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Du kennst wahrscheinlich dieses berühmte Cover mit dem „afghanischen Mädchen“. Aber kennst du auch die Geschichte dahinter? Die Frau heißt Sharbat Gula. Und ein paar Sachen an diesem Cover haben mich überrascht. In diesem Newsletter erzähle ich dir, wie es entstanden ist.
Das weltberühmte Cover. Foto: Steve McCurry
Es war 1984, fünf Jahre zuvor war die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert. Gula war vor dem Krieg geflohen und lebte in einem Flüchtlingscamp in Pakistan. In ihrer Schule sah sie der Fotograf Steve McCurry, der gerade für den National Geographic unterwegs war.
Er war sofort gebannt von ihren grünen Augen. Und wollte ein Foto machen. Später gab es Kontroversen um die Entstehung des Fotos. Gula war ungefähr zehn Jahre alt und kommt aus einer konservativen paschtunischen Familie. Direkt vor einem fremden Mann zu sitzen, ihr Gesicht zu enthüllen und dem Fotografen in die Augen zu schauen – damit fühlte sie sich nicht unbedingt wohl. Im Text dazu stand, ihre Augen spiegelten „die Angst vor dem Krieg wider“. Kritiker:innen sagten, es sei die Angst vor dem Fotografen gewesen. Sie selbst sagte später, sie sei in dem Moment wütend gewesen. Es war das erste Mal, dass sie fotografiert wurde.
Fotograf McCurry wurde mit dem Foto weltberühmt, es ist bis heute DAS Cover des National Geographic. CNN nannte es das „berühmteste Foto der Welt“.
Doch von dem „afghanischen Mädchen“ wusste man lange Zeit nicht einmal den Namen. Sie selbst hatte keine Ahnung, dass ihr Foto weltberühmt ist. Sharbat Gula wurde zum Symbol Afghanistans – aus westlicher Perspektive. Ein namenloses Mädchen auf der Flucht.
McCurry versuchte mehrfach, Sharbat Gula wiederzufinden. Aber um ehrlich zu sein frage ich mich, wie intensiv er gesucht hat. Denn es dauerte 17 Jahre, bis er sie fand. Das war 2002, Gula lebte mit ihrer Familie in Pakistan. National Geographic schrieb einen Text über sie. Ich finde ihn, naja, so lala. Der Text zeichnet das Bild einer gebeutelten, traurigen Frau. Und McCurry fotografierte Gula mit dem gleichen erschrockenen Gesichtsausdruck wie 17 Jahre vorher.
Gula hat den gleichen Gesichtsausdruck wie damals – zumindest auf diesem Bild. Foto: Steve McCurry
Inzwischen ist Gula um die 50. Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, floh sie nach Italien. Sie sprach mit einer italienischen Zeitung – und diesen Text finde ich VIEL gelungener. Wir erfahren mehr über Gula: Sie hat drei Kinder und einen Schwiegersohn. Sie genießt es, nicht erkannt zu werden. Ihre Tochter soll eine gute Bildung bekommen und will Ärztin werden. Sie freut sich über die Entscheidungsfreiheit, ihrer Tochter diese Bildung zu ermöglichen. Sie lernt Italienisch.
Und, was ich am allerbesten finde: Sie haben ein Foto von ihr gemacht, wie sie lacht. Sharbat Gula hat nicht in dem Maße von ihrer Berühmtheit profitiert wie der Fotograf und die Zeitschrift. Umso wichtiger finde ich es, ihre eigene Geschichte zu kennen – und ihr Lachen.
© Luigi Narici
Schlussredaktion: Rebecca Kelber