Ein F-16 Kampfjet am Himmel

Anadolu/Getty Images

Politik und Macht

Was die neuen F-16 für die Ukraine wirklich bedeuten

Die westlichen Jets treffen auf eine Art von Luftkrieg, mit der sie noch nie konfrontiert waren.

Profilbild von Tristan Oetker-Kast
Reporter

In den ersten Tagen des russischen Angriffskrieges erschufen sich die Ukrainer einen Mythos. In den sozialen Medien tauchten verwackelte Handyvideos auf, die einen Kampfjet zeigen, angeblich geflogen von einem Piloten, der im Himmel über Kyjiw einen Luftsieg nach dem anderen errang.

Sie tauften ihn den „Geist von Kyjiw“.

Viele zweifelten: Gab es diesen Kampfpiloten überhaupt? Und tatsächlich verkündete die ukrainische Luftwaffe nach ein paar Wochen, dass der „Geist von Kyjiw“ eine Erfindung gewesen sei.

Seinen Zweck hatte der Mythos da aber schon lange erfüllt. Er demonstrierte, dass die ukrainische Luftwaffe nicht kampflos aufgeben würde und er hatte den Ukrainern den Glauben gegeben, dass dieser Krieg gewinnbar ist.

Heute, knapp zweieinhalb Jahre später, wird dieser Glaube auf die Probe gestellt. An den Fronten im Osten und Süden des Landes kämpfen die Ukrainer einen zähen Stellungskrieg. Landgewinne von wenigen Kilometern gelten schon als großer Erfolg. In dieser Situation sind westliche Jets nun die neuen Hoffnungsträger.

Die Debatte um Kampfjet-Lieferungen war oft von hitziger Rhetorik geprägt

Als die Regierungen und Bürger des Westens bereits kurz nach Kriegsbeginn diskutierten, ob sie Flugzeuge liefern sollten, schwang noch etwas von dem „Geist von Kyjiw“-Mythos mit. Denn einige Medien und Politiker erweckten den Eindruck, dass es sich um unglaublich mächtige und kriegsentscheidende Waffen handeln würde, deren Lieferung sofort immense Auswirkungen auf den Kriegsverlauf nähme. Der Nachrichtensender N-TV titelte am 9. März 2022: „Liefert die NATO Kampfjets, ist sie drin im Krieg“, und die US-Regierung warnte davor, dass die Lieferung von Jets eine potenzielle Eskalation zur Folge hätte.

Dabei ging es damals noch gar nicht um westliche Jets, sondern um polnische Mig-29 aus ehemaligen DDR-Beständen. Also um einen Flugzeugtyp, den die Ukraine bereits fliegt. Als Polen und die Slowakei dann vergangenes Jahr trotzdem lieferten, reagierte Russland gar nicht.

Und als es dann nicht mehr um DDR-Migs ging, sondern um westliche F-16 vom amerikanischen Hersteller Lockheed Martin, debattierten und warnten viele noch heftiger. Sahra Wagenknecht warnte im Mai 2023 auf ihrem Youtubekanal vor dem Risiko einer nuklearen Konfrontation, sollte die Ukraine F-16 bekommen, der damalige ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bezeichnete die F-16 als „ernsthaften Gamechanger“ und auch das Wall Street Journal nutzte diesen Begriff.

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Die Erwartungen an die F-16 „Fighting Falcon“ oder auch „Viper“ genannt, sind also hoch. Die Maschine kann in ihrer 44-jährigen Dienstzeit auch eine lange Liste an Erfolgen vorweisen. Ein Whitepaper des Departments of the US Air Force zeigt, dass die F-16 während des zweiten Golfkriegs fast 13.500 Einsätze flog – mehr als jeder andere Flugzeugtyp. Die Maschinen griffen wichtige Ziele wie Saddam Husseins Präsidentenpalast an, leisteten Luftunterstützung oder fingen irakische Jäger ab. Es handelt sich also um eine schlagkräftige Maschine.

Doch der russische Überfall auf die Ukraine brach mit dem, was seit den Neunzigerjahren als Fundament moderner Kriegsführung galt: die Erlangung der uneingeschränkten Luftüberlegenheit.

Die F-16 werden der Ukraine diese totale militärische Kontrolle über den Himmel nicht verschaffen können. Wunderwaffen, oder neudeutsch „Gamechanger“, gibt es nicht.

Was es aber gibt: eine neue Art von Luftkrieg, die das 21. Jahrhundert prägen wird und in der Ukraine können wir sie beobachten. Kleine Drohnen prägen diesen Krieg ebenso wie große Bomber und Jets.

