Collage: Zwei Queere Menschen stehen vor dem Bundestag. Einer trägt eine Queerflagge als Umhang.

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Politik und Macht

Queers, das wollen die Parteien für euch tun (oder auch nicht)

Was verstehen die Parteien unter Familie? Wer will das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen? Ich zeige dir, was die Parteien für queere Menschen zur Bundestagswahl fordern.

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Reporter

Nach 16 Jahren CDU-geführten Regierungen sollte endlich der große Ruck durch die Queerpolitik gehen. Was dann passierte, ist bekannt: Krieg in der Ukraine, Krieg in Gaza, Christian Lindner. Es wurde ein queerpolitisches Rückchen.

Trotzdem konnte die Ampelkoalition auch Versprechen einlösen. Das größte ist die Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes. Bei aller Kritik am Gesetz war lange nicht klar, ob es überhaupt kommt.

Andere Vorhaben wurden nicht umgesetzt: Die Ampel wollte das Abstammungsrecht überarbeiten. Darin ist geregelt, wer Eltern eines Kindes sein können. Bisher ist es beispielsweise nicht möglich, dass zwei Personen von Geburt an auch beide rechtlich Mutter eines Kindes sein können.

Auch von einer Verantwortungsgemeinschaft war die Rede. Das sollte eine Möglichkeit schaffen, rechtlich füreinander Verantwortung übernehmen zu können, dafür aber nicht heiraten zu müssen.

Außerdem wollte die Koalition den dritten Absatz von Artikel 3 des Grundgesetzes („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) überarbeiten. Der Absatz definiert konkreter, was kein Grund für Diskriminierung sein darf, beispielsweise das Geschlecht, die Sprache oder der Glaube. Die sexuelle Identität soll seit Langem in die Liste aufgenommen werden. Das Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt.

Wenn man aktuellen Umfragen glaubt, wird es nach der Wahl nicht mehr für eine progressive Regierung reichen. Die Union und die AfD liegen vorne. Beide Parteien sind nicht gerade für ihre Queerpolitik bekannt.

Es ist leicht, einzelne Forderungen in den Wahlprogrammen zu übersehen. In den Talkshows und im Netz geht es meistens um die großen Themen: Wirtschaft oder Migration. Aber was ist mit den Themen, die wichtig für unser Zusammenleben als Gesellschaft sind, aber weniger Aufmerksamkeit bekommen?

Ich habe mir die Wahlprogramme der Parteien, die im Moment im Bundestag vertreten sind, angeschaut und nach queeren Themen gesucht. Falls du deine Wahl also davon abhängig machen möchtest, welche Partei die Rechte von queeren Menschen am ehesten auf dem Zettel hat, ist hier dein Wahlratgeber.

Die Union
Die SPD
Die Grünen
Die FDP
Die Linke
Das BSW
Die AfD

👉 Die Union

Die Union möchte „unterschiedliche Lebensentwürfe respektieren“ und meint damit neben Patchwork- und Trennungsfamilien explizit auch gleichgeschlechtliche Beziehungen. Außerdem gehören „Verantwortung und Vielfalt“ für die Partei zusammen. An der Ehe als „rechtlich verbindlicher und auf Dauer angelegter Verbindung zweier Menschen“ möchte die Union festhalten – auch für gleichgeschlechtliche Paare.

Das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Regierung möchte die Union wieder abschaffen. Die Ampel hatte es erst im November 2024 eingeführt, es erleichterte unter anderem, den Vornamen und den Geschlechtseintrag zu ändern. Die Union möchte „gerade in der altersbedingt volatilen Lebensphase der Pubertät [ausschließen], dass Persönlichkeitszweifeln mit einem leichtfertigen Geschlechtswechsel begegnet wird.“

Auch für Erwachsene fordert die Union, den Geschlechtseintrag nicht „leichtfertig“ oder „beliebig“ wechseln zu können, sondern erst nach einer ausführlichen und unabhängigen Zweitberatung.

Die Union schreibt, sie stehe zur geschlechtergerechten Sprache, lehne aber den „Genderzwang“ und „Gendersprache“ ab. Das Wort „queer“ kommt im Wahlprogramm nicht vor.

👉 Die SPD

Die SPD steht laut Wahlprogramm hinter dem (auch von ihr umgesetzten) Selbstbestimmungsgesetz und schreibt: „Ein Zurück wird es mit uns nicht geben.“

Die Partei möchte stärker gegen Diskriminierung in öffentlichen und digitalen Räumen vorgehen und lehnt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Kernelement rechtextremer Einstellungen ab. Die „Ausgrenzung von Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft“ werde die SPD nicht dulden.

