Collage: Friedrich Merz vor einer Umfragegrafik.

Maja Hitij/Getty Images, Screenshot INSA Umfrage

Politik und Macht

Das musst du wählen, um Merz als Kanzler zu verhindern

Oder willst du die AfD klein halten? Habeck zum Kanzler machen? Die Linke in den Bundestag bringen? Ich zeige dir, was du mit deiner Stimme bewirken kannst, wenn du sie strategisch einsetzt.

Profilbild von Lea Schönborn
Reporterin

Vieles deutet darauf hin, dass Friedrich Merz (CDU) Deutschlands nächster Kanzler wird. Die AfD hat sich laut Umfragen im Vergleich zu 2021 von zehn auf 20 Prozent Wählerstimmen verdoppelt. Die FDP und die Linke könnten aus dem Bundestag fliegen. Voraussichtlich wird es eine rechts-konservative Mehrheit im nächsten Bundestag geben.

Gleichzeitig stellen viele Menschen in Frage, was ihre Stimme bewegen kann. Verständlich. Aber auch wenn alles festgefahren wirkt: Wenige Stimmen können den Unterschied machen. Sie können beeinflussen, mit wem Merz regiert, ob die Linke in den Bundestag kommt, wie viel Prozent die AfD genau bekommt oder ob es das BSW über die Fünf-Prozent-Hürde schafft.

Auch vor vier Jahren, kurz vor den Wahlen, hatte es nicht so ausgesehen, als könnte die SPD letztendlich den Kanzler stellen. Innerhalb von zwei Monaten hat die SPD 2021 fast zehn Prozentpunkte aufgeholt und Olaf Scholz wurde Kanzler. Der Titel unseres Textes damals war „So kannst du bei der Wahl Laschet verhindern“. Heute erinnert sich kaum jemand mehr an den damaligen CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Armin Laschet. So eine Überraschung ist immer möglich.

Wahlen sind kein Spiel, bei dem man alles alleine entscheiden kann. Trotzdem kann man so wählen, dass bestimmte Konstellationen wahrscheinlicher werden und andere unwahrscheinlicher.

Wenn Friedrich Merz Kanzler wird, was zurzeit relativ wahrscheinlich scheint, macht es einen Unterschied, ob er mit der SPD oder mit den Grünen regiert – oder mit beiden. Es macht einen Unterschied, ob die FDP, die Linke und das BSW im Bundestag vertreten sind und wie viele Stimmen die AfD genau bekommt.

Es geht darum, die AfD auch zukünftig von der Regierung fernzuhalten. „Wenn es der nächsten Bundesregierung in vier Jahren nicht gelingt, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, dann haben wir 2029 ein echtes Problem“, sagte der Berliner Oberbürgermeister Kai Wegner (CDU) beim Neujahrsempfang des Tagesspiegels.

Mehr als 1.700 Menschen haben mir im Vorfeld dieser Recherche verraten, was für sie bei dieser Bundestagswahl am wichtigsten ist. Dieser Text soll ihnen und dir dabei helfen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dieses Ziel zu erreichen. Er ist kein Rezept, keine Prognose, keine Blaupause, sondern fordert dich im besten Fall dazu auf, noch einmal ganz neu über deine Kreuzchen nachzudenken.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hilft den Menschen mit ihrem Wahl-O-Mat seit Jahren herauszufinden, welche Partei sie wählen sollen. Aber dieses großartige Werkzeug hat einen Makel: Es zielt nur auf Inhalte ab. Und Inhalte sind ironischerweise bei einer deutschen Bundestagswahl nicht zwangsläufig die beste Leitschnur für die Wahlentscheidung. Zumindest nicht die einzige.

Ein Beispiel: Wem der Tierschutz wirklich am Herzen liegt, kann die Tierschutzpartei wählen, die verlässlich um die zwei Prozent der Stimmen bekommt – und somit noch nie in den Bundestag eingezogen ist. Vielleicht wäre es deswegen besser, einer Partei seine Stimme zu geben, die auch für Tierschutz eintritt, es aber in den Bundestag schafft. Darüber aber gibt der Wahl-O-Mat keine Auskunft.

Ein zweites Beispiel: Wer auf mehr Klimaschutz hofft, sollte vermutlich die Grünen wählen. Was diese Partei aber in einer Regierung durchsetzen kann, hängt nicht nur von ihr ab, sondern auch von ihren Koalitionspartnern. Die Chancen für die Grünen, ihr Programm in einer rot-grünen Regierung durchzusetzen, stehen höher als in einer Koalition mit der Union.

Dieser Text ist also ein Text für realistische Wähler:innen, manchmal werden sie auch taktische Wähler:innen genannt, weil sie bereit sind, für ein größeres, langfristiges Ziel pragmatisch und agil mit dem zu arbeiten, was sie in der politischen Landschaft vorfinden. Auch hier geht es also um Inhalte, nur ist statt starrer parteipolitischer Identifikation eben Flexibilität gefragt. Du entscheidest, welche Themen dir wichtig sind und welche Probleme du gelöst sehen willst, etwa die Klimakrise. Aber du wählst nicht zwingend die Partei, die sich das Thema auf die Fahne geschrieben hat, sondern die Koalition, die am wahrscheinlichsten gemeinsame Lösungen dafür finden wird. Selbst wer solche Überlegungen ablehnt: Die Szenarien für den Wahlausgang durchzuspielen, macht Spaß und ist lehrreich.

Meine überhaupt nicht repräsentative, aber aufschlussreiche Community-Befragung vor dieser Recherche zeigt, dass sich die meisten KR-Leser:innen Robert Habeck als nächsten Bundeskanzler wünschen. Fast genauso wichtig war den Teilnehmer:innen, die AfD kleinzuhalten und Merz zu verhindern. Hier findest du die Ergebnisse der Umfrage.

Die Befragung zeigt auch, dass für viele Menschen Klimaschutz ein wichtiges Thema ist. Darauf folgen mit großem Abstand soziale Ungleichheit und mit noch größerem Abstand Migration und der Umgang mit Geflüchteten. Das sind die Ziele, für die ich in diesem Text Optionen aufzeige:


Ich will Robert Habeck zum Kanzler machen

Ich muss dich leider enttäuschen: Dass dieser Wunsch erfüllt wird, ist unwahrscheinlich.

Die Grünen stehen aktuell bei etwa 14 Prozent und so stellt man keinen Kanzler. Jetzt denkst du vielleicht an die SPD, die vor vier Jahren innerhalb von zwei Monaten genau das geschafft hat: Sie kletterte von 17 auf 25 Prozent und stellte dann den Kanzler. Das könnte in der Theorie auch den Grünen passieren.

Aber in welcher Koalition? Nun: Die Optionen sind die Ampel, Grün-Rot-Rot und Grün-Rot. Alle drei Optionen sind nicht sonderlich wahrscheinlich: Der Zeit-Online-Koalitionen-Rechner sieht die Chancen dafür bei „nahe Null“ oder führt diese Kombinationen nicht einmal auf.

Damit Habeck Kanzler werden würde und nicht Olaf Scholz, müsste die SPD schwächer sein als die Grünen. Für eine erneute Ampelregierung müsste es die FDP in den Bundestag schaffen und für Rot-Rot-Grün die Linke. Und alle Parteien müssen um einige Prozentpunkte zulegen. Das ist sehr viel Konjunktiv.

Aber: Robert Habeck ist aktuell tatsächlich beliebter als Friedrich Merz oder Olaf Scholz. Präziser ausgedrückt ist er der am wenigsten unbeliebte Kanzlerkandidat. Im Oktober standen die Grünen bei Umfragen noch bei etwa zehn Prozent, jetzt bei fast 15. Seit dem Ende der Ampelkoalition hat die Partei 25.000 Mitglieder dazugewonnen. Während Scholz und Lindner sich zu persönlichen Streits hinreißen ließen, hielt sich Habeck weitgehend raus und kündigte stattdessen mit einem Taylor-Swift-Armbändchen seine „Kanzler-Era“ an. In Lübeck, wo Habecks Wahlkampftour Anfang Januar begann, kamen statt der erwarteten 600 Zuschauer mehr als doppelt so viele. Auch bei den anderen Veranstaltungen sind meist mehr Menschen da, als Platz ist.

Habeck verkauft sich als „Bündniskanzler“, als einer, der verbindet, statt zu spalten. Er sagt, dass gerade in Zeiten, in denen die AfD dazugewinne, alle demokratischen Parteien miteinander regieren können müssen. Entscheidend ist, ob Habeck über das Grünen-typische bürgerliche und klimainteressierte Milieu hinaus weitere Wählergruppen erreichen kann. Aktuell gibt es noch eine Lücke zwischen seinen Beliebtheitswerten und denen der Grünen. Die Frage ist also, ob Habeck diese Lücke schließen kann.

