Vertraut den Autokrat:innen!
Donald Trump hat kein Geheimnis aus seinen Plänen für die Zukunft gemacht: Er will politische Gegner:innen verfolgen, sämtliche Staatsverwaltungen mit Parteisoldat:innen besetzen, Migrant:innen massenhaft abschieben und einen Handelskrieg mit China anzetteln. Er flirtet mit Wladimir Putin und fantasiert regelmäßig über Gewalt.
Mit diesem Programm ist er erneut US-Präsident geworden. Über die Gründe für seinen Erfolg wird viel geschrieben werden. Aber eines der größten Probleme der Demokratie ist, dass autoritäre Rechtspopulist:innen aktuell die einzigen sind, die der Bevölkerung glaubhaft Veränderung versprechen. Und die Geschichte zeigt: Autokraten setzen in der Regel um, was sie versprechen.
Wie schlimm wird es also? Es hilft nicht, die Situation schönzureden. Alles deutet darauf hin, dass Trump nicht nur die US-Demokratie in den kommenden Jahren massiv umbauen wird, sondern auch die Weltordnung.
Moderne Autokraten: Die zweite Amtszeit ist der Durchbruch
Autokrat:innen sind gefährlich, wenn sie das zweite Mal an die Macht kommen. Das zeigt ein Blick nach Ungarn oder Polen: Schon während ihrer ersten Amtszeit liebäugelten Politiker wie Viktor Orbán in Ungarn oder Jarosław Kaczyński in Polen mit dem Autoritarismus. Aber sie waren nicht vorbereitet, ihr Regierungsstil teilweise chaotisch und ihre Macht durch einen komplizierten Parteien- und Staatsapparat begrenzt. Dann passierte, was in Demokratien passieren kann: Sie verloren Wahlen. Eine Demütigung, die sie nach ihrem Comeback um jeden Preis vermeiden wollten. Also bereiteten sie sich vor. Das Ziel: unabwählbar werden.
Auf dieses Ziel arbeiteten sie in ihrer zweiten Amtszeit hin und machten sich Schritt für Schritt daran, die Demokratie auszuhöhlen. In Ungarn ließ Orbán zum Beispiel die Verfassung umschreiben, das Wahlsystem ändern und besetzte Gerichte, Kulturinstitutionen und Universitätsleitungen mit seinen Anhängern. Seine zweite Amtszeit war das, was der ungarische Politikwissenschaftler Bálint Magyar einen „autokratischen Durchbruch“ nennt.
Magyar sagt: Die Autokratien des 21. Jahrhunderts entstehen in drei Phasen. Die erste Phase ist der „autokratische Versuch“: Nach ihrem Wahlsieg beginnen Autokrat:innen, Schritt für Schritt das System zu verändern. Dafür besetzen sie so viele Positionen wie möglich im Staat und in der Justiz mit eigenen Anhänger:innen, die sich ihnen nicht in den Weg stellen. Sie erlassen scheinbar langweilige Gesetze, die ihre eigene Position und Ideologie stärken. Und sie bewirtschaften Feindbilder und rechtfertigen den Umbau von Staat, Medien und Justiz damit, dass sie sich gegen übermächtige Bedrohungen wehren müssen: meistens gegen Migrant:innen, Liberale und queere Menschen.
Wenn sie es schaffen, sich ein Monopol auf die politische Macht im Land zu sichern, gelingt der „autokratische Durchbruch“. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Autokrat:innen eine absolute Mehrheit im Parlament bekommen, die Verfassung ändern lassen, oder die Justiz so sehr mit Anhänger:innen durchsetzen, dass sie nicht mehr unabhängig ist. Gelingt der Durchbruch, lebt die Gewaltenteilung nur noch auf dem Papier weiter und die dritte Phase beginnt: die langfristige Sicherung der eigenen Macht.
Ein Heer aus Bürokratie-Soldaten für den Herrscher
In anderen Worten: Der Autoritarismus des 21. Jahrhunderts kleidet sich nicht in Militäruniform und kommt nicht durch Staatsstreiche an die Macht. Er gewinnt Wahlen und sorgt anschließend durch präzise, bürokratische Schritte dafür, dass die Republikaner sie so schnell nicht mehr verlieren. Der polnische Rechtswissenschaftler Michal Stambulski spricht vom „Boiling-Frog-Syndrom“: Schmeißt man einen Frosch in kochendes Wasser, springt er heraus. Setzt man ihn in kaltes Wasser und erhitzt es langsam, merkt er es nicht.
Ähnlich gehen Autokrat:innen heutzutage vor, die das Justizsystem verändern und die Demokratie aushöhlen wollen. Sie erlassen kleine, bürokratisch klingende Vorschriften, die das Große und Ganze langsam verändern sollen. Entscheidend ist ein Vorhaben: Sie müssen massenhaft parteitreue Bürokrat:innen in die Verwaltungen und Institutionen bringen. Also entweder fleißige Ideolog:innen, die Teil der neuen Autokratie-Welt sein wollen. Oder Desinteressierte, für die der Job im neuen System ein Karriere-Unterfangen ist. Für beide gilt: Wer aufsteigen will, muss die Forderungen des Anführers besonders gründlich erfüllen.
