Jeden ersten Montag im Monat versorge ich dich in diesem Newsletter mit den wichtigsten Neuigkeiten, Recherchen und Analysen zum globalen Rechtspopulismus und Extremismus, damit du den Überblick nicht verlierst.
Heute schaue ich unter anderem nach Indien, Uganda und Finnland. Und es geht um Russland und die AfD. Hinweise und Rückmeldungen kannst du gern an ben@krautreporter.de senden. Meinen Newsletter kannst du hier kostenlos abonnieren. Los gehts!
Fünf Nachrichten aus aller Welt
🌎 „Vegetarischer Nationalismus“ in Indien
Seit 2014 regiert der Hindu-Nationalist Narendra Modi Indien. Modi und seine Partei, die Bharatiya Janata Party (BJP), hetzen regelmäßig gegen die muslimische Minderheit. Sie verabschieden Gesetze, die diese zu Bürger:innen zweiter Klasse machen und ermutigen die Bevölkerung zu Gewalt und Selbstjustiz. Das neueste Kapitel dieser Geschichte: „Kuh-Bürgerwehren“ in Indien attackieren Metzger und Viehtransporter. Unter dem Vorwand der religiösen Befindlichkeit wollen sie der muslimischen Minderheit wirtschaftlich schaden. Dazu gibt es eine gute, kurze Doku bei der Deutschen Welle.
🌎 Polen: Macht die nationalkonservative PiS sich selbst überflüssig?
Im Herbst wird in Polen gewählt. In einem lesenswerten Interview beim Spiegel erklärt der Meinungsforscher Marcin Duma, dass die nationalkonservative PiS die Wahl verlieren könnte, weil sie vieles richtig gemacht habe. Die Partei hat ein Kindergeld und den Mindestlohn eingeführt – und laut Duma paradoxerweise so dafür gesorgt, dass eine rechtspopulistische Partei nicht mehr so attraktiv für die Wähler:innen ist, weil diese ihre Stimme jetzt nicht mehr einfach aus Protest gegen die Verhältnisse der PiS geben. Werte werden wichtiger für die Wahlentscheidung. Und da steht die PiS weiter rechts als die große Mehrheit im Land.
🌎 Christlicher Fundamentalismus und Queerfeindlichkeit in Uganda
Im März hat Uganda ein Anti-LGBTQ-Gesetz beschlossen, das drakonische Strafen für jede Person vorsieht, die sich nicht als heterosexuell identifiziert. Auch Menschen, die LGBTQ-Personen nicht bei den Behörden melden, machen sich laut dem Gesetz strafbar. Bei einer Konferenz mit dem Titel „Family Values and Sovereignity“ in der Stadt Entebbe erklärte Präsident Yoweri Museveni Anfang April, Homosexualität sei eine „große Gefahr“ für die Menschheit. Einer der Geldgeber der Konferenz war die US-amerikanische christliche Lobbygruppe Family Watch International (FWI). Die Organisation hält Homosexualität für eine „psychische Krankheit“. Sie will Lesben und Schwule „heilen“, mobilisiert weltweit gegen LGBTQ-Rechte, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Sexualaufklärung an Schulen. „Die religiöse Rechte in den USA hat ihre Agenda seit Jahrzehnten nach Afrika exportiert“, schreibt Andrea Böhm bei Zeit Online und zeigt die Verbindungen zwischen christlichem Fundamentalismus und Queerfeindlichkeit in Uganda auf.
🌎 Finnland: Wahlsieger will mit Rechtspopulisten koalieren
Anfang April wurde in Finnland gewählt. Die Partei der aktuellen Premierministerin Sanna Marin landete nur auf Platz drei, hinter den Konservativen und Rechtspopulisten. Jetzt strebt der konservative Politiker Petteri Orpo nach seinem Wahlsieg die Bildung einer Mitte-Rechts-Koalition an. Mit dabei: die rechtspopulistische Partei „Die Finnen“.
🌎 USA: Republikaner-Staaten erschweren Schwangerschaftsabbrüche
In North Dakota gilt ab sofort eines der strengsten Abtreibungs-Gesetze in den gesamten USA. Schwangerschaftsabbrüche sind künftig von dem Moment der Empfängnis an verboten – es sei denn, der Fötus ist nicht überlebensfähig, die Schwangerschaft gefährdet die Gesundheit der Mutter, ist das Ergebnis einer Vergewaltigung oder von Inzest. Auch in solchen Fällen dürfen Frauen nur noch bis zur sechsten Schwangerschaftswoche abtreiben – zu einem Zeitpunkt also, an dem viele Frauen überhaupt noch nicht wissen, dass sie schwanger sind. Florida hatte Mitte April ebenfalls ein Gesetz verabschiedet, das Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche verbietet. Beide Fälle illustrieren, wie erfolgreich die Republikaner das Thema als Schwerpunkt ihres Kulturkampfes von rechts setzen.
