrang bewältigen konnte, spielte keine Rolle. Kritiker:innen sagen: Die Berechnung war ziemlich aus der Luft gegriffen.

Das Problem: Auch heute, 20 Jahre nach der Einführung des Psychotherapeutengesetzes, richtet sich die Bedarfsplanung (obwohl der Name das nahelegt) nicht am wirklichen Bedarf aus. Es geht immer noch nicht darum, wie viele Anfragen Psychotherapeut:innen von möglichen Patient:innen bekommen. Im Wesentlichen beruht die Planung immer noch – trotz mehrfacher, kleinerer Reformen – auf den Berechnungen aus dem Jahr 1999.

Schon damals war die Verteilung nicht sonderlich fair. Obwohl nur ein Viertel der Bevölkerung in Deutschlands Großstädten lebt, praktiziert dort ungefähr die Hälfte aller niedergelassenen Psychotherapeut:innen. Berlin kommt auf 72,4 Therapeut:innen pro 100.000 Einwohner:innen, Thüringen nur auf 24,6. Es gibt nichts, was ein Psychotherapeut so sehr liebt wie die Stadt. Psychische Erkrankungen gibt es auf dem Land aber genauso häufig.

Und trotzdem: So gut wie alle Regionen in Deutschland sind laut der offiziellen Bedarfsplanung sogar überversorgt. Wer gerade monatelang auf einen Therapieplatz gewartet hat, kann da nur frustriert und genervt mit dem Kopf schütteln, denn: Die Bedarfsplanung plant am Bedarf vorbei.

Das zeigt auch ein Gutachten aus dem Jahr 2018, das der Gemeinsame Bundesausschuss selbst in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten sollte unter anderem bestimmen, wie hoch der Bedarf wirklich ist und wie man die Bedarfsplanung verbessern könnte. Ergebnis der 800 Seiten: Um den Bedarf zu decken, bräuchte es 2.413 neue Kassensitze für Psychotherapeut:innen. Daraufhin führte der Gemeinsame Bundesausschuss tatsächlich neue Kassensitze ein – allerdings nur 776. Also nicht mal ein Drittel der geforderten Sitze.

Die Krankenkassen sehen keinen Mangel

Weil der Bedarf an Therapieplätzen in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, wurde die Bedarfsplanung immer wieder angepasst. Es gibt heute deutlich mehr Therapeut:innen mit Kassensitz als noch vor zehn Jahren. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) stieg die Anzahl von 21.800 im Jahr 2009 auf 34.335 im Jahr 2019.

Bernhard Gibis, Versorgungs-Experte bei der KBV, sagt, Deutschland habe im internationalen Vergleich eine „einzigartige psychotherapeutische Versorgung“.

Nur: Dass sich immer mehr Therapeut:innen Kassensitze teilen und ältere oft in Teilzeit arbeiten, sieht man diesen Zahlen nicht an. Wie viel besser die Versorgung geworden ist, bleibt deshalb unklar. Die Zahl der Therapeut:innen erhöht sich, aber in zu kleinen Schritten, sagen die Psychotherapeut:innen, und verweisen auf die langen Wartezeiten.

„Am Ende“, sagt Maur, „kommen wir an einer Sache langfristig nicht vorbei: mehr Kassensitze.“ Sonst bleibe es bei der paradoxen Situation, dass es zwar eigentlich genug Therapeut:innen gebe, Patient:innen sich aber nicht an diese wenden dürften.

Alle von uns angefragten Kassen sehen das allerdings anders. Aus der Pressestelle des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen heißt es zum Beispiel: „Die gelegentliche Behauptung von psychologischen Psychotherapeuten, dass es zu wenig Kassenzulassungen für diese Berufsgruppe gäbe, sehen wir anders.“ Auch die Barmer antwortet uns: „Dass es zu wenige Kassensitze in Deutschland gibt, können wir nicht bestätigen.“

Das allerdings sagen die Kassen seit Jahren. Trotzdem führte der Gemeinsame Bundesausschuss – zu dem auch die Kassen gehören – 2019 die 776 neuen Sitze ein. „Natürlich geht es den Kassen ums Geld“, sagt Maur, „die haben Angst, dass die Kosten explodieren.“

Ebenfalls seit Jahren verweisen die Kassen auf die Arbeitszeiten der Psychotherapeut:innen. Zu den langen Wartezeiten komme es auch, weil viele ihre Sitze nicht komplett ausfüllten. Tatsächlich arbeiten immer mehr Therapeut:innen in Teilzeit. 2003 arbeiteten noch 89 Prozent in Vollzeit, 2018 nur noch 73 Prozent, heißt es im Barmer-Arztreport. Theoretisch könnten Psychotherapeut:innen 36 Sitzungen pro Woche anbieten. Bevor sie mehr Sitze ausschreiben, so die Krankenkassen, sollten die Therapeut:innen erstmal mehr arbeiten.

