„Ed, are you all right?“
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„Ed, are you all right?“

Hätte ich bloß dem Duell zugestimmt, mag sich David Cameron gesagt haben, als er sich stattdessen gestern Abend vom Moderator Jeremy Paxman grillen lassen musste. Auch Oppositionschef Ed Miliband erging es nicht besser. Das Beste an den Interviews waren die Fragen. Darum haben wir die Antworten mal weggelassen. (Wer Wert auf sie legt, möge sich das Video am Ende anschauen.)

Profilbild von Sebastian Esser
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JEREMY PAXMAN: David Cameron, wissen Sie wie viele Lebensmitteltafeln es gab, als Sie an die Macht kamen?

JP: Es gab 66 als Sie übernommen haben, jetzt sind es 421. Insgesamt 900.000 Menschen nahmen Lebensmittelpakete an – kostenlos. Sie redeten über das „kaputte Großbritannien“ und dass Sie es reparieren wollten. Das haben Sie nicht – es ist jetzt noch kaputter als zuvor.

JP: Ist der Anstieg der Zahl der Suppenküchen ein Zeichen für Erfolg?

JP: Ist es akzeptabel, wenn es in einem reichen Land wie unserem eine Anzahl Menschen gibt, die auf kostenlose Essensspenden angewiesen sind?

JP: Wie viele dieser Arbeitsplätze haben Null-Stunden-Verträge (Tagelöhnerverträge)?

JP: Könnten Sie von einem Null-Stunden-Vertrag leben?

JP: Das hat niemand gesagt. Ich habe das nicht gesagt. Ich sage, dass es 700.000 Arbeiter mit Null-Stunden-Verträgen gibt. Könnten Sie von einem solchen Vertrag leben?

JP: Ein Beispiel: Ein Kollege von mir sprach heute morgen mit einem Mann aus dem Nordosten, Patrick. Er läuft vier Stunden von und zur Arbeit. Wenn er dort ankommt, weiß er nicht, ob er nun eine, zwei oder, wenn er Glück hat, mehrere Stunden arbeiten kann. Dann muss er wieder nach Hause laufen. Er bekommt 6,75 Pfund (ca. 9,25 Euro) pro Stunde und arbeitet im Durchschnitt zwischen acht und zwölf Stunden pro Woche. Ist das genug zum Leben?

JP: Sie könnten nicht von einem Null-Stunden-Vertrag leben. Das ist eine der Tatsachen, die die Leute an Ihnen problematisch finden. Und ich werde hier jetzt mal kurz persönlich, wenn ich darf.

JP: Ist es nicht so, dass Sie, zum Beispiel, einen Mann berufen würden, der als Minister in Ihrem Kabinett Steuerhinterziehung ‘beaufsichtigt’ hat – noch ein Reicher? Dass Sie einen reichen Zeitungsredakteur, dessen Zeitung Telefone von Bürgern hackte, ins Zentrum der Regierung berufen würden? Dass Sie sich entschieden haben, einen reichen Fernsehmoderator zu verteidigen, der einen Kollegen geschlagen hat? Was haben Sie mit allen diesen sehr reichen Menschen gemeinsam?

JP: Haben Sie ihn gefragt?

JP: Dann sprechen wir eben über die Wirtschaft. Neben dem ‘kaputten Großbritannien’ war einer ihrer Wahlslogans bei der letzten Wahl, dass das Land in Schulden versinkt. „Überfordert“ war das Wort, das Sie benutzten. Wie viel Geld haben Sie geliehen?

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JP: Wie viel Geld haben Sie geliehen?

JP: Wissen Sie, wie viel?

JP: Kennen Sie die Zahl?

JP: Es sind läppische 500 Milliarden Pfund (ca. 685 Milliarden Euro).

JP: Das ist mehr als die Regierung vor Ihnen geliehen hat.

