Der Aufstieg Adolf Hitlers war nicht unaufhaltsam. Er hätte sogar noch in letzter Minute verhindert werden können.
Und zwar am 30. Januar 1933. Vor dem Amtssitz des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg hatte sich das künftige „Kabinett der nationalen Konzentration“ versammelt. Hitler sollte dieses Kabinett als Reichskanzler anführen. Um Punkt 11 Uhr wollte Hindenburg es zügig vereidigen. Gerüchte gingen um, dass die deutsche Armee, die Reichswehr, einen Putsch vorbereitete. Deswegen musste alles schnell gehen.
Aber um 11.15 Uhr stand die künftige Regierung immer noch vor dem Amtssitz. Sie ließ den Präsidenten warten – ein Affront, allerdings kein wohlkalkulierter.
Denn Adolf Hitler und der nationalkonservative Medienmogul Alfred Hugenberg von der Deutschnationalen Volkspartei DNVP hatten begonnen zu diskutieren. Der Nationalsozialist eröffnete Hugenberg, dass er sich am Tag zuvor mit dem Kabinettskollegen Franz von Papen abgesprochen hatte. Sobald das neue Kabinett im Amt sei, so Hitler, solle es zügig auf Neuwahlen und anschließend auf ein Ermächtigungsgesetz drängen.
Hugenberg wusste, dass seine Partei bei Neuwahlen verlieren würde. Hitler versicherte ihm vor Hindenburgs Amtssitz, dass sich auch in diesem Falle nichts an seiner Stellung als Minister ändern würde. Aber Hugenberg zögerte.
Hitler benötigte Hugenberg, um Kanzler zu werden. Der alte Reichspräsident von Hindenburg hatte immer wieder betont, dass er Hitler nicht die alleinige Macht übertragen werde. „Er könne es vor Gott, seinem Gewissen und dem Vaterlande nicht verantworten, einer Partei die gesamte Regierungsgewalt zu übertragen, noch dazu einer Partei, die einseitig gegen Andersdenkende eingestellt wäre“, hatte Hindenburg ein halbes Jahr zuvor gesagt und so eine Alleinregierung der NSDAP verhindert. Das war Hitlers erste große politische Niederlage gewesen. Sie kratzte am Erfolgsimage Hitlers und seiner Partei. Weil aber nun die anderen nationalistischen Kräfte die Nazis „einrahmen“ würden (wie sie selbst glaubten), war Hindenburg bereit, Hitler zum Reichskanzler ernennen.
Wäre da nicht Hugenberg, der sich querstellte. Die Diskussionen dauerten an. Ein Nein von ihm und Hitlers Weg zur Macht wäre verbaut. Es wäre die nächste große politische Niederlage für Hitler, dessen Partei in den letzten Wahlen bereits an Boden verloren hatte. In Thüringen, wo die Nazis ab 1930 zum ersten Mal mitregiert hatten, hatten sie bei der folgenden Gemeindewahl 40 Prozent der Stimmen verloren. Auch bei der letzten reichsweiten Wahl im November 1932 landete die NSDAP nur noch bei 33 Prozent, vier Prozentpunkte weniger als bei der Wahl im Sommer des gleichen Jahres.
Dann aber stürzte ein Gehilfe des Präsidenten mit der Uhr in der Hand heraus und mahnte zur Eile. Man dürfe den Präsidenten nicht länger warten lassen. Hugenberg sagte nicht Nein, der Moment verstrich und Hindenburg ernannte Hitler zum Kanzler.
Hätte Hugenberg abgelehnt, wäre die Alternative aus heutiger Sicht auch schmerzlich gewesen: ein „Kampfkabinett“ zwar ohne Hitler und die Nazis, das sich aber allein auf die Macht des Militärs und präsidialer Notverordnungen gestützt hätte. „Diese Lösung wäre auf eine kaum verhüllte Militärdiktatur hinausgelaufen“, schreibt der Historiker Volker Ullrich in seinem Buch „Schicksalsstunden einer Demokratie“, aus dem auch die Beschreibung dieser denkwürdigen Szene stammt.
