„Wie geht es Ihnen?“ Wann hast du diese Frage zuletzt im Sprechzimmer gehört? Meistens wirst du stattdessen gefragt: „Was führt Sie zu mir?“ Dafür gibt es einen Grund. Mediziner:innen versuchen, die knappe Zeit, die sie für ein Gespräch haben, möglichst effektiv zu nutzen. Die Frage „Was führt Sie zu mir?“ engt den Blickwinkel spürbar ein. Du musst dich dann auf das Wesentliche konzentrieren. Nämlich darauf, was jetzt gerade so wichtig ist, dass du den Rat deines Arztes oder deiner Ärztin hören möchtest.
Ungefähr neun Euro können ein Hausarzt oder eine Hausärztin für das Gespräch mit Patient:innen abrechnen. Mehr bekommen sie für das Verabreichen einer Spritze (gegen Schmerzen, nämlich 10,33 Euro) oder für einen Ultraschall (des Bauches, nämlich 15,71 Euro). Die „sprechende Medizin“, wie sie im Fachjargon genannt wird, hat es also schwer. Ärzteverbände fordern seit Jahren, das Arzt-Patienten-Gespräch aufzuwerten. Besonders in der Hausarztpraxis gibt es kaum ein Mittel, das so wichtig ist wie das vertrauensvolle Gespräch.
Sich gegenseitig zu vertrauen, ist nicht leicht, wenn der Zeitdruck alle Beteiligten dazu zwingt, Ereignisse zusammenzufassen, Erklärungen zu straffen und komplexe Dinge in wenigen Worten rüberzubringen. Oft entstehen so Missverständnisse und Ärger. Wie gehen Mediziner:innen und Patient:innen mit dieser schwierigen Situation um? Wie machen sie das Beste aus chronischem Zeitdruck? Welche Fragen und Gesprächstechniken sind hilfreich?
Dazu habe ich eine Umfrage unter den Krautreporter-Mitgliedern gestartet. Ich wollte wissen: „Mit welchen Fragen gestaltest du Gespräche mit deinem Arzt oder deiner Ärztin positiv?“ An der Umfrage haben fast 200 Menschen teilgenommen. Ein Drittel der Teilnehmer:innen arbeitete selbst im Gesundheitswesen, als Mediziner:in, Therapeut:in, Heilpraktiker:in, Pflegefachkraft oder Sanitäter:in. Sie haben eine etwas andere Frage bekommen: „Mit welchen Fragen können Patient:innen die knappe Gesprächszeit am besten nutzen?“ Wir beginnen mit der ersten Gruppe.
Fünf Fragen, die Patient:innen gerne stellen
1. „Was ist die Ursache für meine Beschwerden?“
Viele Menschen wollen nicht nur wissen, was sie haben, sondern auch die Ursache dafür kennen. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die Symptome nicht immer wieder kommen. Allerdings lässt sich nicht immer eine Ursache feststellen oder es kommen mehrere Ursachen infrage. Deshalb fällt es Ärzt:innen manchmal schwer, diese Frage zu beantworten.
2. „Peritowas? Was bedeutet das, was Sie gerade gesagt haben?“
Viele Mediziner:innen sind es gewohnt, Fachsprache zu benutzen. Fachbegriffe können Missverständnissen vorbeugen und helfen oft, Zeit zu sparen. Doch nur dann, wenn alle auf dem gleichen Wissensstand sind. Das ist im Sprechzimmer meistens nicht so. Du hast ein Recht darauf, die Diagnose und Behandlung zu verstehen. Schon allein deshalb, weil du dich so auch leichter unabhängig informieren kannst, zum Beispiel mithilfe von guten Gesundheitsinformationen.
3. „Was können wir (beide) jetzt tun?“
Mit dieser Frage signalisierst du, dass du dich als wichtigen Teil des medizinischen Teams ansiehst. Du gibst zu verstehen, dass du in die Behandlung einbezogen werden möchtest und bereit bist, deinen Anteil am Therapieprozess zu übernehmen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du Behandlungsziele erreichst, die ein:e passive:r Patient:in vielleicht nicht erreichen kann.
4. „Gibt es Alternativen zu der Behandlung, die Sie vorschlagen?“
Ultimative Frage, wenn dir dein Arzt oder deine Ärztin nur etwas vorschlägt, womit er oder sie bloß „gute Erfahrungen“ gemacht hat. Du kannst von guter Medizin mehr erwarten als eine subjektive Einschätzung eines einzigen Menschen – auch wenn es ein Gesundheitsprofi ist und er oder sie die Empfehlung aus gutem Grund gibt. Gute Mediziner:innen stellen dir nicht nur eine Behandlungsmöglichkeit vor, sondern sollten dir Wissen vermitteln, das dir hilft, sie auch zu vergleichen. Die Entscheidung musst ja du treffen. Denn: Für die meisten Beschwerden gibt es mehr als eine überprüfte Behandlung.
5. „Was spricht gegen die Behandlungsmethode, die Sie mir nicht empfehlen?“
Hier fragst du nach dem Unausgesprochenen, nach dem, wofür sich dein Arzt oder deine Ärztin eigentlich keine Zeit nehmen wollte oder konnte. So kannst du leichter erkennen, was nur eine Vorliebe deiner Ärztin oder deines Arztes ist und was ein nachgewiesener Nachteil der Behandlung.
