Fotomontage: Karsten Wildberger, Verena Hubertz und Katerina Reiche vor einer Glaswand.

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Politik und Macht

Kommentar: Warum Wirtschaftsprofis oft schlechte Minister:innen sind

Im neuen Kabinett sitzen lauter Leute aus der Wirtschaft. Aber der Erfolg eines Staates lässt sich nicht an Umsatz oder Gewinn messen.

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Reporterin für eine faire Wirtschaft

Im neuen Bundeskabinett sitzen drei Manager:innen: Die ehemalige Vorstandvorsitzende von Westenergie, Katherina Reiche (CDU), leitet das Wirtschaftsministerium, der CEO von Ceconomy, Karsten Wildberger (CDU), ist Digitalminister. Dazu kommen die Gründerin Verena Hubertz (SPD), die nach nur einer Legislatur im Bundestag das Amt der Bauministerin übernimmt.

Damit scheint der ehemalige Blackrock-Aufsichtsratsvorsitzende Friedrich Merz einem weitverbreiteten Urteil in der Wirtschaft zu folgen: Manager:innen gelten als die besseren Politiker:innen. Sie seien effizient, durchsetzungsstark, lösungsorientiert – also all das, was viele Politiker:innen vermeintlich nicht seien.

Aber in Wahrheit sind die Quereinsteiger:innen eine gewagte Wahl. Sie mögen wissen, wie man ein Unternehmen leitet, aber um ein Ministerium zu führen, brauchen sie andere Qualitäten.

Manager:innen optimieren ihr Unternehmen nach Kennzahlen, wie Gewinn oder Umsatz, aber der Erfolg von Staaten lässt sich nicht an zwei Zahlen messen. Sie verbessern Produktionsketten, aber Staaten stellen nichts her. Gute Manager:innen können einen Weltkonzern umbauen, aber als Ministerin kann man nur ein paar Schlüsselpositionen austauschen und ist ansonsten seinen Beamt:innen ausgeliefert.

Effizienz ist nicht alles

Klar, die Regierung wirkt ineffizient. Manche Probleme sind seit Jahren bekannt und trotzdem ändert sie nichts. Die Digitalisierung geht schleppend voran, es fehlt an Wohnungen, und es wandern immer noch nicht genügend Fachkräfte ein.

Aber während ein Manager nur seinen Shareholdern verpflichtet ist und sein Unternehmen nach Belieben umstrukturieren kann, muss er als Minister im Interesse der gesamten deutschen Bevölkerung handeln. Dazu muss er sich abstimmen: mit den Ländern, anderen Ministerien, Interessengruppen. Das ist ein zäher, langwieriger Prozess, für den man eine hohe Frustrationstoleranz braucht. Aber nur so kann man die anderen Minister:innen, das Kabinett und den Bundestag überzeugen, dass die eigenen Gesetzesvorhaben sinnvoll sind.

Deshalb muss auch ein guter Fachpolitiker nicht unbedingt ein guter Minister sein, siehe Karl Lauterbach (SPD): Der frühere Bundesgesundheitsminister hatte sich geweigert, Ärzt:innen und Apotheker:innen zuzuhören, große Teile der medizinischen Community gegen sich aufgebracht und konnte am Ende nur einen Bruchteil seiner ambitionierten Gesetzesentwürfe durchbringen.

In Deutschland gibt es wenige historische Vorbilder für Manager:innen, die Minister:innen wurden. Der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ernannte 1998 den parteilosen Werner Müller zum Bundeswirtschaftsminister. Er war umstritten wegen seiner Industrienähe, die er immer wieder bei Entscheidungen zeigte. So genehmigte er dem Energiekonzern E.on, bei Ruhrgas einzusteigen, obwohl das Bundeskartellamt dies zuvor verboten hatte. (Müller arbeitete vor und nach seinem Ministeramt in der Energiewirtschaft.) Schröder machte ihn in seinem zweiten Kabinett nicht mehr zum Minister.

Als Minister muss man Kritik aushalten können

Während Manager:innen hauptsächlich nach innen führen und selten öffentlich auftreten müssen, leben Minister:innen von der Kunst der permanenten Kommunikation – und zwar in alle Richtungen. Sie müssen nicht nur ihre eigenen Mitarbeiter:innen von Projekten überzeugen, sondern auch andere Ministerien, den Bundestag, die Länder und zahlreiche Interessengruppen. Ein Gesetz durchzubringen, gleicht oft einem Marathon der Überzeugungsarbeit.

Dazu kommt die ständige Präsenz in der Öffentlichkeit. Während Manager:innen meist nur bei Hauptversammlungen oder in Krisenzeiten vor die Kamera treten, stehen Minister:innen unter permanenter Beobachtung. Nicht umsonst sind die großen rhetorischen Talente wie Kevin Kühnert, Robert Habeck oder Sahra Wagenknecht besonders erfolgreich. Sie verstehen die Kunst der öffentlichen Kommunikation.

Damit einher geht auch: Manager:innen müssen zwar auch mal Kritik aushalten, wenn ihr Unternehmen nicht so gut läuft. Aber Spitzenpolitiker:innen sind ständig dem kritischen Blick der Presse ausgesetzt. Ein falscher Satz kann einen Skandal auslösen, selbst wenn er nicht direkt etwas mit ihrem Amt zu tun hat.

Gerade Quereinsteiger:innen fällt es oft schwer, so harte Kritik auszuhalten. Etwa dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der zuvor Chef des Internationalen Währungsfonds war. Er erklärte nach einer umstrittenen Äußerung 2010 überraschend seinen Rücktritt. Oder dem Musikmanager Joe Chialo, der zwei Jahre lang Berlins Kultursenator war und als solcher drastische Kürzungen verantworten musste und im Mai 2025 zurücktrat. Er begründete den Schritt unter anderem mit der Kritik an seiner Person.

Der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sagt: „Quereinsteiger:innen sind häufig eingeschnappt und machen die Muschel zu, wenn sie öffentlich kritisiert werden. Aber das gehört eben zu einer Demokratie, dass man das aushält.“

Ein Ministerium ist eben kein Unternehmen

Wer aus der Wirtschaft kommt, unterschätzt oft die speziellen Strukturen eines Ministeriums. Anders als in einem Unternehmen kann ein Minister nicht einfach „durchregieren“ oder radikal umstrukturieren. Die meisten Beschäftigten sind verbeamtet und damit praktisch unkündbar. Massenentlassungen wie in der Wirtschaft? Unmöglich.

Die Verhältnisse fasst dieser Spruch gut zusammen: „Die Regierungen kommen und gehen, die Verwaltung bleibt bestehen.“ So kommt es, dass Beamt:innen ein eigenes Interesse an den Strukturen und Entscheidungsprozessen im Ministerium haben und einen erheblichen Wissensvorsprung gegenüber einem Quereinsteiger aus der Wirtschaft, der noch nie direkt an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt war.

Das zeigt sich aktuell beim neuen Digitalminister Karsten Wildberger. Als CEO von Ceconomy konnte er direkte Anweisungen geben. Im neu geschaffenen Digitalministerium muss er nicht nur Strukturen aufbauen, sondern vor allem andere Minister:innen von seinen Ideen überzeugen, denn Digitalisierung betrifft alle Ressorts. Und ohne deren Zustimmung läuft nichts.

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Aber was ist mit Menschen wie dem ehemaligen Zentralbanker Mario Draghi oder dem Investmentbanker Emmanuel Macron? Haben sie nicht ihr Land vorangebracht? Tatsächlich war Draghi nur extrem kurz Premierminister Italiens, bevor er daran scheiterte, alle Parteien seiner Koalition auf seiner Seite zu haben – und zurücktreten musste. Seine Nachfolgerin: Die Post-Faschistin Georgia Meloni. Und Macron ist nur deshalb noch französischer Staatspräsident, weil viele bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen die rechtspopulistische Marine Le Pen als Präsidentin verhindern wollten. Nur 25 Prozent haben im Mai 2025 Vertrauen darin, dass er die Probleme des Landes lösen kann.

Dazu kommt, dass es sich gar nicht so leicht sagen lässt, woran man festmachen soll, ob eine Regierung erfolgreich ist. Mehr Effizienz? Ja sicher, aber Effizienz worin eigentlich, welches Ziel soll der Staat damit erfüllen?

Schon diese Frage fühlt sich absurd groß an. Er soll Brücken, Schulen und Straßen bauen, Menschen aus der Armut helfen, sie vor Gefahren schützen, Einbrecher:innen bestrafen, terroristische Anschläge vereiteln, Unternehmen und Kultur fördern. Er soll eine gerechte Gesellschaft gewährleisten. Der Erfolg zeigt sich nicht in ein, zwei Zahlen. Bis heute haben die Politikwissenschaft und die Ökonomie keinen Weg gefunden, gut zu berechnen, wie erfolgreich eine Regierung ist, sagt der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler.

Wie das Streben nach Effizienz schiefgehen kann, zeigen gerade die USA, wo Elon Musk die Mittel für Gesundheitsforschung drastisch eingekürzt hat und damit das Risiko für eine Pandemie erhöht. Das Beispiel zeigt: Effizienz ist nicht alles. Denn wenn ein Staat auf seine Kosten das Gemeinwohl aufgibt, die Schwächsten nicht mehr beschützt, dann hat er wirklich versagt.


Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

Warum Wirtschaftsprofis oft schlechte Minister:innen sind

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