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So intensiv war noch keine meiner Reisen. Bis gestern war ich eine Woche lang mit einer Gruppe Journalist:innen in Armenien unterwegs (organisiert von der „Deutschen Gesellschaft“, einem überparteilichen Verein, der Beziehungen in Europa fördern will).
Wir sprachen zum Beispiel mit den Leiterinnen eines Frauenhauses, mit dem stellvertretenden Außenminister und mit dem Chefredakteur des Medienportals Civilnet.
Um ehrlich zu sein, war mir vorher nicht klar, wie bedeutsam dieses Land ist. Doch Armenien hat eine Schlüsselposition inne, weshalb viele Länder, wie etwa Russland, Iran oder Indien, versuchen, dort Einfluss zu nehmen.
Zunächst die wichtigsten Fakten über Armenien:
- Armenien liegt im Südkaukasus, zwischen Georgien, Aserbaidschan, Iran und der Türkei.
- In Armenien leben drei Millionen Menschen, die Diaspora ist aber wesentlich größer.
- Die Hauptstadt heißt Jerewan.
In dieser Newsletter-Ausgabe erkläre ich dir fünf Punkte, die ich in der vergangenen Woche über Armenien gelernt habe und die du wissen solltest:
1. Die armenische Diaspora ist größer als das Land selbst
Die meisten Armenier:innen leben nicht in Armenien. Rund drei Millionen Einwohner:innen hat das Land, während fünf Millionen Armenier:innen in Ländern wie Russland, den USA, Frankreich, Georgien oder Iran leben. Berühmte Diaspora-Armenier:innen sind zum Beispiel die Kardashians, eine US-amerikanische Promi-Familie.
Die armenische Diaspora ist so groß, weil Armenier:innen über Jahrhunderte immer wieder verfolgt wurden. Vor allem der Genozid durch das Osmanische Reich Anfang des 20. Jahrhunderts führte zu einer Massenmigration.
2. Vor einem Jahr vertrieb Aserbaidschan die Menschen von Bergkarabach
Zwischen Armenien und dem Nachbarland Aserbaidschan herrscht seit vielen Jahren eine tiefe Feindschaft. Ein Grund dafür ist die Region Bergkarabach. Völkerrechtlich gesehen gehört Bergkarabach zu Aserbaidschan, allerdings war die Region mehrheitlich von Armenier:innen bewohnt und de facto unabhängig. Die Betonung liegt auf dem „war“. Denn vor knapp einem Jahr passierte etwas, das diesen langjährigen Konflikt schlagartig beendete – zumindest vorerst.
Aserbaidschanische Truppen rückten vor und innerhalb weniger Tage ergaben sich die Verteidigungskräfte von Bergkarabach. Aus Angst davor, unter aserbaidschanischer Kontrolle leben zu müssen, flohen die knapp 100.000 Bewohner:innen von Bergkarabach, die meisten von ihnen nach Armenien. Heute müssen sich diese Menschen ein neues Leben aufbauen. Denn es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie in den kommenden Jahren in ihre Heimat zurückkehren können.
3. Armeniens Verhältnis zu Russland wandelt sich gerade drastisch
Russland galt immer als Schutzmacht von Armenien, doch das hat sich geändert. Nicht nur durch die Vertreibung der Bewohner:innen von Bergkarabach, bei der die dort stationierten russischen Friedenstruppen tatenlos zuschauten. Schon zuvor, im Jahr 2022, griff Aserbaidschan armenische Grenzdörfer an – und Russland tat nichts. Nicht alle sprechen es so direkt aus, aber: Armenien fühlt sich von Russland verraten. Deshalb versucht Armenien gerade, seine außenpolitischen Beziehungen zu diversifizieren und neue Partner zu finden.
4. Armenien ist das älteste christliche Land der Welt
An klaren Tagen ragt ein Berg über Jerewan auf: der Ararat. Der Gipfel des ruhenden Vulkans ist immer mit Schnee bedeckt. Um den Ararat ranken sich viele Mythen, zum Beispiel soll die Arche Noah dort gestrandet sein. Erzählungen rund um das Christentum haben eine besondere Bedeutung in Armenien.
Im Jahr 301 nach Christus nahm das Land das Christentum als Staatsreligion an. Über die Jahrhunderte wurden Armenier:innen immer wieder verfolgt und unterdrückt, weshalb die Armenische Apostolische Kirche eine große Rolle für sie spielt. Der Glaube ist wichtig für die Identität und das Gemeinschaftsgefühl.
5. Armenien liegt in einer geopolitischen Schlüsselposition
Aus deutscher Perspektive erscheint Armenien vielen als klein, weit weg und unwichtig. Dabei liegt der Staat im Kaukasus in einer Schlüsselregion: an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien, zwischen Russland und dem Nahen Osten, zwischen der Türkei und anderen Turkstaaten wie Aserbaidschan oder Turkmenistan.
Schon im Mittelalter war das armenische Hochland ein wichtiges Durchzugsgebiet für Handelsrouten. Auch heute ist Armenien für die Länder in der Region relevant. Russland, Indien oder Iran versuchen, ihre Interessen in der Region durchzusetzen. Von Armenien aus ist die Welt ganz nah. (Über dieses Thema werde ich auch meinen nächsten Text schreiben).
Redaktion: Susan Mücke