Aber ist das realistisch? Krautreporter-Mitglied Ines, selbst Psychotherapeutin, sagt:

„Ich habe mich schon immer gefragt, wie das funktionieren soll, wenn man 36 Therapiestunden pro Woche behandeln würde. Zu den Sitzungen kommen noch Dokumentation/Therapieplanung, Studium von Fachliteratur und Fortbildung, Abrechnung, Buchhaltung und Verwaltungsarbeit, Terminmanagement und Supervision. Wenn man 36 Stunden ausreizt, würde man als Therapeutin selbst zum Behandlungsfall werden, mit einem prima Burnout. Oder die Arbeit an den Patient:innen würde darunter leiden.“

Um die Wartezeiten zu reduzieren, hat man deshalb vor vier Jahren, 2017, versucht an anderen Schrauben zu drehen als an der Anzahl der Kassensitze:

  • Die oben schon erwähnte psychotherapeutische Sprechstunde wurde eingeführt, um im Erstgespräch schneller abklären zu können, ob eine Therapie nötig ist.
  • Die Akutbehandlung in dringenden Fällen wurde erleichtert. Für die ersten zehn Sitzungen einer Therapie bekommen Psychotherapeut:innen sogar mehr Geld, damit sie motivierter sind, neue Patient:innen aufzunehmen.
  • Und es wurde eine Terminservicestelle eingerichtet. Wer dort anruft, soll innerhalb von vier Wochen einen Termin für ein Erstgespräch vermittelt bekommen. Die Nummer ist die gleiche wie für den ärztlichen Notdienst: 116 117.

Sabine Maur sagt: „Diese Ideen sind gut – in der Theorie.“ Die Terminservicestelle ergebe bei Zahnärzt:innen und Hausärzt:innen vielleicht Sinn, bei Psychotherapeut:innen eher weniger. Denn: „Das Erstgespräch wird dir bei irgendeinem Psychotherapeuten vermittelt. Du schüttest dort all deine Sorgen aus, endlich. Und am Ende des Gesprächs sagt der nette Therapeut: ‚Eine Therapie wäre echt gut – aber nicht bei mir. Ich habe keinen Platz.‘ Und schon hängst du wieder in der Warteschleife.“

Auch bei kurzfristigen Lösungen blockieren die Krankenkassen

Den Anstieg der Anfragen während der Pandemie werden auch die neuen Kassensitze kaum auffangen. Bis alle 776 neuen Sitze besetzt sind, werden Jahre vergehen. Sabine Maur sagt deshalb: „Die einfachste und schnellste Lösung wäre es, die Kostenerstattung zu öffnen.“

Was sie damit meint: Wer gesetzlich versichert ist und keinen Therapieplatz findet, darf auf private Psychotherapeut:innen ausweichen. Im Sozialgesetzbuch steht:

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen […] und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Sozialgesetzbuch, § 13, Kostenerstattung

Das Problem: Patient:innen müssen nachweisen, dass in den nächsten Wochen oder Monaten keine Psychotherapie bei zugelassenen Psychotherapeut:innen möglich ist. Diese schwammige Regel führt dazu, dass das Gesetz schwammig ausgelegt wird – und dass Patient:innen noch länger auf eine Zusage ihrer Krankenkasse warten müssen, die jeden Antrag ausführlich prüft. Die Bewilligungsquote dieser Anträge ist nicht konstant, sie sank von 81 Prozent (2016) auf 47 Prozent (im ersten Quartal 2018), wie das Ärzteblatt berichtet. Das heißt: Fast jeder zweite Antrag wurde abgelehnt. Wie hoch diese Zahlen heute sind, wollte uns keine der angefragten Krankenkassen mitteilen.

Weil sich die Fälle häufen, in denen die Anträge auf Kostenerstattung abgelehnt werden, oft mit undurchsichtigen Begründungen, gibt es mittlerweile eine eigene Plattform, die sich damit beschäftigt. Bei der Kassenwatch können sich Patient:innen über ihre Rechte informieren und finden Hilfe.

Sabine Maur sagt: „Die Kostenerstattung wird in den letzten Jahren massiv eingestampft. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch, dem die Krankenkassen seit Jahren nicht richtig nachkommen.“

Eine Corona-Hilfe der Bundesregierung für die psychischen Belastungen, zum Beispiel Geld, mit dem die Kosten für private Psychotherapiestunden unkompliziert übernommen werden könnten, gibt es bis heute nicht. Die Suche nach einem Therapieplatz bleibt auch deshalb: lang, ermüdend, stressig.

Wie du trotz all dem einen Therapieplatz findest, beschreiben wir im zweiten Artikel dieser Mini-Serie. Hier findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit den besten Tipps.


Redaktion: Philipp Daum, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Till Rimmele, Audioversion: Christian Melchert

Es gibt genug Psychotherapieplätze – warum ist es so schwer, einen zu finden?

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