Von Fernsehsendern wird Habeck noch nicht als ernstzunehmender Konkurrent gesehen und die TV-Duelle werden von Merz und Scholz ausgetragen statt von Merz und Habeck. Er ist der Underdog, der darauf hofft, deswegen geliebt zu werden.

Würde Habeck Kanzler werden, wäre das so, als hätte der 1. FC Saarbrücken vergangenes Jahr den DFB-Pokal gewonnen. Der Verein hatte es als Regionalligist bis ins Halbfinale des Pokals geschafft, das war ein riesiger Erfolg. Wenn Habeck zu einer Zweierrunde im Fernsehen eingeladen werden würde, wäre das ähnlich. Aber gewinnen, nun ja, das käme einem Wunder gleich.

👉 Koalitionen, die zum Ziel führen:

  1. Grün-Rot-Rot
  2. Ampel

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Grüne oder
  2. SPD oder
  3. Linkspartei oder FDP

Ich will die AfD kleinhalten

Die erste Empfehlung: nicht die AfD wählen. Danach wird es kompliziert.

Einige CDU-Politiker:innen äußerten sich kritisch zur Brandmauer, zum Beispiel sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, das „Brandmauergerede“ müsse aufhören. Als Reaktion auf die Tat in Aschaffenburg will Friedrich Merz Anträge zur Migrations-und Flüchtlingspolitik noch vor der Wahl einbringen und sagte: „Wer diesen Anträgen zustimmen will, soll ihnen zustimmen – und wer sie ablehnen will, der soll sie ablehnen.“ Einige interpretieren das als Schritt der CDU in Richtung AfD und befürchten, dass die Brandmauer Risse bekommen hat. Wer die AfD kleinhalten will, sollte sich also überlegen, ob er oder sie die CDU/CSU wählen sollte.

Seit Jahren zerbrechen sich Politikwissenschaftler:innen, Politiker:innen und Aktivist:innen den Kopf, wie die AfD zurückgedrängt werden könnte. Der anhaltende Erfolg der AfD zeigt, dass das perfekte Gegenmittel noch nicht gefunden wurde. Für den Wahlzettel gibt es aber vier konkrete Wege, wie du Einfluss nehmen kannst.

Erstens: Wenn in deinem Wahlkreis ein Direktkandidat der AfD die Chance hat zu gewinnen und du eigentlich grün wählst, die SPD-Kandidatin aber eine größere Chance hat, gegen den Kandidaten der AfD zu gewinnen, dann ist es eine Überlegung wert, deine Erststimme der SPD zu geben.

Eine Einschränkung gibt es. Seit der von der Ampel durchgesetzten Wahlrechtsreform gibt es keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Das heißt, es kommen nur so viele Abgeordnete in den Bundestag, wie die Partei Zweitstimmen erhalten hat. Wer als Direktkandidat gewählt wurde, hat also keine Garantie mehr, in den Bundestag zu kommen.

Trotz dieser Einschränkung: Für deinen Wahlkreis macht es einen Unterschied, wer ihn repräsentiert. Denn der Politiker, der bei dir gewählt wurde, ist auch für die Belange deines Wahlkreises verantwortlich. Aktuell wird mit bis zu 45 Direktmandaten für die AfD gerechnet, ein paar weniger können als Erfolg gewertet werden.

Die zweite Option: Wähle eine Partei, die Chancen auf den Bundestag hat, aber knapp an der Fünfprozenthürde oder an den notwendigen drei Direktmandaten scheitern könnte. Würden die Linke und die FDP beide nur mit vier Prozent gewählt werden oder keine drei Direktmandate erhalten, wären diese Stimmen verloren und würden auf die anderen Parteien anteilmäßig entsprechend ihren Wahlergebnissen verteilt werden. Die Stimmen der AfD wären somit mehr wert. Je mehr Parteien im Bundestag vertreten sind, desto weniger Anteile bekommt die AfD. Natürlich ist das ein Risiko. Denn wenn man seine Stimme an Linke, FDP oder BSW vergibt, sie es jedoch nicht in den Bundestag schaffen, dann ist die eigene Stimme „vergeudet“. Es würden die Parteien profitieren, die Sitze bekommen haben – auch die AfD.

