Warum wir Übergewicht nicht einfach wegtrainieren können – erklärt mit mehr als 80 Studien
Psyche und Gesundheit

Warum wir Übergewicht nicht einfach wegtrainieren können – erklärt mit mehr als 80 Studien

Hast du deinem Winterspeck den Kampf angesagt und gehst jetzt fleißig zum Training? Das ist gut, aber Sport allein lässt überflüssige Kilos nicht so einfach verschwinden. Warum das so ist, erklärt dieser Text mithilfe von mehr als 80 Studien.

Profilbild von Silke Jäger
Reporterin für Kopf und Körper

Die Adventszeit war wieder mal üppig, die Schokomänner waren sehr lecker und die Weihnachtsfeiern zahlreich. Dann kamen auch noch die Feiertage mit der Familie, die sich um einen Tisch versammelte, der sich mindestens zweimal am Tag unter dem Gewicht von Enten und Plätzchen bog. Wenn dir das bekannt vorkommt, gehörst du vielleicht auch zu denjenigen, die jetzt alles wieder gutmachen möchten: mit einem ehrgeizigen Trainingsplan. Die überflüssigen Pfunde wegtrainieren, das soll ja ganz einfach gehen – zumindest werben Fitnessstudios damit jetzt besonders engagiert. Ihre Botschaft: Wer mehr gegessen hat, als er braucht, kann überflüssige Kilos durch Sport wieder abbauen.

Das hört sich überzeugend an – nicht zuletzt, weil wir es so oft lesen und von Fitnessanbietern, Berühmtheiten und sogar Ärzten zu hören bekommen. Aber stimmt es wirklich? Ich habe mir angesehen, was mehr als 80 medizinische Studien dazu sagen. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Behauptung, man könne durch Sport allein abnehmen, so nicht stimmt.

Bevor ich näher erkläre, was ich bei meinen Recherchen erfahren habe, möchte ich zuerst darauf eingehen, warum wir ständig mit dem Mythos konfrontiert werden, dass man den überflüssigen Pfunden einfach davonlaufen kann.

Der Mythos vom Bauch-weg-Training

Vom Werbefernsehen habe ich gelernt: Selbst die Fußballer der deutschen Nationalmannschaft essen zum Frühstück Nuss-Nougat-Creme. Und die Schauspielerin, die für Cola wirbt, ist schlank, weil sie vor dem Genuss des Zuckergetränks im Fitnessstudio schwitzt. Die Einflüsterung wirkt: Lange habe ich gedacht, dass ich meine Ernährungssünden mit Sport wieder ausgleichen kann. Oder anders ausgedrückt: Es ist nicht schlimm, wenn ich zu viele Kalorien aufnehme. Schlimm ist, wenn ich mich nicht genug anstrenge, sie wieder abzubauen.

Doch dieser Glaubenssatz führt in die Irre. Und das ist kein Zufall. Denn eine ganze Industrie lebt von diesem Irrtum und füttert ihn fleißig: Die Zuckerindustrie arbeitet daran, dass Belege dafür erbracht werden, dass nicht die Kalorienzufuhr ein Problem ist, sondern der zu geringe Kalorienverbrauch. Sie sponsert Studien und finanziert sogar Gesundheitsorganisationen, die sich für mehr Bewegung stark machen.

Die Einflussnahme der Zuckerindustrie ist enorm, wie Michael Siegel, Professor an der School of Public Health der Boston University, und sein Co-Autor Daniel Aaron belegen konnten. In einem im Jahr 2015 erschienenen Artikel in der Zeitschrift American Journal of Preventive Medicine identifizieren die Autoren 95 amerikanische Gesundheitsorganisationen, die zwischen 2011 und 2015 von Coca-Cola und PepsiCo finanziell unterstützt wurden. Dazu gehören Public-Health-Institute, deren Aufgabe es ist, Maßnahmen gegen die Zunahme von Übergewicht zu ergreifen.

Außerdem alarmierend: Während die Studie von Siegel und Aaron lief, beobachteten sie Lobby-Aktivitäten der beiden Unternehmen gegen 29 Gesetzesentwürfe, die entweder gesundes Essen fördern oder den Konsum von zuckerhaltigen Getränken einschränken sollten. Auch die Forschung deutscher Institute ist mit Geld der Getränkehersteller unterstützt worden, schrieb die Süddeutsche Zeitung im Februar 2016. Dazu gehörten Projekte zur Herzgesundheit und zur Bewegungsförderung.