Und in dieser Art Krieg ist wenig Platz für Maschinen, die in den Nahkampf mit feindlichen Fliegern gehen, es braucht keine mythisch überhöhten Superpilot:innen, sondern hohe Flexibilität. Und darin liegt eine der größten Stärken der F-16.

Deswegen ist sie eine signifikante Hilfe für die ukrainische Armee – aber eben auf andere Weise, als die Debatten des letzten Jahres vermuten lassen.

Die F-16 ist vor allem erstmal: verfügbar

Westliche Regierungen haben der Ukraine viele F-16-Jets versprochen. Laut dem Open-Source-Analyseblog Oryx sowie jüngsten Medienberichten kommen die Niederlande, Norwegen, Dänemark, Belgien und Griechenland gemeinsam auf eine Menge von 127 Jets. Zum Vergleich: Seit Kriegsbeginn sind mindestens 86 Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe entweder zerstört oder beschädigt worden.

Hier zeigt sich damit auch einer der zentralen Vorteile der F-16. Sie ist verfügbar – und zwar in großer Zahl. Laut des Herstellers Lockheed Martin sind weltweit rund 3.100 F-16 in 29 Ländern im Einsatz.

Viele NATO-Länder steigen außerdem derzeit auf die F-35 um. Dadurch können sie eine große Menge F-16 an die Ukraine übergeben, ohne dass ihre eigene Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung leidet.

Die Einsatzmöglichkeiten der F-16 sind vielfältig. Sie ist wendig und kann Manövern widerstehen, bei denen bis zu 9G, also die neunfache Erdanziehungskraft auf Maschine und Pilot:in wirken. Sie eignet sich sowohl um Ziele in der Luft, als auch am Boden zu bekämpfen.

Die F-16 ist allwettertauglich und kann Luftziele damit bei jedem Wetter orten und Bodenziele auch ohne Sichtkontakt gezielt zerstören. Dabei kann sie laut der US Air Force eine Distanz von 860 Kilometern bis zum Ziel zurücklegen, ihre Ladung abwerfen und anschließend wieder zur Basis zurückkehren.

Mit modernen Lenkraketen wie beispielsweise der Aim-120 AMRAAM kann sie auch Luftziele abschießen, ohne dass Pilot:innen Sichtkontakt aufbauen müssen. Eine Fähigkeit, die im modernen Luftkampf enorm wichtig ist.

Einen Kampf Pilot gegen Pilot, Maschine gegen Maschine, gibt es in der Ukraine nicht

Denn anders, als es im Film „Top Gun“ dargestellt wird, entscheidet im Luftkampf heutzutage oft das Flugzeug oder die richtige Lenkwaffe und nicht die Pilot:in über Sieg oder Niederlage. Diese Fähigkeit der F-16 kann die Ukraine aber nicht nutzen, ohne dass sie zusätzlich zu den F-16 die richtige Munition bekommt.

Verstehen können wir das, wenn wir uns anschauen, wie die Realität am Himmel in der Ukraine aussieht.

Da es bisher keiner Seite gelungen ist, die Luftüberlegenheit zu erringen, haben Russland und die Ukraine sehr unterschiedliche Strategien entwickelt. Obwohl die ukrainische Luftwaffe zu Anfang des Krieges schwere Verluste hinnehmen musste, haben ukrainische Flugzeuge nie aufgehört, Einsätze zu fliegen. Auch wenn Russland bereits mehrfach Zahlen veröffentlicht hat, die bedeuten würden, dass wirklich Geister für Kyjiw fliegen.

Liniendiagramm zu unabhängig überprüfbaren Flugzeugverlusten.

Oryx zählt nur Verluste, die sich mit Fotos oder Todesanzeigen belegen lassen. Es handelt sich also um eine Mindestanzahl. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher.

Die Ukrainer fliegen in der Regel sehr tief, um der Erfassung durch das russische Radar zu entgehen. Russische Flugzeuge vermeiden den ukrainischen Luftraum dagegen komplett und klinken ihre Ladung wie Marschflugkörper, Gleitbomben oder Raketen oft bereits in Russland aus, um nicht ins Visier der ukrainischen Luftabwehr zu geraten.

In der Praxis bedeutet das: Die Kampfjets der jeweiligen Seite können sich nur schwer gegenseitig abschießen. Die russischen Jets haben zwar Lenkflugkörper, die für die sogenannte Luft-Luft-Bekämpfung geeignet sind. Aber die Ukrainer bleiben in der Regel außerhalb von deren Reichweite. Und selbst wenn: Weil ukrainische Jets so tief fliegen, verschwimmen sie auf dem Radar der russischen Maschinen mit Bäumen oder Häusern.