Es gab viele Chancen, die Weimarer Republik zu verteidigen und zu festigen. Aber als sich diese Szene abspielte, lag die Weimarer Republik bereits im Sterben. 100 Jahre danach ist klar, dass zu diesem späten Zeitpunkt selbst eine Militärdiktatur besser gewesen wäre als das, was dann mit dem millionenfachen Völkermord an den Juden folgte.
Wer Geschichte rückwärts erzählt, von der Warte des Danach-Geborenen aus, greift zu immer breiteren Formulierungen, je weiter das Geschehen zurückliegt. Die kleinen Gelegenheiten, Unwägbarkeiten und Zufälle verschwinden unter den grundsätzlichen Beschreibungen der Ereignisse. Am Ende ist dann immer alles so gekommen, wie es kommen musste.
Und im Falle von Hitlers Aufstieg waren die Nazis die allerersten, die diese Geschichte erzählten, vom „unaufhaltsamen“, „schicksalshaften“ Aufstieg des Führers – eine Propaganda-Erzählung, die bis heute nachhallt.
Aber nichts daran war schicksalhaft. Extremisten kommen an die Macht, weil sie an die Macht gelassen werden. Auch die Weimarer Republik hätte erfolgreich sein können, das zeigt Ullrichs Buch. Diese mit schwerem Gepäck beladene Demokratie hatte zwischen 1918 und 1933 mindestens sechs Chancen, das Unheil abzuwenden. Das heute zu lesen, in diesem Januar 2025, macht Mut.
Denn wie viele haben noch im Ohr, dass diese Republik „zum Scheitern verurteilt war“, wie es in den Schulbüchern hieß?
Viele Historiker:innen lehnen es ab, über „Was-Wäre-Wenn“ nachzudenken. Zu unwissenschaftlich. Aber es sind genau diese Gedankenspiele, die einen Möglichkeitsraum öffnen. Wenn es eine alternative Geschichte geben könnte, dann, ja klar, ist eine andere, alternative Zukunft umso möglicher.
Die Weimarer Republik war nicht zum Scheitern verurteilt. Sich nochmals die Situationen von damals vor Augen zu führen, schärft den Blick für die Möglichkeiten von heute.
Schon kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bot sich den Sozialdemokraten die erste Chance.
Erste Chance: Nach der Revolution die Republik festigen
Überall im Land bildeten sich im Jahr 1918 Soldaten- und Arbeiterräte. Ein Generalstreik legte die Hauptstadt Berlin lahm und Kaiser Wilhelm II. dankte ab. „Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das Alte, Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt!“, rief Philipp Scheidemann, ein führender Sozialdemokrat vom Balkon des Reichstages. Deutschlands erste Republik entstand im November 1918.
Ein Maschinengewehrposten der neuen Volksmarine hat im November 1918 vor dem Berliner Schloss Stellung bezogen. Bundesarchiv, Bild 146-1971-038-54 / CC-BY-SA 3.0
Aber Scheidemann irrte sich. Der Militarismus war nicht besiegt. Die alten Eliten des Kaiserreichs, die Generäle, die Gutsbesitzer Preußens und die gesamte aristokratische Klasse zogen sich nicht zurück. Sie waren auf Rache aus und die neue Republik wurde ihr Hauptfeind.
Aber nach dem Krieg waren zunächst die Sozialdemokraten die stärkste politische Kraft und wurden zur wichtigsten Säule der neuen Republik. Sie versäumten es aber, Deutschland nicht nur eine neue Verfassung, sondern auch eine neue innere Verfasstheit zu geben.
„In der Revolution von 1918/19 hätten die regierenden Sozialdemokraten mehr an gesellschaftlichen Veränderungen durchsetzen können und weniger an Altem bewahren müssen“, schreibt Ullrich. „Die Sozialisierung des Steinkohlebergbaus, eine Agrarreform in Ostelbien, die Entlassung von kaiserlichen Spitzenbeamten und eine Demokratisierung der Verwaltung, der Aufbau einer republiktreuen Truppe – all das wäre in den ersten Wochen nach dem 9. November möglich gewesen, als die alten kaiserlichen Funktionseliten ihre Kräfte bislang nicht wieder gesammelt hatten.“ All das aber gingen die neuen führenden Politiker Deutschlands nicht an. „Kein einziger hoher Funktionsträger des alten Systems wurde entlassen“, schreibt Ullrich.