Außerdem möchte die Partei den Gleichheitsparagraphen im Grundgesetz, Artikel 3 Absatz 3, des Grundgesetzes um sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität erweitern, Regenbogenfamilien sollen im Familien- und Abstammungsrecht vollständig gleichgestellt werden und der Aktionsplan „Queer Leben“ der Ampelregierung soll mit der Zivilgesellschaft weiterentwickelt werden.

👉 Die Grünen

Die Grünen möchten sich ebenfalls für weniger Diskriminierung einsetzen und so unter anderem „Queerfeindlichkeit überwinden“. Dafür soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformiert werden. Sie wollen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken und Beratungsstellen absichern. Außerdem solle Deutschland seinen Vorbehalt gegen die 5. Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie aufgeben. Die Richtlinie soll Menschen davor schützen, wegen ihrer Religion, Weltanschauung, Sexualität oder Behinderung diskriminiert zu werden. Deutschland blockiert die Richtlinie seit Jahren.

Die Partei möchte einen „Nationalen Aktionsplan Antidiskriminierung“ umsetzen und die Arbeit der Beauftragten für Antidiskriminierung, Queeres Leben, Antirassismus und Antiziganismus weiter stärken.

Die Grünen fordern die Verankerung der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes und möchten Hasskriminalität gegen queere Menschen „entschlossen bekämpfen“, indem das Erfassen queerfeindlicher Straftaten verbessert werden soll. Der queere Aktionsplan der Ampelregierung soll „verstetigt“ werden, Beratungs- und Projektstrukturen gestärkt.

Die Partei möchte die Gesundheitsversorgung queerer Menschen verbessern, indem Krankenkassen die Kosten einer Transition übernehmen und Beratungsangebote ausgebaut werden. Nicht notwendige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern sollen nicht mehr möglich sein.

Außerdem will die Partei trans- und intergeschlechtliche Menschen anerkennen, deren „körperliche Unversehrtheit verletzt oder Ehen zwangsgeschieden wurden.“ Sie möchten die Lücken im Verbot von Konversionstherapien schließen und Aufklärungsarbeit über HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten vorantreiben.

Jeder soll diskriminierungsfreien Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen, also beispielsweise zu künstlicher Befruchtung erhalten. Queere Familien sollen im Abstammungsrecht nicht mehr diskriminiert werden, die Partei setzt sich dafür ein, darin auch die Elternschaft von trans, inter und nicht-binären Personen zu berücksichtigen. Die Partei will die rechtliche Situation von Familien mit mehr als zwei Eltern verbessern und es soll eine Möglichkeit geschaffen werden, auch abgesehen von einer Ehe rechtlich verbindlich füreinander sorgen zu können. Die Bedürfnisse von älteren queeren Menschen in der Altenhilfe und Pflege will die Partei verbessern.

Die Bedürfnisse von queeren Menschen, Frauen und Menschen mit Behinderung sollen im Asylverfahren berücksichtigt werden. Auch in der Außen- und Entwicklungspolitik möchte die Partei die „Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen stärken.“

👉 Die FDP

Die FDP stellt sich in ihrem Programm gegen „jede Form von Diskriminierung“ und möchte den Aktionsplan „Queer leben“ und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld finanziell besser ausstatten.

Außerdem soll LSBTI-feindliche Hasskriminalität bundesweit einheitlich erfasst und verfolgt werden. Die Partei möchte den Artikel 3 im Grundgesetz um die sexuelle Identität ergänzen.

Zusätzlich fordert die FDP ein „modernes Fortpflanzungsmedizingesetz“. Damit meint sie die Legalisierung der Eizellenspende und eine Klarstellung, dass die Embryonenspende zulässig sei. Nicht-kommerzielle Leihmutterschaft soll ermöglicht und rechtlich klar geregelt werden. Außerdem will die FDP Kinderwunschbehandlungen finanziell besser fördern, unabhängig vom Familienstand oder der sexuellen Orientierung.

Darüber hinaus will die Partei unterschiedlichen Familienkonstellationen gerecht werden. Die Partei will das Abstammungsrecht modernisieren und unverheirateten Paaren die Möglichkeit geben, Kinder zu adoptieren. Außerdem will die Partei die Verantwortungsgemeinschaft gesetzlich verankern.

👉 Die Linke

Auch Die Linke möchte Regenbogenfamilien gleichstellen und das Abstammungsrecht reformieren, um queere Familien nicht mehr zu diskriminieren. Außerdem will die Partei, dass die Kosten für eine künstliche Befruchtung auch bei unverheirateten heterosexuellen und lesbischen und queeren Paaren von den Krankenkassen getragen werden. Zusätzlich fordert Die Linke eine „umfassende Gesundheitsversorgung queerer Menschen“, vor allem für trans Menschen. Der Zugang zur PreP („Prä-Expositions-Prophylaxe“, ein Medikament zum Schutz vor einer HIV-Infektion) soll ausgebaut werden und medizinische Versorgungseinrichtungen sollen niedrigschwellig und diskriminierungsfrei sein.

