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Die Mächtigen sind meistens männlich. Wenn es um Diktaturen, Kriege oder ganz allgemein um Politik geht, dann sind die Protagonisten der Ereignisse häufig: Männer. Dieses Foto des G20-Gipfels von 2019 (seitdem gab es keine guten Gruppenfotos mehr) illustriert das besonders gut. Ich erkenne darauf mehr Rot-Schattierungen von Krawatten als Frauen:
Unterscheiden sich hauptsächlich durch Krawattenfarbe und Haardichte: Männliche Politiker. © Pool / Getty Images
Und trotzdem: Frauen lenken die Geschicke ihrer Länder. Ich zeige dir deshalb drei Länder, in denen Frauen Einfluss nehmen; mal mehr, mal weniger sichtbar. Es geht um Ruanda, die Ukraine und Bangladesch.
Am Ende dieses Newsletters wirst du verstehen, wieso Frauen ihre Macht oft anders ausüben als Männer. Und warum die Welt nicht automatisch besser und friedlicher wird, nur weil mehr Frauen an der Macht sind.
Ruanda: Wie Frauen das Land übernahmen
Das Parlament von Ruanda hat die höchste Frauenquote der Welt: 61,3 Prozent der Abgeordneten sind weiblich. Ruanda belegt in dieser Hinsicht schon seit Jahren den weltweiten Spitzenplatz und war das erste Land, das jemals mehrheitlich Frauen im Parlament hatte. Diese Tatsache beruht jedoch auf einer Tragödie.
Ruanda liegt im Osten Afrikas und ist vielen wegen des Genozids von 1994 bekannt. Damals ermordeten Angehörige der Hutu zwischen 500.000 und 800.000 Tutsi. Nach dem Völkermord lag das Land in Trümmern. Und es fehlten Leute, um es wieder aufzubauen.
Vor dem Genozid gab es in Ruanda beispielsweise 785 Richter:innen, davon überlebten nur 20. Außerdem lebten mehr Frauen im Land, denn bei den Massakern starben mehr Männer. In den Jahren nach dem Genozid war deshalb 70 Prozent der Bevölkerung von Ruanda weiblich.
Frauen mussten also einflussreiche Ämter besetzen – ganz einfach, um ihr Land wieder zum Laufen zu bringen. Zusätzlich gab es auch institutionelle Regelungen, zum Beispiel führte Ruanda 2003 eine Frauenquote von 30 Prozent für das Parlament ein. Heute ist die Zahl der weiblichen Abgeordneten deutlich höher.
Ukraine: Krieg betrifft nicht nur Männer
Krieg verstärkt Geschlechterklischees. Männer kämpfen, Frauen fliehen – so sehen es wahrscheinlich viele. Doch das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Die ukrainischen Frauen sind auf eine andere Weise vom Krieg betroffen. Zwar dürfen sie, im Gegensatz zu Männern, das Land verlassen. Dafür werden sie, wenn sie bleiben, eher Opfer von sexualisierter Gewalt. Es gibt Berichte, dass russische Soldaten Vergewaltigungen als Kriegswaffe einsetzen.
Außerdem verstärkt der Krieg Probleme, die schon vorher in der ukrainischen Gesellschaft existierten. Beispielsweise sind Frauen eher von Altersarmut betroffen. Die Gründe sind die gleichen wie Deutschland: Frauen bekommen eine niedrige Rente, weil sie häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiten oder generell weniger erwerbstätig sind, weil sie stattdessen die Kinder betreuen. Der Krieg verstärkt dieses Problem, denn die Preise steigen, aber die Renten nicht.
Auch Frauen verteidigen die Ukraine. Rund 43.000 Frauen dienen nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums in der Armee. Sie sind Scharfschützinnen, Mechanikerinnen oder Kommandantinnen eines Schützenpanzers.
Wenn sie nicht in der Armee dienen, kämpfen viele Frauen an anderen Fronten: Sie helfen Binnengeflüchteten, bauen zerbombte Häuser wieder auf oder fotografieren Kriegsschauplätze. Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin und Nobelpreisträgerin Oleksandra Matviichuk sagte einmal: „Ukrainische Frauen stehen an vorderster Front in diesem Kampf für Freiheit und Demokratie.“
Bangladesch: Eine Autokratin an der Macht
Frauen sind friedlicher, so das Klischee. Sie führen angeblich empathischer und sind weniger autoritär als Männer. Der Sozialpsychologe Harald Welzer schrieb einmal von einem „ins Bizarre ausfransende[n] Krieg um korrekte Sprache“ und machte sich über Studierende lustig, die von „Diktator:innen“ sprachen. Harald Welzer irrt sich, genauso wie alle, die Frauen für grundsätzlich friedlicher halten.
Zwar gibt es Studien, die gezeigt haben, dass ein Frieden länger hält, wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt waren. Aber Frauen sind nicht per se friedlich oder gewaltlos. Und auch wenn sie nicht immer in der ersten Reihe stehen, so können sie trotzdem autoritär oder diktatorisch regieren. Margot Honecker ist dafür ein Beispiel, Bildungsministerin der DDR, Ehefrau des früheren DDR-Staatspräsidenten Erich Honecker und mächtigste Frau der DDR. Oder Agathe Habyarimana, ehemalige First Lady von Ruanda, mitverantwortlich für den Völkermord, Spitzname: „Lady Genocide“.
Ein aktuelles Beispiel ist Scheich Hasina, die Autokratin von Bangladesch. Sie ist Premierministerin, seit 15 Jahren an der Macht und war einst eine demokratische Ikone.
Scheich Hasina lässt sich von Geschlechterklischees nicht davon abhalten, autokratisch zu regieren. © WPA Pool / Getty Images
Scheich Hasina gilt als geschickte Taktikerin, die in einem Land von 170 Millionen Einwohner:innen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand sorgte. Dieser wirtschaftliche Aufschwung basiert übrigens in großen Teilen auf den überwiegend weiblichen Fabrikarbeiterinnen der Textilindustrie.
Doch über die Jahre wurde Hasina immer repressiver. Sie ließ massenhaft Oppositionelle und Aktivist:innen verhaften, andere Kritiker:innen verschwanden spurlos. Medien bezeichnen sie als „eiserne Lady“. Ein Oppositionspolitiker verglich Hasina mit Diktatoren wie Saddam Hussein, Kim Jong-un oder Nicolás Maduro.
Scheich Hasina steht exemplarisch dafür, dass Frauen genauso regieren können wie Männer: genauso kompetent, aber auch genauso repressiv.
Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildreaktion: Philipp Sipos