Collage. Links: Nazis machen den Hitlergruß. Rechts: Elon Musk macht den Hitlergruß auf der Amtseinweihungsparty von Donald Trump.

Screenshot Youtube, Hulton Archive/Getty Images

Politik und Macht

Kommentar: Ja, das war ein Hitlergruß

Elon Musk zeigte laut deutschen Medien eine „merkwürdige Geste“. Doch wir sollten nicht vor Nazi-Vergleichen zurückschrecken, wenn sie so offensichtlich sind.

Profilbild von Lea Schönborn
Reporterin

Donald Trump wurde gestern in sein Amt eingeführt und Elon Musk zeigte bei seiner Rede einen Hitlergruß. Aber deutsche Medien bezeichneten den Hitlergruß danach nur als „fragwürdige Geste“, als „möglichen“ oder „vermeintlichen“ Hitlergruß oder als „Hitlergruß-ähnliche Geste“.

Wir müssen es als das benennen, was es war: ein Hitlergruß.

Deutsche Medien blieben im Ungefähren und bei vorsichtigen Formulierungen, die einem das Gefühl geben, dass da etwas nicht ganz klar war: War es wirklich ein Hitlergruß? Darf man das schreiben? Mit dem Drumherum reden wird die Wahrnehmung vieler Menschen in Frage gestellt. Was diese Medienschlagzeilen bewirken, ist perfide. Sie senden die Botschaft: „Traue deinen eigenen Augen nicht!“ Ist das nicht das genaue Gegenteil des Auftrags von Reporter:innen?

Als unser Fotoredakteur mir das mögliche Bild für diesen Text schickte, war mein erster Gedanke: Können wir das wirklich so bringen? Können wir Elon Musk neben echte Nazis stellen? Der Vergleich hat Unbehagen ausgelöst, wahrscheinlich dasselbe Unbehagen, das andere Journalist:innen dazu gebracht hat, von „vermeintlich“ und „möglich“ zu sprechen. Wir haben Angst vor Nazi-Vergleichen. Wir haben in der Schule gelernt, dass die Nazi-Zeit mit nichts vergleichbar ist. So sehr, dass wir einen Hitlergruß nicht als das benennen, was wir mit den eigenen Augen so klar sehen. Es ist kein Missverständnis möglich: Das, was Musk gezeigt hat, ist ein Hitlergruß.

Beim Anschauen des Videos, nur kurz nach dem Hitlergruß, dachte ich schon wieder: Es ist ein kleiner Junge, der ein bisschen zu viel Macht hat. Ich musste lachen, weil es so dumm ist, weil er so albern aussieht, weil er nicht cool ist. Es macht Spaß, sich über ihn lustig zu machen.

Es ist lustig, dass er bei einem Computerspiel bescheißt, während die ganze Welt zuschaut. Aber es ist überhaupt nicht lustig, dass dieser Mann neben X und Tesla eines der mächtigsten Länder der Welt mitlenkt. Es ist nicht lustig, dass dieser Mann die AfD unterstützt. Es ist nicht zum Lachen, dass er der reichste Mann der Welt ist.

Die Schriftstellerin Rebecca Shaw schrieb kürzlich in einem Essay für den Guardian: „I knew one day I’d have to watch powerful men burn the world down – I just didn’t expect them to be such losers“. Auf Deutsch: „Ich wusste, dass ich eines Tages zusehen müsste, wie mächtige Männer die Welt niederbrennen – ich hatte nur nicht erwartet, dass sie solche Versager sein würden.“

Shaw bringt mit diesem einen Satz auf den Punkt, was ich und andere die ganze Zeit fühlen. Wir wollen es nicht wahrhaben, dass solche Männer Macht über uns haben.

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Wir sehen sie und denken: Das sind kleine nervige Jungs, die ein bisschen spielen. Aber indem wir sie so klein machen, nehmen wir sie nicht ernst. Denn sie spielen nicht nur ein bisschen für sich, sie spielen mit uns. Sie machen nicht nur die Regeln für ihre eigene kleine Fantasiewelt, sie machen die Regeln, denen wir uns anpassen müssen.

Es ist ein großes Problem, dass wir sie nicht ernst nehmen, als das, was sie sind. Die Loser von heute sind gefährlich, denn sie kontrollieren unsere Welt.

Die Welt gerade ist schlimm: In den USA kommt mit Trump einer an die Macht, der seine Amtszeit und die Umstrukturierungen diesmal besser vorbereiten konnte. Die USA sind bereits aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation ausgestiegen.

In Deutschland steht die AfD bei 20 Prozent, in unserem Nachbarland Österreich wird ein Rechtsextremer wahrscheinlich Kanzler. In Deutschland riefen die AfD-Anhänger beim Parteitag in Riesa „Alice für Deutschland“, eine Hommage an die SA-Parole „Alles für Deutschland“. Und Alice Weidel sagte dort: „Wenn es Remigration heißen soll, heißt es eben Remigration.“

In den nächsten Jahren gilt mehr als in den vergangenen: Traue deinen Augen und Ohren. Alles ist zu erkennen.


Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Lars Lindauer, Bildredaktion: Philipp Sipsos