Trump tanzt auf einer Bühne.

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Politik und Macht

Diese Schritte helfen mir, mich gegen Trump zu wappnen

Nach dem Wahlsieg von Trump fühlen sich viele resigniert. Hier sind fünf Strategien, die mir dabei helfen, meine Sorge in Zuversicht zu verwandeln.

Profilbild von Christian Fahrenbach
Reporter, New York

Und wieder sind da die langen Gesichter. Es ist der Tag nach der Wiederwahl von Donald Trump. Ich bin in Washington, D.C. im Hotel und ich besorge mir im Frühstücksbereich einen Kaffee. Die Menschen an den anderen Tischen frühstücken schweigend und starren auf ihre Handys. Wirklich alle sehen aus, als hätten sie die Nacht durchgemacht, aber nicht auf einer Hochzeitsparty, sondern bei einer viel zu langen Beerdigung.

Es ist alles wie vor acht Jahren. Wieder laufe ich am Tag nach einer Wahl wie betäubt durch eine Großstadt in meiner Wahlheimat USA, wieder haben alle nur ein Thema im Kopf, wieder sind da diese fassungslosen und besorgten Blicke. Ich führe am Tag nach der Wahl viele Gespräche mit Freund:innen. Ich höre einige gemäßigte Podcasts, die ohne brandheiße Takes auskommen, woran es nun gelegen hat. Und ich merke, dass meine Verzweiflung viel stärker ist, als vor acht Jahren.

Aber ich weiß auch, dass ich Erfahrung damit habe, mit einer solchen Situation klarzukommen. Als Journalist berichte ich schon seit 2014 aus den USA. Ich habe hier selbst erlebt, wie die Gesellschaft 2016 mit Trumps Wahlsieg umging. Meine zehn Jahre in den USA haben mir immer wieder gezeigt, wie sehr das Land ein Modell für den Rest der Welt sein kann, weil immer wieder gesellschaftliche Entwicklungen hier ihren Anfang nahmen.

Einerseits scheint mir die Lage jetzt noch bedrohlicher als 2016, denn dieses Mal wissen wir mehr, worauf wir uns einstellen müssen. Außerdem waren diese Wahlen Teil einer weltweiten Entwicklung zu mehr Populismus. Auf der anderen Seite gelten auch die Gegenstrategien von damals und aus anderen Ländern noch immer – sie werden sogar noch wichtiger.

Hier sind fünf Schritte, die mir helfen, mit der schwierigen Nachrichtenlage umzugehen. Sie machen die ersten Tage nach Trumps Wahlsieg leichter, aber auch die Jahre, die noch vor uns liegen.

1. Trauer, Wut und Scham akzeptieren

Das Wahlergebnis macht mich traurig und wütend. In solchen Fällen erlaube ich mir, einige Tage zu trauern. Das hat schon 2016 geholfen, als Trump die Wahlen gewann. Wenn sich die Verhältnisse so elementar verschieben, dann darf ich betrübt sein, dass etwas zu Ende geht und sich etwas Neues anbahnt.

Neben Trauer und Wut ist da noch ein drittes Gefühl: Scham. Es ist die Scham über die eigene Naivität und die Tatsache, dass ich unsere Gesellschaftsordnung viel zu lange für selbstverständlich gehalten habe. Ich bin nur wenige Kilometer von der Grenze zur DDR entfernt aufgewachsen. Als ich acht Jahre alt war, fiel die Mauer und plötzlich wurde die Welt ein bisschen größer. Als ich 16 Jahre alt war, brauchten wir bei der Reise in den Urlaub keinen Pass mehr, um nach Österreich zu fahren und die Welt wurde ein klein wenig einfacher. Mit Beginn meines Studiums begann die Ära der Billigflieger und ich durfte für Praktika nach Italien und sogar Südafrika fliegen.

Überall bekam ich den Eindruck, dass es politisch ganz sicher sinnvoll ist, über Unterschiede hinweg zusammenzuarbeiten und die großen Probleme unserer Zeit gemeinsam anzugehen. Schließlich macht es die Wirtschaft mit ihren weltweit handelnden Konzernen ja vor. Vereinigte Staaten der Welt? Here we come.

