Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist jetzt zwei Tage her und so langsam legt sich die Überraschung über den Erfolg der CDU. Für die meisten Menschen war das Ergebnis eine Erleichterung: Die Sorge vor der AfD als stärkste Kraft hat sich nicht bewahrheitet. Glück gehabt.
Reiner Haseloff steht jetzt vor Koalitionsverhandlungen (natürlich ganz im Medienkonsens: „schwierigen“ Verhandlungen). Die Grünen haben schon klar gemacht, dass sie die aktuelle Kenia-Koalition nicht fortführen wollen, weil CDU und SPD auch ohne sie eine Mehrheit hätten, genau wie die FDP das auch angedeutet hat. Eine Dreier-Koalition, die nur für eine komfortablere – also deutlichere – Mehrheit ausgelegt ist, wollen Grün und Gelb nicht.
Aus der letzten großen Wahl vor der Bundestagswahl im September kann man aber einiges lernen. Es hat sich gezeigt: Manches wird wohl weniger schlimm als befürchtet.
1. Wo die AfD stark ist, gewinnt die CDU
Das doch sehr deutliche Ergebnis für die CDU hat deutlich gemacht, dass eine drohende Mehrheit für die AfD die Bürger:innen dazu motiviert, erstens wählen zu gehen und zweitens ihre Stimme der aussichtsreichsten Partei zu geben. Das ist dann in den meisten Fällen die CDU (oder in Thüringen eben die Linke von Bodo Ramelow). Haseloff hat von Anfang an klar gemacht, dass er sich von der AfD abgrenzt. Auch wenn einige in seiner Partei das anders sehen mögen: Die Strategie hat funktioniert. Haseloff galt als derjenige, der die AfD soweit wie möglich verhindern könnte. Das hat sogar Linken-Wähler:innen überzeugt, die dieses Mal der CDU ihre Stimme gegeben haben.
2. Die Ostdebatte ist noch lange nicht vorbei
Angefangen bei den Äußerungen des Ostbeauftragten Marco Wanderwitz zu den „diktatursozialisierten Ostdeutschen“, die nicht in der Demokratie angekommen seien, bis hin zu mindestens fragwürdigen Debatten auf Twitter, wird immer wieder klar: Alle, die sagen: „Es muss doch jetzt mal gut sein mit Ost und West!“, liegen falsch. So zeigen Umfragen direkt nach der Wahl sehr deutlich, dass die Mehrheit der Sachsen-Anhalter:innen findet, Politik und Wirtschaft würden zu stark vom Westen beeinflusst. 65 Prozent bescheinigen Haseloff, auch die Interessen der Ostdeutschen „selbstbewusst“ zu vertreten.
3. Die AfD hat ihr Wähler:innenpotential ausgeschöpft
Forscher:innen haben schon 2019 gesagt: „Die AfD hat nur ein begrenztes Wähler:innenpotential.“ Die Wahl in Sachsen-Anhalt macht das nochmal deutlich – es liegt (im Osten) bei circa 20 Prozent. Bundesweit dürfte sich das Ergebnis sogar noch verringern. Für mehr Stimmen ist die Partei zu sehr Sammelbecken für Rechtsextreme mit gesellschaftlich unmöglichen Haltungen, selbst wenn man annimmt, dass knapp zehn Prozent der Bevölkerung über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügen. Selbst der Bundessprecher der AfD, Jörg Meuthen, analysiert in einem Interview im Deutschlandfunk, dass ein moderaterer Kurs Erfolg versprechender gewesen wäre.
4. Die Corona-Politik hat bei der Wahlentscheidung kaum eine Rolle gespielt
Von den CDU-Wähler:innen haben nur sechs Prozent angegeben, dass die Coronapolitik den größten Einfluss auf ihre Wahlentscheidung genommen hat. Selbst bei der AfD, die sich selbst als große Anti-Corona-Partei inszeniert hat, haben nur 16 Prozent angegeben, die Partei deswegen zu wählen. Sicher hat das auch etwas damit zu tun, dass viele Landespolitiker:innen in den Entscheidungen vom Bund abhängig waren – oder es zumindest gesagt haben. Trotzdem: Mich hat die Deutlichkeit der Umfrageergebnisse überrascht. Maskendeals, Lockdown- und Impfchaos haben nicht zur Bestrafung der Regierung geführt. Etwas, das man sich für die Bundestagswahl aufschreiben kann.
Aber eine Sache ist weniger beruhigend:
5. Es sind nicht die Diktatursozialisierten, sondern die Nachwendesozialisierten, die AfD wählen
Wer sich die Altersverteilungen der Parteien ansieht, erkennt, was auch in den vergangenen Landtagswahlen immer wieder passiert ist: Es sind nicht die Alten, die jahrelange DDR-Erfahrung haben, die AfD wählen. Bei den Älteren kommt die Partei auf 18 Prozent, bei den 45- bis 59-Jährigen auf 27 Prozent und bei den 30- bis 44-Jährigen sogar auf 30 Prozent. Wer also in der Kindheit oder Jugend die sogenannten Baseballschlägerjahre und den Zusammenbruch der Wirtschaft erlebt hat, wählt heute eher AfD. Wichtig ist aber auch: Die Gesellschaft in Ostdeutschland ist mindestens genauso gespalten wie in Gesamtdeutschland. Die zahlreichen Demokrat:innen, die hier leben und oft gegen die AfD ankämpfen, werden aber oft vergessen.
Die CDU könnte sich für kommende Wahlen im Osten wieder zu einer starken Volkspartei entwickeln. Reiner Haseloff hat es vorgemacht (und sich vielleicht auch etwas von Markus Söder abgeschaut): konsequent von der AfD abgegrenzt und die Themen stark auf Sachsen-Anhalt konzentriert.
Schlussredaktion: Susan Mücke