Das Problem, wenn Unternehmen Studien finanzieren, ist die Gefahr einer Einflussnahme auf Untersuchungsmethoden, Studiendesigns und Auswertung der Daten. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind damit automatisch in Zweifel gezogen, solange sie nicht durch unabhängige Forschung bestätigt worden sind. Bis dahin haben jedoch viele Zeitungsartikel und Fernsehsendungen die Ergebnisse weitergetragen. Auch viele Apps, die uns beim Abnehmen unterstützen möchten, stützen sich auf das zweifelhafte Prinzip: Kalorien abtrainieren, um mehr essen zu können.

Die Einflussnahme der Zuckerindustrie richtet seit Jahrzehnten ziemlich großen Schaden an: Die Zahl der übergewichtigen Menschen nimmt ständig zu, mit ernsten Folgen sowohl für die Menschen selbst als auch für die Gesellschaften. Welche Probleme das im Einzelnen verursacht, kann man in einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nachlesen. Demnach ist in den 35 Mitgliedstaaten der Organisation einer von fünf Erwachsenen übergewichtig. Auf Deutschland bezogen ist das Problem noch größer: Die Hälfte der Bevölkerung wiegt zu viel im Verhältnis zur Körpergröße.

Anteil der Erwachsenen mit Übergewicht

Der Hauptgrund dafür ist, dass wir pro Tag mehr Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen. Und das liegt vor allem daran, dass zu viele Lebensmittel gesüßt sind. Berühmtes Beispiel ist der Ketchup. Wir sind auf Zucker konditioniert und merken gar nicht mehr, wenn etwas süßer schmeckt, als es müsste. Die Lebensmittel- und Fitnessindustrie profitiert davon, dass wir die Schädlichkeit von Zucker nicht richtig einschätzen. Welche Folgen das für unseren Körper und – noch wichtiger – für den unserer Kinder hat, die ganz besonders den Verlockungen von zuckerhaltigen Lebensmitteln ausgesetzt sind, hat Krautreporter Alexander Krützfeldt recherchiert und am eigenen Leib gespürt. Sein Selbstversuch und die Folgen kannst du in diesem Zusammenhang nachlesen.

Wenn es nach der Zucker- und Fitnessindustrie geht, sollen wir lieber darüber nachdenken, wie wir die Folgen des Zuckerkonsums – nämlich, dass wir zu viele Kalorien aufnehmen und dick werden – durch Bewegungsprogramme wieder rückgängig machen können. Die Botschaft „Du kannst so viel essen, wie du willst, solange du genügend Sport machst“ verschweigt allerdings, dass wir uns sowohl bei der Kalorienaufnahme als auch beim -verbrauch schnell verschätzen. Um wirklich den Überblick zu haben, müssten wir mit Kalorientabellen und Waage unsere Lebensmittel abwiegen und könnten nur nach Plan essen. Sobald man nach Gefühl zugreift, schätzt man die Kalorienzufuhr nämlich schnell falsch ein. Die korrekte Einschätzung des Kalorienverbrauchs ist sogar noch komplizierter. Dazu gleich mehr.

Die Wahrheit über die überflüssigen Kilos ist recht unangenehm: Die Pfunde, die uns vom Idealgewicht trennen, sind hartnäckig. Sie lassen sich allein mit schweißtreibenden Einheiten auf dem Crosstrainer, mehr Runden auf der Laufbahn oder zusätzlichen Fahrradkilometern, die wir uns mühsam aus dem Alltag rausschneiden, nicht so einfach wegkriegen. Der Einfluss von körperlicher Aktivität auf die Kalorienbilanz wird überschätzt. Fakt ist: Sport kann dein Abnehmprogramm unterstützen. Fakt ist aber auch: Genauso kann Sport deine Abnehmbemühungen aber auch torpedieren. Und das hat folgende Gründe:

