Florian Klenk steht vor einer Wand mit Falter-Ausgaben.

© Robert Brembek

Politik und Macht

Interview: Meine Presse, Österreich!

Österreich könnte bald einen rechtsextremen Kanzler bekommen. Der Wiener Journalist Florian Klenk sagt: Diese Regierung könnte unliebsame Medien plattmachen.

Profilbild von Livio Koppe
Praktikant

Für die FPÖ sind kritische Journalist:innen die „größten Huren des Planeten“. Das sagte 2017 ihr damaliger Chef Heinz-Christian Strache in einer Villa auf Ibiza. Dort versuchte er auch, eine russische Oligarchin zu überzeugen, Österreichs größte Tageszeitung zu kaufen und dafür zu sorgen, dass diese positiv über die FPÖ berichtet. Im Gegenzug versprach Strache, der Russin Staatsaufträge zukommen zu lassen, sobald die FPÖ an der Macht ist. Doch die Oligarchin war in echt eine Schauspielerin, die Szene wurde heimlich gefilmt. 2019 wurde das Video von Spiegel und SZ veröffentlicht, die das Material zugespielt bekamen. Die Ibiza-Affäre erschütterte Österreich. Sie brachte nicht nur Strache zu Fall, sondern auch Herbert Kickl, damals Innenminister, verlor seinen Job. Heute, sechs Jahre später, steht Kickl an der Spitze der FPÖ und ist kurz davor, Österreichs nächster Bundeskanzler zu werden. Ich habe Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter gefragt, was österreichische Medien jetzt befürchten müssen.

Herr Klenk, 2023 sagte ein FPÖ-Politiker: „Unter einem Kanzler Kickl werden Journalisten wieder das Benehmen lernen“. Sie sind selbst Investigativ-Journalist und Chefredakteur. Macht Ihnen als Journalist so eine Aussage Angst?

Angst macht es mir keine, wir haben ja in Österreich nicht den Zustand, dass Journalisten verschwinden oder eingesperrt werden. Aber es sollte der Bevölkerung ernste Sorgen bereiten. Ich glaube, Herbert Kickl möchte die Meinungsfreiheit in Österreich zerstören.

Die FPÖ stört sich vor allem am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sie will den ORF zu einem „Grundfunk“ herunterstutzen. Wieso?

Herbert Kickl möchte eigentlich einen Staatsfunk und gleichgeschaltete Medien, wie bei Orbán. Er will das erreichen, indem er den ORF aus dem Staatsbudget finanzieren will, anstatt aus Gebühren. Das würde bedeuten, dass die Politik viel mehr Einfluss hätte, weil der ORF-Generaldirektor vor dem Finanzminister auf die Knie gehen und um das Budget betteln müsste.

Auch private Medien will sich die FPÖ gefügig machen. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp nannte die Tageszeitung Standard auf X ein „Scheißblatt“ und drohte damit, ihr die staatliche Presseförderung zu entziehen. Wie ernst nehmen Sie diese Drohung?

Ich nehme das sehr ernst. Herr Nepp meint aber wahrscheinlich Regierungsinserate, die Presseförderung macht nämlich nur einen kleinen Teil aus. Inserate, also Werbung der Regierung, Ministerien oder staatlichen Unternehmen, spielen dagegen in Österreich eine große Rolle in der Medienfinanzierung.

Mit den Inseraten hat die Politik einen Hebel, mit dem sie den Wettbewerb beeinflussen kann. Sie kann schwächere Medien platt machen, indem sie ihnen die Inserate und damit die letzten ökonomischen Mittel entzieht. Dominik Nepp droht, das Auszahlen öffentlicher Steuergelder damit zu verknüpfen, ob eine Zeitung positiv über seine Partei berichtet. Damit würde er die Ausübung seines Amtes zum Vorteil seiner Partei nutzen, was eigentlich Korruption wäre.

Wieso will Kickls FPÖ den unabhängigen Journalismus zerstören?

Journalismus, der eine Orientierungs- und Überprüfungsfunktion hat, war totalitären Bewegungen immer schon ein Dorn im Auge. Herbert Kickl will diese Form des Journalismus zerstören, weil sie genau das Gegenteil von Propaganda ist.

Nehmen die Menschen diese Gefahr wahr?

Das ist eine gute Frage. Man muss die Leute aufrütteln. Sie sehen schon, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Wert hat, der ORF ist immer noch das Hauptinformationsmedium. Aber ich glaube, die Leute werden den Wert des ORF erst bemessen können, wenn sie ihn verloren haben. Vielleicht sollten sie sich mal ansehen, was „AUF 1 TV“ anbietet, das ist der Sender, den Herbert Kickl groß machen will. Das ist ein offen rechtsextremer Propagandakanal.

