Sieben Irrtümer über Infektionskrankheiten
Psyche und Gesundheit

Sieben Irrtümer über Infektionskrankheiten

Die Tigermücke ist auf dem Vormarsch, Zika gefährdet Sportveranstaltungen, Impfgegner haben recht und Masern sind ungefährlich – was du wissen solltest, damit du diese Halbwahrheiten nicht ungeprüft übernimmst.

Profilbild von Vera Fröhlich
Managing Editor

Irrtum Nr. 1: Die Tigermücke verbreitet das Zika-Virus in Deutschland

Grundsätzlich kann die Asiatische Tigermücke Viren wie Zika in Europa verbreiten. Sie kann auch in Deutschland überwintern. Aber Forscher halten die Populationen für viel zu klein, um eine Gesundheitsbedrohung zu sein. Jedenfalls waren die bislang entdeckten Tigermücken nicht von tropischen Viren befallen.

Für Zika-Virus-Infektionen gibt es in Deutschland erst seit dem 1. Mai 2016 eine gesetzliche Meldepflicht. Doch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin hat bereits von Herbst 2015 bis Mai 2016 einige Dutzend Fälle von Zika-Infektionen bei Reiserückkehrern registriert. In einem Fall übertrug ein Rückkehrer das Virus beim Sex auf seine Frau, was sofort für Schlagzeilen sorgte.

Zurück zur Tigermücke: Sie ist ursprünglich in den süd- und südostasiatischen Tropen beheimatet und kommt meist per Schiff nach Europa. Wo genau sie in Deutschland heimisch geworden ist, will der staatlich unterstützte Mückenatlas herausfinden - die Forscher bitten deshalb um Zusendung von Stechmücken. Aber die Exemplare bitte nicht zerquetschen oder plattpatschen, sondern in Glasbehältern fangen und ab ins Gefrierfach.

Fazit: Falsch; nicht Tigermücken, sondern Reiserückkehrer schleppen das Virus nach Deutschland ein.

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Irrtum Nr. 2: Das Zika-Virus ist für den Menschen lebensgefährlich

Das Virus wird in der Regel von Mücken übertragen. Die meisten Menschen zeigen nach dem Stich keine Symptome. Oder sie bekommen einen Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen und manchmal Fieber. Sehr selten kann als Komplikation das mit Lähmungen einhergehende Guillain-Barré-Syndrom auftreten.

Aber Schwangere müssen gut aufpassen und sich vor Mückenstichen schützen: Es gilt als gesichert, dass das Virus bei Kindern im Mutterleib Hirnfehlbildungen (Mikroenzephalie) verursachen kann. Deshalb rät das Auswärtige Amt Schwangeren von Reisen in Zika-Gebiete ab, die brasilianische Regierung von einem Besuch der Olympischen Spiele im Sommer 2016. Denn obwohl im August in Brasilien Winter ist, ist es für die Mücken warm genug.

Das Zika-Virus breitet sich aktuell in Mittel- und Südamerika aus. Forscher isolierten es erstmals 1947 bei einem Affen im Zika-Wald in Uganda. Mittlerweile zirkuliert es offenbar auch in Asien und auf Pazifikinseln. Es gibt keinen Impfstoff und kein Medikament gegen Zika – auch deshalb, weil es lange nicht als bedrohlich angesehen wurde.

Fazit: Falsch; Kranke brauchen meist nur Kopfschmerzmittel, Saft und Ruhe, aber Schwangere müssen sich gut vor Mücken schützen.

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Irrtum Nr. 3: Bei Ebola ist Deutschland knapp einer Katastrophe entgangen

2014/2015 erlebte Westafrika den größten Ebola-Ausbruch in der Geschichte. Hauptsächlich betroffen waren Guinea, Liberia und Sierra Leone. Dort erkrankten mehr als 28.000 Menschen, mehr als 11.000 starben. In 30 bis 90 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich. Auf Symptome ähnlich einer Grippe folgen innere und äußere Blutungen, schließlich können mehrere lebenswichtige Organe ausfallen.

Seit August 2015 registrierte die Weltgesundheitsorganisation nur Einzelfälle von Ebola-Fieber. Im März 2016 erklärte die WHO die „Gesundheitliche Notlage von Internationaler Tragweite“ für beendet. Allerdings kann der Erreger – ein Virus – auch nach der Genesung noch monatelang im Körper überleben, zum Beispiel in der Samenflüssigkeit. Übertragen wird das Virus von Mensch zu Mensch, kann aber auch über Gegenstände weitergegeben werden.

Das Ebola-Fieber ist ausschließlich in Afrika südlich der Sahara aufgetreten. Deutschland war nicht betroffen. Es haben sich auch keine deutschen Helfer infiziert. Die offizielle Einschätzung lautet: Das Risiko, dass Ebola nach Deutschland gelangt, ist gering - und man ist gut vorbereitet.

Fazit: Falsch; die in Deutschland behandelten Ebola-Patienten kamen aus Westafrika.

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Irrtum Nr. 4: Heute ist Malaria kein Problem mehr

Noch immer sterben jährlich weltweit 440.000 Menschen an den Folgen der Malaria. Das ist die konservative Schätzung. Es könnten aber auch knapp eine Million sein. Als gesichert gilt eine Berechnung, wonach die Malaria-Sterblichkeit im Jahr 2004 mit 1,8 Millionen Todesfällen ihren Höhepunkt erreicht hat. Mindestens die Hälfte der Fälle sind Kinder unter fünf Jahren. Insgesamt 200 Millionen Menschen erkranken pro Jahr, meist in Afrika.