Grund 1: Sport macht müde und hungrig

Nach einer morgendlichen Laufrunde im Park fühlt man sich zwar einerseits erfrischt und ist zufrieden mit sich, andererseits ist der Körper auch erschöpft – vor allem, wenn er nicht an das Workout gewöhnt ist. Das kann bei einigen Menschen dazu führen, dass sie ihr Verhalten unbewusst ändern: Obwohl sie sonst immer die Treppe nehmen, entscheiden sie sich diesmal für den Aufzug, obwohl sie normalerweise kein zweites Frühstück essen, gönnen sie sich ausnahmsweise eine Butterbrezel um elf Uhr, obwohl sie normalerweise keinen Mittagsschlaf machen, legen sie sich nach dem Essen kurz hin. Dieses kompensatorische Verhalten kann dazu führen, dass die zusätzlichen Kalorien, die man durch Training verbraucht hat, durch mehr Essen und weniger Alltagsbewegungen wieder ausgeglichen werden. Oder – noch schlimmer –, dass man sogar mehr Kalorien an Sporttagen zu sich nimmt als sonst.

Bei übergewichtigen Jugendlichen hat man zum Beispiel in dieser und dieser Studie gesehen, dass sie sich nach dem Sport weniger bewegten als normalerweise. Warum das für die Gesamtkalorienbilanz entscheidend ist, sehen wir gleich.

Dazu kommt, dass man nach dem Sport mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Kalorien zu sich nimmt als normalerweise. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus dem Jahr 2009, an der 410 Frauen teilnahmen, die die Wechseljahre hinter sich hatten. Viele aßen an Sporttagen mehr als sonst – entweder, weil sie hungriger waren, oder weil sie den Kalorienverbrauch des Trainings überschätzten. Menschen können sich nämlich schnell irren, wenn sie den Kalorienverbrauch von bestimmten Übungen einschätzen sollen. Das ist eine der interessanten Schlussfolgerungen, die ein Review (Übersichtsarbeit) aus dem Jahr 2012 nahelegt.

Wer sich beim Sport anstrengt und schwitzt, denkt schnell, dass er auch eine Menge Kalorien verbraucht. Wie viele Kalorien es tatsächlich sind, lässt sich nicht pauschal sagen, weil das davon abhängt, wie groß, wie schwer und wie alt man ist. Aber diese Übersicht gibt ein paar gute Anhaltspunkte für den Kalorienverbrauch alltäglicher Bewegungen für eine 30-jährige Frau mit einem Gewicht von circa 70 Kilogramm.

Kalorienverbrauch in 30 Minuten

Das Gemeine ist nun: Kalorien kann man sich schnell einverleiben, sie wieder abzutrainieren, dauert dagegen recht lange. Hier der Vergleich, wie lange man gehen oder joggen muss für einige beliebte Lebensmittel.

Wie lange du gehen musst (6 km/h) für …

Wie lange du joggen musst (8 km/h) für …

Grund 2: Sport macht nur einen kleinen Teil des täglichen Kalorienverbrauchs aus

Um unseren Alltag zu bestreiten, brauchen wir eine Menge Energie. Männer mittleren Alters mit Bürojob müssen dafür etwa 2.400 Kalorien am Tag zu sich nehmen, Frauen mittleren Alters mit Bürojob etwa 1.800. Wer es ganz genau wissen möchte, findet hier Tabellen mit der empfohlenen Energiezufuhr für die unterschiedlichen Altersgruppen für den deutschsprachigen Raum.

Am meisten Energie brauchen wir dafür, dass unsere Organe arbeiten: dass das Herz schlägt, das Gehirn denkt, die Nieren Blut filtern und so weiter. Mehr Energie als sonst brauchen wir, falls wir noch wachsen, falls wir stillen (damit Milch gebildet wird) und falls wir eine Verletzung auskurieren. Das alles wird als Grundumsatz beziehungsweise Ruheenergieverbrauch bezeichnet. Wir haben relativ wenig Einfluss darauf, wie hoch dieser Wert ist.

Weiterhin brauchen wir Energie dafür, dass wir unsere Nahrung verdauen, transportieren, umwandeln und speichern. Diese beiden Posten, also Ruheenergieverbrauch und Nahrungsverarbeitung, machen zusammen 70 bis 90 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus.

Nur etwa 10 bis 30 Prozent der Kalorien werden für körperliche Aktivität benötigt, das heißt, für alles das, was die Skelettmuskulatur leistet. Dazu gehört nervöses Zappeln genauso wie Baumfällen, Schleppen von Einkäufen oder Kindern und die Liegestütze in der Morgengymnastik.

Gesamtenergieverbrauch bei Erwachsenen

Wer im Beruf viel körperlich arbeitet oder in seiner Freizeit viel Sport macht, verbraucht mehr Energie als jemand, der viel am Schreibtisch sitzt und sich in der Freizeit kaum bewegt – und kann deshalb auch mehr essen, ohne zuzunehmen. Bewegung kann also durchaus dazu beitragen, dass die Kalorienbilanz negativ ausfällt, dass also der Körper mehr Energie verbraucht, als er bekommt. Das stimmt zumindest rein rechnerisch. In der Praxis ist die Gewichtsreduktion, die man durch vermehrte körperliche Aktivität erreichen kann, jedoch relativ gering.

Der Grund liegt darin, dass die Rechnung komplizierter ist als diese Gleichung: Kalorienzufuhr minus Kalorienverbrauch = Kalorienbilanz. Seitdem eine Studie im Jahr 1958 zu dieser vereinfachenden Formel gekommen war, hält sie sich jedoch hartnäckig. Ausgehend davon, dass 1 Pfund Fett circa 3.500 Kalorien entspricht, müsste man demnach circa 1 Pfund pro Woche abnehmen, wenn man täglich 500 Kalorien weniger zu sich nimmt und entsprechend 1 Pfund pro Woche zunehmen, wenn man 500 Kalorien pro Tag mehr isst. Diese Vorhersage erweist sich in der Praxis jedoch als unzuverlässig. Hier wird erklärt, warum das so ist.

Kurz zusammengefasst: Die Energiebilanz ist ein dynamisches System. Wenn man eine Komponente ändert, zum Beispiel, indem man weniger isst oder sich mehr bewegt, wird eine Kette an Reaktionen in Gang gesetzt, die dafür sorgt, dass sich der Kalorienverbrauch anpasst. Das macht es schwer, mit konkreten Energiezufuhr- und -verbrauchswerten zu rechnen.

Grund 3: Es ist schwer, mit Sport allein eine negative Kalorienbilanz zu erzeugen

Wenn ein Mann, der 100 Kilo wiegt, zusätzlich an vier Tagen die Woche 60 Minuten bei mittlerer Belastung joggt, und das 30 Tage hintereinander durchhält, während er seine Kalorienzufuhr nicht ändert, verliert er circa zweieinhalb Kilo. Falls er jedoch schwach wird und mehr isst als sonst und sich im Alltag weniger bewegt (kompensatorisches Verhalten, siehe Grund 1) oder das Training verkürzt oder unterbricht, nimmt er weniger ab. Das zeigt ein Berechnungsmodell des Mathematikers Kevin Hall. Hall arbeitet für das Nationale Gesundheitsinstitut der USA und erforscht Übergewicht. Die Arbeit von Hall belegt: Um einen einigermaßen zufriedenstellenden Abnehmerfolg allein durch Sport zu erzielen, braucht man eine Menge Zeit, einen starken Willen und eine große Portion Anstrengungsbereitschaft.

Sport spielt zwar eine wichtige Rolle, wenn du dein Gewicht halten willst – das ist auch einer der Gründe, warum Sport dennoch zum Abnehmen empfohlen wird (mehr dazu am Ende des Artikels). Wenn du aber allein durch Sport abnehmen möchtest, solltest du deinen Körper hoch intensiv belasten, also statt eine halbe Stunde zu joggen lieber eine halbe Stunde Zirkeltraining machen. Falls dein Abnehmziel zweistellig ausfällt und du relativ untrainiert bist, kannst du dir sicher vorstellen, wie schwierig es ist, deinen Körper in dieser Form zu trainieren (siehe auch Grafik Energieverbrauch durch Sport).

Aber selbst ein muskelaufbauendes Training garantiert noch keine Gewichtsreduktion. Ein Grund dafür ist, dass Muskelmasse im Durchschnitt schwerer ist als das gleiche Volumen Fettgewebe. Es kann also sein, dass deine Waage nicht nennenswert niedrigere Werte anzeigt, obwohl deine Taille schlanker geworden ist. Allein auf die Kilozahlen zu achten, kann also deine Motivation unterlaufen, obwohl du auf dem richtigen Weg bist. Mit dem Verhältnis von Hüfte und Taille, der sogenannten Waist-to-Hip-Ratio, lässt sich der Abbau von Übergewicht deshalb zuverlässiger beurteilen als durch Wiegen alleine. Dabei wird der Bauchumfang durch den Hüftumfang geteilt. Liegt der Wert bei Frauen über 0,8 und bei Männern über 0,9, liegt Übergewicht vor. Einen Online-Rechner dafür gibt es zum Beispiel hier.

Grund 4: Sport kann dazu beitragen, dass der Körper leichter Energie speichert

Forscher haben herausgefunden, dass neben kompensatorischem Verhalten auch eine kompensatorische Stoffwechselveränderung auftreten kann, wenn der Körper stärker belastet wird. Das heißt, der Kalorienverbrauch kann sinken, weil sich der Grundumsatz verändert. Darauf weist eine Studie mit 14 Teilnehmern der Sendung „The Biggest Loser” hin. Die Teilnehmer der US-amerikanischen Reality-Show, in der übergewichtige Kandidaten in einem Abnehmwettlauf gegeneinander antraten, wurden direkt nach dem Ende des 30-Wochen-Wettbewerbs im Jahr 2009 vermessen: Körpergewicht, Fettanteil, Hormonstatus und andere Stoffwechselwerte wurden festgehalten. Bei einer Vergleichsmessung sechs Jahre später fand man heraus, dass sich der Grundumsatz der Probanden während des Abnehmens reduziert hatte. Sie verbrauchten ungefähr 500 Kalorien weniger pro Tag, als man erwarten könnte, wenn man ihr Gewicht zugrunde legte. Diese Studie wird oft zitiert, weil sie recht eindrückliche Effekte aufzeigt.

Es gibt aber auch Studien, die keine bedeutsame Verlangsamung des Stoffwechsels während eines Abnehmprogramms gefunden haben. Diskutiert wird darüber, dass Hunger dazu beiträgt, dass sich der Grundumsatz reduziert.

Was man sicher weiß, ist: Sowohl das Ausgleichsverhalten (Grund 1) als auch die Stoffwechselveränderungen treten nicht bei jedem Menschen auf, sie sind unterschiedlich stark ausgeprägt, und die Ursachen für Auftreten und Schwankungen sind unklar.

Grund 5: Energieverbrauch könnte eine Obergrenze haben

Es gibt Hinweise darauf, dass der Energieverbrauch bei steigender Belastung nicht in gleichbleibendem Maße zunimmt, sondern zu einem gewissen Zeitpunkt ein Plateau erreicht. Forscher stellten fest, dass Menschen, die ihren Körper mittelstark belasteten, mehr Kalorien verbrauchten als Menschen, die sich nicht viel bewegten. Man würde erwarten, dass der Unterschied im Kalorienverbrauch zwischen denjenigen, die sich sehr stark körperlich betätigen und denjenigen, die sich mittelstark belasten, vergleichbar groß sein müsste. Die Forschungsergebnisse legen jedoch nahe: Der Kalorienverbrauch steigt bei zunehmender Belastung ab einem gewissen Niveau nicht mehr. Diesem Modell folgend heißt das: Egal, wie sehr du dich anstrengst, du kannst nur eine bestimmte Anzahl an Kalorien verbrauchen.

Demgegenüber steht das hergebrachte sogenannte Lineare Modell, dem diverse Schrittzähler-Apps und Bewegungstracker folgen und das durch die Weltgesundheitsorganisation gestützt wird. Der Anthropologe Herman Pontzer widerspricht mit seinem sogenannten Constrained Model des Energieverbrauchs – Kalorienverbrauch durch Bewegung hängt vom Grundumsatz ab beziehungsweise ist ab einem bestimmten Punkt limitiert – dem additiven Kalorienmodell (Kalorien-rein minus Kalorien-raus = Kalorienbilanz). Er hält eine gleichmäßige Steigerung des Energieverbrauchs für überholt. Zurzeit ist seine Überzeugung allerdings eher eine Hypothese, die weiterer Forschung bedarf. Es gibt nämlich auch Arbeiten, die das additive Modell stützen, die also zeigen, dass mehr Energie verbraucht wird, je mehr man sich bewegt.