JP: Ich will auf den offensichtlichen Unterschied hinaus zwischen dem, was gesagt und dem, was getan wurde. Aber sprechen wir über etwas anderes, zum Beispiel Einwanderung. Bei der letzten Wahl hatten Sie versprochen, die Einwanderung wieder auf den Stand der frühen 90er Jahren zu drücken, zehntausende pro Jahr. Wissen Sie, wie viele Menschen Sie tatsächlich reingelassen haben?

JP: Nein, ist er nicht. Sie haben versagt.

JP: Das haben Sie so letztes Mal nicht gesagt. Das haben Sie so letztes Mal nicht gesagt. Sie sagten, Zitat: „Ohne Wenn und Aber, wir versprechen dem britischen Volk, dass wir die Einwanderung zurück auf das Niveau der frühen 90er Jahre bringen.“ Das haben Sie nicht gemacht.

JP: Ohne Wenn und Aber – ein Versprechen.

JP: Sie sehen aber ein, dass sie Ihr Versprechen nicht gehalten haben?

JP: Richtig, Sie haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, das Sie nicht nur wegen dieser, sondern auch wegen einer anderen Sache haben. Sie sagten es damals und haben es diese Woche – gestern glaube ich – wiederholt, und zwar, dass es keinen Anstieg der Mehrwertsteuer geben wird. Genau das gleiche haben Sie vor der letzten Wahl gesagt: Es gibt keine Pläne, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Zweimal haben Sie mir das vor der Wahl ins Gesicht gesagt. Und dann, sobald Sie an die Macht waren, haben Sie die Mehrwertsteuer erhöht.

JP: Aber nochmal: Sie haben eine Sache gesagt und eine andere gemacht.

JP: Sie sagten, dass sie nicht vorhaben, die Mehrwertsteuer zu erhöhen.

JP: Ganz im Geist der Transparenz: Können Sie uns sagen, woher die 12 Milliarden Pfund (ca. 16,5 Milliarden Euro) in Sozialleistungseinschnitten kommen sollen?

JP: Zehn Milliarden, die Sie noch erklären müssen.

JP: Wissen Sie, wo die Einsparungen herkommen?

JP: Ich will nicht unhöflich sein, aber wissen Sie es und sagen es uns nicht, oder wissen Sie es nicht?

JP: Das wird nicht wirklich zehn Millionen einbringen, oder?

JP: Sie reden von Transparenz und sagen uns aber nicht, was Sie vorhaben. Lassen Sie mich Ihnen eine einfache Frage über ein anderes Thema stellen, über Außenpolitik, weil uns die Zeit knapp wird. Was war Ihrer Meinung nach unser größtes außenpolitisches Desaster?

JP: Was war Ihr größter Rückschlag?

JP: Bereuen Sie es, dass Sie nach Libyen gefahren sind und versprochen haben – Sie haben es versprochen, Sie haben das Wort „Versprechen“ benutzt – dass die britische und französische Bevölkerung bei Demokratie- und Wiederaufbau des Landes Libyen beistehen würde. Das waren Ihre Worte. Bereuen Sie das? Sie haben gegenwärtig noch nicht mal eine Botschaft in Libyen.

JP: Christen werden am Strand geköpft.

JP: Kann ich Ihnen eine schnelle Frage zu Europa stellen? Was wäre nötig, damit Sie in einer Abstimmung zur künftigen britischen Involvierung in der Europäischen Union mit Nein stimmen?

JP: Im Umkehrschluss heißt das also, dass unsere aktuelle Mitgliedschaft untragbar ist.

JP: Ein letzter Punkt. Sie sagten, dass Sie nicht ein drittes Mal kandidieren. Das heißt, dass eine Stimme für Cameron eine Stimme für Cameron als Vorsitzender seiner Partei und Premierminister für vielleicht zwei, drei, vier Jahre ist, sollten Sie erfolgreich sein. Danach kommt Boris Johnson oder George Osborne oder Theresa May oder Sajid Javid oder Onkel Tom Cobbley.

JP: David Cameron, vielen Dank.


JEREMY PAXMAN: Bei mir sitzt nun der Labour-Vorsitzende Ed Miliband. Ed Miliband, ist Großbritannien Ihrer Ansicht nach voll?

JP: Sie sind geübt darin, falsche Versprechen über Einwanderung zu machen, stimmt’s?

JP: Sie lagen komplett daneben.

JP: Ihre Berechnungen waren eine Farce.

JP: Angenommen, wir sind bei 70 Millionen in zehn oder 15 Jahren, bevölkerungstechnisch in diesem Land – ist das tragbar?

JP: Also keine Zahlen?

JP: 75 Millionen, 80 Millionen, 95 Millionen, 100 Millionen?

JP: Ich habe die EU doch gar nicht erwähnt.

JP: Sie erfinden die Fragen selbst.

JP: Ich frage lediglich, ob Sie denken, dass es eine natürliche Grenze bei der Bevölkerungszahl dieses Landes gibt.

JP: Sie denken nicht, dass es eine natürliche Grenze gibt?

JP: Sie behalten das für sich?

JP: Es sieht also so aus, als gäbe es für Sie keine Zahl, die Sie bereit sind der Bevölkerung zu nennen?

JP: Ich nehme an, Sie haben darüber nachgedacht.

JP: Es gibt also keine begrenzte Zahl. Jetzt haben Sie ja schon zugegeben, dass sich Ihre Partei, als sie zuletzt an der Macht war, bei der Einwanderung komplett verrechnet hat. Sie haben Zahlen zwischen 5.000 bis 13.000 Einwanderern pro Jahr 2004 durch die Expansion der EU vorhergesagt. Aber tatsächlich kamen ungefähr 400.000 Menschen zu uns. Das entspricht der Einwohnerzahl Maltas. Was hat die Regierung von damals noch falsch gemacht, als sie an der Macht waren?

JP: Haben Sie zu viel Geld geliehen?

JP: Haben Sie zu viel Geld geliehen?

JP: Sie haben zu viele Schulden gemacht.

JP: Haben Sie zu viel ausgegeben?

JP: Come on, die waren manchmal nicht so gut, wie sie hätten sein sollen?

JP: Das ist ein sehr wichtiges Thema, deshalb ist es umso wichtiger einige Details zu kennen.

JP: Sie tun es schon wieder. Sie fragen sich selbst eine Frage, die ich nicht gestellt habe. Meine Frage war, ob Sie zu viel Geld geliehen haben. Sie sagen, nein, ich glaube nicht, dass ich zu viel geliehen habe. Haben Sie zu viel ausgegeben?

JP: Ich versuche Ihre Position anhand der Fragen, die Ihnen gestellt wurden, zusammenzufassen, und nicht anhand derer, die Sie sich selbst gestellt haben.

JP: Ja, machen wir das. Machen wir das. Sprechen wir über die Zukunft, weil nahezu jede einzelne Ihrer Wirtschaftsprognosen in dieser Legislaturperiode falsch war, oder nicht? Sie prognostizierten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, Sie prognostizierten, dass die Löhne sinken würden. Ich meine mich zu erinnern, dass sie einen Inflationsanstieg voraussagten, aber die Inflation ist jetzt bei null.

JP: Sie sagten auch, dass Arbeitslosigkeit …

JP: Ich sagte, dass Ihre Prognosen falsch waren.

JP: Behaupten Sie, dass Sie bei der Arbeitslosigkeit richtig lagen?

JP: Ich habe Sie zu drei Dingen befragt, ich habe drei Themen genannt: Arbeitslosigkeit, Löhne und Inflation.

JP: Was würden Sie kürzen?

JP: Was bedeutet das?

JP: Was Tony Blair gemacht hat, bleibt Tony Blairs Angelegenheit, oder nicht?