Würde die AfD mehr als ein Drittel der Sitze einnehmen, hätte sie eine Sperrminorität. Alleine wird sie das vermutlich nicht schaffen, aber käme das BSW in den Bundestag und FDP und Linke nicht, könnten AfD und BSW mit etwa 30 Prozent bereits ein Drittel des Bundestags darstellen. So könnten sie gemeinsam bestimmte Entscheidungen blockieren.

Wenn das BSW es nicht in den Bundestag schafft, ist eine Sperrminorität durch die AfD aktuell eher unwahrscheinlich. Die AfD hat eh höhere Ziele als eine Sperrminorität mit dem BSW im Blick: Es ist das erste Mal in der Geschichte der Partei, dass die AfD eine Kanzlerkandidatin aufgestellt hat. Und Alice Weidel sieht angesichts der guten Umfragewerte einen Regierungsauftrag für ihre Partei, auch wenn keine der anderen Parteien mit ihr regieren will. Aktuell wäre die AfD die zweitstärkste Kraft.

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Die dritte Option: Wem es wichtig ist, dass die AfD nicht die zweitstärkste Partei wird, der sollte die Grünen oder die SPD wählen, denn beide Parteien haben Chancen darauf, stärker als die AfD zu werden. Die Grünen stehen Ende Januar bei Umfragen bei ungefähr 14 Prozent, die SPD bei 18. Die SPD ist eine Partei, die ein bodenständiges Image hat und ein erwartungsgemäß höheres Wählerpotential. Hier ist es dir überlassen, wem du mehr Chancen einräumst, die zweitstärkste Kraft zu werden.

Und: Politik ist mehr, als Kreuze auf einem Zettel am Tag der Wahl zu setzen. Bei der Bundestagswahl 2021 hat etwa ein Viertel der Wahlberechtigten nicht gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in deinem Umfeld Leute gibt, die nicht wählen, weil sie denken, dass ihre Stimme keinen Unterschied macht, ist also relativ hoch (wenn du mindestens vier Personen kennst).

Wenn jede dieser Personen eine demokratische Partei wählt, hat die AfD prozentual weniger Stimmen. Wenn die zum Wählen animierte Person – oder du – aber eine kleine Partei wählt, die womöglich nicht in den Bundestag kommt, zum Beispiel Volt oder die Tierschutzpartei, macht das die AfD stärker, weil die nicht genutzten Stimmenanteile auf die anderen Parteien aufgeteilt werden würden.

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Erststimme: Wähle in deinem Wahlkreis den Kandidaten, der die höchsten Chancen hat, gegen den oder die AfD-Kandidat:in zu gewinnen.
  2. Zweitstimme: Wähle eine Partei, die knapp an der Fünfprozenthürde oder den drei Direktmandaten scheitern könnte (Linke oder FDP).
  3. Wähle keine Partei, die sehr geringe Chancen hat, in den Bundestag zu kommen.
  4. Wähle Grüne oder SPD, damit die zweitstärkste Kraft werden – und nicht die AfD.

Ich will Friedrich Merz als Kanzler verhindern

Die CDU liegt bei aktuellen Wahlumfragen mit Abstand vorne, etwa ein Drittel der Wahlberechtigten wollen sie wählen. Friedrich Merz stehen somit verschiedene Optionen offen. Er könnte mit der SPD, mit den Grünen, gemeinsam mit beiden Parteien oder mit der FDP (wenn die es in den Bundestag schafft) koalieren. Am wahrscheinlichsten ist von den aktuellen Umfrageergebnissen her eine Koalition mit der SPD und den Grünen gemeinsam, dann mit der SPD allein, gefolgt von der mit den Grünen.

Um Merz als Kanzler zu verhindern, muss eine Koalition ohne die Union an die Regierung kommen, oder die Union muss Juniorpartnerin werden. Und das ist ungefähr so wahrscheinlich wie ein Elon Musk, der die „Internationale“ singt. Da keine Partei mit der AfD koalieren will und die AfD voraussichtlich nicht stärkste Kraft wird, scheidet eine Variante mit ihr aus. Eine AfD-Regierung ist wahrscheinlich ohnehin nicht das, was du willst, wenn du diesen Text liest und Merz als Kanzler verhindern willst.

Es ist eine wohlüberlegte Wette: Schaue dir Umfragen an, lies Artikel und entscheide, ob du auf Habeck oder Scholz setzt.