Die ukrainischen Jets wiederum haben zurzeit keine geeigneten Lenkflugkörper, mit denen sie die russischen Maschinen in Schach halten könnten. Russlands Migs und Suchois können nahezu uneingeschränkt operieren, solange sie auf die bodengestützte Luftabwehr achten.

Um das Patt am Himmel zu brechen, braucht die Ukraine die richtige Munition

Theoretisch könnte sich das mit den F-16 ändern. Dafür reicht es aber nicht, Flugzeuge zu liefern. Es braucht auch entsprechende Munition. Die Vereinigten Staaten werden zwar Aim-120- Raketen, sogenannte AMRAAMs, liefern, mit denen sich gegnerische Kampfjets abschießen lassen, doch bisher ist unklar, um welche Version von AMRAAMs es sich dabei handelt. Neuere Varianten wären eine große Bedrohung für russische Jets, ältere sind in ihrer Leistung allerdings deutlich stärker eingeschränkt. Außerdem wird die Ukraine sich bei jeder Rakete entscheiden müssen, ob sie besser in einem bodengestützten Luftabwehrsystem oder einem Jäger aufgehoben ist. Keine einfache Wahl.

Dennoch ist es möglich, dass die Ukraine mit den neuen F-16 und ihren AMRAAMs vor allem zu Beginn Erfolge erzielt, da die russische Luftwaffe noch nicht genau einschätzen kann, was die F-16 können und was nicht. Langfristig dürfte sich Russland aber an die neue Bedrohung gewöhnen. Dennoch bedeuten die F-16, dass Russland beim Eindringen in den ukrainischen Luftraum in Zukunft noch vorsichtiger sein muss. Es kann sich schließlich nie sicher sein, mit welcher Bewaffnung die Maschinen wirklich fliegen. Die Luft-Luft-Fähigkeiten der F-16 sind damit trotz allem von großem Wert für die Ukraine.

Denn das Radar in der Nase der F-16 ist selbst bei älteren Modellen deutlich leistungsstärker als das der Mig-29 und Su-27. Dadurch können F-16 ihre Ziele auch im Tiefflug gut von Bäumen und Häusern, dem sogenannten Bodenclutter, unterscheiden und erfassen. Dadurch kann die F-16 Marschflugkörper im Tiefflug schneller erkennen und abschießen und damit die Gefahren verringern, die von diesen ausgehen.

Drohnen sind im Ukrainekrieg überall – das verändert die Einsätze der F-16

Auch anfliegende Drohnen, wie die iranischen Shahed-136 und deren russisches Äquivalent Geran-2, kann die F-16 abschießen. Eine Aufgabe, die schon jetzt oft von ukrainischen Jets übernommen wird. Diese Drohnen sind keine komplexen Hightechsysteme, sondern bestehen aus einfachen Komponenten.

Technische Daten zu einem iranischen Drohnentyp.

PowerPoint-Folie aus einer Präsentation eines russischen Drohnenbauers. Quelle: Leak durch PRANA-Network, 04.02.2024

Ein Dokumentenleak der iranischen Hackergruppe „PRANA Network“ zeigt, dass Russland dem Iran 18 Millionen Rubel (rund 190.000 Euro) pro Drohne bezahlt. Eine einzige Rakete für ein Patriot-System kostet laut dem Forbes Magazine um die 3,8 Millionen Euro. Wenn man so eine Drohne also mit einem teuren Flugabwehrsystem abschießt, zerstört die Drohne, salopp gesagt, die teure Rakete und nicht umgekehrt. Dieses Dilemma lässt sich lösen, indem die Drohnen mit den Kanonen von Systemen wie dem Flakpanzer Gepard oder den in Jagdflugzeugen verbauten Bordkanonen abgeschossen werden.

Ukrainische Soldaten sitzen auf einem aus Deutschland stammenden Flugabwehrpanzer.

Aus Deutschland gelieferter Gepard der ukrainischen Armee. An der Seite sind die Silhouetten abgeschossener Kamikazedrohnen aufgemalt. Bild: Libkos, Getty Images

Dass die F-16 diese Rolle erfolgreich ausführen kann, zeigte sich zuletzt im April. Damals holten jordanische F-16 der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, Dutzende iranische Drohnen auf dem Weg nach Israel vom Himmel.

Die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Luftabwehr dürfte also zu einer der Kernaufgaben der F-16 werden.

