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Kürzlich gingen zwei schreckliche Meldungen durch die internationalen Nachrichten.
Die ugandische Olympia-Läuferin Rebecca Cheptegei starb vor wenigen Wochen an schweren Brandverletzungen. Ihr Ex-Freund hatte sie mit Benzin übergossen und angezündet. Und im August wurde eine Ärztin in Indien im Krankenhaus vergewaltigt und ermordet.
Nach Angaben der UN wurden 2022 weltweit fast 89.000 Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts getötet. Es ist die höchste Zahl seit 20 Jahren.
Ich will dir in dieser Newsletter-Ausgabe aber nicht einfach nur traurige Nachrichten überbringen. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich mit solchen Fällen zu beschäftigen – auch für die internationale Politik. Wie die Gesellschaft in einem Land mit den eigenen Frauen umgeht, kann sich darin widerspiegeln, wie es sich gegenüber anderen Ländern verhält. Besonders bei Russland ist diese Verbindung deutlich.
Das ist mir klar geworden, als ich „Kinder der Gewalt“ von Julian Hans gelesen habe. Der Journalist und ehemalige Moskau-Korrespondent beschreibt in dem Buch, wie sich Gewalt durch die russische Gesellschaft zieht. In einem Kapitel geht es um häusliche Gewalt und einen Vater, der jahrelang seine drei Töchter quälte und sexuell missbrauchte – bis sie ihn gemeinsam ermordeten.
Der Staat verhält sich genauso wie ein Haustyrann
Der Fall ging monatelang durch russische Medien. Bis heute kursieren im Internet Sprachnachrichten des gewalttätigen Vaters, in einer sagt er: „Mach mich nicht zum Sünder!“ Das sei ein beliebtes Argumentationsmuster notorischer Aggressoren, schreibt Hans. Nach dem Motto: „Wenn ich dir etwas antue, ist das deine Schuld.“ Auch Wladimir Putin mime immer wieder das Unschuldslamm und tue immer so, als sei er „gezwungen“, schlimme Dinge zu tun: Weil die baltischen Staaten der Nato beitraten, muss Russland Zivilist:innen in der Ukraine bombardieren. Würde die Ukraine endlich aufgeben, wäre der Krieg schon vorbei.
„Ein durchschaubares Spiel“, schreibt Hans, trotzdem ließen sich in Deutschland selbst intelligente Menschen darauf ein. „Selbst Alice Schwarzer ruft dazu auf, den Aggressor nicht durch zu viel Widerstand zu provozieren. Dabei würde man doch gerade von einer Vorkämpferin für Frauenrechte erwarten, dass sie die Muster von Missbrauch und Manipulation durchschaut, mit denen Aggressoren ihre Opfer in Abhängigkeit halten und die Öffentlichkeit täuschen.“
Seit 2017 ist häusliche Gewalt in Russland nicht mehr strafbar. Wenn ein Mann seine Partnerin verprügelt, dann gilt das nur noch als Ordnungswidrigkeit. Häusliche und staatliche Gewalt funktionierten nach denselben Prinzipien, sagt die russische Aktivistin Anna Riwina in dem Buch. „Unser Staat verhält sich auf allen Ebenen genauso wie dieser gewalttätige Haustyrann.“
Femizide sind keine Einzelfälle
Zurück zu den zwei Fällen vom Anfang: Gewalt gegen Frauen ist kein Problem, das jedes Land mit sich ausmachen muss. Es ist ein globales Problem, das alle Frauen auf der Welt betrifft. Wie gewaltvoll eine Gesellschaft gegenüber ihren eigenen Frauen ist, ist auch ein Maß dafür, wie sich diese Gesellschaft gegenüber anderen Ländern gebärdet.
Ich will hier keine direkte Kausalität herstellen und beispielsweise behaupten, dass ein Land eher Kriege gegen andere führt, wenn die Zahl der Femizide dort besonders hoch ist. Mir geht es darum, Femizide nicht als etwas Isoliertes, als viele schreckliche Einzelfälle zu betrachten.
Zum Abschluss noch etwas, das Hoffnung macht: Die Zahl der Femizide ist in Südafrika besonders hoch, doch eine Psychologin kämpft mit einem neuen Konzept dagegen an. Ncazelo Ncube-Mlilo stellte vor einigen Jahren fest, dass sie mit klassischen (westlichen) Therapie-Methoden wenig Erfolg hat. Also entwickelte sie eine eigene Therapiemethode, die inzwischen in 40 Ländern angewendet wird. Es ist eine narrative Therapieform, bei der es weniger um unbewusste Prozesse oder psychische Schäden geht. Ziel des Projekts von Ncube-Mlilo ist es, vor allem den Frauen in armen Bezirken zu helfen.
Redaktion: Bent Freiwald, Bildredaktion: Philipp Sipos