Jetzt sind es also die Plastikstrohhalme. US-Präsident Donald Trump hat eine Verordnung unterzeichnet, um Plastikstrohhalmen das Comeback auf dem US-Markt zu ermöglichen. Er glaube nicht, „dass Plastik den Haien viel anhaben kann, wenn sie sich ihren Weg durch den Ozean knabbern“, sagte er im Weißen Haus.
Dieses eine Vorhaben ist bloß ein Regentropfen in einem Monsun an Verordnungen, Ankündigungen und Maßnahmen, die Trump seit seinem Amtsantritt auf den Weg gebracht hat. Mehr als 55 Exekutivverordnungen hat er bereits unterzeichnet – und die USA direkt in eine Verfassungskrise katapultiert.
Viele der Dekrete sind offenkundig rechtswidrig. Bundesrichter:innen stoppen sie, weil der Präsident und seine Verbündeten laut Verfassung nicht die Erlaubnis haben, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Doch die Gerichte sind langsamer als die Regierung und das Team von Elon Musk. Als ein Richter die Entlassung Tausender Mitarbeiter der US-Agentur für internationale Entwicklung USAID stoppte, lag die Behörde schon in Trümmern.
Kaum jemand kann bei der Flut an Meldungen mithalten. Deshalb soll dir dieser Artikel einen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen geben, die Trump in seinem ersten Monat als US-Präsident getroffen hat. Die Flut an Maßnahmen wirkt chaotisch, doch das ist sie nicht. Dahinter stecken klare Ziele und durchdachte Strategien, die ich am Ende des Textes erkläre.
1. Trump säubert den Staatsapparat
Mit einer seiner ersten Verordnungen hat Trump den Beschäftigungsstatus von Zehntausenden Staatsbediensteten geändert. Die sogenannte „Schedule-F“-Regelung besagt, dass Beamte jetzt leichter entlassen werden können. Der Schritt war lange geplant, um die Verwaltung der USA ideologisch auf Linie zu bringen. Doch die Maßnahmen gehen noch weiter. Im ganzen Land wurde fast allen Staatsangestellten ein sogenannter Buyout angeboten: Wer nicht unter Trump arbeiten möchte, darf kündigen und bekommt dafür sein Gehalt bis September weitergezahlt. Rund 75.000 Angestellte sollen das Angebot akzeptiert haben.
Trump entließ zudem eine Vielzahl an Staatsbediensteten, Behördenchef:innen und leitenden Angestellten, um sie mit seinen Anhänger:innen zu ersetzen. Das betrifft zum Beispiel das FBI und die Bundessteuerbehörde IRS. Beim FBI ließ Trump auch eine Liste aller Angestellten anfertigen, die an den Ermittlungen zum Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 beteiligt waren. Zugleich hat der Generalstaatsanwalt rund 30 Staatsanwält:innen entlassen. Er glaube nicht, dass er ihnen vertrauen könne, die „Agenda des Präsidenten umzusetzen“. In anderen Worten: Trump versucht, die unabhängige Justiz zu entmachten. In Demokratien sollen sich Staatsangestellte an Gesetze halten und Richter:innen die Regierung kontrollieren. In Autokratien sollen beide die Agenda des Staatschefs durchsetzen.
2. Elon Musk baut seine Macht aus
Trump verpflichtet sämtliche Bundesbehörden, mit der Agentur für Regierungseffizienz DOGE von Elon Musk zusammenzuarbeiten. Ab sofort soll in jeder US-Behörde ein DOGE-Teamleiter arbeiten und den Stellenabbau koordinieren. Damit gewinnt Musk noch mehr Einfluss auf die Regierung, obwohl er weder gewählt noch vom Kongress als Regierungsmitglied bestätigt wurde.
In den vergangenen Wochen war Musk bereits für zahlreiche Kündigungen verantwortlich. Er hat sich mit seinem Team nicht nur Zugang zu den Systemen zahlreicher Behörden verschafft, sondern auch zum Zahlungssystem der US-Regierung, durch das jährlich rund sechs Billionen Dollar fließen, zum Beispiel in Beamtengehälter, Sozialversicherungszahlungen oder Subventionen. Dieses Zahlungssystem ist das Nervensystem der USA. Die finanzielle Infrastruktur der Regierung und hochsensible Daten von Millionen von Bürger:innen sind nun in der Hand eines nicht gewählten Multimilliardärs, der seine privaten Interessen verfolgt.
