Welche Texte und Dokus geholfen haben, die Treuhand zu verstehen
Politik und Macht

Welche Texte und Dokus geholfen haben, die Treuhand zu verstehen

Praktisch über Nacht wurde die Treuhand zum größten Arbeitgeber der Welt. Bekannt ist sie hauptsächlich für Korruption, Mord, Skandale – bei der Recherche habe ich aus diesen Texten und Dokus viel über das wahre Erbe der Treuhandanstalt gelernt.

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Reporter für Feminismus und Neue Männlichkeit

Heute reden wieder alle über die Treuhand. Warum? Ist sie wirklich für den Aufstieg der AfD mitverantwortlich? Was haben Thilo Sarrazin und die RAF mit der Treuhand zu tun? Und was wäre die basisdemokratische Alternative zur rasanten Privatisierung gewesen? All das habe ich in meinem Artikel „Die Treuhand, verständlich erklärt“ beschrieben. Der Artikel hat eine Lesedauer von 40 Minuten. Um so tief in das Thema einzusteigen, habe ich folgende Texte und Dokus verwendet:

  • Dirk Laabs: „Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand.“ Das Buch erschien 2014 und markierte den Beginn der Wiederentdeckung der Treuhand. Unglaublich detailreich lässt Laabs wichtige Zeitzeugen aus Ost und West die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählen. Gibt es auch als Dokumentarfilm, hier findest du ihn bei Youtube.

  • Ebenfalls sehenswert: Die ZDF-Doku „Beutezug Ost. Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“, hier bei Youtube zu finden. Trotz des reißerischen Titels erzählt der Film übersichtlich und Anhand des Schicksals einzelner DDR-Unternehmen, wie die Treuhand arbeitete.

  • Eine bewegende und hintergrundreiche Doku über das Ende des Kalibergbaus in Bischofferode hat der MDR gedreht. Die Schließung des Bergwerks sorgte weltweit für Aufsehen, die Kumpel aus dem Harz waren in den Hungerstreik getreten. Im Büro des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow steht eine Grubenlampe aus Bischofferode, die er von Arbeitern geschenkt bekommen hatte für seinen Einsatz als Gewerkschafter damals.

  • Die Sozialwissenschaftler der Uni Bochum um Marcus Böick haben vor zwei Jahren im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung eine maßgebliche neue Studie über die Treuhand veröffentlicht: Hier gibt es die Studie zum Download. Und hier findest du ein Interview mit Böick zum Anhören. Böicks Buch „Die Treuhand. Idee - Praxis - Erfahrung 1990 -1994. Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt“ gilt als erste zeithistorische Aufarbeitung des Themas. Knapp 800 Seiten stark ist das eher eine Empfehlung für Fortgeschrittene.

  • Petra Köpping: „Integriert doch erstmal uns!“ Köpping ist SPD-Mitglied und Integrations- und Gleichstellungsministerin in Sachsen. Ideale Voraussetzungen also, um vollständig unbekannt zu sein. Mit dieser kurzen Streitschrift ist ihr aber ein absoluter Bestseller gelungen. Mit vielen bewegenden Portraits hilft sie vor allem dabei, die sozialen Kosten der brutalen Wirtschaftstransformation zu verstehen. Einer der wichtigsten Ursachen, warum wir heute wieder über die Treuhand reden. Hier findest du ein Radiointerview mit Köpping über ihr Buch.

  • Eine echte Perle: Die erste Ausgabe des Knicker, ein Heft des Katapult-Magazins, widmet sich der Treuhand. Unter anderem mit einer detaillierten Grafik, die zeigt welches DDR-Unternehmen wohin verkauft wurde. Hier kannst du es bestellen.

  • Wie es den ostdeutschen Tageszeitungen und Verlagen nach der Wende erging, habe ich ebenfalls recherchiert. Die Antwort ist beim Redigieren aus dem Text geflogen, ich möchte aber die unbegrenzten Möglichkeiten des Internets nutzen, um sie an dieser Stelle quasi als Bonusmaterial nachzureichen.

  • Online haben wir unsere eigene Berichterstattung in diesen Schwerpunkten gebündelt: Ostdeutschland verstehen und Mensch, Sachsen.

Literarische Lesetipps zum Verständnis Ostdeutschlands

  • Lutz Seiler: „Kruso“. Von der Ostsee-Insel Hideensee aus versuchten viele DDR-Bürger schwimmend nach Dänemark zu flüchten. Bis heute ist unklar, wie viele Menschen auf diese Weise starben und was mit ihnen weiter geschah. Seiler hat das Thema aufgegriffen und in einen schwindelerregend poetischen Roman verarbeitet. Packend.

  • Jürgen Fuchs: „Vernehmungsprotokolle“. Fuchs war Bürgerrechtler in der DDR. Ein Jahr lang wurde er im Stasi-Knast verhört und gefoltert. Fuchs schrieb im Kopf alles mit, was ihm geschah. Die kafkaesken Protokolle sind beeindruckend, und fühlen sich gruselig nah dran an Gesprächen mit Pegidisten.

  • Clemens Meyer: „Als wir träumten“. Falls du dich schon mal gefragt hast, was Teenager so getrieben haben, während alles um sie herum zerfiel und die Polizei noch keine neuen Uniformen hatte. Reite mit dem volltätowierten Jack Kerouac von Leipzig durch die Trümmer.

  • Ingo Schulze: „Simple Storys“. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz. Immer wenn ein junger Autor aus Ostdeutschland einmal ein paar gerade Sätze zusammenkriegt, wird er mit Ingo Schulze verglichen. Vergiss es. Es gibt nur einen Schulze und seine Kurzgeschichten sind die schönsten Zeitreisen.

  • Ines Geipel: „Umkämpfte Zone“. Geipel war Spitzensportlerin in der DDR, heute ist sie Professorin an der Filmhochschule Babelsberg. In diesem sehr persönlichen Roman geht es um ihre Familiengeschichte, um totalitäre Kontinuitäten in Osteutschland bis in die heutige Zeit, und den Hass. Begehrenswert erzählt. Wird dich zum Weinen bringen.


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Ostdeutschland Verstehen – Das Buch

Redaktion und Schlussredaktion: Bent Freiwald; Bildredaktion: Martin Gommel.