Ich habe der Lehrerin meiner Tochter am Ende des Schuljahres einen Restaurantgutschein geschenkt. Ist sie korrupt?
Wenn sie ihn angenommen hat, ja. Und ihr habt euch strafbar gemacht: Du nach Paragraf 333 und die Lehrerin nach Paragraf 331 des Strafgesetzbuches.
Wie bitte? Ich dachte, Korruption ist, wenn ich einem Polizisten einen Geldschein zuschiebe oder so.
Ja, so kann Korruption auch aussehen. Mir ist das selbst mal passiert: Ich besuchte Freund:innen in Mexiko und wir fuhren gerade mit dem Auto nach Hause, als uns eine Polizeistreife anhielt: Passkontrolle. Blöderweise hatte ich meinen Reisepass nicht dabei und deshalb wollten uns die Polizisten nicht weiterfahren lassen. Einer meiner Freunde, nennen wir ihn Diego, stieg aus, sprach kurz mit einem der Polizisten, schüttelte ihm die Hand, stieg wieder ein und wir fuhren weiter.
Da habt ihr wohl Glück gehabt.
Nicht ganz. Denn als Diego dem Polizisten die Hand schüttelte, gab er ihm mit dem Handschlag unauffällig ein paar Pesos-Scheine. Das hat den Polizisten überzeugt, dass er meinen Reisepass doch nicht sehen will.
Genau so habe ich mir Korruption vorgestellt!
Korruption gibt es in unterschiedlichen Formen. In einer Umfrage habe ich die KR-Leser:innen gefragt, ob sie schon einmal welche erlebt haben: KR-Mitglied Carsten hat beim Aufbau von Messen erlebt, dass Aussteller:innen Staplerfahrer:innen bestachen, damit diese zeitnah kamen. KR-Mitglied Susanna hat gehört, dass man in ihrer Stadt der Zuständigen für die Vergabe von Genossenschaftswohnungen ein paar Geldscheine auf den Tisch legen muss, um eine Wohnung zu bekommen. Und mehrere Mitglieder, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, schrieben mir, dass sie Geschenke regelrecht „abwehren“ müssen.
Bestechung beginnt bei einer Schachtel Pralinen oder einem Restaurantgutschein – sie funktioniert aber auch in Form eines Koffers mit Bargeld. Korruption betrifft Beamt:innen, Politiker:innen und Journalist:innen, es gibt sie im EU-Parlament, bei der Fifa und im Pflegeheim. Im schlimmsten Fall können durch Korruption sogar Menschen sterben.
Bitte erklär mir erstmal: Was genau ist Korruption?
Es gibt verschiedene Definitionen. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International arbeitet mit dieser: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“
Ein Beispiel ist der Skandal um den ehemaligen Bürgermeister von Ingolstadt in Bayern, Alfred Lehmann. Er wurde 2019 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Bestechlichkeit verurteilt. Er kaufte in seiner Zeit als Bürgermeister sehr günstig Wohnungen – und bevorteilte als Gegenleistung einen Bauunternehmer bei der Vergabe von Aufträgen. Das Bauunternehmen hatte also einen wirtschaftlichen Vorteil. Und der Bürgermeister nutzte seine Macht, um günstige Wohnungen zu bekommen.
Wie korrupt ist Deutschland?
Deutschland steht gar nicht so schlecht da. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegt Deutschland den zehnten Platz von 180. Noch weniger Korruption gibt es in Ländern wie Dänemark, Finnland oder Singapur, besonders viel hingegen in Südsudan, Syrien oder Haiti.
Klingt, als wäre Korruption in Deutschland kein Thema und ich könnte an dieser Stelle aufhören zu lesen.
Korruption hat in Deutschland geradezu Tradition! 1949 gab es einen Zweikampf zwischen Frankfurt am Main und Bonn: Beide Städte wollten den Regierungssitz für Westdeutschland bekommen. Bonn gewann knapp. Es war das Ergebnis einer Intrige des damaligen CDU-Vorsitzenden und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer – und von Korruption: Abgeordnete aus Bayern hatten sich für ihre Stimme für Bonn bezahlen lassen.
Noch spektakulärer war der Korruptionsfall von 1972: Damals stellte die Union im Bundestag ein Misstrauensvotum, um den SPD-Bundeskanzler Willy Brandt abzuwählen. Der Antrag scheiterte überraschend. Es stellte sich heraus: Unionsabgeordnete hatten Geld dafür bekommen, sich zu enthalten. Wahrscheinlich wurden sie von der Stasi bezahlt, denn die DDR unterstützte die Ostpolitik Willy Brandts und wollte ihn als Bundeskanzler erhalten.
Und dass die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland stattfand, ist – du ahnst es schon – ebenfalls das Ergebnis von Korruption.
Unser Sommermärchen? Ich dachte, nur Katar hat sich die WM gekauft.
Das stimmt. Aber eben auch Deutschland. Das haben zunächst Recherchen des Spiegel gezeigt, und spätere Untersuchungsberichte, wie etwa von der Anwaltskanzlei Freshfields, haben das bestätigt.
Uff, der Untersuchungsbericht hat 380 Seiten. Kannst du mir das zusammenfassen?
Das ist das Problem: So einfach wie damals bei mir und dem mexikanischen Polizisten funktioniert Korruption selten. Die Beteiligten verschleiern große Summen, indem sie Scheingeschäfte tätigen oder sie bezahlen gar nicht erst mit Geld, sondern bieten Gefälligkeiten an.
Geht das etwas konkreter?
Die WM-Vergabe der Fifa ist dafür das perfekte Beispiel: Viele in Deutschland wollten die WM, nicht nur der DFB. Eine Weltmeisterschaft kurbelt die Wirtschaft an und hilft, ein positives Image vom eigenen Land in der Welt zu verbreiten. Vor allem einer hatte Interesse daran, dass die WM in Deutschland ausgetragen wird: Leo Kirch, ein deutscher Medienunternehmer. Er hatte bereits die TV-Rechte für die Weltmeisterschaft 2006 gekauft. Er wusste, wenn die WM in einem Land mit großer Zeitverschiebung stattfinden würde, dann schalten weniger Menschen in Deutschland ein und er bekommt weniger Werbeeinnahmen. Leo Kirch wollte die WM nach Deutschland holen, damit er mehr Geld mit Werbung verdienen kann.
Er musste also diejenigen bestechen, die darüber entscheiden, wo die WM stattfindet.
Genau, nämlich das Exekutivkomitee der Fifa, damals 24 Mitglieder und der Präsident.
Ich weiß, was jetzt kommt! Koffer mit Bargeld! Oder Spenden in Millionenhöhe an die Fifa.
Nicht ganz, denn das wäre ja viel zu auffällig. Der Medienunternehmer Leo Kirch und deutsche Fußballgrößen wie Franz Beckenbauer mussten den Menschen im Exekutivkomitee das Geld unauffällig zukommen lassen. Der FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft begannen deshalb, Freundschaftsspiele in Ländern wie Thailand, Tunesien und Malta auszutragen – und der Unternehmer Kirch kaufte für sechsstellige Summen die TV-Rechte der Spiele. In den Verbänden dieser Länder saßen die Männer, die in der Fifa über den Austragungsort der WM bestimmten. Die Freundschaftsspiele brachten diesen Männern viel mehr Geld ein, als sie eigentlich wert waren.
Der Unternehmer Kirch bezahlte also offiziell für die TV-Rechte der Spiele, zwinker-zwonker, obwohl es eigentlich Bestechungsgeld war.
Das meinte ich vorhin mit Scheingeschäften. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Vorgang. Aber in Wahrheit geht es darum, große Summen Geld an diejenigen zu überweisen, die man bestechen will.
Ganz schön frech. Aber nochmal zurück zu dem Beispiel mit der Lehrerin. Das ist ja was ganz anderes als Schmiergelder in Millionenhöhe. Mein Restaurantgutschein war ja nur nett gemeint.
Die Motivation hinter Korruption ist nicht unbedingt Gier oder kriminelle Energie. Vielmehr können wir selbst korrupt werden, ohne es zu merken, aus Dankbarkeit oder Höflichkeit. Sozusagen Korruption aus Versehen. Lehrer:innen und Bedienstete in Behörden sollten aber möglichst neutral arbeiten. Es wäre ja unfair, wenn immer diejenigen eine gute Note bekommen oder am schnellsten ihre Baugenehmigung erhalten, die die leckersten Zimtsterne backen.
Schade, meine Zimtsterne sind wirklich hervorragend.
Sehr verkürzt gesagt schaden Zimtsterne aber der Demokratie.
Ach was!
Vielleicht hilft es dir, wenn wir Korruption in ihre verschiedenen Formen aufbrechen. Die Kriminologin Britta Bannenberg hat 2002 bundesweit Strafakten analysiert und Korruption in drei verschiedene Arten aufgeteilt.
Leichte, mittlere und schwere Korruption?
So ungefähr. Nummer eins ist Bagatell- oder Gelegenheitskorruption. Hier geht es um Einzelfälle, die aus der Situation heraus entstehen. Die Beteiligten kennen sich dabei meist nicht. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein betrunkener Autofahrer bei einer Kontrolle die Verkehrspolizistin besticht, damit ihm nicht der Führerschein entzogen wird.
Bei der zweiten Stufe handelt es sich um strukturelle Korruption, die über einen langen Zeitraum geschieht, aber auf eine bestimmte Region beschränkt ist. Der Ex-Bürgermeister von Ingolstadt ließ sich beispielsweise von einem Bauunternehmen bestechen.
Und Nummer drei ist dann bestimmt die Fifa.
Im dritten Fall gibt es richtige Korruptionsnetzwerke. Es sind viele Personen beteiligt, die Korruption geht über Jahre, teilweise Jahrzehnte. Wie eben, genau, bei der Fifa. Einige Männer aus dem Umfeld der Fifa wurden schon als „Fußballpaten“ bezeichnet, beispielsweise der Italiener Luciano D’Onofrio, der Brasilianer Ricardo Teixeira und natürlich der Schweizer Sepp Blatter, der viele Jahre Fifa-Präsident war.
Moment mal, Fußball und Mafia? Diese Männer werden mit dem Mafiaboss aus dem Film „Der Pate“ verglichen?
Der Vergleich zeigt, welche Auswirkungen Korruption im Extremfall haben kann. Eine zügige Baugenehmigung ist natürlich kein Skandal. Aber je umfangreicher die Korruption, desto größer der strukturelle Schaden. Beispiel Maskenaffäre: Zu Beginn der Corona-Pandemie fädelten mehrere Politiker:innen aus der CDU und CSU Geschäfte mit Atemschutzmasken ein und erhielten dafür Provisionen in Millionenhöhe. Der Politologe Albrecht von Lucke sieht in der Affäre eine Beschädigung des gesamten parlamentarischen Systems: Es führe nicht dazu, dass andere Parteien einen Aufschwung erfahren, sondern „es ist eine Beschädigung des gesamten politischen Systems, eigentlich der Demokratie als solcher.“
Das finde ich etwas drastisch.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen instabilen und autoritär regierten Staaten und Korruption. Wie in Nigeria: Der westafrikanische Staat könnte mit Öl und Gas viel Geld verdienen. Stattdessen kämpft das Land mit extremer Armut, Terrorismus und einer maroden Infrastruktur. Der Grund, so beschreibt es die nigerianische Journalistin Tobore Ovuoriue, ist die Korruption. Sie ist ein fester Bestandteil der Gesellschaft – und die Mächtigen wirtschaften vor allem in die eigene Tasche. Je korrupter ein Land, desto geringer der Wohlstand. Untersuchungen haben gezeigt: Korruption senkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Wettbewerbsfähigkeit und die Steuereinnahmen eines Landes. Außerdem erhöht sie die soziale Ungleichheit.
Deswegen demonstrieren auch Leute gegen Korruption.
Ganz genau. Die Anfangsphase des Euromaidan in der Ukraine 2013 war geprägt davon, dass die Menschen im ganzen Land unzufrieden mit der Korruption waren. Auch in Rumänien kommt es immer wieder zu Massendemonstrationen gegen Korruption. Denn durch Korruption können sogar Menschen sterben.
Wie das?
2016 war in der Hauptstadt Bukarest in einem Nachtclub ein Feuer ausgebrochen. 64 Menschen starben, die Hälfte davon unmittelbar bei oder kurz nach dem Brand, die andere Hälfte im Krankenhaus. Sie starben jedoch nicht an den Folgen des Feuers, sondern an multiresistenten Keimen.
Pharmaunternehmen hatten jahrelang verdünntes Desinfektionsmittel an die Krankenhäuser geliefert. Teilweise waren statt der vorgeschriebenen 25 Prozent des Wirkstoffs nur 0,01 Prozent im Desinfektionsmittel enthalten. Und das funktionierte nur durch Korruption: Die Pharmakonzerne haben Ärzt:innen, Krankenhausmanager:innen und Beamt:innen in den Gesundheitsbehörden bestochen.
Haben Unternehmen wie diese Pharmakonzerne immer Vorteile durch Korruption? Oder entsteht ihnen auch Schaden?
Insgesamt wirkt sich Korruption auch auf Unternehmen negativ aus. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat Unternehmen dazu befragt. Die Unternehmen gehen davon aus, dass sie durchschnittlich 6,2 Prozent ihres Umsatzes wegen Korruption ihrer Konkurrenz verlieren. Das IW schätzt, dass deutschen Firmen jährlich 412 Milliarden Euro wegen Korruption durch die Lappen gehen.
Und mal abgesehen davon ist Korruption strafbar.
Stimmt, welche Strafe droht eigentlich mir und der Lehrerin?
Im Strafgesetzbuch gibt es die Paragrafen der Vorteilsgewährung und der Vorteilsannahme. Darunter fällt, dass du zum Beispiel der Lehrerin deiner Tochter einen Vorteil verschaffst – hier der Restaurantgutschein – und sie ihn annimmt. Das ist strafbar. Dann gibt es noch die „schlimmere“ Form, die Bestechlichkeit und Bestechung. Das wäre der Fall, wenn die Lehrerin für den Restaurantgutschein ihre „Dienstpflichten verletzt“, also zum Beispiel deiner Tochter eine Eins in Mathe gibt, obwohl sie die Schulaufgabe leer abgegeben hat. In allen Fällen drohen Geldstrafen, im Extremfall sogar mehrjährige Haftstrafen.
Lobbyismus ist doch auch so etwas wie Korruption. Ist das auch strafbar?
Viele KR-Mitglieder haben mich gefragt, was Lobbyismus von Korruption unterscheidet. Lobbyismus bedeutet, dass Gruppen mit bestimmten Interessen versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Zum Beispiel die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände oder der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Lobbyismus gehört zu einer Demokratie dazu und ist legal. Schließlich müssen Politiker:innen verschiedene Interessen berücksichtigen, wenn sie Gesetze verabschieden und komplizierte Zusammenhänge verstehen. Dabei können ihnen Lobbyist:innen helfen.
Wenn Abgeordnete aber eine Gegenleistung dafür annehmen, dass sie beispielsweise für ein bestimmtes Gesetz stimmen, dann handelt es sich um Korruption. In Deutschland ist das strafbar und durch das Gesetz der Abgeordnetenbestechung geregelt. Grundsätzlich kann man sagen: Je intransparenter Lobbying abläuft, desto eher bewegt man sich in einer Grauzone Richtung Korruption.
Ganz schön unkonkret.
Das ist das Problem mit Grauzonen. Was ist noch ein nettes Geschäftsessen? Was ist schon eine luxuriöse Schlemmerei, die als Bestechung durchgeht? Korruption beginnt oft schleichend, ohne dass direkt eine Gegenleistung erwartet wird. Eine Gefälligkeit hier, eine Einladung ins Restaurant da. Das nennt man in Fachkreisen „Anfüttern“.
Anfüttern also im wörtlichen Sinne.
Behörden haben deshalb meist klare Regeln, was die Bediensteten annehmen dürfen und was nicht. Beispiel Bielefeld. In Großstädten wie dort versucht täglich jemand, irgendwo in der Stadtverwaltung ein Geschenk zu überreichen oder Trinkgeld zu geben – meistens wahrscheinlich nett gemeint, aber die Bediensteten dürfen es trotzdem nicht annehmen. Nur in einigen Fällen. Die Regeln hat der Bielefelder Antikorruptionsbeauftragte mir genau erklärt: Kleinigkeiten, etwa ein Kugelschreiber oder eine Tasse Kaffee, sind erlaubt. Gegenstände im Wert von bis zu 15 Euro sind auch in Ordnung, wenn der oder die Vorgesetzte es erlaubt. Geld oder Gutscheine gehen gar nicht.
Schön und gut, aber was hilft gegen die großen internationalen Korruptionsfälle, wie zum Beispiel bei der Fifa – oder im Dezember 2022 im Europäischen Parlament?
Man spricht von einem „unsichtbaren Phänomen“, denn es gibt meist nur zwei Täter:innen: den Bestechenden und den Bestochenen, und die haben natürlich beide kein Interesse daran, aufzufliegen. Im Polizeijargon heißt das Täter-Täter-Delikt. Das Opfer ist nur indirekt betroffen und bemerkt die Korruption erst viel später – wenn überhaupt. Opfer sind beispielsweise die Steuerzahler:innen, die Toten in den rumänischen Krankenhäusern oder das demokratische System selbst. Denn wenn Fälle von Korruption aufgedeckt werden, führt das zu Frust und Politikverdrossenheit bei der Bevölkerung.
Es wäre also wichtig, präventiv gegen Korruption vorzugehen. Wie könnte das funktionieren?
Transparency International sagt: mit Transparenz. Steckt ja auch in ihrem Namen. Seit dem Jahr 2022 gibt es in Deutschland ein Lobbyregister, in das sich professionelle Interessenvertreter:innen im Bundestag eintragen müssen. Allerdings gibt es da eine Menge Ausnahmen, Kirchen und Gewerkschaften müssen sich nicht eintragen. Transparency International fordert deshalb, diese Ausnahmen abzuschaffen und noch deutlicher zu machen, welchen Einfluss die Lobbyist:innen auf bestimmte Gesetze hatten.
Klingt logisch.
Ja, allerdings sehen das nicht alle so. Der Historiker Jens Ivo Engels von der TU Darmstadt forscht zu Korruption in Deutschland und hat mir gesagt: „Ich halte es für eine Illusion, dass es gerechter zugeht, wenn alles transparenter wird.“ Er glaubt, dass das Versprechen der Transparenz oft nicht eingehalten werden könne und zu mehr Misstrauen als Vertrauen führe. Im Extremfall könne es sogar zu einer Intransparenz-Transparenz kommen.
Intransparenz-Transparenz? Was soll das sein, eine Lügen-Wahrheit?
Es ist einfacher zu verstehen mit einem Beispiel: In den 1980er Jahren haben die Grünen versucht, ihre Politik möglichst transparent zu machen. Deshalb hielten sie ihre Fraktionssitzungen öffentlich ab und veröffentlichten danach die Protokolle. Das führte allerdings dazu, dass die Abgeordneten wichtige Entscheidungen auf den Gang ins Café oder die Kneipe verlegten, weil sie das Gefühl hatten, in der Sitzung nicht mehr frei sprechen zu können. Der Wunsch nach mehr Transparenz hatte also einen gegenteiligen Effekt: Die entscheidenden Gespräche wurden nicht mehr während der Fraktionssitzung geführt, wo es Tagesordnungspunkte gab und sich jede:r zu Wort melden konnte.
Kurz und knapp: Wie wird Korruption weniger?
Was mir alle Expert:innen gesagt haben: Korruption beginnt bei den einzelnen Menschen. Und mindestens genauso wichtig wie gute Gesetze ist die persönliche Einstellung, also eine „Das macht man nicht“-Haltung, wenn es zu korruptionsanfälligen Situationen kommt.
Na toll, habe ich gerade einen kompletten Artikel über Korruption gelesen, nur dass du mir jetzt sagst: Jede:r Einzelne ist dafür verantwortlich?
Ich hätte hier einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende, vielleicht stimmt der dich ja milde?
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Redaktion: Thembi Wolf und Julia Kopatzki, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert und Iris Hochberger