Im vergangenen Jahr haben wir einen viel beachteten Text von Silke Jäger veröffentlicht. Darin beleuchtet sie unter Berücksichtigung von dutzenden Studien das Für und Wider der Antibabypille. Gelesen haben ihn allerdings überwiegend Frauen – zumindest soweit wir das aus den Abrufen des Textes über Facebook herauslesen können. Gerade einmal elf Prozent der Leser waren Männer.
Dabei geht Verhütung doch uns alle an. Deswegen mein Angebot an die Männer unter euch: Ich fasse hier die wichtigsten Punkte noch einmal für einen schnellen Einblick zusammen.
Noch kurz vorweg: Es war noch nicht immer so, dass Frauen selbst bestimmen konnten, ob sie schwanger werden möchten oder nicht. Ihre sexuelle Selbstbestimmung begann erst mit der Markteinführung der Antibabypille Anfang der 60er-Jahre. Die Begeisterung für die Pille hat inzwischen jedoch nachgelassen, scheint sogar gerade ins Gegenteil umzuschwenken. Der Grund: Die Nebenwirkungen werden auf einmal kritischer bewertet.
Doch die Formel „Pille = Chemie = böse” ist zu verkürzt, wie Silke Jägers Analyse zeigt. Was sonst noch drin steht:
Die Pille kann deiner Partnerin schaden
Die Pille ist ziemlich effektiv, das macht sie so beliebt. Der Pharmakologe Gustav Kuschinsky hat mal gesagt: „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“
Die Pille wirkt, also hat sie Nebenwirkungen.
Hier findest du eine Liste der häufigen Nebenwirkungen einer Mikropille mit dem Gestagen Levonorgestrel, die statistisch bei einer von 10 bis einer von 100 Frauen vorkommen. Das ist eines der Hormone, das in einer Pille enthalten sein kann, um vor einer Schwangerschaft zu schützen.
- Pilzinfektionen
- vaginale Infektionen
- Wassereinlagerungen
- Stimmungsschwankungen, depressive Stimmungslagen, Nervosität
- Reduzierung der Libido
- Kopfschmerzen, Schwindel
- Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
- Akne
- Brustveränderungen: Spannungsgefühle, Erhöhung der Sensibilität, Druckschmerz, Vergrößerung, Austritt von Sekreten aus der Brustwarze
- Veränderungen der Regelblutung: Ausbleiben, Zwischenblutungen
- Veränderungen am Gebärmutterhals
- Ausfluss
- Gewichtsveränderungen: Zu- und Abnahme
Schauen wir uns drei dieser Punkte kurz genauer an: Gewichtszunahme, weniger Lust auf Sex, mehr Stimmungsschwankungen.
Gewichtszunahme
Die Pille absetzen, weil man zugenommen hat? Das ist tatsächlich relativ häufig ein Grund. Aber: Wissenschaftliche Belege für eine Gewichtszunahme gibt es nicht – und ob es einen Zusammenhang gibt, ist noch nicht geklärt. Laut Packungsbeilagen kann der Appetit sowohl steigen als auch abnehmen.
Weniger Lust auf Sex, mehr Stimmungsschwankungen
Wenn deine Partnerin keine oder weniger Lust auf Sex hat, kann das viele Gründe haben. Allerdings kann es sich dabei auch um Nebenwirkungen der Pille handeln, die von Stimmungsschwankungen bis zu einer Depression reichen können. Daten weisen darauf hin, dass es durchaus einen Zusammenhang gibt.
Deswegen kannst du dir merken: Depressive Stimmungslagen können mit der Pille zusammenhängen. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist, lässt sich derzeit aber noch nicht genau sagen.
Für ältere Pillengenerationen sind die Nebenwirkungen übrigens inzwischen gut dokumentiert und die Risiken ausreichend gut einschätzbar. Für neuere Pillenpräparate sind einige Nebenwirkungen noch nicht ausreichend erforscht. Außerdem kann es sein, dass noch neue Nebenwirkungen auftauchen, weil man mit den verwendeten synthetischen Hormonen bisher wenig Erfahrung hat. Deshalb sollten einige Pillenpräparate nicht an ganz junge Frauen verschrieben werden.