Die Grünen profitieren vom Ampel-Aus, gleichzeitig sind sie immer noch das Feindbild für viele Wählergruppen (und für den CSU-Vorsitzenden Markus Söder). Ihr Streberimage klebt an ihnen wie Cum-Ex an Olaf Scholz. Die große Frage ist also, ob die Grünen potenzielle Wähler:innen über ihr typisches Klientel hinaus erreichen können. (Siehe: Habeck zum Kanzler machen.)

Olaf Scholz war als Bundeskanzler ziemlich unbeliebt und auch bei aktuellen Umfragen schneidet er nicht gut ab. Für viele ist er ein uncharismatischer Kanzler, der während seiner Regierungszeit wenig präsent war. Gleichzeitig steht die SPD für Stabilität, während die Grünen dafür stehen, alles teurer zu machen. Wenn Donald Trump mit ersten Amtshandlungen die Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung verstärkt, könnte die SPD davon profitieren.

Eine erneute Ampelregierung ist theoretisch möglich. Aber praktisch erreichen die drei Parteien zusammen aktuell nur etwa 34 Prozent. Ohne die Linke und das BSW im Bundestag würden diese 34 Prozent schon mehr zählen, nämlich etwa 40 Prozent.

Wer also die Ampel will, sollte auf keinen Fall links oder BSW wählen und stattdessen eine der drei Ampel-Parteien. Und: Sie müssten ungefähr neun Prozentpunkte dazugewinnen. Man müsste also auf die FDP setzen, damit die Partei in den Bundestag kommt und ein Regierungspartner sein könnte. Es will aber niemand eine neue Ampelregierung – außer Olaf Scholz, der kurz nach dem Ampel-Aus sagte, dass er „nichts Generelles“ gegen die FDP habe.

Ähnlich unwahrscheinlich sieht es für eine rot-grün-rote Regierung aus. Chancen gäbe es vor allem dann, wenn FDP und BSW nicht in den Bundestag kämen. Gewählt werden sollte für diese Wette, die immer noch wahrscheinlicher ist, als eine Million Euro beim Lotto zu gewinnen, vor allem die Linke. Spitzenkandidat der Linken Jan van Aken schätzt die Lage im Podcast „Jung und Naiv“ so ein: „Für irgendeine Art von Regierung mit SPD und Grünen reicht das niemals.“ Die Linke wolle nicht regieren, sie wolle verändern, so das Motto von van Aken.

👉 Koalitionen, die zum Ziel führen:

  1. Rot-Grün-Rot
  2. Ampel

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Linkspartei oder FDP je nach Präferenz oder
  2. SPD oder
  3. Grünen

Ich will Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot-Grün

Die meisten der Umfrage-Teilnehmer:innen glauben, dass mit Schwarz-Grün am meisten für ihr Thema getan werden würde, dicht gefolgt von Schwarz-Rot-Grün. Vermutlich sind es die realistischen Antworten derjenigen, die sich eigentlich Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün wünschen, aber wissen, dass das in diesem Jahr nicht passieren wird.

Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat keine Koalition ausgeschlossen, auch eine mit den Grünen nicht. Anfang Januar erklärte er: „Wir führen keinen Koalitionswahlkampf, sondern wir führen einen Wahlkampf ausschließlich für CDU und CSU.“ Nur einer hat was gegen eine Koalition mit den Grünen und zwar der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Ihm zufolge sei eine Koalition mit den Grünen ein „No-Go“. Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther wiederum stellte klar, dass eine Zusammenarbeit mit den Grünen in seinem Bundesland wunderbar funktioniere.

Die bisherigen Umfrageergebnisse deuten eher auf eine Große Koalition (GroKo) hin. In Meinungsumfragen findet eine GroKo die meiste Zustimmung beziehungsweise geringste Ablehnung (46 Prozent Befürwortung, 49 Prozent Ablehnung). Schwarz-Rot steht für Stabilität: Wenn die Welt unruhig ist, sehnen sich viele nach einer gewissen Sicherheit im eigenen Land. Die CSU findet, dass mit den Sozialdemokraten in der Migrationspolitik mehr zu machen sei, schreibt die FAZ.

Die Grünen sind derweil auf Mitte-Kurs, um sich als Partner attraktiv zu machen. Sie wollen weiter regieren. Es ist gewissermaßen Habecks letzte Chance, mit seiner Realo-Position zu punkten. Vor Kurzem forderte er, dass Deutschland 3,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben solle, aktuell gibt Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigungszwecke aus. Habeck sagte auch, dass Syrer:innen ohne Arbeit in ihre Heimat zurückkehren sollten, wenn es dort wieder sicher sei. Klimaschutz spielt im Wahlkampf der Grünen kaum eine Rolle.

Trotzdem hoffen Menschen, denen Klimaschutz am Herzen liegt, dass sich die Grünen, würden sie regieren, mehr für Klimaschutz einsetzen als zum Beispiel die SPD.

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Wer Schwarz-Grün will, muss Grün wählen.
  2. Wer Kenia will (Schwarz-Rot-Grün), muss Grün wählen.
  3. Wer Schwarz-Rot will, muss SPD wählen.

Ich will die Linke in den Bundestag bringen

Die Linke hat seit Jahren damit zu kämpfen, es überhaupt in den Bundestag zu schaffen. Und dann verließ auch noch Sahra Wagenknecht die Partei und nahm einige Abtrünnige mit sich. Seitdem ist die Linke im aktuellen Bundestag nur noch eine Gruppe und keine Fraktion mehr. Im Herbst 2024 traten weitere Linke aus – wegen Streitigkeiten um die Positionierung zum Nahostkonflikt. Man könnte sagen, das ist die Linke, wie man sie kennt: In Klein-Klein verwickelt, statt das große Ganze im Blick zu haben.

Es gibt ein großes Aber. Seit Wagenknechts Abgang und dem Ampel-Aus sind rund 16.000 Personen in die Partei eingetreten. Laut der Linken ist das „die größte Eintrittswelle in der Geschichte der Partei“. Die Partei hat sich verjüngt und versucht, sich neu zu erfinden. Die Spitzenkandidat:innen Jan van Aken und Heidi Reichinnek konzentrieren sich voll auf die soziale Frage. Ihr Motto ist: weniger Identitätspolitik, mehr Klassenkampf.

In Wahlumfragen steht die Linke momentan bei ungefähr vier Prozent. Eine Umfrage rechnete der Linken vor Kurzem sogar fünf Prozent zu, was auf dem Insta-Account der Partei mit großer Euphorie aufgenommen wurde. Die besten Chancen hat die Linke aber, über drei Direktmandate in den Bundestag zu kommen. Möglich macht das die sogenannte Grundmandatsklausel: Wer unter fünf Prozent der Wählerstimmen erzielt, aber drei Direktmandate erhält, kommt trotzdem in den Bundestag. Zuständig dafür sollen drei bekannte ältere Herren sein, die sogenannte Mission Silberlocke: Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch. Ramelow tritt im Wahlkreis Erfurt-Weimar-Weimarer Land II an, Gysi in Berlin Treptow-Köpenick und Bartsch in Rostock-Landkreis Rostock.

Bodo Ramelow hat seinen Wahlkreis bei allen Landtagswahlen in Thüringen seit 2014 gewonnen. Bei der Wahl im September 2024 holte er sein Direktmandat mit 42,4 Prozent der Stimmen. Ihm folgte Alexander Claus von der AfD mit 20 Prozent.

Gysi hat seinen Wahlkreis in Treptow-Köpenick seit 2005 konstant gewonnen. 2021 zuletzt mit 35,4 Prozent, mehr als die Zweit- und Drittplatzierten SPD und CDU (damals Eisschnellläuferin Claudia Pechstein) zusammen. Auch bei der Teilwiederholung 2024 änderte sich das nicht.

Von den drei Silberlocken ist Dietmar Bartsch in Rostock der Wackelkandidat. Bei den letzten beiden Bundestagswahlen verpasste er das Direktmandat jeweils als Zweitplatzierter ziemlich deutlich, einmal im Duell mit der CDU, einmal mit der SPD.

Wenn Bartsch es nicht schafft, gibt es aber noch weitere Optionen. Zum Beispiel könnte Sören Pellmann seinen Wahlkreis in Leipzig-Süd gewinnen. Das ist ihm bereits zweimal gelungen, dieses Mal könnte es aber knapp werden.

Die Spitzenkandidatin Ines Schwerdtner tritt in Berlin-Lichtenberg an. Seit 2005 hat die Linke Gesine Lötzsch den Wahlkreis zuverlässig gewonnen und der Linken 2021 so den Einzug in den Bundestag mit gesichert. Nun ist Schwerdtner an der Reihe, der Linken den Einzug zu sichern. Aber auch hier ist die Linke durch Abgänge zum BSW geschwächt.

