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Dass der nächste US-Präsident wieder Donald Trump heißt, fühlt sich an, als würde man eine TV-Serie schauen, die einen ab der dritten Staffel völlig kaltlässt. Alles gesehen, alles gesagt. Abschalten.
Aber die US-Amerikaner haben nicht abgeschaltet. Selbst ein gerichtlich verurteilter, zunehmend langweiliger Wahlverlierer wie Donald Trump zieht jetzt wieder ins Weiße Haus ein.
Wie kann das sein?
Möglicherweise hat die Antwort weniger mit Donald Trump zu tun als viele glauben – und mehr mit der Zeit, in der er regiert hat.
Es war eine Zeit ohne Kriege, ohne Pandemie. Aber vor allem war es eine Zeit ohne Inflation. Diese war seit den 1990er Jahren verschwunden und hielt sich so hartnäckig versteckt, dass Ökonomen und Zentralbanker sich fragen mussten, ob ihre Modelle überhaupt noch stimmten.
Bitte, wie viel kostet diese Paprika?
Wie können die Zinsen so niedrig sein und die Inflation gleichzeitig ebenso? Viele Theorien hatten die Experten entwickelt, um dieses außergewöhnliche Phänomen zu erklären: zunehmende Alterung, schwache Produktivität, Globalisierung und Ungleichheit. Vermutlich wirkte alles ein bisschen.
Ich bezweifle, dass Donald Trump diese nerdigen Debatten verfolgt hatte. Aber eine Sache weiß er heute: Als ich regierte, hatten die Leute mehr Geld in der Tasche. Wortwörtlich. War Trump es doch, der während der Pandemie jedem US-Amerikaner einen Scheck mit seiner Unterschrift über mindestens 1.200 Dollar nach Hause schickte.
Heute haben die Menschen in den USA nicht mehr Geld in der Tasche. Völlig egal, was anonyme Statistiken und ausgebuffte Indikatoren der Experten sagen. Wer einkauft, steht vor dem Gemüseregal und ist regelmäßig fassungslos: „Bitte, wie viel kostet diese Paprika?“ Das ist in den USA so, es ist aber auch hier so. Und das ist eine Wahrheit, die bei einer Wahl zählt.
Donald Trump, komplett ohne eigenes Zutun, regierte die USA am Ende eines einzigartigen Boomzyklus (und befeuerte ihn sogar noch mit einer Steuersenkung für Unternehmen). Der amtierende Präsident Joe Biden und die Kandidatin Kamala Harris übernahmen die Geschäfte genau zu jenem Zeitpunkt als die Inflation, die auch Trump mit seinen Schecks und Steuersenkungen ausgelöst hatte, richtig Fahrt aufnahm.
US Bureau of Labour Statistics
Die Menschen, da müssen wir nicht allzu clever sein, standen vorm Paprikaregal und wurden sauer auf die Regierung Biden. Donald Trump ist der lebende Beweis, dass einem US-Präsidenten die größten Skandale verziehen werden können, aber nicht, wenn die Preise für Paprika, Hühnchen und Brot in ein, zwei Jahren um 30 bis 40 Prozent steigen.
Ah, Donald Trump, bei ihm war die Welt noch in Ordnung!
Völlig egal, ob eine Regierung Einfluss auf diese Preise hat oder nicht; die Menschen werden sie für sie verantwortlich machen. In den USA haben sie Joe Biden für diese Preise verantwortlich gemacht. Deswegen hat er auch sein großes und in Deutschland völlig unterschätztes Industrie- und Klimagesetz „Inflation Reduction Act“ nennen lassen, obwohl es gar nicht zum Ziel hatte, die Inflation einzudämmen.
Donald Trump steht, so lächerlich das klingt, wenn man auf die wilden 2010er Jahre voller Kulturkämpfe und Identitätsdebatten zurückblickt, für eine gute alte Zeit. Und Joe Biden bzw. Kamala Harris stehen für die schlechte neue Zeit.
Wer nicht glaubt, dass die Inflation der Dämon des Joe Biden und der Kamala Harris ist, muss nur in andere Länder schauen. Das mit Abstand beste Beispiel ist Großbritannien. Dort erreichte die Inflation in der Spitze 11,1 Prozent.
Die 14 Jahre lang regierenden konservativen Tories wurden abgewählt. Wobei „abwählen“ das falsche Wort ist, um die vernichtende Niederlage zu beschreiben, die die Partei gegen den blassen Sozialdemokraten Keir Starmer erlitt.
Mehr als die Hälfte ihrer Parlamentssitze verloren die Tories gegenüber der letzten Wahl. Das Schicksal der Tories besiegelte Liz Truss, die im Jahr 2022 die Finanzmärkte mit einem inflationären Steuersenkungsplan in Aufruhr versetzte und britische Staatsanleihen für kurze Zeit der Müll-Kategorie näherbrachte. Danach übernahm der freundliche, aber reiche und damit abgehoben wirkende Investmentbanker Rishi Sunak. Eine Chance hatte er nicht mehr.
Genauso wenig, wie die Ampel-Regierung in Deutschland noch eine Chance hatte als die Inflation zuschlug. Sie hat in Summe besser regiert als viele Wähler wahrnehmen wollen. Aber auch in Deutschland sind die inflationsgeplagten Wähler frustriert. Kein anderes Thema beschäftigte die Deutschen im Jahr 2022 so sehr. Das war auch das Jahr, in dem die Umfragen für die Ampel schnell kippten.
Studien zeigen, dass unerwartete Inflationsschübe Gift sind für Regierungen, egal ob konservativ, links, liberal, blau oder orange. Das ist aus Sicht der Regierenden besonders perfide, weil sie nur sehr mittelbar Einfluss auf die tatsächlichen Preise haben.
In Deutschland verhandeln Löhne allein Gewerkschaften und Arbeitgeber, die Preise für Lebensmittel klären Supermarktketten und Hersteller untereinander und zumindest in den westlichen Ländern sind die Zentralbanken bei ihren Zinsentscheidungen von Regierungen unabhängig. Joe Biden immerhin ließ die strategischen Ölreserven der USA leeren, als der Preis auf über 100 US-Dollar kletterte und konnte so den Anstieg deckeln und damit auch die Inflation abbremsen. Das war aber nur ein Teil der Antwort.
Nach dem großen Inflationsschub des Jahres 2021 erhöhten alle Zentralbanken der westlichen Welt in einem rasanten Tempo die Zinsen. So konnten sie tatsächlich die Inflation eindämmen.
Allein, was nützt es? Die Preise sind ja weiterhin hoch. Die Inflation zu „bändigen“, wird politisch selten belohnt, zumal dabei immer die Gefahr ist, mit den Zinsanstiegen einen Abschwung auszulösen, Anstieg der Arbeitslosigkeit inklusive.
Es ist jedenfalls ein vielsagendes Detail, dass Trump-Wähler sich mehr Sorgen über die Lebenshaltungskosten machten als die Wähler von Harris.
Ich habe den Text nach der US-Wahl und dem Zerbrechen der Ampel-Koalition aktualisiert.