JP: Werden die Gesamtausgaben steigen?

JP: Also würden Sie mehr Geld als die Tories leihen?

JP: Ja, ich spreche von den Gesamtausgaben. Die Gesamtausgaben würden nicht steigen, sie würden fallen …

JP: Wahrscheinlich?

JP: Wahrscheinlich klingt ein bisschen nach Ausrede, oder nicht?

JP: Okay, ich bin offensichtlich verwirrt über Ihre Grundsätze. Nehmen wir die Energiepolitik. Sie glaubten einmal daran, dass Umweltschutz mit höheren Stromrechnungen verbessert werden kann. Jetzt wollen Sie billigere Stromrechnungen, Sie glauben, dass günstigeres Öl und Gas für die Leute irgendwie zu einer Verbesserung der Umwelt führt.

JP: Es war eine Abgabe.

JP: Helfen Sie uns doch mit einem anderen Ihrer Grundsätze, der sogenannten Schlosssteuer. Laut Ihres Vorsitzenden in Schottland ist das eine Maßnahme, um Geld vom Südosten Englands nach Schottland umzuwälzen. Das hat er gesagt.

JP: Er hat ausdrücklich gesagt, dass es in Schottland nicht genügend Immobilien gibt, um eine Steuer zu erheben, die die schottische Version des nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) decken kann. Es ist eine Methode, südostenglisches Geld in Schottland auszugeben.

JP: Was sagen Sie zu Alex Salmonds anderen Sorten von Blutgeld, die er aus England abführen oder ausschließen will? Was sagen Sie zum Beispiel zu dem Versprechen, Trident nicht wieder in Betrieb zu nehmen und es vielleicht aus Schottland zu verlegen, wären Sie dabei?

JP: Nein, würden Sie nicht. Was ist Ihre Haltung bezüglich des Beginns der Schnellzugtrasse durch Schottland, genauso wie es jetzt geplant ist?

JP: Sind Sie.

JP: Sind Sie. Sollten Sie eine Chance bekommen, eine Regierung zu bilden, werden Sie das tun oder nicht?

JP: Ich will das nicht entscheiden.

JP: Deuten Sie ernsthaft an, dass Sie eine absolute Mehrheit erhalten könnten?

JP: Korrekt. In diesem Fall wären Sie der Vorsitzende unseres Landes. Sie wissen, was die Leute über Sie sagen, weil es verletzend ist, aber Sie können dagegen nicht immun sein. Ein Typ in der U-Bahn hat letzte Woche zu mir gesagt, wenn Ed Miliband in einem Raum mit Wladimir Putin ist und sich die Tür schließt, und sich die Tür dann nach zwei Minuten öffnet, dann steht Wladmir Putin da und lacht, während Ed Miliband am Boden zerstört ist.

JP: Nein, war es nicht.

JP: Es ist unfair, aber Sie verstehen, worauf ich hinaus will: Die Leute denken nicht, dass Sie robust genug sind.

JP: Und sind Sie stolz darauf, was seitdem in Syrien passiert?

JP: Wie kommt also so ein Eindruck zustande? Wie kann es sein, dass sie weniger beliebt sind als Ihre Partei, dass Ihre eigenen Abgeordneten Sie als Klotz am Bein ansehen? Wie konnte das passieren?

JP: Sie lesen das doch sicher, es muss weh tun.

JP: Wenn also Simon Danczuk sagt, dass Sie eine Zumutung sind, dann ist Ihnen das nicht bewusst?

JP: Es wurde von einer Person im Publikum vorhin angemerkt, dass viele Leute, wenn sie an Sie und Ihre Bewerbung um die mächtigste Position im Land denken, insgeheim denken, wie schade es ist, dass Sie nicht Ihr Bruder sind.

JP: Ed Miliband, Ich danke Ihnen.

JP: Geht es Ihnen gut, Ed? Ist alles okay?


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Foto: Sky News Media