Das heißt: Wer die Linke in den Bundestag bringen möchte, muss auf die Direktmandate hoffen. In Erfurt, Weimar und Rostock, in Berlin-Treptow oder Berlin-Lichtenberg, in Leipzig-Süd sollte man also mit der Erststimme auf jeden Fall die Linke wählen. Und auch die Zweitstimme ist nicht verschenkt: Wenn die Linke es in den Bundestag schafft, werden die Zweitstimmen wichtig. Denn die entscheiden darüber, wie viele Abgeordnete die Linke in den Bundestag schicken darf. So ist es in der Grundmandatsklausel bestimmt.

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Setze deine Erststimme für Links ein, wenn der oder die Kandidat:in der Linken in deinem Wahlkreis eine Chance auf das Direktmandat hat.
  2. Wähle mit der Zweitstimme auch links.

Ich will Volt in den Bundestag bringen

Volt wählen jene, die nicht mehr Grüne oder SPD wählen wollen, aber auf keinen Fall rechts. Bei der Europawahl 2024 haben 2,6 Prozent der deutschen Wähler:innen für Volt gestimmt. In diesem Text habe ich aufgeschrieben, warum Volt für so viele Menschen eine Option war. Volt füllt die Lücke einer wissenschaftsbasierten sozialliberalen Partei. Volt bekam fünf Sitze im Europaparlament, drei davon durch Stimmen aus Deutschland, weil es bei EU-Wahlen keine Fünf-Prozent-Hürde gibt.

Bei der Bundestagswahl sieht es anders aus. Wer Volt wählt, macht sehr wahrscheinlich die konservative beziehungsweise rechte Mehrheit im Bundestag stärker. Außer es gibt die Riesenüberraschung, dass Volt es in den Bundestag schafft. Das wäre ungefähr so, als würde der 1. FC Saarbrücken die Champions League gewinnen. (Das ist noch krasser als der DFB-Pokal.)

Viele SPD-, FDP- und Grünen-Wähler:innen sind enttäuscht davon, wie ihre Parteien in der Regierung agiert haben und wollen deswegen etwas ganz anderes wählen. Das ist verständlich. Dennoch ist es eine Abwägung wert, ob der Protest auf der einen oder die Zusammensetzung des Bundestages auf der anderen Seite wichtiger ist.

Wenn du Volt toll findest, weil sie sich für Klimaschutz einsetzen, könntest du darüber nachdenken, dein Kreuz bei den Grünen zu setzen. Wenn du Volt wegen ihrer Sozialforderungen wählen willst, könntest du dein Kreuz stattdessen bei der Linken oder der SPD setzen. Wer denkt, dass Volt wie die FDP ist, liegt falsch: Die beiden Parteien haben mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Volt will Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 und eine CO2-Steuer, die FDP bis 2050 und keine CO2-Steuer. Volt will die Schuldenbremse reformieren, die FDP nicht. Volt will eine menschenwürdige Unterbringung für Asylbewerber:innen und die FDP ein härterers Asylrecht.

👉 Setze dein Kreuz bei:

  1. Volt

Wenn du bestimmte Volt-Inhalte pushen willst, bei:

  1. Grüne oder
  2. SPD oder
  3. Linke oder
  4. FDP

In der Umfrage in der KR-Community wünscht sich eine Person, dass der Kommunismus zurückkommt. Jemand anderes will, dass die Grünen gemeinsam mit Volt regieren. KR-Mitglied Bernd wünscht sich eine „grüne Alleinregierung“.

Diese Wünsche werden auch mit strategischem Wählen nicht in Erfüllung gehen. Denn man wählt nicht allein, sondern gemeinsam mit 60 Millionen anderen Wahlberechtigten. Ich wünsche fröhliches Wählen, egal ob strategisch, impulsgetrieben oder aus purer Liebe zur Partei. Und ich übernehme natürlich keine Haftung für dein Kreuz.


Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger

Anmerkung: Im Text stand erst, dass die Linken-Spitzenkandidat:innen Jan van Aken und Ines Schwerdtner auf Klassenkampf setzen würden. Richtig ist aber, dass Heidi Reichinnek gemeinsam mit van Aken Spitzenkandidat:in ist. Schwerdtner ist gemeinsam mit van Aken Bundesvorsitzende.

Das musst du wählen, um Merz als Kanzler zu verhindern

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