Das Selbstbestimmungsgesetz hält die Partei für mangelhaft und möchte es verbessern. „Absurde Regelungen“ sollen gestrichen werden. Beispielsweise die Ausnahme für den Kriegsfall: Bei Menschen, die ihren Geschlechtseintrag im „zeitlichen Zusammenhang“ zu einem Verteidigungsfall ändern möchten, bleibt der männliche Geschlechtseintrag bestehen.

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Die Partei möchte queere Schutzräume wie Jugendzentren, Bars oder Clubs besser schützen und die queere Selbstorganisation stärken, auch auf dem Land.

Außerdem will die Partei Artikel 3 des Grundgesetzes um den Schutz der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität erweitern.

Der Aktionsplan „Queer Leben“ der Ampelregierung soll laut Wahlprogramm weiterhin finanziert werden. Die Partei fordert ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz und eine Novelle des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (das hatte auch die Ampelregierung schon im Koalitionsvertrag stehen, aber nicht umgesetzt). Die Linke möchte zusätzlich die betriebliche Selbstorganisation queerer Menschen verbessern. So möchte sie dagegen vorgehen, dass queere Menschen durchschnittlich schlechter bezahlt werden.

👉 Das BSW

Das BSW lehnt das Selbstbestimmungsgesetz ab, da es, so die Partei, Schutzrechte für Frauen aushöhle. Laut BSW könnten sich Männer so durch bloße Unterschrift zur Frau erklären und damit Zugang zu Frauenschutzräumen erhalten. Frauenrechte dürften nicht auf dem „Altar der politischen Korrektheit geopfert“ werden. Das BSW fasst das unter der Überschrift „Frauenrechte statt Gender-Ideologie“ zusammen. Diese Sorge wird in einer Stellungnahme der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung als „lebensfremd“ bezeichnet.

Die Partei will verhindern, dass „biologische Männer“ beim Sport in Frauenkategorien antreten können. Dabei ist noch nicht klar, ob trans Frauen wirklich Vorteile haben. Außerdem möchte die Partei das Offenbarungsverbot des Selbstbestimmungsgesetzes abschaffen. Es beinhaltet, dass der alte Geschlechtseintrag einer Person nicht ohne deren Zustimmung veröffentlicht werden darf. Sexualstraftäter sollen ihren Geschlechtseintrag nicht mehr ändern dürfen.

Ein „Wechsel der Geschlechtsidentität“ soll aber für die, die ihn „für ein zufriedenes Leben wirklich benötigen“, mit einem ärztlichen Gutachten „diskriminierungsfrei mit einem ärztlichen Attest“ möglich sein.

👉 Die AfD

Auch die AfD möchte das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen und „Pubertätsblocker und nicht medizinisch indizierte Eingriffe zur Änderung des Geschlechts“ verbieten. Sie möchte die „Realität der Zweigeschlechtlichkeit“ wieder anerkannt wissen, auch wenn sie für eine „verschwindend geringe Anzahl von Menschen“ nicht gelten würde. Die Potentiale von Weiblichkeit und Männlichkeit seien etwas Positives und ergänzten sich hervorragend, so die Partei.

Sie fordert außerdem, staatliche Förderungen zur „Indoktrination von Kindern und Jugendlichen“ (die es nicht gibt, Anm. d. Red.) einzustellen und „Geschlechtsumwandlungen“ nur für Erwachsene und nach psychologischen Gutachten zu erlauben. Außerdem soll, wie beim BSW, die „Benennung der Wirklichkeit“ keine Straftat mehr sein. Die Partei meint damit das Offenbarungsverbot aus dem Selbstbestimmungsgesetz.

Familien sieht die Partei unter anderem durch „Trans-Gender-Hype“ und „Frühsexualisierung“ gefährdet. Zur „Ehe für alle“ steht nichts im Wahlprogramm der AfD, es sei aber Beschlusslage der vergangenen und aktuellen Fraktion, die Ehe für Schwule und Lesben wieder abschaffen zu wollen, so die Partei.


Hier findest du die Wahlprogramme der Parteien zum Nachlesen:

👉 Die Union
👉 SPD
👉 Die Grünen
👉 Die FDP
👉 Die Linke
👉 Die AfD
👉 Das BSW


Redaktion: Bent Freiwald, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

Queers, das wollen die Parteien für euch tun (oder auch nicht)

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