Kritiker:innen wie der Historiker Timothy Snyder sprechen von einem „administrativen Staatsstreich“, weil sich ein nicht gewählter Privatmensch Zugang zu den digitalen Machtzentren der US-Demokratie verschafft und damit undemokratische Ziele verfolgt. Passender ist der Begriff „State Capture“. Er bezeichnet in der Politikwissenschaft „die Aneignung staatlicher Ressourcen durch politische Akteure für ihre eigenen Zwecke, seien sie privat oder politisch.“ Musk verwandelt den Staat in ein Instrument, um sich weiter zu bereichern.
3. Die US-Regierung friert weltweit Entwicklungsgelder ein
Die US-Regierung hat fast alle Entwicklungsgelder weltweit gestoppt. Sie wolle prüfen, ob die unterstützten Projekte der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) mit der politischen Ausrichtung von Trump übereinstimmen, heißt es in einer Mitteilung an die Angestellten. Experten warnen vor Hungersnöten und Gesundheitskrisen. Schon jetzt können Suppenküchen im Sudan kein Essen mehr ausgeben, unabhängige Medien in der Ukraine müssen Journalist:innen entlassen und ein Camp mit 40.000 Familienmitgliedern von IS-Kämpfern in Syrien musste Wachpersonal und humanitäre Helfer nach Hause schicken.
Elon Musk verkündete, USAID sei eine „kriminelle Organisation“ und solle „sterben“. Er befahl die Schließung von USAID und Massenentlassungen. Von den 10.000 Mitarbeitenden der Behörde sollten nur rund 300 übrig bleiben. Doch das Vorgehen ist illegal, der Kongress müsste einen solchen Schritt beschließen. Die Regierung oder Musk haben dazu keine Berechtigung. Ein Bundesrichter hat die Kündigung von Mitarbeitenden vorerst gestoppt. Doch es sieht so aus, als wären zahlreiche Hilfsprojekte aus aller Welt am Ende. Andere Länder, wie zum Beispiel China, werden dieses Vakuum nutzen.
4. Abschiebungen sollen Migrant:innen abschrecken
Die US-Regierung hat begonnen, medienwirksam Menschen abzuschieben. Die Regierung setzt darauf, durch brutale Bilder den Eindruck zu schaffen, das „Migrationsproblem“ in den Griff zu bekommen. Dafür werden Kamerateams eingeladen, Sicherheitskräfte zu begleiten, wenn sie Häuser durchsuchen und Migrant:innen festnehmen.
Hinter den Inszenierungen steckt Kalkül: Sie sollen einerseits die eigenen Anhänger:innen zufriedenstellen, schließlich hatte Trump Millionen von Abschiebungen versprochen. Andererseits sollen sie unter Migrant:innen in den USA eine Atmosphäre schaffen, in der Menschen sich quasi selbst abschieben. Also ausreisen, weil sie Angst vor den staatlichen Behörden und einem migrationsfeindlichen Klima haben. Inzwischen hat die Trump-Regierung angekündigt, bis zu 30.000 Migrant:innen in dem Gefangenenlager Guantanamo zu inhaftieren. Die ersten sind bereits ausgeflogen. Trump soll sich dennoch bereits beschwert haben, dass sein anvisiertes Ziel von 1.200 bis 1.400 Abschiebungen pro Tag nicht erreicht werde.
Am ersten Tag seiner Amtszeit hat Trump zudem versucht, das in der Verfassung verankerte Recht auf US-Staatsangehörigkeit per Geburt abzuschaffen. Wer auf US-Boden geboren wird, bekommt die US-Staatsbürgerschaft, so galt es seit 1868. Egal, woher die Eltern kommen. Trump wollte das Recht per Verordnung abschaffen, doch ein Bundesrichter hat die Verordnung gestoppt, weil für einen solchen Schritt die Verfassung geändert werden müsste.
5. Trump nutzt Zölle als politisches Druckmittel
Zölle sind Trumps Lieblingsthema. Im Wahlkampf bezeichnete er „Zoll“ als das viertschönste Wort im Wörterbuch, nach „Gott“, „Liebe“ und „Religion“. Das Muster von Trumps Handelskrieg ist schon jetzt erkennbar: Die US-Regierung nutzt die Androhung von massiven Zöllen als Druckmittel, um politische Zugeständnisse zu bekommen, die wenig mit Wirtschaftspolitik zu tun haben. Trump hat im Januar zum Beispiel Kolumbien Strafzölle angedroht, weil das Land zwei Militärmaschinen mit abgeschobenen Migrant:innen nicht landen lassen wollte. Auf sämtliche Importe aus Kanada und Mexiko hat Trump ebenfalls hohe Zölle verhängt, nur um sie anschließend für einen Monat auszusetzen, weil beide Länder eingelenkt hatten, stärker gegen Migranten und Fentanyl-Lieferungen in die USA vorzugehen.