Doch dann kam die Brexit-Wahl 2016. Wenige Monate später folgte Trumps erster Wahlsieg. Im gleichen Zeitraum dominierte in Deutschland die Debatte um die sogenannte Flüchtlingskrise. Erst da erkannte ich: Was mir als logische Entwicklung erscheint und was ich dank einer gehörigen Portion Privileg als ständige Erweiterung der Welt genießen durfte, macht vielen anderen Leuten Angst. Sie sehnen sich nach einer übersichtlichen Zeit und der Abgrenzung der eigenen Scholle gegen alle von außen. Das Boot ist schließlich voll!

Genau da kommt die Scham ins Spiel, denn viele Menschen auf der Welt ringen mit autoritären Machthabern und das nicht erst seit diesem Jahr. Das war und ist leider normal – ich mit meiner behüteten und apolitischen Achtzigerjahre-Kindheit in Kleinstadt-Westdeutschland bin die Anomalie. Ich schäme mich dafür, dass ich all die Jahre dafür nicht dankbar war.

Das ist meine erste Erkenntnis: Die Trauer über die Veränderung, die Wut über die Trump-Wähler:innen und die Scham über meine Naivität sind alles valide Gefühle. Es ist okay, mit ihnen immer mal wieder rumzusitzen, ich muss nicht sofort aktiv werden, wenn sich unter mir die Erdplatten verschieben.

2. Überprüfen, was ich ändern kann und was nicht

Dieses Wahlergebnis steht fest, ich kann es nicht ändern. Ich lebe anscheinend in einem Land und in einer Welt, in der ein großer Teil der Menschen Ausgrenzung und Aggression richtig super finden und sagen: „Genau das will ich!“

Ich allein werde diese Ansichten nicht ändern können. Ich kann aber im Alltag meine Weichen stellen, langfristig handlungsfähig zu bleiben: genug Schlaf, gesundes Essen, ausreichend Bewegung, täglicher Austausch mit anderen. All das gibt Ausgeglichenheit und Antrieb und erlaubt mir dann in einem zweiten Schritt, doch noch darüber nachzudenken, was ich beeinflussen kann.

Wir alle haben weitreichendere Netzwerke, als uns bewusst ist. Wir können beeinflussen, wie wir darin auftreten und wofür wir einstehen wollen. Das muss nicht arg politisch sein, es geht mir um ein bewusstes Entscheiden für eine Haltung, mit der ich anderen im Alltag begegne. Das klingt nach einer „Choose Happy“-Grußkarte, aber ich habe es in der Hand, der Starbucks-Verkäuferin ein Kompliment für ihre Fingernägel zu machen oder meinen Freund:innen eine Nachricht zu schreiben, dass sie mir in diesen Zeiten wichtig sind.

Verbindlichkeit, Frohsinn oder Güte sind altmodische Wörter, aber kommen als vorbildliche Verhaltensformen nie aus der Mode. Auch dieses tägliche Auftreten ist unter meiner Kontrolle. Was Donald Trump auf der Social-Media-Plattform „Truth Social“ schreibt, liegt außerhalb davon. Im nächsten Schritt sorgt das auch dafür, genug Kraft zu haben, um politisch aktiver zu werden. Dazu mehr in den folgenden Punkten.

3. Erkennen, wer mehr leidet als ich

Auch wenn ich persönlich einen belastenderen Alltag mit Trump als Präsidenten erwarte, ist mir doch klar, dass es andere Bevölkerungsgruppen schwerer haben als ich.

Meine Sorge ist riesengroß, dass Milliarden Menschen unter dieser Wahl leiden werden: Latinos und Latinas, die nun Alpträume davon haben, dass der Grenzschutz nachts an ihre Türen klopft und sie aus dem Land schmeißt; Schwarze Frauen, denen die Mehrheit dieser Gesellschaft schon wieder gesagt hat, dass sie keine vollwertigen Menschen sind; Eltern von trans Kindern, die darüber grübeln, wie viele andere Eltern in der Schulklasse für eine Politik stimmen, die ihrem Kind die Existenz absprechen möchte, und wir alle, weltweit, die mit noch mehr Erderwärmung leben müssen und mit Gesellschaften, in denen die Rechten nun noch mehr Oberwasser bekommen.

Natürlich soll diese Denkweise nicht von den eigenen Emotionen ablenken. Auch wer ein hübsches Haus und ein gutes Einkommen hat, darf mal traurig sein, ohne dauernd darauf hingewiesen zu werden, dass es anderen schlechter geht.

Trotzdem helfen mir folgende Fragen: Wen kenne ich eigentlich gerade, der an der aktuellen Situation auch zu knabbern hat? Wer braucht gerade jetzt die Erinnerung, dass er oder sie mir wichtig ist? Viele von uns wollen mit ihren Ängsten gesehen werden.

4. Gemeinschaft finden

Wer einen Rückschlag erlitten hat, will sich wahrscheinlich alleine ins Bett legen und die Decke über den Kopf ziehen. Das ist für einige Zeit auch in Ordnung. Aber es ist fatal, sich zu lange von anderen zu isolieren.

Ich merke schon in den Stunden nach der Trump-Wahl, dass sich jede Textnachricht gut anfühlt, die mir signalisiert, dass da jemand an mich denkt. Es kommen Mails, in denen mir Menschen sagen, dass sie meine Arbeit schätzen und ich nicht aufgeben solle. Ich telefoniere mit Freund:innen und wir sprechen über deren Verzweiflung und Ratlosigkeit. Ich merke, dass diese Verbindungen sehr guttun und dass ich es nicht dabei belassen muss, nur der Empfänger zu sein. Es hilft mir, einfach noch einmal zehn Minuten damit zu verbringen, sich bei drei anderen Freund:innen zu erkundigen, wie sie durch diese belastende Zeit kommen.

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Das Suchen nach Gemeinschaft hat aber auch eine politische Komponente: Gerade Autoritäre setzen darauf, dass wir denken, Außenseiter:innen mit übermäßigen Forderungen nach Freiheit und Toleranz zu sein. Sie können ihre radikalen Ziele nur durchsetzen, indem sie so tun, als seien sie in der Mehrheit und indem sie uns vermitteln, dass Widerstand deshalb sinnlos wäre. Wer sich aber Gruppen mit ähnlichen Interessen sucht, merkt schnell, dass das Quatsch ist. Diese Gruppen lassen sich an vielen Orten finden: im Internet, beim Zumba-Kurs, in einem Verein oder beim Nachbarschaftsgrillen.

5. Aktiv werden und Gleichgesinnte stärken

Was mich auch zu meinem letzten Punkt führt: Aktion. Zu Beginn von Trumps erster Amtszeit 2017 hat es mir geholfen, in New York beim „Women’s March“ mitzulaufen. Damals demonstrierten landesweit Hunderttausende für Frauenrechte und gegen Trump. Und im Frühjahr merkten Millionen Deutsche bei den Anti-AfD-Demos: Ich bin nicht allein. Um bei solchen Gefühlen anzukommen, braucht es einen Funken, der einen zum Handeln bewegt. Es braucht das Aufraffen, aus dem Haus zu gehen und vielleicht auch den Mut, etwas Neues zu tun, zum Beispiel die eigene Meinung bei einem Protest auszudrücken.

Autoritäre setzen auf vorauseilenden Gehorsam. Sie wollen von uns, dass wir nicht einmal den Kampf aufnehmen und uns aus dem öffentlichen Einsatz für eine offenere Welt zurückziehen. Wenn wir aber von Anfang an daheimbleiben und für unsere Forderungen nicht einmal eintreten, dann machen wir es unseren Gegner:innen zu einfach.

Gerade fällt es mir noch schwer, diese Tatkraft in mir zu finden, weil mir die Lage der Welt zu erdrückend erscheint. Aber ich weiß auch, dass mir manchmal schon ein winziger Perspektivwechsel genügt, um dem Handeln etwas näher zu kommen. Ein sehr guter Freund sagte einmal zu mir: „Immer wenn du Angst hast, musst du dich fragen, wer jetzt gerade von dieser Angst profitiert. Und dann sag mir, ob du dieser Person oder dieser Institution diese Macht über dich geben möchtest.“

Er hat recht. Diese Macht bekommt Donald Trump nicht über mich.


Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Lars Lindauer und Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

Diese Schritte helfen mir, mich gegen Trump zu wappnen

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