Ob es gelingen könnte, auf diesem wackeligen Fundament die neue deutsche Demokratie zu festigen, war schon damals fraglich. Es war aber nicht ausgeschlossen.
Zweite und dritte Chance: Ein gescheiterter Putschversuch und ein erfolgreicher politischer Mord
Die ultranationalistische Marinebrigade “Ehrhardt” führte den Kapp-Putsch im März 1920 in Berlin an. Bundesarchiv, Bild 119-1983-0015 / CC-BY-SA 3.0
Entscheidend war, wie die neue Demokratie mit ihren Gegnern umgehen würde, sobald diese zum Gegenschlag ausholen würden. Die erste Probe stand schon 1920 beim Kapp-Lüttwitz-Putsch an.
Wolfgang Kapp war ein hoher preußischer Beamter. Er wurde im Ersten Weltkrieg bekannt, weil er absurd weitreichende, unnachgiebige Kriegsziele formulierte. Nach dem Krieg tat er sich mit General von Lüttwitz und General Ludendorff zusammen, um eine Brigade extrem nationalistischer Marinesoldaten nach Berlin zu führen und dort die Regierung zu stürzen.
Das gelang ihnen für wenige Tage, aber schon bald scheiterte ihre Konterrevolution. Denn die Bevölkerung erhob sich gegen Kapp und seine Mitstreiter. Ein Generalstreik legte die ganze Republik lahm. Die SPD und die Gewerkschaften hatten ihn ausgerufen, die Kommunistische Partei hatte sich später dem Aufruf angeschlossen. Im ganzen Land bestreikten Arbeiter ihre Betriebe. Gleichzeitig weigerten sich viele Beamte in den Ministerien, den Befehlen der neuen Machthaber Folge zu leisten. Nach wenigen Tagen brach die Konterrevolution in sich zusammen.
Große Teile des Militärs hatten in diesen Tagen gezeigt, dass sie mit der Republik nichts am Hut hatten. Die Arbeiterschaft und Teile der Beamtenschaft wiederum hatten bewiesen, dass sie im Zweifel bereit waren, die alten Eliten in die Schranken zu weisen.
Was hätte folgen müssen, ist aus heutiger Sicht klar: Endlich die kaisertreuen Republikfeinde in der Armee in den Ruhestand versetzen und die Verantwortlichen für den Putschversuch zur Rechenschaft ziehen. Aber „verurteilt wegen Hochverrats“ wurde nur ein einziger Beteiligter, Kapps Innenminister Traugott von Jagow. Von seiner fünfjährigen Festungshaft musste er nur drei Jahre absitzen.
Gegen den Drahtzieher Ludendorff wurde noch nicht einmal Anklage erhoben, sodass er drei Jahre später zusammen mit Adolf Hitler einen neuen Putschversuch starten konnte. Mehr noch: Die Regierung setzte kurz darauf Einheiten ein, die eben noch den Putsch unterstützt hatten, um bewaffnete Arbeiteraufstände im Ruhrgebiet gewaltsam niederzuschlagen.
Der Kapp-Putsch bot der Weimarer Regierung eine zweite Chance, die innere Verfasstheit der Republik zu reformieren. Millionen von Menschen hatten mit ihrem Streik bewiesen, dass es eine Mehrheit gegen die reaktionären Kräfte gab, die später Hitler an die Macht bringen würden. Zwar war die große, akute Gefahr abgewandt worden, aber die eigentliche Chance, die Demokratie zu festigen, blieb wieder ungenutzt.
Das gleiche Muster war auch nach dem rechtsradikalen Mord an Außenminister Walther Rathenau im Jahr 1922 zu beobachten, dem eine große, alle Schichten durchspülende Solidarisierungswelle folgte. Zwar erließ die Weimarer Regierung ein Gesetz zum Schutz der Republik, das aber zahnlos blieb. Der Gerichtshof, der mit diesem Gesetz eingerichtet wurde, war mit Richtern besetzt, die offen mit den Mördern Rathenaus sympathisierten.