Nachrichten aus Deutschland
🇩🇪 Junge Alternative, Institut für Staatspolitik, Ein Prozent (Verein): gesichert rechtsextremistisch
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat drei Organisationen der Neuen Rechten in Deutschland als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft: Die AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ (JA), das rechtsextreme Institut für Staatspolitik (IfS) des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek sowie die Organisation „Ein Prozent“ in Halle (Saale). Deren Positionen seien „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, erklärte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. Jetzt kann der Verfassungsschutz mehr Instrumente einsetzen, um die drei Organisationen zu überwachen. Dazu gehören zum Beispiel der Einsatz von V-Leuten und die Überwachung von Telefonen und Post. Die wichtigsten Fragen und Antworten gibt es bei Zeit Online.
🇩🇪 Berlin: AfD-Machtspiele bei Bürgermeisterwahl
Berlin hat einen neuen Bürgermeister: Kai Wegner (CDU). Doch möglicherweise ist dieser nur dank Stimmen der AfD ins Amt gekommen. Was ist passiert? Wegner war in den ersten beiden Wahlgängen zur Bürgermeisterwahl gescheitert. Im dritten Wahlgang erhielt er dann die nötigen Stimmen. Die AfD gab anschließend an, ihre Fraktion habe „vor dem dritten Wahlgang beschlossen, Kai Wegner zur erforderlichen Mehrheit zu verhelfen.“ Das Ganze erinnert an die Thüringen-Wahl 2020, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Nach heftiger öffentlicher Kritik trat er nur wenige Tage später zurück. Damals wie heute ist die Strategie der AfD so durchschaubar wie erfolgreich: Die Partei will demokratische Prozesse delegitimieren. Die anderen Parteien sollen als Versager dastehen. Es geht ums Spalten und Polarisieren.
Recherchen des Monats
🔎 Kreml-Plan für Antikriegsallianz in Deutschland
Der Washington Post liegen Dokumente vor, nach denen die russische Regierung gezielt Einfluss auf die Politik in Deutschland nehmen wollte – durch Unterstützung einer Antikriegsallianz von Rechten und Linken. Der Recherche zufolge haben Kreml-Beamte und politische Strategen in Russland gemeinsam an Strategien gearbeitet, wie in Deutschland eine Antikriegsstimmung aufgebaut werden könnte, um die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Sie erarbeiteten Slogans, die unter anderem bei Antikriegsdemos zu sehen waren. Laut den Dokumenten schrieben Kreml-Strategen auch ein Manifest für die AfD: Diese solle die Russland-Sanktionen als schädlich für deutsche Interessen darstellen. „Versuche, in Deutschland eine Antikriegsstimmung zu schüren, sind Teil einer verdeckten Front im Krieg gegen die Ukraine“, schreibt die Post.
🔎 Wie eine vermeintlich linke Regierung in Dänemark rechte Migrationspolitik macht
Dänemark ist eines der wohlhabendsten Länder Europas – und höhlt wie kaum ein anderes die Rechte von Menschen auf der Flucht (und Nichtweißen) aus. „Ghetto-Gesetze“ sortieren Menschen nach Hautfarbe und Herkunft, Syrer:innen sollen trotz Krieg in ihr Heimatland abgeschoben werden, Abschiebelager werden fernab von jedem Sozialleben gebaut. Wie kam es dazu, dass die Sozialdemokraten von Premierminsterin Mette Frederiksen eine der strengsten Antimigrationskampagnen in Europa führen? Dieser Frage geht die Washington Post in einem Feature nach und sagt: „Der dänische Fall ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie rechtsradikale Ideen gedeihen, selbst dort, wo die Rechten Schwierigkeiten haben, an die Macht zu kommen.“ Lesenswert!
Das Theorieteil: Was ist eigentlich …
📝 Plausible Deniability?
„Plausible Deniability“ heißt auf Deutsch „glaubhafte Abstreitbarkeit“. Das ist eine Diskursstrategie der Rechten. Sie dient dazu, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben – und für grenzüberschreitende Aussagen keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Es ist ganz einfach: Man benutzt doppeldeutige, rechtsextreme Codewörter, um bei anschließender Kritik zu behaupten: War doch nicht so gemeint, ihr wollt mir hier etwas in den Mund legen.
Redaktion: Lisa McMinn, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Christian Melchert