Trump und sein Team werden genau das tun. Sie planen zum Beispiel, den Status der rund zwei Millionen Behördenmitarbeitenden in den USA so zu verändern, dass sie gekündigt und ausgetauscht werden können. Dafür haben sie bereits massenhaft Anhänger:innen geschult, die diese Posten übernehmen sollen. Das Ziel ist eine hierarchisch organisierte Verwaltung, die dem Präsidenten bedingungslos folgt. Das ist wichtig, um Trumps weitere Pläne durchzusetzen: Von der strafrechtlichen Verfolgung lokaler Wahlleiter:innen bis hin zum Einsatz von Regulierungsbehörden zur „Vergeltung“ gegen Unternehmen, die Trumps politischen Gegner:innen gehören oder seine eigenen Geschäfte gefährden. Von der massenhaften Abschiebung mexikanischer Migrant:innen bis hin zur Strafverfolgung seiner Gegner:innen: Alles ist darauf ausgelegt, den Staat mit Loyalist:innen zu besetzen, die ihm und seinem Team folgen.
Wie weit dieser Umbau gehen wird, ist aktuell noch schwer abzusehen. Aber klar ist: In seiner ersten Amtszeit war Trump unvorbereitet. Er tauschte andauernd sein Team aus, ließ hunderte Verwaltungsposten unbesetzt und zerwarf sich mit zahlreichen Republikanern. Er wusste nicht, wie die US-Institutionen und das Regieren funktionieren. Das ist jetzt anders.
Dieses Mal wird es einfacher für ihn und seine Verbündeten, ihr Programm durchzusetzen. Die Republikaner haben im Senat und im Repräsentantenhaus eine Mehrheit. Der Oberste Gerichtshof ist schon mit Republikanern besetzt. Genau wie hunderte Richterstellen im Land. Und dieses Mal kommt Trump nicht als unvorbereiteter rechter Provokateur ins Amt. Sondern als gedemütigter Extremist mit einem Plan, der aus seiner Verachtung für Demokratie und Menschenrechte kein Geheimnis macht.
Am Ende wird eine Art Mafia-Staat entstehen, der viele seiner Wünsche erfüllen und die demokratischen Institutionen so sehr auseinanderreißen wird, dass sie Jahrzehnte dafür brauchen werden, sich zu erholen.
Der Mafia-Staat des Donald Trump
Im Januar habe ich geschrieben, dass Demokratie bedeutet, dass Regeln wichtiger sind als Inhalte oder Personen. Mit Trumps zweiter Amtszeit tritt ein anderer Fall ein: Personen – und ihre Inhalte – werden wichtiger als die Regeln der Demokratie.
Wer verstehen will, wie Trumps zweite Amtszeit funktionieren wird, muss deshalb erneut dem Politikwissenschaftler Bálint Magyar zuhören. Er bezeichnet die Autokratien in Ungarn oder Polen als „postkommunistischen Mafia-Staat“. Und sein Modell ist sehr hilfreich dabei, die Zukunft der USA zu verstehen – auch wenn sie kein postkommunistisches Land sind.
Magyar sagt: Die osteuropäischen Autokratien des 21. Jahrhunderts funktionieren nicht wie traditionelle Diktaturen, sondern wie die Mafia. Alle Macht liegt in den Händen eines Anführers, des Paten und eines kleinen Kreises loyaler Anhänger. Die politische Elite funktioniert quasi wie die Familie im organisierten Verbrechen. Sie hält bedingungslos zusammen und tut alles, um die eigenen Interessen zu fördern. Sie schüchtert Kritiker:innen ein, handelt mit politischen Gefallen, verspricht Schutz gegen bedingungslose Gefolgschaft und wirtschaftet in die eigene Tasche.
Vor allem nutzt der Herrscher im Mafia-Staat seine Kontrolle über staatliche Ressourcen, die Wirtschaft und die Justiz, um den eigenen Reichtum zu vermehren und seine Gegner zu unterdrücken. Sämtliche politische Entscheidungen basieren auf einer Bedingung: Gefolgschaft. Wer öffentliche Aufträge will, muss seine Loyalität beweisen. Wer im System aufsteigen will, muss ein besonders fleißiger und ergebener Handlanger sein.
Nach außen hin bewahren die Mafia-Staaten die Fassade der Demokratie. Das verleiht Legitimität. Nach innen hin manipulieren sie Medien, Gerichte und Sicherheitsbehörden und verwandeln sie in bloße Instrumente der eigenen Macht. Sie schaffen eine hochgradig personalisierte Autokratie, die auf zwei Prinzipien beruht: Maximaler Bereicherung und maximaler Gefolgschaft. Trump hat deutlich gemacht, dass genau das sein Ziel ist. Und die Republikaner haben in den vergangenen Jahren gezeigt: Sie sind bereit, diesen Preis zu zahlen, um selbst einen Teil der Macht zu bekommen.
Das wird auch Deutschland zu spüren bekommen: Die Ukraine verliert wahrscheinlich ihren wichtigsten Bündnispartner und die NATO ihre Geschlossenheit – und damit auch ihre abschreckende Wirkung. Europa muss massiv in die eigene Sicherheit investieren und sich von den USA unabhängig machen, während die demokratischen Parteien noch immer den richtigen Umgang mit Inflation, Krieg und Rechtsruck suchen. Und die autokratische Internationale kann künftig mit dem mächtigsten Mann der Welt an ihrer Seite gegen all jene hetzen, die sie zum Feindbild erklären: migrantische, nicht-Weiße, linke und queere Menschen.
Für sie bedeutet Trumps Sieg vor allem eins: Angst. Angst vor den Folgen davon, dass der mächtigste Mann der Welt sie ab sofort wieder aus dem Weißen Haus zur Zielscheibe faschistoider Gewalt erklärt und seine Anhänger auf sie hetzt.
Es wird so schlimm, wie es klingt.
Redaktion: Lea Schönborn, Schlussredaktion: Bent Freiwald, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert