Fotomontage: Donald Trump steht als Magier verkleidet an einem Podest. In der Hand hält er einen Zylinder, aus dem er Elon Musks Kopf hervorzaubert.

Steve Granitz, Ljupco, Ignatiev, Chip Somodevilla/Getty Images

Politik und Macht

10 Schritte, wie jeder zum Rechtspopulisten wird

Wann, wenn nicht jetzt? Es ist der perfekte Zeitpunkt, in das Geschäft mit dem Hass einzusteigen. So gelingt es auch dir.

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Reporter für Macht und Demokratie

Donald Trump ist ein Zauberer. So zumindest hätte ihn der deutsche Schriftsteller Thomas Mann beschrieben. 1930 veröffentlichte der die Erzählung „Mario und der Zauberer“. Darin beschreibt ein Familienvater, wie eine Kleinstadt einem Zauberkünstler verfällt, der sein Publikum demütigt und hypnotisiert. Der Zauberer bringt zum Beispiel Leute aus dem Publikum dazu, gegen ihren Willen die Zunge rauszustrecken oder auf der Bühne zu tanzen. Er könne nicht verstehen, „wo das Spektakel aufhörte und die Katastrophe begann“, berichtet der Erzähler.

Klingt vertraut? Die Erzählung ist eine Parabel auf den italienischen Faschismus. Und Thomas Mann verstand schon damals, was auch der designierte US-Präsident Donald Trump oder der argentinische Präsident Javier Milei heute wissen: Zaubern ist keine Kunst, sondern ein Handwerk. Es lässt sich lernen.

Das gilt auch für Rechtspopulismus. Natürlich unterscheidet er sich vom historischen Faschismus der 1930er und 1940er Jahre, trotzdem lässt sich aus der Geschichte lernen. Rechtspopulismus lässt sich genauso leicht erlernen wie ein Kartentrick! Das hat auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder inzwischen verstanden. Was er, Trump oder Milei machen, kannst du schon lange. Wenn auch du von der großen Zaubershow der kommenden Jahre profitieren willst, dann musst du nur diese zehn Schritte befolgen:

1. Mache dich lächerlich!

Die Grundlage zuerst: Verliere jede Scham! Gib schlechte Interviews, verwickle dich in Widersprüche, rede wirres Zeug, poste überbelichtete Dinner-Selfies im Fast-Food-Restaurant, stelle dich auf die Bühne und schunkele eine Stunde lang andächtig zu Kitsch-Musik herum, egal ob Ave-Maria-Gezeter oder „YMCA“. Werde zur Witzfigur, die das Establishment reizt und die eigene Gefolgschaft unterhält. So wie Donald Trump. Konkurrenz und Medien waren sich in ihrer Diagnose seines Geisteszustands immer einig: Er hat sie nicht mehr alle. Das mag auch stimmen, aber es ist seine Strategie.

Früher kleideten sich faschistische Führer in eine Militäruniform, um den „neuen Menschen“ zu verkörpern, zu dem sie ihre Anhänger erziehen wollten. Heute verkörpern die neofaschistischen Clowns ein viel besseres Angebot. Wenn sie sich selbst zur Witzfigur machen, signalisieren sie: Ich bin ein freier Mensch. Einer, der sich nicht darum schert, was die politische und mediale Klasse sagt und denkt. Einer, der euch nicht verändern will.

Trump hat keine Angst vor den Urteilen des Establishments, seiner Anhängerschaft oder der Medien. Denn deren Wertungen schaden ihm nicht, im Gegenteil. Er macht sie zum Teil seiner Kampagne. Sie dienen ihm als Beleg für die große Verschwörung des „Establishments“ gegen ihn. Für deren Abgehobenheit gegenüber dem Durchschnittsbürger. Und sie sind Teil eines Identifikationsangebots: Wir alle sind doch Banane, ich mache euch wenigstens nichts vor. Ich unterhalte euch.

2. Faschismus = Fasching + Hetze

Wenn wir heute in Deutschland an den historischen Faschismus denken, erinnern wir uns an Gewalt, Massenmobilisierung und Hass. Aber als der Publizist Harry Graf Kessler 1933 die Machtübernahme der Nazis in Berlin beobachtete, sah er die Stadt „in einer reinen Faschingsstimmung“. Es tobte „ein wahrer Karneval“, schrieb er in sein Tagebuch.

Diese karnevaleske Facette des historischen Faschismus gerät oft in Vergessenheit. Dabei herrscht auf den Kundgebungen von Trump oder Milei eine ähnliche Jahrmarktstimmung. Bei Wahlkampfveranstaltungen von Trump treten Wrestler auf, Comedians reißen rassistische Witze und Trump steht tanzend auf der Bühne, bevor er gegen Andersdenkende hetzt und zu Gewalt aufruft. Der argentinische Präsident Milei wiederum schwingt gerne mal eine Kettensäge durch die Luft, ein Symbol für seine Wirtschaftspolitik. Oder er singt vor Zehntausenden Menschen in einem Stadion, er sei der „König der Löwen“.

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Es braucht diesen Budenzauber, um ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und die Anhängerschaft zu unterhalten. Und um sie im nächsten Moment zum Teil einer Masse zu machen, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Ohne Volksfest kein Faschismus. Und auch kein Rechtspopulismus.

3. Kenne deinen Preis

Es klingt langweilig, ist aber Teil der Wahrheit: Die Geschichte des Faschismus ist auch eine Geschichte von Verhandlungen, Kompromissen und falschen Versprechungen. Du kannst jederzeit gegen Eliten hetzen, aber ohne Eliten bist du nichts. Alles hat seinen Preis.

Verkaufe politische Gefallen gegen Gefolgschaft. Mache klar, dass alle Unternehmen oder Oligarch:innen sich die Taschen vollschaufeln können, solange sie sich hinter dich stellen. Wenn sie dein Volk weiterhin ausbeuten wollen, müssen sie dir den Ring küssen und dabei lächeln. So wie Mark Zuckerberg, als er einen Trump-Vertrauten in den Facebook-Vorstand holte und verkündete, Faktenchecks bei Meta abzuschaffen, Hate-Speech-Regeln abzuschwächen und Diversitätsprogramme zu stoppen.

Der Schritt gilt als Anbiederung an Trump, der dem Unternehmen immer wegen angeblicher Zensur gedroht hat. Aber das klingt so negativ. Die Regeln des Spiels haben sich geändert und der Facebook-Gründer hat das verstanden. Wenn er weiter Geschäfte machen will, muss er Falschmeldungen und Hetze gegen Migrant:innen und queere Menschen auf seiner Plattform zulassen. Ganz einfach.

4. Staple hoch

Es ist wichtig, sich die richtigen Vorbilder zu suchen. Für Rechtspopulisten gilt: Sei ein Hochstapler. Dein Volk muss dir aus der Hand fressen. Du musst es dazu bringen, die eigene Skepsis zu überwinden und alles zu glauben, was du ihnen erzählst. Erschleiche ihr Vertrauen, um anschließend mit vollen Taschen den Laden zu verlassen. So wie Trump, als er als Präsidentschaftskandidat die Wahlkampfspenden der Republikaner plünderte, um die Anwaltskosten seiner Gerichtsprozesse zu bezahlen. „MAGA-Omis wurden abgezogen, um die Gerichtskosten eines Milliardärs zu bezahlen“, analysierte einmal eine Vertraute des Gouverneurs von Florida Ron DeSantis. Großartig!

Daraus folgt auch, dass dein politisches Programm erst einmal zweitrangig ist. Mache Versprechungen an alle, die sich von dir verführen lassen. Nicke andächtig, wenn sie dir von ihrem Kummer berichten. Und erzähle ihnen anschließend, was sie hören wollen.

Es ist eigentlich egal, was du genau sagst. Hauptsache, es ist immer in eine Erzählung verpackt. Das betrogene Volk, deine Herde von Schäfchen, steht kurz vor dem Untergang durch Sabotage und Verrat innerer und äußerer Feinde. Aber die gute Nachricht ist, dass es gerettet werden kann. Durch deine Wahl. Durch bedingungslose Gefolgschaft. Oder durch den Griff zur Waffe.

5. Gieße Öl ins Feuer

Probleme sind nur dornige Chancen, das wusste Ex-Finanzminister Christian Lindner schon mit 18 Jahren. Seine Weisheiten gelten auch für Rechtspopulisten. Krisen sind dornige Chancen und jeder gesellschaftliche Konflikt ist eine Möglichkeit, Spaltungen zu verstärken. Polarisierung, Krisen und politische Blockaden sind der Boden, auf dem Rechtspopulismus gedeihen kann. Und du kannst die Voraussetzung deines Erfolges selbst herstellen.

Mische also ordentlich mit, mache dir Feinde und sieh zu, wie rote Linien verwischen und Brandmauern einstürzen. Während du den Untergang ordentlich selbst befeuerst, erzähle den Medien oder deinen Follower:innen, dass du der einzige Ausweg bist. Die letzte Chance vor dem Untergang des Abendlandes.

Überschreite dabei Grenzen, lass deine Anhängerschaft das Kapitol stürmen oder annektiere die Krim. Drohe mit dem Einmarsch in Grönland! Maximale Eskalation heißt immer auch: Im Anschluss hast du die Möglichkeit, dich als verhandlungsbereit und gemäßigter zu präsentieren. Als die einzige friedliche Lösung, bevor deine Leute den Laden auseinandernehmen.

6. Suche dir ein Team aus Losern und Spinnern

Rechtspopulismus ist Teamsport. Auch wenn die halbe Welt deiner Propaganda auf den Leim geht und glaubt, alles hänge von einer diabolischen Führungsfigur ab. Du gibst den Ton an. Aber ohne die richtigen Unterstützer:innen musst du dich bald wieder bei Nieselregen in Castrop-Rauxel der Antifa in den Weg stellen. Oder Rechtsrock-CDs an Kids verteilen. Sei deshalb klug bei der Wahl deiner Mannschaft, besonders wenn du politische Macht bekommst.

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Erstens: Suche dir Loser, Geschasste, Gecancelte und ernenne sie zu Minister:innen, Sondergesandten und Botschafter:innen. Je lächerlicher die Besetzung eines Postens, desto besser. Wer ohne dein Zutun niemals einen Platz am Regierungstisch bekommen hätte, wird dir umso dankbarer sein – und dir bedingungslos folgen. Trump will zum Beispiel Pete Hegseth, einen ehemaligen Moderator seines Lieblingssenders Fox News, zum Verteidigungsminister machen. Hegseth hat keine politische Erfahrung und soll jetzt ein Ministerium mit einem Budget von 800 Milliarden und mehr als drei Millionen Soldat:innen und zivilen Angestellten leiten. Er wird sich bei Trump bedanken.

Zweitens: Suche dir desinteressierte Bürokrat:innen, die Karriere machen wollen und besetze die staatlichen Institutionen mit ihnen. Sie werden sich mit Fleiß und großem Eifer vor dir auf die Knie werfen. Du kannst von ihnen verlangen, was du willst. Weil sie nur an ihre eigene Laufbahn denken, werden sie deine Erwartungen sogar übertreffen wollen.

7. Lerne lügen, aber richtig

Die Geschichte des Faschismus und des Rechtspopulismus zeigt: Aus deiner Menschenfeindlichkeit und deinen autoritären Ambitionen musst du kein Geheimnis machen. Trotzdem solltest du lügen lernen. Nicht, um die Wahrheit zu verschleiern. Sondern um deine Macht zu demonstrieren und zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Lüge über das Wetter oder die Besucherzahlen deiner Amtseinführung. Je offensichtlicher die Lüge, desto besser. So zwingst du alle zu einer Positionierung. Wer sich hinter dich stellt, den hast du in der Hand, weil sich diese Person deiner Version der Realität unterwirft. Alle anderen kannst du bekämpfen. Außerdem sorgst du so für Berichterstattung. Je absurder die Lügen, desto größer der Aufschrei und der mediale Druck, über dich zu berichten. Das ist Gratis-Werbung!

8. Verlasse dich auf die Konservativen

Sie werden dir helfen. Glaube mir. Noch ist jeder Faschist in der Geschichte durch die ausgestreckte Hand konservativer Eliten an die Macht gekommen. Mussolini in Italien, Hitler in Deutschland, Trump in den USA. Auch wenn sie dich zunächst anfeinden, werden sie sich dir anbiedern. Entweder weil sie glauben, dich so kontrollieren zu können. Oder weil sie dich insgeheim bewundern und dir ideologisch nahestehen.

Schau nach Österreich: Die konservative ÖVP hat dort im Wahlkampf andauernd behauptet, sie werde niemals mit der extrem rechten FPÖ regieren. Die Partei sei eine Gefahr für die Demokratie und ein Sicherheitsrisiko. Der neue ÖVP-Chef Christian Stocker bezeichnete den FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl im Wahlkampf noch als „Wendehals“. Jetzt hält er ihm selig lächelnd die Steigbügel und bietet sich der FPÖ als Koalitionspartner an.

9. Drehe alles ins Gegenteil um

Realität ist, was du sagst. Deshalb musst du Fakten abschaffen und der Bevölkerung den Kopf vernebeln. Dafür gibt es einen Trick, an dem sich auch schon Thomas Manns Zauberer bediente. Er überzeugte sein Publikum davon, dass Gehorchen und Befehlen im Grunde das Gleiche seien. In anderen Worten: Er entleerte Begriffe so sehr, dass sie keine Bedeutung mehr haben. Das erschwert die Verständigung deiner Gegner und den Widerstand gegen dich. Für dich ist jeder Tag Gegenteil-Tag!

Wie wichtig das ist, wusste auch schon der britische Schriftsteller George Orwell. In seiner berühmten Dystopie „1984“ skandierte die regierende Partei: „Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Unwissenheit ist Stärke!“ Auch sein Buch diente offenbar mehr als Anleitung denn als Warnung. Russlands Präsident Wladimir Putin rechtfertigte seine Vollinvasion in der Ukraine oftmals damit, Nazis zu bekämpfen. Alice Weidel von der AfD behauptete bei einem Gespräch mit dem Tech-Milliardär Elon Musk, Hitler sei Kommunist und Sozialist gewesen. Und während ihre Gegner und Presse schäumen, zaubern die beiden schon weiter.

10. Take it easy

Du musst dich nicht überarbeiten. Faschisten und Autokraten sind oft keine High-Performer. Trump golft sich in Mar-a-Lago gern durch den Tag und gilt gemeinhin als regierungsfaul. Während seiner ersten Amtszeit soll er zahlreiche Sicherheitsbriefings gar nicht erst gelesen haben. Stattdessen schaute er gern Fernsehen. Twitter war sein täglich Brot. Wir vergessen heute auch oft, dass Hitler andauernd bis mittags im Bett herumlungerte und stundenlang nicht erreichbar war. Also: Nicht die Leistung zählt, sondern Performance und Propaganda.

Natürlich hängt dein Erfolg nicht nur von deinem Geschick ab, sondern auch von den Umständen. Aber die sind aktuell günstig: Wirtschafts- und Corona-Krise haben einen fruchtbaren Nährboden der Unzufriedenheit geschaffen, die Inflation nagt noch immer am Geldbeutel. Feindbilder gibt es überall genug, bedrohte konservative Eliten ebenfalls. Gleichzeitig bilden sich sperrige Regierungskoalitionen aus Parteien, die eigentlich nicht zusammenarbeiten wollen und denen ihre Bevölkerung nicht einmal mehr zutraut, eine Schule zu sanieren. Die Show kann beginnen!


Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert

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