Fazit: Sport ist prima für deine Gesundheit, aber um abzunehmen, reicht Training allein nicht aus.

Bei allem, was hier gesagt wurde, ist jedoch wichtig zu betonen: Mehr Bewegung ist gut für deinen Körper. Der Blutdruck und die Blutfettwerte können sinken, wie einige der interessanten Ergebnisse dieses Reviews belegen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Menschen, die gefährdet sind, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, von regelmäßiger Bewegung profitieren. Auf die Regelmäßigkeit der Bewegung kommt es dabei besonders an. Wie viele Minuten man am Tag aktiv ist, scheint keine so große Rolle zu spielen. Solange man sich täglich bewegt, wirkt sich das auf lange Sicht positiv auf Herz-Kreislauf-System und Muskel-Skelett-System aus.

Sport zu machen ist trotzdem gut, wenn du überschüssige Kilos loswerden willst. Die deutsche Leitlinie zur Behandlung von Übergewicht empfiehlt Bewegung ausdrücklich und sieht sie als einen wichtigen Teil des Abnehmprogramms an – neben Kalorienreduktion und Verhaltenstherapie. In die Leitlinie sind viele Studien eingeflossen, die belegen, dass Sport einen Beitrag beim Gewichtsabbau leistet.

Sport ist aber vor allem dann wichtig, wenn du dein Gewicht halten möchtest. Das belegt zum Beispiel diese Studie aus dem Jahr 2008. Das heißt, wenn du deine Gewohnheiten umstellst, um Kilos loszuwerden, ist es gut, wenn du mit Sport anfängst und dabeibleibst. Dann fällt es dir nach dem Abnehmprogramm viel leichter, deinen Erfolg zu sichern. Wichtig ist nur, dass du eine realistische Vorstellung davon hast, was du mit Training allein erreichen kannst: einen moderaten Gewichtsverlust, für den du viel Zeit, Anstrengung und Willenskraft einsetzen musst.

Was hilft denn nun wirklich beim Abnehmen?

Eine Übersichtsarbeit (review) von 2014 bestätigt das, was in der deutschen Leitlinie steht: Am besten nehmen die Menschen ab, die sowohl ihre Kalorienzufuhr drosseln als auch ihr Bewegungspensum erhöhen. Menschen, die während einer Diät auf Sport verzichten, nehmen aber immer noch mehr ab als diejenigen, die normal weiteressen und durch Sport allein versuchen, ihren Kalorienverbrauch zu steigern.

In den USA gibt es ein nationales Zentrum, das sich angeschaut hat, warum manche Menschen nach einem Abnehmprogramm leichter ihr Gewicht halten können als andere. Insgesamt gelingt das nur etwa 20 Prozent der Menschen, die abnehmen, 80 Prozent nehmen wieder zu. Die Menschen, die ihr Gewicht halten können, haben Folgendes gemeinsam:

• 98 Prozent haben ihre Ernährung verändert
• 90 Prozent bewegen sich regelmäßig (mindestens eine Stunde pro Tag)
• 78 Prozent frühstücken
• 75 Prozent wiegen sich mindestens ein Mal pro Woche
• 62 Prozent schauen weniger als zehn Stunden pro Woche fern
• 55 Prozent nutzen ein Programm, 45 Prozent entwickeln selbst eine Routine

Wenn du verhindern möchtest, dass du zunimmst, oder wenn dir ein gesunder Lebensstil wichtig ist, helfen dir auch die zehn Regeln der DGE dabei, das richtige Maß zu finden – sowohl beim Essen als auch bei der Bewegung.

Du kannst also ruhig ins Fitnessstudio gehen und stolz darauf sein, wenn du auf dem Laufband 400 Kalorien in einer Dreiviertelstunde davongerannt bist. Sollte dir deine Abnehm-App aber vorrechnen, dass du dir dafür zur Belohnung eine Viertel Pizza gönnen darfst, dann weißt du jetzt, dass diese Rechnung nicht aufgeht und warum das so ist.


Theresa Bäuerlein hat beim Erarbeiten dieses Artikels geholfen; Vera Fröhlich hat gegengelesen; das Aufmacherbild hat Martin Gommel ausgesucht (iStock / martin-dm).