Zwölf Tage nach der Wahl war zumindest das Endergebnis amtlich: Die Linke ist Wahlsiegerin mit 31,0 Prozent. Ihr folgen die AfD (23,4 Prozent), die CDU (21,7 Prozent), die SPD (8,2 Prozent) und die Grünen (5,2 Prozent). Die FDP ist jetzt auch im Thüringer Landtag vertreten. Mit nur 73 Stimmen hat sie die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Und: Fast zwei Drittel der Thüringer gingen zur Wahl.
Ein Blick auf die nackten Zahlen offenbart Chaos. Denn die aktuelle Regierung, bestehend aus Linken, SPD und Grünen, hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Es gibt keine Regierung ohne die Linke oder die AfD. Für die CDU ist das ein Problem, denn eigentlich gibt es Parteitagsbeschlüsse, die die Zusammenarbeit mit beiden Parteien verbieten.
Eigentlich, denn schon am Wahlabend war sich CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring nicht mehr ganz so sicher, was eine Zusammenarbeit mit der Linken betrifft. Er wollte mit Bodo Ramelow, dem derzeitigen Ministerpräsidenten von der Linken, über ein mögliches Regierungsbündnis verhandeln. Nur, um nicht mal 24 Stunden später zu sagen: Keine Zusammenarbeit möglich!
Und als ob er damit die Tore zur Hölle aufgestoßen hätte, meldeten sich daraufhin immer mehr CDU-Politiker zu Wort.
Die CDU hat nur unerwünschte Koalitionspartner
Die Zwischenrufe lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die erste: Die Linke ist in Thüringen längst zur Volkspartei geworden. Eine Zusammenarbeit mit Bodo Ramelow würde funktionieren. Die zweite: Als Nachfolgerin der SED ist die Linke und damit Bodo Ramelow nicht wählbar. Die AfD ist das kleinere Übel, die CDU müsste eine Zusammenarbeit zumindest überlegen. So weit so einfach.
So hat zum Beispiel Michael Heym, der Fraktionsvizevorsitzende der CDU, also Mohrings Stellvertreter, die AfD dem bürgerlichen Lager zugerechnet. Es gebe da Gemeinsamkeiten, mit denen man arbeiten könne.
Sein Gegenspieler ist der Eichsfelder Landrat Werner Henning. Der findet die Annäherung an die AfD unerträglich und möchte lieber mit Bodo Ramelow zusammenarbeiten. Er sagte in einem Interview der Welt über den Noch-Ministerpräsidenten: „Er ist lernfähig und zu Kompromissen in der Lage. Mit der rot-rot-grünen Regierung haben wir hier deshalb auch gute Erfahrungen gemacht.“ Henning ist in seinem Landkreis extrem erfolgreich, wurde mit über 80 Prozent der Stimmen gewählt.
Und dann waren ja auch noch die 17 Lokalpolitiker, die in einer Pressemitteilung die „Ausschließeritis“ beklagen und damit die AfD meinen. Das Argument: Der Wille von einem Viertel der Wähler müsse beachtet werden – es müssten „ergebnisoffene Gespräche“ geführt werden.
Doch welches Gewicht haben diese Politiker überhaupt innerhalb der Partei? Die Unterzeichner der Nachricht vertreten, selbst großzügig gerechnet, ungefähr 30.000 Stimmen für die CDU. Sie kommen aus dem Vorsitz von CDU-Verbänden wie Zella-Mehlis oder Schmalkalden. Aber was sie sagen, ist ein so großes Novum in Deutschland, dass ihre Meinung nun gehört und als Grundlage für die Diskussion genutzt wird.
Übrigens: Die Diskussion wurde so laut, dass sich sogar CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zu einem Gastbeitrag im Nachrichtenmagazin Spiegel genötigt fühlte und sehr deutlich machte, was er von einer Zusammenarbeit hält. Er schreibt, dass die AfD zu großen Teilen einen „völkisch-nationalistischen Politikansatz verfolgt“, der mit den Werten der CDU nicht vereinbar sei: „Im Verhältnis zwischen Union und AfD kann es nur klare Kante und schärfste Abgrenzung geben.“
Solange kein Ministerpräsident gewählt wird, bleibt Ramelow im Amt
Es gibt Beobachter der Thüringer Politik, die Aussagen über eine Zusammenarbeit mit der AfD als Tests sehen, wie weit man gehen kann. Nach bisherigen Aussagen von Politikern wird es in Thüringen aber keine Konstellation mit einer Mehrheit geben. Weder mit Bodo Ramelow noch mit Mike Mohring. Denn um die Sache noch komplizierter zu machen, hat Mohring auch eine eigene Kandidatur als Ministerpräsident vorgeschlagen. Da aber SPD und Grüne eine sogenannte Simbabwe-Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP schon ausgeschlossen haben, scheint das erstmal nicht möglich. Wie es trotzdem funktionieren könnte?
Mohring müsste sich in der geheimen Wahl auch durch AfD-Abgeordnete ins Amt wählen lassen. Er wäre Ministerpräsident und könnte dann versuchen, Grüne und SPD doch noch zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Die Crux: Wenn er sich aber von der AfD helfen lassen würde, wäre das für Mohring ein Makel, den er nicht so schnell los würde.
Bis entschieden ist, wie es jetzt weitergehen wird, ändert sich erst mal nichts. Die thüringische Verfassung sagt nämlich, dass Bodo Ramelow so lange im Amt bleibt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist. Dazu fehlen Rot-Rot-Grün nur vier Stimmen für eine Mehrheit. Die könnten sie sich auch einzeln für Projekte zusammensuchen, wenn es zu einer Minderheitsregierung kommt.
Schlussredaktion: Silke Jäger und Vera Fröhlich; Bildreaktion: Martin Gommel.