Herbert Kickl unterstützt also einen rechtsextremen TV-Sender. Kann man die FPÖ selbst schon als rechtsextrem bezeichnen? Das fragt sich Krautreporter-Leser Benjamin.

Ich glaube, mittlerweile kann man die FPÖ als rechtsextrem bezeichnen, sie verkörpert eine illiberale, nationalistische und intolerante Bewegung. Herbert Kickl brutalisiert mit seiner Sprache die politische Arena. Er nennt den Bundespräsidenten eine senile Mumie, er sagt, dass man politischen Gegnern aufs „Hosentürl“ schlagen muss. Er spricht von Einheitsparteien und Systemmedien, Fahndungslisten und Volksverrätern. Herbert Kickl sucht nicht das Verbindende, sondern das Trennende. Das ist ein Muster von rechtsextremer Politik.

Die FPÖ tritt also extrem auf. KR-Leser Benjamin hat mich auch gefragt, warum die Österreicher viel weniger stark gegen Rechts protestieren als die Deutschen gegen die AfD. Stimmt das?

Die Proteste in Österreich sind etwas resignierter. Wir hatten die FPÖ schon drei Mal in einer Regierung, mittlerweile haben sich diese Protestformen etwas totgelaufen.

In Österreich waren Rechtsextreme eigentlich immer Teil des parlamentarischen Geschehens. Der frühere FPÖ-Chef Friedrich Peter war ein SS-Mann und saß jahrelang im Parlament. Wir hatten nie eine außerparlamentarische rechte Opposition, bei uns mussten die Rechtsextremen nie auf der Straße marodieren, um auf die politische Bühne zu kommen. Im Gegenteil, bei uns haben sie auf dem Akademikerball das Tanzbein geschwungen. Sie waren buchstäblich immer schon salonfähig. Österreichischer Rechtsextremismus tritt anders auf als in Deutschland. Er ist ländlicher, auf eine perfide Art gemütlicher, er findet eher im Bierzelt statt als auf der Straße.

Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, vor allem osteuropäischen Gesellschaften zuzuhören. Wir müssen sehen, was eigentlich eine illiberale Gesellschaft ist. Eine Demokratie, die sich der Kontrollmechanismen entledigt hat, damit Einzelne ihre Geschäfte machen können. Das ist der Punkt. Nicht der Nationalsozialismus, sondern das Ausrauben der Bevölkerung. Rechtsextreme waren immer auch nationalistisch, aber sie waren vor allem auch immer gierig und haben sich die Taschen vollgestopft. Das müssen wir viel stärker aufzeigen: Sie wollen unser Geld.

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Vor zwei Wochen hatte der Falter den Aufruf „Kein Kanzler Kickl“ auf dem Cover, das ist auch eine Form des Protests. Darf man als Zeitung so klar Partei zeigen?

Natürlich war es ein Aktionismus, aber ich glaube, alle 30 Jahre kann man so etwas schon mal machen. Das Cover war in der Redaktion umstritten, wir haben viel diskutiert, aber letztendlich haben wir uns entschlossen, dass Armin Thurnher, der Herausgeber, und ich diesen Appell unterzeichnen. Herbert Kickl hat den freien Medien den Kampf angesagt.

In wenigen Wochen steht in Deutschland die Bundestagswahl an, auch hier ist ein Rechtsruck erwartbar. Krautreporter-Leserin Elli macht sich um die Zukunft unabhängiger Medien Sorgen, sie fragt sich, wie unabhängiger Journalismus in einer von Rechten kontrollierten Umgebung möglich ist. Was können Sie darauf antworten?

In Deutschland leiden die Tagesmedien genau wie in Österreich unter Publikumsschwund. In diese Krisenstimmung donnert jetzt die FPÖ hinein und sagt, wir nehmen euch die Förderung weg. Das ist schon eine unheimliche Entwicklung.

Ich bin aber trotzdem optimistisch. Klassische Medien stehen vor einem großen Systemwandel. Sie müssen sich modernisieren und transparenter werden. Wir müssen Zeitunglesen als Kulturgut wiederentdecken. Ich glaube, dass Rechtsextreme diese Kultur zerstören wollen. Um das zu verhindern, müssen wir dem Publikum zeigen, dass kritischer Journalismus einen Wert hat.

Vielen Dank an die KR-Leser:innen Elli, Andreas, Benjamin und Barbara für die Anregungen zu meinen Fragen!


Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Isolde Ruhdorfer, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audiversion: Christian Melchert und Iris Hochberger

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