Inzwischen hat Trump auch die Zölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium von zehn auf 25 Prozent erhöht – egal, aus welchem Land. Das trifft vor allem enge Verbündete und Handelspartner der USA, besonders Kanada. Rund 80 Prozent des in die USA eingeführten Aluminiums kommt von dort. Auch die deutsche Stahlindustrie ist betroffen. Die Trump-Regierung hofft vor allem, durch die Zölle die Staatskassen zu füllen, um Steuergeschenke zu finanzieren.
6. Die Regierung stoppt Gleichstellungsmaßnahmen und Wissenschaftsförderungen
Trump hat mehrere Exekutiv-Verordnungen unterschrieben, um das Bildungssystem „patriotisch“ zu gestalten. Das heißt: Der Unterricht soll sich nicht zu kritisch mit der Sklaverei oder dem Rassismus in den USA beschäftigen. Gleichzeitig hat er angeordnet, sämtliche Gleichstellungsfinanzierung (Diversity, Equity, and Inclusion) durch Regierungsgelder einzustellen und trans Frauen in Männertrakte von Gefängnissen zu verlegen. Infolge des Finanzierungsstopps im Bildungssystem wurden auch zahlreiche Wissenschaftsförderungen eingefroren. Zudem kürzte die US-Regierung Zuschüsse für Universitäten um rund vier Milliarden Dollar. Eine Abwanderung zahlreicher Wissenschaftler:innen könnte bevorstehen. Der US-Regierung könnte das recht sein, denn die unabhängige Wissenschaft ist eines von Trumps zentralen Feindbildern.
7. Die Klimapolitik steht vor dem Aus
„Drill, baby, drill“, so versprach Trump schon im Wahlkampf, dass er mehr Öl fördern will. Inzwischen hat er eine Verordnung mit dem Titel „Unleashing American Energy“ unterschrieben. Auf Deutsch: die Entfesselung amerikanischer Energie. Sie soll Umweltregulierungen abbauen und die Förderung fossiler Brennstoffe erleichtern. Außerdem erklärte Trump einen Energienotstand, um weitere Regulierungen abzubauen und Genehmigungsverfahren für Bohrungen zu beschleunigen. Trump ist auch aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Die zahlreichen Wissenschaftskürzungen dürften auch die Forschung zur Klimakrise erheblich treffen.
8. Trump will die Gaza-Bevölkerung vertreiben und sanktioniert den Internationalen Strafgerichtshof
Der US-Präsident hat angekündigt, die palästinensische Bevölkerung aus Gaza vertreiben zu wollen. Trump will den Landstrich unter US-Kontrolle stellen und bebauen, um aus ihm die „Riviera des Nahen Ostens“ zu schaffen. Man könnte das als Spinnerei abtun. Aber Trump hat in den vergangenen Tagen wiederholt bekräftigt, er wolle Ägypten und Jordanien unter Druck setzen, damit sie die palästinensische Bevölkerung aufnehmen. Es ist ein völkerrechtswidriges Vorhaben. Doch aus seiner Verachtung für das Völkerrecht macht Trump kein Geheimnis. Er hat inzwischen den Internationalen Strafgerichtshof sanktioniert, weil dieser gegen amerikanische Interessen und gegen seine Verbündeten, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, vorgehe.
Wie die Trump-Regierung den autoritären Umbau der USA vorantreibt
Das Vorgehen der Regierung wird auch als „Flooding the zone“ bezeichnet. Das Ziel ist, den politisch-medialen Raum mit Provokationen und Verordnungen zu fluten. Es geht darum, die Opposition und Medien zu überfordern – mit Verordnungen, Ankündigungen, Aussagen und Grenzüberschreitungen. Denn das lähmt. Kaum jemand kann mithalten.
Wer einen Schritt zurückmacht, sieht ein Muster hinter dem Chaos. Es geht um die massive Ausweitung der exekutiven Macht. In der liberalen Demokratie gilt das Prinzip der Gewaltenteilung, es basiert auf drei Säulen, die sich gegenseitig kontrollieren. Das Parlament erlässt die Gesetze. Die Regierung führt sie aus. Die Gerichte kontrollieren sie.
