Highland Games: Zweite Runde für die Nationalisten
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Highland Games: Zweite Runde für die Nationalisten

Vor einem halben Jahr lehnte Schottland die Abspaltung vom Vereinten Königreich ab. Doch seitdem hat der Verlierer des Referendums, die separatistische schottische Nationalpartei, so viel Zulauf wie nie zuvor. Der SNP könnte sogar bei der britischen Unterhauswahl am 7. Mai eine entscheidende Rolle zufallen.

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„Zweite Runde für die Nationalisten“ ist der Hintergrund zur Reportage „Wie Schottland weiter von Unabhängigkeit träumt“.


Ihr erster großer Coup war auf der Zielgeraden gescheitert. Vor einem halben Jahr war es eine Überraschung, wie deutlich Schottland eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ablehnte. Nur knapp 45 Prozent der Wähler stimmten mit Ja, obwohl das Yes-Lager um die Scottish National Party (SNP) noch wenige Tage zuvor die Umfragen angeführt hatte. Nach dieser Schlappe trat Schottlands Erster Minister Alex Salmond zurück; jetzt führt er seine Partei als Spitzenkandidat in die Unterhauswahl. Laut einer Prognose könnte die SNP am 7. Mai fast die Hälfte aller schottischen Stimmen erhalten; die Partei steht mittlerweile so gut da wie nie zuvor. Am Tag des Referendums hatten etwa 25.000 Menschen ein Parteibuch, drei Monate später waren es über 93.000. Somit gehören zwei Prozent der gesamten wahlberechtigten schottischen Bevölkerung der SNP an.

Die Unionisten in der Defensive

Schottland alleine ist mit seinen 59 von insgesamt 650 Mandaten im Unterhaus zwar nicht alles; der politische Ruck im Norden der Insel verschiebt jedoch die lange austarierten Gewichte. Die Liberaldemokraten fürchten um ihre Rolle als drittstärkste Kraft in Westminster. Sämtliche unionistischen Parteien finden sich in der Defensive wieder.

"Entlasst die Tories – stimmt mit Ja", steht immer noch auf einem Sticker in Glasgow.

“Entlasst die Tories – stimmt mit Ja”, steht immer noch auf einem Sticker in Glasgow. Foto: David Ehl

Von der SNP wegen ihrer gemeinsamen „Better Together“-Kampagne während des Referendums als „Vergiftete Allianz“ gebrandmarkt, verlieren nicht nur die Konservativen, sondern vor allem die Labour Party in Schottland an Boden. Geradezu hämisch klingt die Mitteilung der SNP, man habe tausende ehemalige Labour-Anhänger in die eigenen Reihen aufgenommen. Schottland war bisher zu großen Teilen eine Hochburg für die Labour Party; die linksliberale, separatistische SNP schickt sich jedoch an, die Wähler der Arbeiterpartei für sich zu beanspruchen. In Schottland könnten 200.000 ehemalige Labour-Wähler zu den Nationalisten abwandern. Innerhalb der Labour Party denken manche, dass viele Schotten die Unterhauswahl mit einem zweiten Referendum zur Unabhängigkeit verwechseln. „Das ist meine große Angst“, sagt auch Anne McTaggart. Die 45-Jährige sitzt für die Labour Party im schottischen Parlament in Edinburgh.

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„Wir fürchten, dass die SNP, wenn sie in Westminster einzieht, sich so destruktiv wie möglich verhält“, zitiert die schottische Zeitung „The Courier“ den einstigen „Better Together“-Aktivisten Victor Clements. Er hat in der Region Perthshire die Kampagne „Forward Together“ ins Leben gerufen. Sie empfiehlt unionistischen Parteien ein taktisches Wählerbündnis, um den SNP-Abgeordneten aus dem britischen Parlament abzuwählen. Sowohl Labour als auch die Konservativen haben sich bereits von den Vorschlägen von „Forward Together“ distanziert.

Eine schwache Labour nützt David Cameron

Die Frage, wie eine Partei zur Unabhängigkeit steht, ist im schottischen Wahlkampf emotional aufgeladen. Hier sind sich die beiden größten Parteien der Insel einig – ansonsten treten Konservative und Labour jedoch als Kontrahenten auf. Premierminister David Cameron und Herausforderer Ed Miliband gehen nicht zimperlich miteinander um. Die Konservativen fürchten eine gemeinsame Regierung von Labour und SNP – noch schlimmer wäre ihrer Ansicht nach nur noch die Beteiligung der Sinn Féin, die Nordirland in die Republik Irland zurückführen will.

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Dabei sind es ausgerechnet die Konservativen, die am Ende von einer starken SNP profitieren könnten: Während Labour an Stimmen verliert, halten die Konservativen sich stabil. Im Wahlkreis Dumfries and Galloway im Südwesten Schottlands scheint Labour-Kandidat Russell Brown laut lokalen Medien kaum mehr Chancen auf einen Wiedereinzug ins Unterhaus zu haben. Der konservative Finlay Carson sieht indes seine Stunde gekommen: „Labour hat nicht mehr die Stärke, die SNP in Dumfries und Galloway zurückzuhalten. Das können jetzt nur noch die schottischen Konservativen.“ Mit jedem Mandat, das Labour verliert, wird es für Herausforderer Ed Miliband schwerer, David Cameron als Premierminister abzulösen.

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Das britische Wahlsystem macht Umfragen zur Wahlabsicht sehr schwer: Das „First Past the Post“-System beruht auf dem Mehrheitswahlrecht, in dem sämtliche Abgeordnete in ihren Wahlkreisen direkt gewählt werden. Der Kandidat mit den meisten Stimmen fährt nach Westminster, alle übrigen Stimmen verfallen. So gilt es als unwahrscheinlich, dass etwa die rechtspopulistische und EU-kritische UKIP 15 Prozent der Mandate im House of Commons gewinnt, obwohl sie derzeit in einer YouGov-Umfrage bei 15 Prozent liegt.

Schottische Nationalisten als Königsmacher in London?

Die anstehenden Unterhauswahlen sind für Meinungsforscher so schwierig zu prognostizieren wie nie. Der kometenhafte Aufstieg der SNP hat das britische Drei-Parteien-System ins Wanken gebracht. Ein selbstbewusster Alex Salmond, dessen Karriere viele nach dem gescheiterten Referendum bereits für beendet hielten, will eine starke SNP-Fraktion nach Westminster führen. In der gegenwärtigen Legislaturperiode hält die SNP sechs der 59 schottischen Mandate, auf die Labour entfallen 41. Die britische Zeitung „The Guardian“ sieht diese Verhältnisse sich bereits umdrehen.

Die Prognosen für die schottischen Wahlkreise sehen die SNP meist über 40 Prozent; rechnerisch ist ein Wahlkreis mit 40 Prozent so gut wie gewonnen. Die linksliberale Partei, die in Edinburgh seit 2011 alleine regiert, könnte nun auch in London zum Königsmacher werden. Ihre Machtposition könnte bei einer möglichen Koalitionsbildung den Preis in die Höhe treiben, etwa in Bezug auf weiter gehende schottische Autonomierechte.

Das Öl und die Unabhängigkeit: Ein Argument, zwei Argumentationen

Ein vielbeanspruchtes Thema im Wahlkampf sind die Auswirkungen des niedrigen Ölpreises. Geht es um die Bedeutung der Branche für die schottische Wirtschaft, steht Aussage gegen Aussage: Labour hält das Öl für den Motor des schottischen Wohlstands, die SNP dagegen für ein verzichtbares Bonbon einer starken Volkswirtschaft.

Eine Straße im Hafenviertel von Aberdeen ist gesperrt. Hier ist ohnehin gerade weniger Verkehr als früher.

Eine Straße im Hafenviertel von Aberdeen ist gesperrt. Hier ist ohnehin gerade weniger Verkehr als früher. Foto: David Ehl

Mehr als 200.000 Schotten arbeiten laut Branchenverband Oil & Gas UK in der Ölbranche, also knapp acht Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Bei einem Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel seien 20 Prozent der britischen Ölproduktion unrentabel, auch bei 60 Dollar seien es noch 10 Prozent, so der Verband. Die Konzerne müssen Personal sparen, laut einer Sprecherin des Verbands geht die Anzahl der Entlassungen bereits in die Tausende. „Der Industrie stehen harte Zeiten bevor, und viele Konzerne treffen schwierige Entscheidungen.“ Die SNP hält derweil London vor, aus den Überschüssen vergangener Zeiten keinen Rücklagenfonds für die Ölindustrie gebildet zu haben.