Diese Rolle hob auch der Oberkommandeur der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskyj, im Interview mit dem Guardian hervor. Dabei betonte er auch, dass die Möglichkeiten der F-16 begrenzt sind und sie einen Abstand von mindestens 40 Kilometern zur Frontlinie halten müsse, um nicht selbst von der russischen Luftabwehr ausgeschaltet zu werden.

Zudem werden die Basen, auf denen die F-16 stationiert werden, damit zu wertvollen Zielen mit hoher Priorität für die russische Luftwaffe. Das heißt, dass die strapazierte Luftabwehr der Ukraine den Schutz für ihre eigene Verstärkung aufbringen muss.

Mit den F-16 kommen auf die Ukraine noch weitere Aufgaben zu, die auch zeigen, dass diese Maschinen kein „Gamechanger“ sein können.

Wer eine Mig-29 oder Su-27 fliegen kann, kann deshalb nicht gleich auch eine F-16 fliegen

Die ukrainische Luftwaffe ist bisher im Kern eine sowjetische. Technik, Einsatzroutinen und Einsatzarten sind auf sowjetische Flugzeugtypen wie die Mig-29 oder die Su-27 zugeschnitten. Die Fälle von Polen und Rumänien, die ebenfalls F-16 fliegen, zeigen, wie schwierig der Umstieg sein kann.

In Polen haben sich deswegen zwei verschiedene Zweige derselben Luftwaffe gebildet, die komplett unterschiedlich fliegen. In Rumänien dagegen wird die F-16 so genutzt wie zuvor die Maschinen sowjetischer Bauart, was die Effektivität der Flugzeuge verringert.

Bereits ausgebildete Pilot:innen umzuschulen, geht auch nicht, da diese bereits stark an sowjetische Maschinen und Prozessabläufe gewöhnt sind. Hinzu kommt, dass die Instrumente von NATO-Flugzeugen in völlig anderen Einheiten funktionieren. Der Höhenmesser und die Geschwindigkeitsanzeige sind in Knoten und Fuß anstatt in Meter und Kilometer pro Stunde, und Distanzen werden in Seemeilen gemessen.

Und es gibt eine Sprachbarriere. Alles im Cockpit der F-16 ist auf Englisch und nicht wie bei sowjetischen Maschinen auf Russisch. Das Navigationssystem, die Multifunktionsdisplays sowie Schalterbezeichnungen sind auf Englisch und das Training der Pilot:innen findet ebenfalls auf Englisch statt. Das heißt, dass ukrainische Trainees in vielen Fällen noch Englisch lernen müssen, bevor sie zum Training auf der F-16 übergehen können.

Die ukrainische Luftwaffe braucht also neue Pilot:innen, deren Ausbildung Zeit benötigt. Dazu braucht es wiederum eine entsprechende Trainingsinfrastruktur, die die Ukraine nicht selbst stellen kann. Auch können die neuen Pilot:innen nicht sofort alle Arten von Einsätzen fliegen, die die F-16 theoretisch leisten kann. Jedes dieser sogenannten Missionsprofile müssen die Pilot:innen einzeln üben.

Außerdem müssen Mechaniker die F-16 sehr häufig warten. Auf jede Flugstunde kommen 33 Stunden für die Wartung. Darüber hinaus benötigt sie saubere und vollständig intakte Landebahnen, da ihr Fahrwerk empfindlich ist und katastrophale Schäden die Folge sind, wenn der unterhalb des Rumpfes sitzende Lufteinlass Trümmerteile, Steine oder ähnliches auf der Landebahn einsaugt.

Um tatsächlich auf lange Sicht die Lufthoheit zu erlangen, bräuchte die Ukraine weitaus mehr Flugzeuge. Aber nichtsdestotrotz kann die F-16 die ukrainische Luftabwehr stärken und dabei helfen, katastrophale Angriffe wie auf das Kinderkrankenhaus in Kyjiw am 8. Juli diesen Jahres unwahrscheinlicher zu machen.

Sind schwedische Jets der Schlüssel zur Lufthoheit?

Die F-16 ist also eine Hilfe, aber kein Gamechanger. Es gibt aber noch einen Flugzeugtyp, den die Ukraine eigentlich benötigt. Bei der Frage nach dem richtigen Flugzeug für die Ukraine stoße ich in meiner Recherche immer wieder auf den Saab Gripen.

Bild eines schwedischen Kampfjets

Der Kampfjet „Gripen“ des schwedischen Flugzeugbauers Saab. Bild: Linus Svensson, Copyright Saab AB

Auf den ersten Blick unterscheidet sich dieser schwedische Kampfjet in seinen Fähigkeiten nicht sonderlich stark von der F-16. Der Gripen entstammt aber dem Kontext der schwedischen Neutralität, die die schwedische Verteidigungspolitik vor dem russischen Überfall auf die Ukraine geprägt hat.

Wer neutral ist, hat eine Menge potenzielle Feinde, aber keine Verbündeten und muss sich daher darauf einstellen, im Ernstfall alleine dazustehen. Daher ist der Gripen für den Kampf gegen eine zahlenmäßig stark überlegene Luftwaffe maßgeschneidert.

Der Gripen kann von Autobahnen und mobilen Basen aus operieren, da die Schweden davon ausgehen mussten, dass Invasoren wie Russland oder die Sowjetunion kurzen Prozess mit ihren Flugfeldern machen. Daher ist der Gripen wie seine Vorgänger Viggen und Draken sehr robust. Die Instandhaltung ist außerdem weitaus einfacher als die der F-16.

In einem Youtube-Video des Konzerns wirbt Saab mit einigen Fähigkeiten der Maschine: Laut des schwedischen Flugzeugbauers passt alles Werkzeug, das für die Instandhaltung benötigt wird, in einen Standardcontainer und gerade mal ein Team von sechs Leuten wird für die Arbeit am Flugzeug benötigt. Quasi das Ikea-Regal unter den Kampfjets.

Dadurch kann der Gripen immer wieder verlegt werden und muss nicht zurück zum selben Flugfeld, was es deutlich schwieriger macht, die Bewegungen der Maschinen zu überwachen und vorherzusagen.

Das ist eine Fähigkeit, die in der Ukraine von großem Wert wäre, denn die Ukraine hat nur wenige geeignete Basen für ihre Kampfjets. Das macht es für Russland relativ einfach, diese Basen ausfindig zu machen und mit Marschflugkörpern anzugreifen.

Wenn eine Staffel Gripen dagegen von mobilen Basen auf geeigneten Straßenabschnitten operiert, ist es deutlich schwieriger, den Standort und die Einsatzbereitschaft der Flugzeuge festzustellen und sie anzugreifen, da sie ständig in Bewegung gehalten werden können.

Das ist wichtig, da Russland so deutlich größere Schwierigkeiten hätte, die Flugzeuge zu finden und mit Luftangriffen auszuschalten.

Klingt also erst einmal wie das perfekte Flugzeug und die Ukraine wird den Gripen auch bekommen, wenn sie ihn möchte. Unklar ist aber, wie viele und wann. Sicher ist, dass der Gripen erst kommt, wenn die F-16-Lieferungen abgeschlossen sind. Wir reden hier also von einigen Jahren.

Die Fähigkeiten von Kampfjets werden nicht nur durch Technologie, sondern auch durch militärische Strukturen bestimmt

Laut des Chefs der schwedischen Luftwaffe, Generalmajor Jonas Wikmann, ist die Fähigkeit überlebenswichtig, von über das Land verstreuten Basen operieren und diese auch innerhalb kurzer Zeiträume wechseln zu können. Sie stellt eine der „drei Säulen“ der schwedischen Luftwaffe dar. Diese Fähigkeit ist für die Ukrainer hochinteressant, aber sie können nicht von heute auf morgen genauso operieren. Dazu benötigt es Training und den Aufbau entsprechender Strukturen innerhalb der ukrainischen Luftwaffe. Ohne sind die Vorteile des Gripen gegenüber der F-16 nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint.

Trotzdem ist die Zusage der Maschine eine gute Nachricht. Wie auch bei der F-16 gilt, dass kein einzelnes Waffensystem den Krieg entscheiden kann.

Der moderne Luftkrieg über der Ukraine zeigt, dass es nicht reicht, über ein Waffensystem wie die F-16 oder den Gripen isoliert zu sprechen. Es geht dabei auch um Munition, Training und die Frage nach langfristigen Zielen. Wir müssen uns von der Vorstellung von Wunderwaffen lösen. Die F-16 und andere Flugzeuge sind nur ein Zwischenschritt auf dem langen Weg zur Wahrung der ukrainischen Souveränität. Denn auch wenn der Glaube an einen Sieg der Ukraine vielleicht erschüttert ist, ist er nicht verloren.

Ja, der Geist von Kyjiw ist ein Mythos, aber er ist kein Hirngespinst. Er sitzt mit im Cockpit der ukrainischen Maschinen, die Tag für Tag aufsteigen, um der russischen Übermacht zu trotzen. Und er wird auch nicht so bald damit aufhören.


Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert

Was die neuen F-16 für die Ukraine wirklich bedeuten

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