Dieses System soll sicherstellen, dass niemand zu viel Macht bekommt. Trump und sein Team verachten dieses Prinzip. Sie wollen, dass der Präsident quasi unbegrenzte Macht bekommt. Der Monsun an Verordnungen hat also ein Ziel: Er soll die Gewaltenteilung außer Kraft setzen oder zumindest schwächen.
Die Republikanische Partei scheint Trump dabei ergeben zu folgen. Doch Bundesrichter:innen haben innerhalb weniger Tage viele von Trumps Verordnungen kassiert. Nachdem ein Richter Elon Musks Zugang zum Zahlungssystem der Regierung gestoppt hatte, erklärte Vizepräsident JD Vance: „Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren.“ Trump sagte am selben Tag: „Kein Richter sollte, offen gesagt, eine solche Entscheidung treffen dürfen.“
Es sieht also so aus, als komme es bald zu einem Showdown zwischen Regierung und Gerichten. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder landen die aktuellen Streitfragen irgendwann vor dem Obersten Gerichtshof. Dort haben die Republikaner eine Mehrheit. Trump hat selbst drei der Richter ernannt. Sollte er dort wesentliche Siege erringen, gelingt ihm der autoritäre Durchbruch. Oder, die zweite Möglichkeit: Trump ignoriert Gerichtsentscheidungen einfach. Schließlich arbeiten Gerichte langsam, und die Behörden, die deren Entscheidungen durchsetzen, werden gerade von Musk und Trump mit Anhänger:innen besetzt.
Aktuell sind sich Analyst:innen unsicher, ob Trump den Weg durch die Gerichte geht oder die Entscheidungen schlichtweg ignorieren wird. Vermutlich beides. In einigen Fällen dürfte die Regierung vor Gericht ziehen, in anderen testen, was passiert, wenn sie Gerichtsentscheidungen ignoriert. In jedem Fall befinden sich die USA bereits mitten in einer Verfassungskrise. Die Trump-Regierung versucht, sich ein Quasi-Monopol auf die politische Macht im Land zu sichern.
Dabei wirkt sie manchmal widersprüchlich und schlecht organisiert. Das liegt daran, dass die Trump-Regierung verschiedene Fraktionen umschließt, die für unterschiedliche Ziele kämpfen. Die Hardliner der „Heritage Foundation“ stehen hinter den Plänen, die Exekutivmacht der Regierung auszuweiten und die Verwaltung mit treuen Anhänger:innen zu besetzen. Sie wollen auf Jahrzehnte einen erzkonservativen Staat schaffen. Die America-First-Populisten wiederum treiben die Abschiebepläne der Regierung voran. Und die Tech-Elite um Elon Musk will den Staat in ein Instrument verwandeln, um den eigenen Reichtum und den ihrer Geschäftspartner auszubauen.
Welche Fraktion langfristig die Agenda der US-Regierung dominiert, ist noch unklar. Denn die einzelnen Gruppen ringen miteinander und bekämpfen sich teilweise offen. Steve Bannon, ein Vordenker der America-First-Populisten, macht aus seiner Verachtung für Elon Musk und die Milliardäre aus dem Silicon Valley keinen Hehl. Gleichzeitig waren faschistische Bewegungen schon immer mehrstimmig. Sie bündeln verschiedene Interessen und Fraktionen, die durch ein gemeinsames Projekt geeint werden: Sie wollen die Macht übernehmen und das Land umbauen. Und sie glauben nicht, dass die verfassungsmäßige Ordnung ihnen Grenzen setzen sollte.
Der Historiker Thomas Zimmer schreibt: Autoritäre Regime sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass sie die verschiedenen Fraktionen durch Eskalation integrieren. Das heißt, sie einen widersprüchliche Interessengruppen, indem sie die Panikmache gegen innere und äußere Feindbilder verstärken und Unzufriedenheit in Aggression gegen diese Feindbilder umwandeln.
Die Feindbilder des Trumpismus sind altbekannt. Es sind all jene, die von der weißen, christlich-konservativen Ordnung abweichen. Also zum Beispiel Schwarze, Homosexuelle oder Progressive, die sich für die Demokratie einsetzen. Zu erwarten ist, dass die Trump-Regierung gegen diese Gruppen in den kommenden Monaten noch aggressiver vorgeht, während sie gleichzeitig den autoritären Umbau vorantreibt.
Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert