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Es gibt wirklich sehr gute Gründe, als queerer Mensch keine Nachrichten mehr zu lesen. Die CDU will das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen. Queerfeindliche Straftaten nehmen in Deutschland zu, wie aktuelle Zahlen des BKA zeigen. Und in Dresden verbrannten drei Männer vergangenen Sommer eine Regenbogenfahne.
Das sehe ich alles auf Instagram oder auf X. Also Plattformen, auf denen ich mal gerne war, weil ich dort auf andere Queers getroffen bin.
Wahrscheinlich sollte ich mich von diesen Nachrichten distanzieren. Ich lese sie aber trotzdem. Oft gehe ich auch in die Kommentarspalte und schaue nach, was andere unter den Beitrag schreiben. Dass gerade in den Kommentaren selten erhellende Aussagen stehen, ist mir natürlich klar. Ich möchte sie trotzdem lesen. Die Kommentare geben mir ein Gefühl davon, wie schlimm die Stimmung da draußen ist.
In den letzten Jahren wurde dieses Gefühl immer schrecklicher. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, sind wir gewissermaßen am Boden angekommen: Auch queere Menschen haben vor, rechte Parteien zu wählen, wie eine nicht-repräsentative Umfrage der Datingplattform Romeo aus dem Jahr 2024 zeigt. Ich finde das absurd und kann es gar nicht glauben. Aber es kommt vor.
Diese Nachrichten betreffen mich direkt und unmittelbar
Ich kann diese Nachrichten nicht ignorieren. Das ist anders als bei Nachrichten zu beispielsweise Weltpolitik, die zwar wichtig sind, aber auf die ich keinen direkten Einfluss habe. Die Nachrichten über steigende Queerfeindlichkeit oder die drohende Rücknahme queerer Gesetze betreffen mich direkt und unmittelbar.
Ich weiß von queeren Veranstaltungen, die mittlerweile Polizeischutz haben. Ich bin selbst nicht trans, aber Menschen, die ich kenne. Was passiert mit denen, wenn das Selbstbestimmungsgesetz abgeschafft wird? Ich weiß es nicht. Aber ich möchte es sofort wissen, wenn es klar ist.
Statt die Nachrichten zu ignorieren, habe ich einen anderen Weg gefunden, damit umzugehen. Seit ein paar Jahren engagiere ich mich ehrenamtlich in einem queeren Verein. Über die Vereinsarbeit und den direkten Kontakt zur Community bekomme ich so ein zweites Gefühl für die Stimmung da draußen. Da ist sie wärmer und konstruktiver, ich fühle mich den Menschen näher. Diese Stimmung ist auch nur ein Ausschnitt, ähnlich wie die Nachrichtenkacheln auf Instagram. Aber zusammen ergibt sich ein Bild, das näher an der Realität ist.
Dazu kommt: Das ist alles nichts Neues. Ich bin, wie viele queere Menschen, Angriffe gewohnt. Noch bevor ich wusste, dass ich schwul bin, wusste ich, dass viele Menschen ein Problem damit haben. Der Kampf um Akzeptanz und Gleichberechtigung ist so alt wie die queere Community selbst. Seit ein paar Jahren wird es wieder anstrengender. Jeder einzelne Angriff ist zermürbend, aber er macht mich auch widerstandsfähig. Mein Partner und ich überlegen jetzt beispielsweise, noch zu heiraten, solange es problemlos geht. Wir gehen in den Überlebensmodus – mal wieder.
Das Problem mit Nachrichtenmüdigkeit ist größer
Nachrichtenmüdigkeit ist ein globaler Trend, der in Deutschland besonders stark ist. Eine Umfrage in der KR-Community hat uns gesagt, dass auch viele unserer Leser:innen darunter leiden. Die gute Nachricht ist: Krisen sind anstrengend, doch wir können damit umgehen.
Meine Kolleginnen Isolde Ruhdorfer und Theresa Bäuerlein beschreiben in diesem Text, warum das eigentliche Problem mit der Nachrichtenmüdigkeit viel tiefer liegt. Und mit einem wenig beachteten Aspekt verbunden sein könnte: mit dem modernen Zeitgefühl.
Redaktion und Bildredaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Lars Lindauer