Kurt Tucholsky, einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik, schrieb kurz nach dem Rathenau-Mord ein Gedicht, das die Stimmung vieler Menschen einfing:
Steh einmal auf! Schlag mit der Faust darein.
Schlaf nicht nach vierzehn Tagen wieder ein!
Heraus mit deinen Monarchistenrichtern,
mit Offizieren – und mit dem Gelichter,
das von dir lebt, und das dich sabotiert,
an deine Häuser Hakenkreuze schmiert.
(…) Schlag zu! Schlag zu! Pack sie gehörig an!
Kurt Tucholsky: Rathenau, 1922
Vierte Chance: Gemeinsam gegen Hindenburg in die Präsidentschaftswahl gehen
Die letzte große Chance, Hitler zu verhindern und die Republik zu erhalten, bot sich 1925 bei der Wahl eines neuen Reichspräsidenten. Die Wahl des überzeugten Monarchisten Paul von Hindenburg „stellte eine Zäsur dar“, schreibt Ullrich. „Sie hätte verhindert werden können, wenn die Kommunisten über ihren Schatten gesprungen wären.“
Der Reichspräsident war in der Weimarer Republik anders als in der Bundesrepublik eine einflussreiche und mächtige Figur. Er konnte Notverordnungen erlassen, Regierungen ernennen, den Reichstag auflösen und war oberster Befehlshaber. Der erste Präsident, der Sozialdemokrat Friedrich Ebert, hatte diese Machtfülle immer wieder genutzt, um die Republik zu stärken. Als er mit Mitte 50 verstarb, musste die deutsche Bevölkerung einen Nachfolger wählen.
Er war der Garant der Weimarer Republik in ihrer Frühzeit: Friedrich Ebert (SPD), ein Sattler-Geselle, der zum Reichspräsidenten aufstieg. Bundesarchiv, Bild 102-00015 / CC-BY-SA
Im ersten Wahlgang sah es für die Republik relativ gut aus. Die extremen Flügelparteien KPD und NSDAP fielen mit ihren jeweiligen Kandidaten Ernst Thälmann und Adolf Hitler durch. Die meisten Stimmen konnten überzeugte Republik-Anhänger der Mitte-Parteien auf sich vereinen. „Zusammen hatten die Parteien der Weimarer Koalition, SPD, Zentrum und DDP, 49,3 Prozent der Stimmen erreicht. Sie konnten sich also ausrechnen, dass sie aus dem zweiten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit ausreichte, siegreich hervorgehen würden, wenn sie sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigten“, schreibt Ullrich. Diesen Kandidaten fanden sie im Zentrumspolitiker Wilhelm Marx.
Die konservativen Republikgegner reagierten darauf mit einer überraschenden Volte. Sie zogen ihren Kandidaten des ersten Wahlgangs zurück und präsentierten den beliebten General Paul von Hindenburg als ihren Kandidaten. Dieser konnte sich bis tief ins bürgerlich-katholische Milieu Unterstützung sichern. Das wäre kein Problem gewesen, wenn wiederum der Kandidat der republiktreuen Parteien diese Verluste am linken Rand ausgeglichen hätte. Das aber konnte er nicht, denn die Kommunisten schickten mit Ernst Thälmann auch im zweiten Wahlgang einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Anders als die NSDAP zog sie ihren Kandidaten nicht zurück und verhalf so den monarchistischen Kräften und ultimativ Hitler zum Sieg. Das gab Tage nach der Wahl sogar die Führung der Kommunistischen Internationale in der Parteizeitschrift „Rote Fahne“ zu.
Der neue Reichspräsident Paul von Hindenburg kommt nach seiner Wahl 1925 in Berlin an. Gemeinfrei
Fünfte Chance: Einfach ohne die NSDAP in Thüringen regieren
Danach schmolzen die Chancen der Weimarer Republik. Den Aufstieg der Nationalsozialisten hätten die nun tonangebenden konservativen Kräfte trotzdem immer und immer wieder verhindern können. Hindenburg selbst traute Hitler nicht über den Weg, so ging es auch vielen anderen Nationalkonservativen. Als Hindenburg 1925 gewählt wurde, erzielte die NSDAP in Wahlen gerade einmal drei Prozent. Sie wurde erst in den Jahren der Weltwirtschaftskrise zur Protestpartei Nummer eins des Landes und als solche 1930 in Thüringen zum ersten Mal Teil einer Landesregierung.