Aber es gibt natürlich auch Alternativen zur Pille: Hormonspiralen, Kupferspiralen, Zyklus-Computer oder Apps, mit denen man die fruchtbaren Tage leichter bestimmen kann, oder ganz simpel: Kondome. Eine gute Übersicht gibt es zum Beispiel hier.
Für die Pille wird schonungslos geworben
Die Pharmaindustrie setzt auf effektive Werbung und verkauft die Pille gerne als Lifestyle-Produkt. Also als Hilfsmittel für schönere Haut, weniger Regelschmerzen, volleres Haar oder unbeschwerten Sex. Und manchmal werden diese Präparate genau deshalb verschrieben – und nicht wegen des Verhütungsschutzes.
Auch in den Arztpraxen hängen Flyer und Poster, die die Pille als harmlos darstellen. Doch diese und andere fragwürdige Werbepraktiken rücken immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Und das führt nicht zuletzt dazu, dass viele Frauen die Pille noch kritischer betrachten.
Die Beratung reicht oft nicht aus
Die Kritik richtet sich oft gar nicht gegen die Pille allein, sondern vor allem auch dagegen, wie Frauenärzte beraten. Frag mal deine Partnerin, ob sie ausreichend informiert wurde, bevor sie die Pille zum ersten Mal genommen hat.
Bei Sandra Walzer zum Beispiel lief es so ab: Sie bat ihre Frauenärztin einfach um ein Rezept. Das ist jetzt rund 25 Jahre her. Sie erinnert sich, dass sie nicht beraten wurde, nur untersucht. Heute sagt sie: „Es muss viel besser aufgeklärt und informiert werden, welche Nebenwirkungen hormonelle Verhütung hat und wie sehr sie sich auf das ganze Leben auswirken kann.“
Und dann ist da noch etwas:
Wir kennen uns kaum aus mit dem weiblichen Körper
Viele wissen gar nicht, wie der weibliche Körper eigentlich funktioniert. Und damit sind nicht nur Männer gemeint, sondern auch Frauen.
Was die meisten sicher wissen: Eine Frau kann in den Tagen um den Eisprung herum schwanger werden. Dass sich dieser Zeitraum über sechs bis acht Tage streckt, weil Spermien bis zu sechs Tage im Körper der Frau überleben, ist jedoch nicht jedem klar.
Und auch nicht, wie die Pille genau wirkt. Soll deine Partnerin entscheiden, ob sie mit der Pille verhüten will, kann sie auf dieses Wissen aber kaum verzichten. Zugegeben: Es ist kompliziert, denn man hat es mit einer Reihe von Hormonen zu tun. In Silke Jägers Text findest du die passenden Details.
Unterm Strich: Nimmt deine Partnerin die Pille, wird ihr Hormonhaushalt verändert. Das hat Auswirkungen, zum Beispiel auf die Blutung, die dann keine normale Regelblutung mehr ist, sondern eine Abbruchblutung. Das heißt: Sie ist meist schwächer und kürzer als eine normale Regelblutung sein würde. Bei Minipillen ist keine Pillenpause vorgesehen, deshalb haben viele Frauen, die sie nehmen, gar keine Blutungen mehr.
Fazit: Pille ja oder nein?
Eine allgemeine Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Wie selbstbewusst deine Partnerin mit ihrem Körper und mit Sex umgeht, wie gut sie sich selbst und dich kennt, wie viel sie über die Wirkweise der einzelnen Methoden weiß, welche Kultur ihr miteinander pflegt – das alles spielt eine Rolle.
Für deine Partnerin kann die Pille die richtige Entscheidung sein, für die Freundin deines besten Freundes die falsche. Das hängt von jeder Frau persönlich ab.
Was auf jeden Fall hilft: Darüber reden und sich ausführlich beraten lassen. Und vielleicht einsehen, dass wir Männer uns aus dem Thema Verhütung viel zu lang herausgehalten haben.
Redaktion: Alexander von Streit; Schlussredaktion: Rico Grimm; Fotoredaktion: Martin Gommel (unsplash / Toa Heftiba)