Das neue Selbstbewusstsein der SNP

Die Londoner Anführer der großen Parteien – Konservative, Labour und Liberaldemokraten – versprachen in der Woche vor dem Referendum im gemeinsamen Papier „The Vow“ (dt. Der Schwur) weitere Autonomiezugeständnisse, sollte Schottland gegen die Unabhängigkeit votieren. Sie versprachen „umfangreiche neue Kompetenzen für das Parlament“, ohne diese jedoch konkret zu benennen. Viele Schotten hofften auf das sogenannte „Devo Max“-Konzept, die maximale Dezentralisierung, die Edinburgh die Entscheidungsgewalt über sämtliche Angelegenheiten bis auf Verteidigung und Außenpolitik übertragen würde. Das Papier erzielte den gewünschten Effekt, die Mehrheit der Schotten votierten gegen die Unabhängigkeit. Die Versprechen aus „The Vow“ mussten im nächsten Schritt zu konkreten Gesetzesempfehlungen ausgehandelt werden. Deshalb wurde unter der Leitung von Robert Baron Smith of Kelvin eine Kommission gegründet, der je zwei Mitglieder aller im schottischen Parlament vertretenen Parteien angehörten.

Linda Fabiani vertrat die Scottish National Party. Sie bekennt, sie sei im Nachhinein nicht zufrieden mit den Kompromissen, die sie selbst mit verhandelt hat; der Gesetzesentwurf in Westminster sei sogar noch schwächer. Umso wichtiger ist laut Fabianis Auffassung, dass am 7. Mai ein Parlament gewählt wird, das die weitere Aufweichung der Zugeständnisse aufhält.

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Die Parteienlandschaft in Schottland spaltet sich kantenscharf in Sezessionisten und Unionisten. Die alles bestimmende Frage sortiert die Größenverhältnisse der politischen Lager komplett neu. Während auf Seiten der Unionisten jedoch Konservative, Labour und Liberaldemokraten um die Stimmen buhlen, haben die Sezessionisten sich längst auf ihren Platzhirsch verständigt. Taktische Allianzen will die SNP nicht eingehen – das hat sie auch gar nicht nötig: „ Wir stellen in jedem Wahlkreis einen Kandidaten auf“, erklärt Linda Fabiani. Man würde jedoch Kandidaten anderer Parteien, die sich klar für die Unabhängigkeit positioniert hätten, ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren anbieten.

Über London in die Unabhängigkeit?

Die SNP blickt selbstbewusst in Richtung Unterhauswahlen: Am 7. Mai will sie in Schottland möglichst viele der 59 Wahlkreise gewinnen und damit das gescheiterte Referendum vom vergangenen September endgültig vergessen lassen. In der SNP unter Nicola Sturgeon erinnert nichts mehr daran, dass ihr Vorgänger Alex Salmond sein Ziel verfehlt hatte. Den Nationalisten ist es gelungen, zum politischen Sprachrohr der schottischen Unabhängigkeitsbewegung zu werden.

Ein halbes Jahr nach dem Referendum ist unmissverständlich: Das Thema ist nicht vom Tisch. Mit den beiden Abstimmungen über die britische Atom-U-Boot-Flotte, bei denen große Investitionen als wahrscheinlich gelten, könnte sich Schottland in der nächsten Legislaturperiode einmal mehr von London ignoriert fühlen. Wenn der Konservative David Cameron Premierminister bleibt und Großbritannien wie versprochen über einen möglichen EU-Austritt abstimmt – dann könnten die Rufe nach einem weiteren Schottland-Referendum schon bald wieder lauter werden. Die SNP verspricht bereits, sie würden nicht ungehört verhallen.


Aufmacherbild: Seit 2004 wird im Schottischen Parlament in Edinburgh Politik gemacht. Die allein regierende SNP will jetzt auch eine stärkere Rolle im Londoner Unterhaus spielen. (Foto: David Ehl)