Ich habe auch Gesundheitsprofis gebeten, an der Umfrage teilzunehmen. Denn sie können den Erfahrungen von Patient:innen eine wichtige Perspektive hinzufügen. Sie wissen, welche Informationen sie brauchen, damit sie gut beraten und Patient:innen am Ende eine gute Entscheidungen treffen können.
Fünf Fragen, die dein Arzt oder deine Ärztin sich selbst stellen würden
Ein wichtiger Tipp fiel immer wieder: Bereite dich auf das Gespräch vor. Gerne schon zuhause. Denn im Sprechzimmer sind viele Menschen einigermaßen aufgeregt, wollen nichts falsch machen und vergessen oft, wichtige Punkte anzusprechen. Da kann ein Spickzettel helfen.
1. „Was habe ich?“
Mit dieser genialen, weil simplen Frage, kannst du zwei Dingen auf den Grund gehen: der Diagnose und der Ursache für die Beschwerden. Denn möglicherweise ist es ratsam, nicht nur die Symptome zu behandeln, sondern auch die Ursache in den Fokus zu nehmen. So können zum Beispiel Knieschmerzen, die durch einen Gelenkverschleiß entstanden sind, nachlassen, wenn nicht nur die Schmerzen behandelt werden, sondern der Patient oder die Patientin auch versucht, möglicherweise vorhandenes Übergewicht zu verlieren.
2. „Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?“
Diese Frage fordert den Arzt oder die Ärztin auf, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu vergleichen. Damit das gelingt, sind zwei Dinge nötig: Ärzt:innen müssen wissen, wie gut die Behandlung wirkt und wie Nutzen und Schaden einzuschätzen sind. Dazu reicht es nicht, wenn du hörst: „Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht.“ Denn das sagt noch nichts darüber aus, welche Verbesserungen du konkret durch die Behandlung erwarten kannst und mit welchen Nachteilen du rechnen musst. Behandlungen lassen sich nicht immer gut miteinander vergleichen, da kann dir die Erfahrung deiner Ärztin oder deines Arztes durchaus weiterhelfen. Aber die subjektive Empfehlung gehört nicht an den Anfang der Erklärungen, sie ist der zweite Schritt.
3. „Was kann ich von der Behandlung erwarten und was nicht?“
Mit dieser Frage kannst du dem Nutzen und Schaden auf den Grund gehen und unrealistischen Erwartungen vorbeugen. Schließlich nützt es dir wenig, wenn du eine vollständige Genesung erwartest, die Behandlung das aber gar nicht leisten kann. Enttäuschungen befördern in der Regel keinen Behandlungserfolg und was als Behandlungserfolg gelten kann, hängt auch von deinen Erwartungen ab.
4. „Was kann ich selbst tun, damit es besser wird?“
Meistens fühlt es sich besser an, selbst zu einem Behandlungserfolg beitragen zu können. Das heißt zwar nicht automatisch, dass die Behandlung leichter fällt. Das kann sogar das Gegenteil bedeuten, zum Beispiel, wenn dir dein Gegenüber empfiehlt, dich mehr zu bewegen oder auf Milchprodukte zu verzichten. Aber selbst etwas tun zu können, hilft oft dabei, besser mit den Nachteilen einer Behandlung zurechtzukommen und sich selbstwirksamer zu fühlen – also gewiss zu sein, auch schwierige Situationen meistern zu können.
5. „Würden Sie so auch ihre Mutter behandeln?“
Das ist der ultimative Test: Wie gut ist die Behandlung und wie viel Schaden richtet sie an? Mit dieser Frage fragst du in erster Linie den Menschen, der Gefühle und Werte hat und nicht den Profi, der nur seinen Job macht.
Bonusfrage: „Was passiert, wenn ich nichts tue?“
Die KR-Leser Jörg und Tobias haben sie ins Spiel gebracht, und auch Physiotherapeutin Lucia hat sie vorgeschlagen. Jörg begründet seinen Vorschlag so: „Nichts machen ist häufig das Beste. Was immer die Ärztin oder der Arzt vorschlägt, muss besser sein als nichts.“ Dieser Vorschlag setzt auf ein Prinzip, das viele Menschen überzeugt: auf die Selbstheilungskräfte des Körpers.
Tatsächlich gehen Menschen oft erst dann zur Arztpraxis, wenn es ihnen schon eine Zeit lang schlecht geht. Meist ist das Krankheitsgefühl gerade dann am schlimmsten. Das heißt aber auch, dass die Beschwerden in vielen Fällen sowieso nachgelassen hätten – auch ohne ärztlichen Rat. Deine Ärztin oder dein Arzt weiß das.
Bekommst du trotzdem etwas verschrieben, schnappt eine psychologische Falle zu. Weil Patient:innen sich schon allein durch die Aussicht, selbst etwas beitragen zu können, besser fühlen, hilft eine Tablette oder eine Creme subjektiv dabei, gesund zu werden. „Ich kann etwas tun“ fühlt sich besser an, als nur abwarten zu müssen. Auch das weiß deine Ärztin oder dein Arzt. Deshalb ist die Frage danach, was passiert, wenn du nichts tust, auch ein guter Weg, um eigentlich unnötige Behandlungen einzusparen.
Diesen Beitrag konnte ich nur schreiben, weil 186 Menschen ihr Wissen mit mir geteilt haben. Vielen Dank an alle, die mir durch ihre Antworten geholfen haben.
Redaktion: Philipp Daum, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Verena Meyer