Ohne Not hatten die bürgerlichen Parteien dort Wilhelm Frick, einen engen Gefährten von Hitler und Veteran des Putschversuchs von 1923, in die Regierung geholt. Sie hätten auch mit der SPD eine Regierung bilden können, die 17 Sitze mehr im Thüringer Landtag hatte als die NSDAP. Aber das wollten sie nicht; die NSDAP stehe seiner Partei „weltanschaulich näher“, sagte Georg Witzmann von der Deutschen Volkspartei (DVP). Frick und die NSDAP konnten so in Thüringen proben, was sie später im ganzen Reich tun wollten: Sie verboten unerwünschte Bücher wie „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque als Schullektüre, säuberten die Beamtenschaft und schlossen die Kunsthochschule Bauhaus.
Erst als Nazis andere Politiker aus der Koalition öffentlich beleidigten, trat Witzmann mit seiner Partei DVP aus und schasste Frick per gemeinsamem Misstrauensantrag mit SPD und KPD. Da aber war der Schaden angerichtet; die NSDAP hatte ihre erste Regierungsbeteiligung in der Tasche. Außerdem stiegen die Arbeitslosenzahlen unaufhörlich, während die Reichsregierung unter Kanzler Brüning den Sozialstaat immer weiter zusammenstrich und eine Sparpolitik durchsetzte, die die Krise noch verschlimmerte. Die NSDAP nutzte diese Sparpolitik, um die Arbeiterschaft auf ihre Seite zu ziehen und wurde bei den Wahlen im Juli 1931 zur stärksten politischen Kraft. Gleichzeitig begann die Zeit der Präsidialkabinette: Das waren Regierungen, die ohne parlamentarische Mehrheiten allein mit Notverordnungen des Präsidenten Hindenburg regierten.
Am Ende fressen sie dich auf
Kurz nach der Vereidigung: Reichskanzler Hitler (Mitte) posiert mit den neuen Ministern. Franz von Papen sitzt rechts. Hinter ihm steht Alfred Hugenberg. Bundesarchiv, Bild 183-H28422 / CC-BY-SA 3.0
Als Hindenburg Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannte, hatte sich der Trend allerdings längst gedreht. In mehreren Wahlen verlor die NSDAP an Zustimmung, und die wirtschaftliche Situation besserte sich langsam. Zum Jahreswechsel 1932/33 hatten viele Zeitgenossen Hitler bereits als relevante Kraft abgeschrieben. Ohne die Konservativen Franz von Papen und Alfred Hugenberg wäre er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an die Macht gekommen.
Blicken wir heute darauf zurück, sind die Lehren einfach und klar. Aber im täglichen Gewimmel der Politik, der großen Schlagzeilen und auch der eigenen Empfindungen kann es manchmal schwer sein, die eigentlichen Gefahren im Blick zu behalten. Als Hitler Kanzler wurde, waren die Reaktionen verhältnismäßig gedämpft. Die Menschen beschäftigte damals viel mehr der Osthilfe-Skandal, in dem es um staatliche Zahlungen an ostelbische Gutsbesitzer ging.
Keiner der Herren, die Hitler an die Macht gebracht hatten, spielte im NS-Reich noch eine große Rolle. Hindenburg starb 1934, von Papen verlor all seine Macht im Kabinett Hitler in wenigen Monaten und wurde Botschafter in der Türkei, und Hugenberg musste seine Partei unter dem Druck der Nazis auflösen. Die Steigbügelhalter waren machtlos geworden.
Die Weimarer Republik war nicht zum Scheitern verurteilt. Sie hätte sich wehren können. Hitlers Aufstieg war nicht unaufhaltsam. Aber all das muss auch im entscheidenden Moment präsent sein. Es gibt zu jedem Zeitpunkt tausend gute taktische und egoistische Gründe, mit Demokratiegegnern zusammenzuarbeiten. Aber die ganze Zeit über gibt es immer einen großen, guten Grund, es nicht zu tun, auch für Konservative: Am Ende fressen die Radikalen dich auf.
Redaktion: Lea Schönborn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert