Die DDR war eine extreme Leistungsgesellschaft, das wird heute oft vergessen

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Politik und Macht

Die DDR war eine extreme Leistungsgesellschaft, das wird heute oft vergessen

Ich bin auf Lesereise und schreibe Tagebuch über Missverständnisse, Gemein- und Schönheiten im deutsch-deutschen Verhältnis. Im ersten Teil geht es darum, was die Leistungsethik im Sozialismus mit dem Rechtsradikalismus von heute zu tun hat.

Profilbild von Christian Gesellmann
Reporter für Feminismus und Neue Männlichkeit

Es ist Sonntagnachmittag, ich stehe verkatert an einem Imbiss in Leipzig. Hinter mir brummt die Bundesstraße, vor mir im Kies schnurrt eine Katze. Sie hat erst so getan, als wollte sie nur an mir vorbeigehen, aber als ich mich hinhockte, kam sie gleich angestreunert, warf sich auf den Rücken und ließ sich den schwarzen Bauch kraulen.

„Die is’ aber zutraulich“, sagt eine Frau, die an einem der beiden Plastetische steht. Ich schaue zu ihr hoch. Sie ist um die 50, sie hat dunkelblaue Augenringe. Auf dem Arm hält sie ihr Hündchen, wie um es vor etwas zu schützen. Mit einem abschätzigen Nicken in Richtung Katze ergänzt sie: „Na, die weeß schon, dass se hier was kriegt.“

Eigentlich hatte ich mich schon auf ein bisschen netten Smalltalk eingestellt. Sind wir nicht alle ein wenig extra harmoniebedürftig an Sonntagnachmittagen? Aber was soll ich da schon sagen?

„Nein, Sie haben Unrecht. Katzen sind nicht zutraulich, weil sie Schmarotzer sind, sondern dann, wenn sie positive Erfahrungen mit Menschen gemacht haben.“

Oder:

„Recht haben Sie, dieses Tier hat es nur auf meinen Burger abgesehen.“

Also streichle ich etwas irritiert die Katze weiter. Aber diese Bemerkung verhagelt mir die Laune gründlicher, als ich erwartet hätte, und das liegt daran, dass mir ihr passiv-aggressiver Unterton so bekannt vorkommt. Das hier ist nicht einfach ein Smalltalk-Unfall. Das Schweigen zwischen mir und der Frau mit den Augenringen ist ein typisch ostdeutsches Schweigen. Es ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Depression, die auch eine Folge des Lebens in der DDR ist.

Krasse These, ich weiß. Aber ich will versuchen, das auch zu begründen.
Als selbsternannter Quoten-Ossi bei Krautreporter bin ich nun seit einigen Jahren besonders intensiv mit Politik und Gesellschaft der Neuen Bundesländer beschäftigt. Gemeinsam mit meinem Kollege Josa Mania-Schlegel und der Hilfe der Krautreporter-Mitglieder habe ich ein Buch geschrieben, es heißt „Ostdeutschland verstehen“, und seit es das zu kaufen gibt, bin ich so ziemlich jede Woche irgendwo eingeladen, um daraus vorzulesen. In Schulen in Bayern, bei Lebensmittelkooperativen in Sachsen-Anhalt, auf Marktplätzen im Thüringer Wald und in Bürgerlokalen in Bergisch-Gladbach.

https://twitter.com/dabdt/status/1172854178521198592

Die Arbeit an dem Buch hat auch zu einer stärkeren Identifizierung mit meiner Heimat geführt. Das liegt zum einen daran, dass ich in dieser Zeit so viele kluge, witzige und inspirierende Menschen hier kennengelernt habe, aber auch daran, dass ich mich vorher nie so bewusst mit den Unterschieden zwischen Ost und West beschäftigt habe – und auch nicht mit den Ungerechtigkeiten der Wendejahre.

Dadurch fallen mir heute manchmal Dinge auf, die ich vorher nicht für erklärungsbedürftig hielt, weil sie eben Normalität für mich waren.

Dazu gehört zum Beispiel, dass jede Form des Andersseins als extrem suspekt gilt.

Oder, dass man nie auf Hilfe angewiesen sein sollte.

Dass man sich nach der Mehrheit richtet und keine Extrawurst für sich verlangt.

Die ostdeutsche Miesepetrigkeit kennt kein Geschlecht. Aber sie kennt ein bestimmtes Alter: Es sind vor allem die älteren Menschen und die „Generation Mitte“ – also die 30- bis 59-Jährigen. Das ist auch das typische Alter der AfD-Wähler und des Drittels der Ossis, das sich als „Bürger zweiter Klasse“ fühlt. Und derjenigen, die finden, dass vor der Wende alles besser war.

Es geht hier also auch um einen Generationskonflikt. Individuell zu sein oder sein zu wollen, ist eine ganz normale Sache für junge Menschen. Für die Älteren ist es aber verdächtig. Sie sind irgendwie immer noch auf Kollektiv getrimmt. Anderssein bedeutet im Osten immer noch viel härter: Anecken. Ein unbewusster Verdacht, das mit jemandem etwas nicht stimmt. Was nicht zum Tragen kommt, solange nichts passiert. Aber ganz schnell zur Ausgrenzung führt, wenn doch irgendwas passiert.

„Born to be Opfer.
Zeit zu kapier’n
dass da wo wir leben
Leute wie wir eben einfach kassier’n“

rappt Felix Kummer, der Sänger der Chemnitzer Band Kraftklub. Und mit „Leute wie wir“ meint er noch nicht mal Ausländer oder Punks. „Leute wie ihr“ ist man auch schon deshalb, weil man Kapuzenpullis trägt oder lange Haare oder zu enge Hosen hat.

https://www.youtube.com/watch?v=1ddj0MLZUCc

Hetzjagden, Hitlergrüße, Sympathie für Neonazis in breiten Bevölkerungsschichten. Das alles kam in Ostdeutschland nicht aus dem Nichts, sagte Kummer vor Kurzem in einem ARD-Interview: „Die letzten 30 Jahre war das genau so. Da hat’s bloß niemanden gejuckt!“ Die Mehrheitsgesellschaft in Sachsen habe immer eher ein Problem mit allen gehabt, die ein bisschen alternativ aussehen, „aber wenn ein Neonazi jemanden ins Krankenhaus geschlagen hat, hieß es, na, wenigstens hatte er ein ordentliches Hemd dabei an”.

Das war jetzt eine ziemlich Schussfahrt von Argumentation, von Katze zu Nazi in unter fünf Minuten. Ich will die Frau vom Imbiss nicht in irgendeine politische Schublade stecken. Mir geht es darum zu zeigen, dass ihre Form passiv-aggressiven Verhaltens eben auch Gewalt ist. Subtiler als Schläge. Aber ebenso zermürbend.

Vor Kurzem stand ich im Kaufland an der Kasse, und eine ältere Frau dreht sich zu mir um und erklärt, dass es traurig ist, dass man heutzutage kaum noch mehlig kochende Kartoffeln zu kaufen bekommt, weil ohne mehlig kochende Kartoffeln sind Suppen und Eintöpfe eben nicht das Gleiche. Die Frau hat absolut Recht und meine volle Sympathie. Aber dann nimmt sie ein kleines Fläschlein Apfelsaft vom Band und entschuldigt sich, „ich mach sowas eigentlich nicht, aber ich habe so einen Durst und das dauert hier so lang“, und trinkt einen Schluck. Ich sage, dafür muss sie sich doch nicht entschuldigen, sie kauft den Saft doch sowieso. „Ja, aber ich hasse das wie die Pest, wenn ich die jungen Leute immer sehe, wie sie ständig und überall aus Flaschen trinken.“

Die Bemerkung machte mich genauso ratlos wie die der Frau vom Imbiss. Ich hätte es ja sogar noch verstanden, wenn es der Dame um Umweltschutz gegangen wäre, darum, dass diese ganzen Plasteflaschen den Planeten für Jahrzehnte verschmutzen. Ihr Argument war aber schlicht, „dass sich das nicht gehört“.

Ich weiß, dass dieses „Gehört sich nicht“ nicht spezifisch ostdeutsch ist. Aber es fällt mir hier im Osten auch deshalb so stark auf, weil es nicht nur öfter kommt, sondern weil die Ratlosigkeit, die es bei mir auslöst, immer noch die gleiche ist wie in meiner Pubertät.

Gleich mein nächster Einkauf führte mich in Leipzigs hippsten Konsum, einen Supermarkt auf der für seine günstigen geilen Kneipen beliebten Karl-Heine-Straße. Es ist kurz nach 20 Uhr, und an der Kasse stehen bestimmt 15 Leute, jeweils mit ein oder zwei Flaschen Bier oder Club Mate. Eine ältere Verkäuferin öffnet eine zweite Kasse und ruft mit so viel Verachtung „Wennse wollen, könnse sich jetzt auch hier anstellen“, dass ich im Scherz zu ihr sage: „Sie wollten doch wohl nicht etwa schon in den Feierabend verschwinden?“ Nicht der geilste Scherz, gebe ich zu. Aber erstaunlich, was sie dann sagte, den Rücken durchgedrückt, den Dialekt plötzlich bemüht verborgen: „Nein, ich bin doch gern für Sie da. Sie hatten bestimmt den ganzen Tag keine Zeit, einkaufen zu gehen.“

Auf was die Verkäuferin hier so subtil anspielt, ist ein offensichtlich extrem präsentes Konzept davon, was ein „ordentlicher Mensch“ macht, und was nicht. Dazu gehört zum Beispiel zeitig Aufstehen und Abendbrot um sechs, und wer sich nach acht noch Bier im Konsum kauft statt zu Hause dem Schlaf entgegen zu fernsehen, mit dem muss ja irgendwas faul sein. Wer um 11 Uhr vormittags beim Bäcker immer noch Guten Morgen sagt, obwohl doch „schon beinah Mittag ist“, der muss ein Lotterleben führen. Wer in seinem Beruf nicht genug verdient, der ist selber schuld, wenn er nicht lieber was anderes macht. Wer seinen Zug verpasst, der ist nicht rechtzeitig aufgestanden. Wer müde ist, der ist nicht rechtzeitig ins Bett gegangen. Wer nach zehn noch Musik hört, ist ein Assi. Wer dick ist, kann sich nicht beherrschen. Wer auf die Fresse kriegt, der wird es schon irgendwie verdient haben, und wer vergewaltigt wird, hat sich wahrscheinlich wie eine Schlampe angezogen.

Die Zwickauer Künstlerin Henrike Naumann hat mit ihren Installationen – wie dem Nachbau des Kinderzimmers von Beate Zschäpe oder des typischen Wohnzimmers von Neonazis – als eine der ersten auf die Überlappung von ostdeutscher Spießbürgerlichkeit und Rechtsradikalismus hingewiesen. Es ist gruselig, sich in diesen Installationen zu bewegen, weil es Zimmer sind, die man kennt. Weil alles so normal aussieht.

Weil auch der „Nationalsozialistische Untergrund“ um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt so ganz stinknormal war. Es war eben keine kleine Gruppe, die in ständiger Furcht gelebt hat, erkannt zu werden. Sie haben sich die Schuhe abgestrichen, bevor sie ihre Wohnung in Zwickau betraten und sind dann in ihre Hausschuhe geschlüpft. Sie haben mit den Nachbarn gegessen und gesoffen und sind campen gefahren. Ab und zu halt auch morden.

Aber, dass sich etwas, was sie tun, nicht gehört, das hat ihnen wahrscheinlich nie jemand gesagt. Genau das ist es, warum so kleine Gesprächsunfälle so sehr an mir rütteln. Man streichelt eine Katze an einem Sonntagnachmittag, man plaudert mit einer netten alten Dame über Suppenrezepte, man scherzt mit einer Kassiererin – und plötzlich steht ein großes „Es-gehört-sich-nicht“ im Raum. Aber AfD wählen, das geht. Sauer auf Ausländer sein, Politik scheiße finden, das ist normal. Ausflippen, weil Kinder für Umweltschutz demonstrieren, das kann man beim Abendbrot schon mal bringen.

Negroman, ein schwarzer Rapper aus Leipzig, hat einen Song geschrieben, der mir auch beim hundertsten Mal hören immer noch Gänsehaut macht, weil er aus der Perspektive eines „der anderen“ die gruselige Nähe von Spießbürgerlichkeit und Terror so prägnant in Reime fasst:

Und wenn mal wieder Blut spritzt im Dorf, hörst du eine Stimme flüstern „From Uwe With Love.“
Wenn du dich um all die Wutbürger sorgst, hörst du eine Stimme flüstern „From Uwe With Love.“
Wenn dich die Wut küsst, der Schuh drückt, die Jugend verrucht ist „From Uwe With Love“,
Wenn du den Schuh küsst, die Wut drückt, die Tugend absurd ist, „From Uwe With Love.“

https://www.youtube.com/watch?v=m6wMarl6MKI

Zurück zu diesem verkaterten Sonntagnachmittag. Nachdem ich meinen Burger gegessen habe, schiebe ich mein Fahrrad und mich Richtung Zuhause. Weil ich mich danach fühle, irgendwo noch ein Stückchen zu sitzen und zu Grübeln, setze ich mich in ein Café. Dort liegt die gedruckte Version der Leipziger Internet Zeitung. In einer Interviewreihe namens „Wende-Gespräche“ erinnert sich ein einfach Torsten genannter Autor und Filmemacher an die Stimmung in der alternativen Szene der DDR kurz vor der Wende: Man habe das Land „nicht den Kleingärtnern überlassen wollen.“

Torsten ist in der NVA gewesen, der Nationalen Volksarmee, und der „Sozialdarwinismus“, den er dort erlebte, sei eine einschneidende Erfahrung gewesen (wie man bei fast allen jüngeren Autoren oder Liedermachern der DDR auch lesen kann). Diejenigen, die im ersten Diensthalbjahr am meisten unterdrückt worden sein, waren dann später die, die selber am meisten austeilten, sagt Torsten:

„Und diese Struktur sehe ich auch heute noch. Das ist ein Punkt, der oftmals unter den Tisch fällt: Dieses nach oben buckeln und nach unten treten ist vielleicht etwas, das dem Menschen allgemein als Möglichkeit innewohnt. Aber in der DDR sind nahezu alle Männer durch dieses Disziplinierungs- und Sozialisierungssystem der NVA gegangen. Unter diesem Licht betrachtet, ist die Geschichte überhaupt noch nicht aufgearbeitet.“

Und die NVA ist ja nur ein „Disziplinierungs- und Sozialisierungssystem“ von vielen innerhalb der DDR gewesen. Die 68er haben zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Eltern gefragt, was die damals im Nazistaat so getrieben haben.

Fragt sich meine Generation 30 Jahre nach der Wende, ob unsere Eltern für die Stasi gespitzelt haben oder in der NVA verprügelt wurden? Ich will die Diktaturen nicht vergleichen. Erst recht will ich meine Eltern, und die Eltern meiner Freunde, und meine Nachbarn und Kollegen nicht mit Nazis vergleichen.

Aber die DDR war auch ein totalitärer Staat, und seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass jeder hundertste Bürger als sogenannter inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi spitzelte, und die war eine ziemlich nazimäßige Behörde mit ziemlich nazimäßigen Methoden und über 90.000 offiziellen Mitarbeitern. Jugendliche wurden wegen „asozialen Verhaltens“ in Werkhöfen gezüchtigt, Kinder wurden von suspekten Eltern getrennt.

Was das Leben in diesem Staat für psychologische Folgen und emotionale Schäden bedeutete, das ist bisher gesellschaftlich nie groß Thema gewesen, außer in Opfergeschichten, die die DDR insgesamt dämonisierten.
Und über die Traumatisierungen der Jahre nach der Wende, der Verlust von Millionen von Jobs, die eben nicht nur Jobs waren, weil auch ein Großteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens betrieblich organisiert war, eben auch nicht. In Wittenberge in Brandenburg sprach ich vor ein paar Tagen mit der jungen Autorin eines Theaterstücks über die Treuhand-Anstalt. Das Stück sei gar nicht so traurig, sagte sie, aber beinah jeden Abend säßen Menschen im Publikum und weinten.

Die in mancher Hinsicht gar nicht anders als Enteignung zu bezeichnende Privatisierung der volkseigenen Betriebe durch die Treuhand, die darauffolgende Entwürdigung der Menschen durch Arbeitsämter und Ein-Euro-Jobs – all das hat Wunden hinterlassen, über die 30 Jahre lang nicht wirklich gesprochen wurde, die die bundesrepublikanische Politik und die Redakteure der überregionalen Medien hübsch ignorierten.

Hier liegen die Wurzeln für den Hass von heute, wie der Historiker Karsten Krampitz in einem Essay beschrieben hat, der letztes Jahr zum Tag der Deutschen Einheit im Deutschlandfunk vorgelesen wurde:

„Ein Leben aber, das nicht erzählt werden kann, macht Menschen krank. Die kollektive Erinnerung der Ostdeutschen wurde schon zu DDR-Zeiten gespalten, in einen erzählbaren Teil und einen dunklen Teil, den man besser verschweigt. Der eine Teil erzählte von Verfolgung und Widerstand während der Nazizeit – eine Erinnerung, die nur die wenigsten hatten; der andere sollte schweigen von der individuellen Verstrickung in den Terrorapparat der Nazis, von den Verbrechen der Männer im Krieg und von der Vergewaltigung so vieler Frauen bei Kriegsende. Diese kollektive Gedächtnisspaltung setzte sich nach 1990 fort; das hatte Folgen.

Vergessen macht nicht frei und schon gar nicht, wie es die Operette verheißt, glücklich. Diese Art Filterung der Geschichte hat in Ostdeutschland über Generationen hinweg eine tiefenpsychologische Dynamik entwickelt. Historische Ereignisse, die nicht erzählt, nicht thematisiert werden, so der österreichische Gedenkstättenpädagoge Peter Gstettner, verschwänden nicht einfach aus unserer Gedankenwelt; die kollektive Erinnerung daran versinke stattdessen ins gesellschaftlich Unbewusste. (…) Der Mensch beginnt zu hassen. Denn Hass betäubt den Schmerz. Ähnlich den Schuldgefühlen wird auch der Hass nicht immer dort verarbeitet, wo er entsteht. Das können ganz andere Feindbilder sein: Flüchtlinge zum Beispiel oder Juden, Schwule oder einfach nur Wessis.“

Ich habe diese Lesereise deshalb etwas großspurig „Tour der Völkerfreundschaft“ genannt. „Völkerfreundschaft“ ist ein Begriff, mit dem jeder Ossi was anfangen kann, sofort Assoziationen hat, weil es hier in jeder Stadt noch einen Platz oder ein Stadion oder irgendwas gibt, das noch so heißt. Solidarität zwischen den Völkern des Warschauer Pakts, des von der Sowjetunion geführten Militärbündnisses, wurde immer ganz groß geschrieben zu DDR-Zeiten. Toleranz mit den Mitmenschen leider nicht. Die DDR war eine krasse Leistungsgesellschaft, das wird heute oft vergessen, ständig mussten Pläne erfüllt und Rekorde gebrochen werden.

Die Jahre nach der Wende waren ein bis heute unterschätzter Schock für die Ostdeutschen. Ein soziales Scheitern war in der DDR so gut wie unmöglich gewesen, im wiedervereinigten Land gab es plötzlich eine Spaltung in Gewinner und Verlierer, die bis heute anhält. Damit umzugehen, den Wert eines Menschen anzuerkennen, ohne Pläne, Quoten, Kopfnoten und Rekorde als Maßstab, hat in vielen Familien ein großes Schweigen ausgelöst, auf das Jahrzehnte der Miesepetrigkeit folgten, die seit der Flüchtlingskrise immer öfter in Hass umschlägt.

Die Katze vom Imbiss übrigens, die hat sich natürlich gar nicht für meinen Burger interessiert, sondern kam nur deshalb angestreunert, weil Katzen eben Gangster der Liebe sind und sich ihre Streicheleinheiten abholen, wann und wo auch immer es ihnen passt.

Miau!


Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Rico Grimm.