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Der Malaria-Erreger ist ein einzelliger Parasit der Gattung Plasmodium. Er wird von der Anopheles-Mücke übertragen. Es gibt unterschiedliche Malaria-Arten, die mehr oder weniger gefährlich sind. Allen gemein ist, dass sie hohes wiederkehrendes Fieber mit Beschwerden des Magen-Darm-Trakts verursachen. Es gibt keine Schutzimpfung gegen die Krankheit.

Trotzdem wäre sie eigentlich gut beherrschbar: mit Insektiziden behandelte Moskitonetze und Kleidung verhindern Mückenstiche, es gibt - trotz bekannter Resistenzen - Medikamente als Prophylaxe und zur Behandlung, mit Schnelltests kann rasch die Krankheit nachgewiesen werden. Aber Malaria ist eine „armutsbedingte Krankheit“. Arme Menschen haben kein Geld und/oder keinen Zugang zu all diesen Hilfen und Vorbeugemaßnahmen.

Fazit: Falsch; Malaria ist schlicht die „vergessene Krankheit“.

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5. Irrtum: Masern sind eine harmlose Kinderkrankheit

Ein Tourist schleppt Mitte 2016 die Masern ein und, schwupps, haben 51 Berliner die Viruserkrankung. Keine Kinder wohlgemerkt, junge Erwachsene, viele davon zwischen 18 und 29 Jahre alt. Von Oktober 2014 bis September 2015 gab es in der Hauptstadt sogar 1.400 Fälle von Masern. Dabei hatte die Weltgesundheitsorganisation diese Krankheit bis 2015 ausrotten wollen. Weil es seit den 70er Jahren eine funktionierende Schutzimpfung gibt.

In Berlin gibt es viele „Impflücken“ – Personen, die nicht geimpft sind – und viele Impfgegner. Nach deren Ansicht werden die Erkrankungsrisiken aufgebauscht, Impfrisiken verharmlost, alternative Vorsorgemöglichkeiten ebenso wenig berücksichtigt wie die gesundheitlichen Vorteile des natürlichen Durchlebens von Infektionskrankheiten.

Von offizieller Seite wird den Impfgegnern entgegengehalten, dass Kinderkrankheiten nicht deshalb so heißen, weil sie harmlos sind. Sondern weil sie lange Zeit im Kindesalter auftraten. Aber auch dann kann es Komplikationen geben: Bei einem von 1.000 Kindern, die an Masern erkranken, entwickelt sich eine Entzündung (Masern-Enzephalitis), die häufig zu bleibenden Hirnschäden führt.

Fazit: Falsch; aber ob Babys geimpft werden sollen oder nicht, ist inzwischen eine regelrechte Glaubenssache.

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6. Irrtum: Bakterien sind generell gefährlich

Ein Mensch besteht aus 10 Billionen Zellen – das ist eine 1 mit 13 Nullen. Auf und in ihm leben außerdem 10 Mal so viele Bakterien. Ein Experte hat deren Gewicht ausgerechnet: 2 Kilogramm. Die meisten sind ausgesprochen nützlich bis lebensnotwendig, zum Beispiel die Darmflora.

Nur einige wenige können uns krankmachen, wenn sie sich extrem stark vermehren oder wenn sie durch Verletzungen in den Körper gelangen. Dann verordnet der Arzt in der Regel Antibiotika. Diese Medikamente schädigen aber auch die Nützlinge unter unseren Bakterien.

Inzwischen gibt es aber auch ein gravierendes Problem: Weil immer mehr Antibiotika eingesetzt werden, sind einige Bakterien dagegen resistent geworden, sie wirken also nicht mehr. Die Weltgesundheitsorganisation warnt schon seit längerem vor der „post-antibiotischen Zeit“. Bei einer Frau in den USA wurden Bakterien nachgewiesen, die gegen 15 Antibiotika unempfindlich sind - darunter ein Reservemittel, das sonst gegen multiresistente Erreger hilft.

Fazit: Falsch; aber wir müssen lernen, mit Antibiotika vernünftiger umzugehen.

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Irrtum Nr. 7: Es gibt nur ein Dutzend oder so wichtige Infektionskrankheiten

Allen Infektionskrankheiten gemein ist, dass sie von einem Erreger hervorgerufen werden. Das können Bakterien oder Viren sein, aber auch Einzeller, Würmer oder Pilze. Manche brauchen sogenannte Vektoren, um in den Menschen zu gelangen oder sich zu vermehren, wie beispielsweise der Malaria-Erreger die Mücke. Man kann die Erreger nach dem Infektionsverlauf, nach der Herkunft und nach der Eintrittspforte (zum Beispiel über die Atemwege) unterscheiden.

Manche Infektionskrankheiten gelten eine Weile als echte Bedrohung für Mensch und Vieh (Beispiel Vogelgrippe) und geraten dann fast wieder in Vergessenheit. Andere waren schon fast vergessen, tauchen plötzlich wieder auf und sind schwieriger als zuvor zu verhindern (Beispiel Tuberkulose). Es werden auch fortlaufend neue Erreger entdeckt.

In Deutschland ist das Robert-Koch-Institut (RKI) die zentrale Überwachungs- und Forschungseinrichtung für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten. Das RKI muss also wissen, welche Infektionskrankheiten es gibt. In der Rubrik „Infektionskrankheiten A-Z“ listet das Institut Informationen zu folgenden „ansteckenden Krankheiten“auf:

Quelle: Robert-Koch-Institut

Fazit: Falsch; keiner kann genau beziffern, wie viel Erreger und Infektionskrankheiten es gibt.

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Illustration: Sibylle Jazra für Krautreporter.